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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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166 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

immer mehr abgeson<strong>der</strong>t hatte und so +die Spannungen zwischen den Ansprüchen <strong>der</strong> Zivili-<br />

sation und den Rechten <strong>der</strong> Natur* (ebd.; S. 32) durch e<strong>in</strong>e räumliche Trennung gelöst werden<br />

konnten. Aber noch e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Aspekt wird von ihm hervorgehoben: Aufgrund des enormen<br />

Wachstums verloren die städtischen Milieus jene Konkretheit, die ich für die Öffentlichkeit<br />

<strong>der</strong> Vormo<strong>der</strong>ne herausgestellt habe. Man mußte also Regeln für e<strong>in</strong>e hochgradig anonyme<br />

Interaktion f<strong>in</strong>den. Es entwickelte sich – und darauf hat, wie dargestellt, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch<br />

Elias h<strong>in</strong>gewiesen – e<strong>in</strong> stark kodifiziertes System von Umgangs- und Höflichkeitsregeln heraus.<br />

Zur Identifizierung <strong>der</strong> sozialen Position griff man dabei auf Merkmale wie Kleidung, Habitus<br />

und sprachlichen Ausdruck zurück (vgl. ebd.; S. 84–108).<br />

Die Bedeutung solcher äußerer Symbole war groß (weshalb man mit gutem Recht auch und<br />

gerade die bürgerliche Öffentlichkeit als +repräsentativ* bezeichnen könnte). Die E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gung<br />

persönlicher Gefühle spielte <strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Interaktion im +Ancien Régime* dagegen nach<br />

213<br />

Sennett kaum e<strong>in</strong>e Rolle. Diese +Anti-Intrazeption* wird für ihn sogar zum Maßstab <strong>in</strong>takter<br />

214<br />

Öffentlichkeit. Das öffentliche Individuum als gewissermaßen Ich- und emotionslose Persön-<br />

lichkeit, die beständig e<strong>in</strong>e Maske vor dem Selbst trägt, ist aber wohl kaum e<strong>in</strong>e Idealvorstellung.<br />

Und obwohl z.B. Christopher Lasch mit se<strong>in</strong>er Kritik an <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Narzißmus-Kultur<br />

im Pr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ähnliche Richtung weist, bemerkt er deshalb kritisch:<br />

+Die Tendenz e<strong>in</strong>er solchen Analyse geht dah<strong>in</strong>, den bürgerlichen Liberalismus als die e<strong>in</strong>zige kultivierte<br />

Form politischen Lebens […] zu überhöhen […] In se<strong>in</strong>em Eifer, zwischen öffentlicher und privater Sphäre<br />

wie<strong>der</strong> zu trennen, übersieht er [Sennett] außerdem, <strong>in</strong> welch vielfältiger Weise sie immer und überall<br />

verflochten s<strong>in</strong>d. Die Sozialisierung <strong>der</strong> Jugend reproduziert politische Herrschaft auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />

persönlichen Erfahrung. In unseren Tagen ist dieser E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Privatsphäre so umfassend geworden,<br />

daß es e<strong>in</strong> privates Leben kaum mehr gibt. Weil Sennett Ursache und Wirkung verwechselt, legt er die<br />

zeitgenössische Malaise dem E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gen des Persönlichen und Privaten <strong>in</strong> den öffentlichen Bereich zur<br />

Last […] In Wirklichkeit aber rührt die Betonung des Privaten ke<strong>in</strong>eswegs aus e<strong>in</strong>er starken Geltung <strong>der</strong><br />

Persönlichkeit, son<strong>der</strong>n aus ihrem Zusammenbruch.* (Das Zeitalter des Narzißmus; S. 50f.)<br />

Lassen wir die Richtigkeit von Laschs letztgenannter These e<strong>in</strong>mal dah<strong>in</strong>gestellt – se<strong>in</strong>e Kritik<br />

trifft im Kern zu. Und doch möchte ich, wie Sennett (und Habermas), tatsächlich für die<br />

Phase <strong>der</strong> Emanzipation des Bürgertums von e<strong>in</strong>er vergleichsweise stark politisierten Öffentlichkeit<br />

sprechen. Denn die von ihm dom<strong>in</strong>ierte Öffentlichkeit war das Medium zur Durchsetzung<br />

se<strong>in</strong>er Herrschaftansprüche und se<strong>in</strong>er ökonomischen Interessen.

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