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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 205<br />

Zusammenfassend läßt sich also mit Klaus E<strong>der</strong> sagen: Die neuen sozialen Bewegungen s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong> ambivalentes Phänomen. Zum e<strong>in</strong>en stehen sie <strong>in</strong> Kont<strong>in</strong>uität zum (produktivistischen)<br />

Projekt <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne (als <strong>der</strong> Selbstassoziation <strong>der</strong> Bürger); zum an<strong>der</strong>en verkörpern sie e<strong>in</strong>en<br />

(anti-produktivistischen) Kont<strong>in</strong>uitätsbruch mit dem progressivistischen Ideal (vgl. Soziale Bewe-<br />

gung und kulturelle Evolution; S. 339f.). In dieser Ambivalenz halten sie die Mo<strong>der</strong>ne +offen*<br />

(vgl.; ebd.; S. 355) – und s<strong>in</strong>d gleichzeitig das Zeichen für e<strong>in</strong>en Bruch <strong>in</strong> <strong>der</strong> politischen<br />

Kultur, e<strong>in</strong>er Verschiebung h<strong>in</strong> zu postmateriellen Werten und <strong>der</strong> subpolitischen Infragestellung<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>stitutionalisierten <strong>Politik</strong>, die ihre Wurzel <strong>in</strong> <strong>der</strong> (reversiblen und ökonomisch dependenten)<br />

Dynamik von Individualisierungsprozessen hat. Der sich formierende Protest beruht dabei<br />

auch auf dem Bewußtse<strong>in</strong> für die globale (Risiko-)Dimension <strong>der</strong> reflexiven Mo<strong>der</strong>ne, wie<br />

vor allem Giddens und Beck (und an diesen anschließend Gottwies) dargelegt haben. Doch<br />

obwohl e<strong>in</strong>e Transnationalisierung von NGOs wie +Greenpeace* o<strong>der</strong> +amnesty <strong>in</strong>ternational*<br />

ausgemacht werden kann (siehe S. 95f.), ist <strong>der</strong> Nationalstaat und se<strong>in</strong> politisches System<br />

noch immer <strong>der</strong> primäre Protestadressat, weshalb Charles Tilly selbst für unsere Gegenwart<br />

im Zeichen <strong>der</strong> Globalisierung von +nationalen sozialen Bewegungen* spricht (vgl. Social Move-<br />

ments and National Politics; S. 304ff.). 290<br />

Dieser Protestadressat ist jedoch, um abschließend auf die <strong>in</strong>stitutionelle <strong>Politik</strong> zu sprechen<br />

zu kommen, durch die neuen sozialen Bewegungen <strong>in</strong> zweifacher H<strong>in</strong>sicht überfor<strong>der</strong>t: Erstens<br />

verweisen diese das +System* schon als solche auf se<strong>in</strong>e Unzulänglichkeiten und Begrenztheit.<br />

Aber auch auf ihre Botschaften hat man sich (zweitens) im <strong>in</strong>stitutionellen Kontext me<strong>in</strong>er<br />

Me<strong>in</strong>ung nach nicht genügend e<strong>in</strong>gelassen. Der subpolitische Protest wird deflektiert und<br />

291<br />

nicht reflektiert. Am +geschicktesten* reagiert die etablierte <strong>Politik</strong> dabei noch, wenn versucht<br />

wird, die Bewegungen zu umarmen (um sie zu erdrücken). Diese Taktik (die allerd<strong>in</strong>gs, wenn<br />

sie durchschaut wird, auch +nach h<strong>in</strong>ten losgehen* kann) konnte man z.B. bei den jüngsten<br />

Studentenprotesten beobachten, wo sich <strong>Politik</strong>er aller Parteien mit den Studenten und ihren<br />

Zielen solidarisch erklärten – ohne freilich konkret auf ihre For<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>zugehen (vgl.<br />

auch Weck: An die Arbeit!). In ähnlicher Weise absorptiv ist <strong>der</strong> Versuch, Themen (neuer)<br />

sozialer Bewegungen, wie z.B. Frieden o<strong>der</strong> Umweltschutz, (parteiprogrammatisch) zu besetzen,<br />

um das Protestpotential – allerd<strong>in</strong>gs re<strong>in</strong> symbolisch – zu re<strong>in</strong>tegrieren.<br />

Sehr häufig ist jedoch auch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e, weniger +geschickte* Reaktionsweise <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> zu<br />

beobachten: nämlich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz des staatlichen Gewaltmonopols (wenn z.B. Sitzblockaden

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