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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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234 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

des Systems zur Selbstregulation erhalten (vgl. ebd.; S. 141f.) – o<strong>der</strong> wie ich es ausdrücken<br />

möchte: Deflexion gel<strong>in</strong>gt nur dauerhaft, wenn reflexives Potential ernst genommen und<br />

(re)<strong>in</strong>tegriert wird. Dann droht auch ke<strong>in</strong>e Entfremdung vom System – <strong>der</strong> zweiten +Gefahr*<br />

im Kontext von Verrechtlichungs- und Institutionalisierungsprozessen.<br />

Das Problem Entfremdung steht <strong>in</strong>soweit im direkten Zusammenhang mit dem Problem <strong>der</strong><br />

Starrheit des rechtlichen (und <strong>in</strong>stitutionellen) Formalismus, als es als se<strong>in</strong>e direkte Folge gedeutet<br />

werden kann. So betont schon Hans Ach<strong>in</strong>ger (im Kontext <strong>der</strong> Diskussion um den wohlfahrts-<br />

staatlichen Interventionismus), daß die juristischen Standardisierungen <strong>der</strong> Vielfalt <strong>der</strong> sozialen<br />

Problemlagen nicht gerecht werden können, und stellt fest: +Das Recht entfremdet die Partner<br />

des sozialpolitischen Geschäfts.* (Sozialpolitik als Gesellschaftspolitik; S. 88)<br />

Ach<strong>in</strong>ger nimmt damit (se<strong>in</strong> Text stammt aus dem Jahr 1971) zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> Element <strong>der</strong><br />

55<br />

Verrechtlichungskritik von Habermas vorweg, <strong>der</strong> allerd<strong>in</strong>gs mit se<strong>in</strong>en Thesen zur +Koloniali-<br />

sierung <strong>der</strong> Lebenswelt* durch das Recht im Rahmen se<strong>in</strong>er +Theorie des kommunikativen<br />

Handelns* (1981) noch e<strong>in</strong>en Schritt weiter geht: Wie bereits <strong>in</strong> Abschnitt 2.2 kurz dargestellt<br />

(siehe S. 102) folgt für Habermas aus dem <strong>in</strong>terventionistischen Übergreifen des Systems auf<br />

die Lebenswelt durch sozialstaatliche Rechtsnormen und bürokratische +Fürsorge*-Organisationen<br />

e<strong>in</strong> problematischer E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die lebensweltliche +Autonomie*. Denn um bürokratisch-rechtlich<br />

bearbeitet werden zu können, müssen <strong>in</strong> konkrete Lebensgeschichten und Lebensformen<br />

e<strong>in</strong>gebettete Situationen e<strong>in</strong>er +gewalttätigen Abstraktion* unterworfen werden, womit häufig<br />

das genaue das Gegenteil <strong>der</strong> durch die Intervention erhofften sozialen Integration erreicht<br />

wird (vgl. Band 2, S. 532ff.) – zumal <strong>der</strong> soziale Rechtsstaat zusätzlich durch e<strong>in</strong> weiteres<br />

Dilemma geprägt ist:<br />

+Bei allen gesetzlichen Lösungen im e<strong>in</strong>zelnen zeigt sich nämlich sofort, daß <strong>der</strong> soziale Rechtsstaat nicht<br />

nur jeweils <strong>in</strong> sich unlösbare und ihn daher überfor<strong>der</strong>nde Aufgaben übernommen hat, son<strong>der</strong>n daß<br />

sich se<strong>in</strong>e Anstrengungen zusätzlich dadurch paralysieren, daß e<strong>in</strong> Fortschritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Richtung durch<br />

e<strong>in</strong>en Rückschritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Richtung erkauft wird. Die Mittel, die er benötigt, um se<strong>in</strong>er sozialen<br />

Garantenstellung gerecht zu werden, kann er sich meist nicht verschaffen, ohne daß Kollisionen mit an<strong>der</strong>en<br />

Grundrechten (Eigentum, Gleichbehandlung usw.) auftreten […] Der Klassengegensatz ist also nicht gelöst,<br />

son<strong>der</strong>n verewigt sich <strong>in</strong> fortlaufen<strong>der</strong> Verrechtlichung.* (Bock: Recht ohne Mass; S. 231f.).<br />

Die Lebenswelt steht folglich unter e<strong>in</strong>em dauernden und zunehmenden <strong>in</strong>stitutionell-rechtlichen<br />

+Anpassungsdruck*, auf den zuweilen +unwillig* reagiert wird. Die sich <strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>sprüchen

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