Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
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222 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE einer +globaleren* Perspektive beinhaltet sie jedoch genau dieselben Widersprüche, wie die nationale Strategie – denn es ist egal, wie groß bzw. klein und +homogen* die politischen Räume sind, die in Konkurrenz zueinander treten. Immer wird die Folge einer solchen, an die kapitalistische Wettbewerbslogik angepaßten Konkurrenz ein Verlust an politischen Freiräumen sein. Das Lokale hätte nur dann eine wirkliche Chance, wenn es sich vorher global vernetzt, also die Lokalisierungsstrategie im Kontext eines +föderativen* Expansionsmodells angewandt wird. Interessanter und (theoretisch) +vielversprechender* als die Strategie der fragmentisierenden Lokalisierung ist die Strategie der Delokalisierung der Politik im virtuellen Staat – wenn sie auch ein eher unrealistisches Modell darstellt. Der virtuelle Staat ist, folgt man Richard Rosecrance, ein politisches Gebilde, bei dem sich auch die Politik – als Reaktion auf die sich entterritorialisierende Wirtschaft – nicht mehr auf das Territorium fixiert: +The virtual state is a country whose economy is reliant on mobile factors of production […] it houses virtual corporations and presides over foreign direct investment by its enterprises. But more than this, it encourages, stimulates, and […] coordinates such activities.* (The Rise of the Virtual State; S. 47) In dieser Formulierung ist der virtuelle Staat natürlich nicht viel mehr als der politische Erfül- lungsgehilfe einer globalen virtuellen Ökonomie, d.h. Rosecrance stellt ein (gleichermaßen) ökonomistisches Gegenmodell zum territorialen +Regionen-Staat* Ohmaes auf, der sogar gemäß seiner Selbsteinschätzung die Gefahr einer +zivilen Krise* impliziert (vgl. ebd.; S. 59f.). Aber es lassen sich auch andere Strukturen für virtuelle politische Gemeinschaften imaginieren, die weniger auf der bloßen politischen Doppelung ökonomischer Prozesse beruhen, als auf der Faktizität globaler interpersonaler Netzwerke: +The age-old international order, which was limited to territorial states, needs to be expanded to make room for nations that are not organized territorially into independent states. A non-territorial system of nations has in fact existed for much of history, though it was never given a formal expression by states jealous of their sovereign authority. It consists of nations bound across ties of kinship, sentiments, affinity, culture and loyalty.* (Gottlieb: Nations Without States; S. 105) Zur Konstitution solcher virtueller Nationen müßten die bestehenden territorialen Staatengrenzen nach Gottlieb nicht einmal aufgehoben werden. Die virtuellen Nationen sollen diese vielmehr
KAP. 3: DIE ANTINOMIEN +KLASSISCHER* POLITIK IN DER GLOBALEN RISIKOGESELLSCHAFT 223 nur politisch und kommunikationstechnisch transzendieren, während die alten staatlichen Territorialstrukturen parallel weiterexistieren. Freilich müßten die transnationalen virtuellen Gemeinschaften, um nicht bedeutungslos zu bleiben, auch mit gewissen +nationalen Rechten* ausgestattet sein (vgl. ebd.; S. 106). Es ist allerdings fraglich, ob die Staaten sich dazu bereitfinden würden, virtuelle Nationen mit solchen Rechten auszustatten. Um dieses Problem zu beseitigen, müßte man schon das Politische wirklich vom Territorium lösen (d.h. die Territorialstaaten abschaffen). Das ist natürlich ein noch unrealistischerer Vorschlag als der Gottliebs – vor allem, weil es unklar bliebe, wie sich die nur mehr virtuellen politischen Körper an die auch für sie notwendige materielle Basis ankoppeln könnten und wie sie ihre getroffenen politischen Entscheidungen durchsetzen sollten. Zudem wäre das eigentliche Dilemma der ökonomischen Globalisierung so auch nicht gelöst, denn rein virtuelle politische Gebilde stünden dem virtuellen wie dem realen ökonomischen Druck wahrscheinlich noch schwächer und hilfloser gegenüber als die aktuellen Territorialstaaten. Auf der anderen Seite ergäbe sich der Vorteil, daß sich im globalen virtuellen politischen Raum multidimensionale politische Landschaften problemlos(er) so abbilden ließen, wie sie in den Lebens(unter)welten bestehen. Denn die lebensweltliche Realität entspricht zweifellos nicht der zweidimensionalen territorialen Kartierung des bestehenden politischen 33 Systems, da im +privaten* Bereich vielfache Überlappungen bestehen. Nur: Die Delokalisierung der Politik im virtuellen politischen Raum ist, wie gesagt, ein +unrealistisches* Modell. Ebenso unrealistisch ist die Strategie der globalen Subpolitisierung, die andererseits, wenn sie gelänge, tatsächlich eine erfolgversprechende Antwort auf ökonomische Globalisierung darstellen könnte. Im Prinzip ist sie eine Variante des Expansionsmodells, jedoch mit einem gewichtigen Unterschied: Sie beruht gerade nicht – wie letztlich auch von Ulrich Beck, dem eigentlichen Schöpfer Begriffs, mit seinem Konzept des +Transnationalstaats* vorgeschlagen (siehe Anmerkung 19) – auf der evolutionären Transnationalisierung der nur subpolitisch ergänzten institutionellen Politik, sondern gerade auf der wirklichen Substitution der +großen Politik* durch globale subpolitische Strukturen. Globale Subpolitisierung im hier von mir vorgeschlagenen Sinn stellt also gewissermaßen eine +revolutionäre* Transformation der globalen politischen Ordnung dar: (Lokale) subpolitische Bewegungen, die schließlich auch gemäß Beck häufig +effektvoller* agieren als staatliche Institutionen (vgl. Was ist Globalisierung?; S. 175f.), vernetzen sich global, bilden ein Widerstandsnetz aus gegen die sozialen wie ökolo-
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KAP. 3: DIE ANTINOMIEN +KLASSISCHER* POLITIK IN DER GLOBALEN RISIKOGESELLSCHAFT 223<br />
nur politisch und kommunikationstechnisch transzendieren, während die alten staatlichen<br />
Territorialstrukturen parallel weiterexistieren. Freilich müßten die transnationalen virtuellen<br />
Geme<strong>in</strong>schaften, um nicht bedeutungslos zu bleiben, auch mit gewissen +nationalen Rechten*<br />
ausgestattet se<strong>in</strong> (vgl. ebd.; S. 106).<br />
Es ist allerd<strong>in</strong>gs fraglich, ob die Staaten sich dazu bereitf<strong>in</strong>den würden, virtuelle Nationen<br />
mit solchen Rechten auszustatten. Um dieses Problem zu beseitigen, müßte man schon das<br />
Politische wirklich vom Territorium lösen (d.h. die Territorialstaaten abschaffen). Das ist natürlich<br />
e<strong>in</strong> noch unrealistischerer Vorschlag als <strong>der</strong> Gottliebs – vor allem, weil es unklar bliebe, wie<br />
sich die nur mehr virtuellen politischen Körper an die auch für sie notwendige materielle<br />
Basis ankoppeln könnten und wie sie ihre getroffenen politischen Entscheidungen durchsetzen<br />
sollten. Zudem wäre das eigentliche Dilemma <strong>der</strong> ökonomischen Globalisierung so auch<br />
nicht gelöst, denn re<strong>in</strong> virtuelle politische Gebilde stünden dem virtuellen wie dem realen<br />
ökonomischen Druck wahrsche<strong>in</strong>lich noch schwächer und hilfloser gegenüber als die aktuellen<br />
Territorialstaaten. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ergäbe sich <strong>der</strong> Vorteil, daß sich im globalen virtuellen<br />
politischen Raum multidimensionale politische Landschaften problemlos(er) so abbilden ließen,<br />
wie sie <strong>in</strong> den Lebens(unter)welten bestehen. Denn die lebensweltliche Realität entspricht<br />
zweifellos nicht <strong>der</strong> zweidimensionalen territorialen Kartierung des bestehenden politischen<br />
33<br />
Systems, da im +privaten* Bereich vielfache Überlappungen bestehen. Nur: Die Delokalisierung<br />
<strong>der</strong> <strong>Politik</strong> im virtuellen politischen Raum ist, wie gesagt, e<strong>in</strong> +unrealistisches* Modell.<br />
Ebenso unrealistisch ist die Strategie <strong>der</strong> globalen Subpolitisierung, die an<strong>der</strong>erseits, wenn<br />
sie gelänge, tatsächlich e<strong>in</strong>e erfolgversprechende Antwort auf ökonomische Globalisierung<br />
darstellen könnte. Im Pr<strong>in</strong>zip ist sie e<strong>in</strong>e Variante des Expansionsmodells, jedoch mit e<strong>in</strong>em<br />
gewichtigen Unterschied: Sie beruht gerade nicht – wie letztlich auch von Ulrich Beck, dem<br />
eigentlichen Schöpfer Begriffs, mit se<strong>in</strong>em Konzept des +Transnationalstaats* vorgeschlagen<br />
(siehe Anmerkung 19) – auf <strong>der</strong> evolutionären Transnationalisierung <strong>der</strong> nur subpolitisch<br />
ergänzten <strong>in</strong>stitutionellen <strong>Politik</strong>, son<strong>der</strong>n gerade auf <strong>der</strong> wirklichen Substitution <strong>der</strong> +großen<br />
<strong>Politik</strong>* durch globale subpolitische Strukturen. Globale Subpolitisierung im hier von mir<br />
vorgeschlagenen S<strong>in</strong>n stellt also gewissermaßen e<strong>in</strong>e +revolutionäre* Transformation <strong>der</strong> globalen<br />
politischen Ordnung dar: (Lokale) subpolitische Bewegungen, die schließlich auch gemäß<br />
Beck häufig +effektvoller* agieren als staatliche Institutionen (vgl. Was ist Globalisierung?;<br />
S. 175f.), vernetzen sich global, bilden e<strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>standsnetz aus gegen die sozialen wie ökolo-