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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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238 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

teriellen* Rechten heißen muß/sollte. In dieser Formulierung zielt Deregulierung (die aktuell<br />

noch eher +utopischen* Charakter hat) nicht auf die Vergrößerung von Autonomiefreiräumen<br />

(siehe das Modell von Voruba unten), son<strong>der</strong>n bedeutet primär die Aushöhlung und S<strong>in</strong>nent-<br />

leerung des (sozialen) Rechtsstaats. Indem nämlich e<strong>in</strong>e sozial bl<strong>in</strong>de Deregulierung den<br />

Rechtsstaat nicht nur entformalisiert son<strong>der</strong>n auch +entmaterialisiert*, erfolgt e<strong>in</strong>e Entrecht-<br />

(lich)ung, die zwar die wohlfahrtsstaatliche Kolonialisierung <strong>der</strong> Lebenswelt zurückschraubt,<br />

letzterer aber gleichzeitig die materiellen Ressourcen zu ihrer Entfaltung entzieht, was eventuell<br />

zu e<strong>in</strong>em noch drastischeren Legitimitätsentzug als im ersten Fall führt: E<strong>in</strong> Staat, <strong>der</strong> (zunächst)<br />

<strong>in</strong> die <strong>in</strong>dividuelle Lebenssphäre regulierend e<strong>in</strong>greift, als Ausgleich für diese (störende) Inter-<br />

vention aber zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> gewisses Maß an materieller Sicherheit gewährt, sich dann aber<br />

auf beiden Ebenen zurückzieht, ersche<strong>in</strong>t zwar nicht mehr als +Kolonisator*, son<strong>der</strong>n macht<br />

sich <strong>in</strong> den Augen <strong>der</strong> von diesem doppelten Rückzug Betroffenen gänzlich überflüssig. Die<br />

Praxis e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>artigen Deregulierung vernichtet also gleichzeitig die Freiheitsspielräume und<br />

Chancen, die sie eröffnet, und potenziert damit die soziale Frustration.<br />

Bei e<strong>in</strong>em vollkommen an<strong>der</strong>en Verständnis von Deregulierung setzt Georg Voruba an. Zunächst<br />

wendet er sich gegen die Verrechtlichungskritik von Ach<strong>in</strong>ger bis Habermas und betont: +Ver-<br />

rechtlichung im System sozialer Sicherung bedeutet die Möglichkeit des Rückgriffs auf soziale<br />

Dienst- und Geldleistungen <strong>in</strong> voraussehbarer Qualität und Höhe* (Autonomiegew<strong>in</strong>ne; S.<br />

172). Die auch se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung nach aktuell stattf<strong>in</strong>denden Entrechtlichungsprozesse<br />

unterm<strong>in</strong>ieren diese Erwartungssicherheit (vgl. ebd.; S. 172ff.). Entrechtlichung und Deregulierung<br />

s<strong>in</strong>d aber für ihn nicht gleichbedeutend, son<strong>der</strong>n Deregulierung und Verrechtlichung erweitern<br />

vielmehr auf je unterschiedliche Art die <strong>in</strong>dividuellen Handlungsspielräume – Verrechtlichung<br />

<strong>in</strong>dem sie, wie im Zitat betont, Erwartungssicherheit herstellt, und Deregulierung, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong>-<br />

schränkende Regulationen zurückgenommen werden. So kommt Voruba zu dem Resümee:<br />

+Entscheidend ist: Verrechtlichung und Deregulierung konvergieren <strong>in</strong> Autonomiegew<strong>in</strong>nen für <strong>in</strong>dividuelles<br />

Handeln. Allerd<strong>in</strong>gs wirken sie auf unterschiedliche Voraussetzungen von Handlungsfreiheit. Verrechtlichung<br />

vermehrt <strong>in</strong>dividuell nutzbare Handlungsressourcen, Deregulierung eröffnet Handlungsfel<strong>der</strong>.* (Ebd.; S.<br />

175)<br />

In diesem S<strong>in</strong>n verstanden wären Verrechtlichung und Deregulierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tat begrüßenswerte<br />

Entwicklungen. Lei<strong>der</strong> besteht im Augenblick me<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung nach aber e<strong>in</strong>e exakt gegen-

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