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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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XXVIII POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

Doch dieser Emanzipationsprozeß verläuft nicht immer problemfrei und reibungslos: Zum<br />

e<strong>in</strong>en wird das K<strong>in</strong>d zwar körperlich, seelisch und geistig kräftiger. Dem Wachstum des Selbst<br />

s<strong>in</strong>d jedoch Grenzen gesetzt, +teils durch <strong>in</strong>dividuelle B<strong>in</strong>dungen, aber im wesentlichen durch<br />

die gesellschaftlichen Umstände* (ebd.; S. 27), wie Fromm bemerkt. Denn die Gesellschaft<br />

verlangt e<strong>in</strong> enormes Maß an Anpassung und Konformität von ihren Mitglie<strong>der</strong>n. Deshalb<br />

erzeugt <strong>der</strong> Verlust <strong>der</strong> primären B<strong>in</strong>dungen auch e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong> Ohnmacht und <strong>der</strong> Angst.<br />

Um diese zu überw<strong>in</strong>den, bleibt dem Individuum häufig nur e<strong>in</strong> Ausweg: das Aufgehen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Außenwelt, die Negierung des eigenen Ichs und die verzweifelte Suche nach dem Heil<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Unterwerfung.<br />

Auch <strong>der</strong> historische Individuationsprozeß ist ambivalent: +Je<strong>der</strong> Schritt <strong>in</strong> Richtung wachsen<strong>der</strong><br />

Individuation hat die Menschen mit neuen Unsicherheiten bedroht* (ebd.; S. 32). Zwar sieht<br />

auch Fromm die <strong>in</strong>dividuellen Freiheitsspielräume pr<strong>in</strong>zipiell gestiegen. Trotzdem bleibt er<br />

kritisch:<br />

+Wir haben das Gefühl, die Freiheit <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsäußerung sei <strong>der</strong> letzte Schritt auf dem Siegesmarsch<br />

<strong>der</strong> Freiheit. Dabei vergessen wir, daß die freie Me<strong>in</strong>ungsäußerung zwar e<strong>in</strong>en wichtigen Sieg im<br />

Kampf gegen alte Zwänge darstellt, daß <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>ne Mensch sich aber […] nicht die Fähigkeit erworben<br />

hat, auf orig<strong>in</strong>elle Weise (das heißt selbständig) zu denken […] Mit an<strong>der</strong>en Worten: Wir s<strong>in</strong>d von<br />

<strong>der</strong> Zunahme unserer Freiheit von Mächten außerhalb unserer selbst begeistert und s<strong>in</strong>d bl<strong>in</strong>d für<br />

unsere <strong>in</strong>neren Zwänge und Ängste […]* (Ebd.; S. 81)<br />

Diese Ängste beruhen auf e<strong>in</strong>em Gefühl <strong>der</strong> Isolation und (Selbst-)Entfremdung. Denn <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> kapitalistischen Gesellschaftsordnung, <strong>der</strong>en Durchsetzung nur vor<strong>der</strong>gründig e<strong>in</strong>e Befreiung<br />

des Individuums zur Folge hatte, bleibt <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne unfähig zur Bejahung <strong>der</strong> eigenen Person.<br />

Die herkömmliche Auffassung, daß <strong>der</strong> Mensch im Kapitalismus alles, was er tut, für sich<br />

selber tut, beruht nämlich laut Fromm auf e<strong>in</strong>er Fehl<strong>in</strong>terpretation: Während im Mittelalter<br />

das Kapital noch Diener des Menschen war, wurde es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Neuzeit endgültig zu se<strong>in</strong>em<br />

Herrn (vgl. ebd; S. 84f.).<br />

In <strong>der</strong> Gegenwart ist es vor allem Ulrich Beck, <strong>der</strong> auf den ambivalenten Prozeß <strong>der</strong> Indivi-<br />

dualisierung als Grundkategorie <strong>der</strong> Gesellschaftsanalyse aufmerksam macht, und se<strong>in</strong>e Position<br />

ist deshalb e<strong>in</strong> wichtiger Bezugspunkt <strong>der</strong> aktuellen Debatte, die allerd<strong>in</strong>gs – wo sie sich auf<br />

+Klassiker* rückbezieht – weniger an die oben nachgezeichneten Gedanken Fromms, als an<br />

Simmel und Durkheim anschließt. Da Becks Ansatz <strong>in</strong> dieser Arbeit an an<strong>der</strong>er Stelle noch

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