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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 165<br />

Rückb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> an die Stimme <strong>der</strong> Öffentlichkeit, die zuvor schon <strong>in</strong> den neu gegrün-<br />

deten (bürgerlichen) Publikationsorganen ihr +Medium* fand, verbreitet und geformt wurde. 209<br />

Deshalb spricht Habermas auch von e<strong>in</strong>em +<strong>in</strong>stitutionellen Zusammenhang von Publikum,<br />

210<br />

Presse, Parteien und Parlament* (ebd.; S. 142). Dieser +öffentliche Komplex* diente ganz<br />

e<strong>in</strong>deutig <strong>der</strong> Durchsetzung <strong>der</strong> wirtschaftlichen und politischen Interessen des Bürgertums,<br />

das mit Exklusions-Instrumenten wie dem Zensuswahlrecht e<strong>in</strong>e Öffnung des politischen Raumes<br />

nach unten (vor allem h<strong>in</strong> zur Arbeiterschaft) zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n versuchte. Indirekter (doch umso<br />

effektiver) wirkten die bestehenden Bildungsschranken. Trotz dieser E<strong>in</strong>schränkungen enthält<br />

das Modell <strong>der</strong> bürgerlichen Öffentlichkeit für Habermas aber e<strong>in</strong> +utopisches* Moment:<br />

Denn obwohl faktisch auf den Kreis des Bürgertums selbst begrenzt, war bürgerliche Öffent-<br />

lichkeit (zum<strong>in</strong>dest dem Ideal nach) durch allgeme<strong>in</strong>e Zugänglichkeit gekennzeichnet, und<br />

obwohl Ausfluß des bürgerlichen Klassen<strong>in</strong>teresses, blieb öffentliche Me<strong>in</strong>ung (zum<strong>in</strong>dest<br />

gemäß ihrer Rhetorik) dem allgeme<strong>in</strong>en Wohl verpflichtet. (Vgl. ebd.; S. 148–160)<br />

Man könnte Habermas aufgrund dieser Sichtweise durchaus vorwerfen, daß er den Typus<br />

<strong>der</strong> bürgerlichen Öffentlichkeit idealisiert. Dies trifft zu e<strong>in</strong>em gewissen Grad auch zu. Doch<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Vorwort zur Neuauflage von 1990 distanziert er sich explizit von<br />

211<br />

e<strong>in</strong>er Überhöhung des Modells <strong>der</strong> bürgerlichen Öffentlichkeit. An<strong>der</strong>s Richard Sennett:<br />

Se<strong>in</strong> Lamento über den angeblichen aktuellen Verfall des öffentlichen Lebens gründet auf<br />

e<strong>in</strong>er ungebrochenen Glorifizierung <strong>der</strong> bürgerlichen öffentlichen Kultur des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

212<br />

Er begreift die großen Metropolen des +Ancien Régime* (auf die er sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Analyse<br />

konzentriert) als kosmopolitische Zentren des öffentlichen Lebens, was auch die stadtplanerischen<br />

Bemühungen <strong>der</strong> damaligen Zeit für ihn spiegeln:<br />

+Es war die Ära, <strong>in</strong> <strong>der</strong> große städtische Parks angelegt wurden und <strong>in</strong> <strong>der</strong> man erste Versuche unternahm,<br />

die Straßen für die speziellen Bedürfnisse des […] Fußgängers herzurichten. Es war die Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kaffee-<br />

häuser, später dann Cafés und <strong>Post</strong>gasthäuser zu gesellschaftlichen Mittelpunkten wurden.* (Verfall und<br />

Ende des öffentlichen Lebens; S. 31)<br />

In den erwähnten Kaffeehäusern blühte das Gespräch, sie waren Informationsbörsen und:<br />

+Um den Fluß <strong>der</strong> Informationen so offen wie möglich zu halten, wurden alle Rangunterschiede<br />

zeitweilig außer Kraft gesetzt* (ebd.; S. 102). Diese angeblich vorzuf<strong>in</strong>dende egalitäre Gesprächs-<br />

kultur war auch nach Sennett möglich geworden, weil sich die öffentliche Sphäre vom Privaten

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