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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? XXVII<br />

sparnis zugrunde, so se<strong>in</strong> Hauptargument (vgl. ebd.; Kapitel VI). Simmel me<strong>in</strong>t damit, daß<br />

arbeitsteilige Organisation den e<strong>in</strong>zelnen von Denkarbeit wie physischer Arbeit entlastet, <strong>in</strong>dem<br />

er sich auf se<strong>in</strong>e konkrete Aufgabe konzentrieren kann.<br />

Diese kräftesparende Spezialisierung führt auf <strong>der</strong> Seite des Individuums zu e<strong>in</strong>er zunehmenden<br />

Individualisierung: Simmel geht nämlich davon aus, daß sich die Konformität e<strong>in</strong>er Gruppe<br />

durch Differenzierung tendenziell auflöst. Da dies für alle Gruppen gilt, nähern sich e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

zunächst unähnliche, <strong>in</strong> sich jedoch homogene Gesellschaften ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong> an (Universalisierung).<br />

Doch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Gruppe kommt es gleichzeitig zu e<strong>in</strong>em schärferen +Hervortreten<br />

<strong>der</strong> Individualität* (ebd.; S. 48), die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kosmopolitischeren E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> Individuen<br />

äußert (vgl. ebd; S. 52). Gerade durch stärker ausgeprägte Individualität entsteht so para-<br />

doxerweise e<strong>in</strong> Mehr an Gleichheit:<br />

+Ich glaube, daß die Vorstellung <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Gleichheit psychologisch durch nichts mehr geför<strong>der</strong>t<br />

werden kann, als durch e<strong>in</strong> scharfes Bewußtse<strong>in</strong> von dem Wesen und dem Werte <strong>der</strong> Individualität<br />

[…] gerade wenn je<strong>der</strong> etwas Beson<strong>der</strong>es ist, ist er <strong>in</strong>soweit jedem an<strong>der</strong>n gleich.* (Ebd.; S. 56)<br />

An<strong>der</strong>erseits besteht durch die Individualisierung die Gefahr <strong>der</strong> Schwächung des +socialen<br />

Bewußtse<strong>in</strong>s* durch Egoismus (vgl. ebd.; S. 59) – e<strong>in</strong>e These, die an Durkheims Anomietheorie<br />

er<strong>in</strong>nert.<br />

Erich Fromm (1900–1980) hat zwar nicht direkt den Begriff +Individualisierung* gebraucht.<br />

Wenn er aber von +Individuation* spricht, so ist etwas ähnliches (wenn auch nicht identisches)<br />

geme<strong>in</strong>t. Als Sozialpsychologe versteht Fromm unter Individuation nämlich e<strong>in</strong> Doppeltes:<br />

Zum e<strong>in</strong>en den Prozeß, den je<strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Lebensgeschichte durchlaufen muß,<br />

um e<strong>in</strong> selbständiges Individuum zu werden. Zum an<strong>der</strong>en ist <strong>der</strong> historische Prozeß <strong>der</strong><br />

Menschheitsentwicklung h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er immer größeren Freiheit des Individuums geme<strong>in</strong>t. Beide<br />

Aspekte des Individuationsbegriffs sollen im folgenden kurz beleuchtet werden: Die frühe<br />

K<strong>in</strong>dheit ist von starken sog. +primären B<strong>in</strong>dungen*, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Mutter-K<strong>in</strong>d-B<strong>in</strong>dung,<br />

geprägt. Soll aus dem K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e eigenständige Person werden, so muß es lernen, sich von<br />

diesen B<strong>in</strong>dungen zu lösen. Der Prozeß <strong>der</strong> Loslösung von den primären B<strong>in</strong>dungen wird<br />

normalerweise durch die Erziehung geför<strong>der</strong>t. Der Heranwachsende erfährt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge<br />

als e<strong>in</strong> auf sich selbst verwiesenes +Ich* und sucht vermehrt nach Freiheit und Unabhängigkeit.<br />

(Vgl. Die Furcht vor <strong>der</strong> Freiheit; S. 24–27)

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