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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? XXIII<br />

Ob diese Thesen Lenskis zutreffend s<strong>in</strong>d, sei dah<strong>in</strong>gestellt. Insbeson<strong>der</strong>e se<strong>in</strong>e Annahme e<strong>in</strong>es<br />

Umschwungs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ungleichheitsentwicklung halte ich für fragwürdig. Schließlich weisen<br />

empirische Befunde darauf h<strong>in</strong>, daß die Ungleichheitsrelationen trotz fortschreiten<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ni-<br />

sierung <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten konstant geblieben s<strong>in</strong>d (bzw. sich sogar wie<strong>der</strong> vergrößern), 28<br />

29<br />

was Ulrich Beck als +Fahrstuhleffekt* bezeichnet hat (vgl. Risikogesellschaft; S. 122). Nur<br />

die absolute Armut <strong>in</strong> den Industriestaaten hat sich verr<strong>in</strong>gert – und dies, so ist zu vermuten,<br />

zu e<strong>in</strong>em guten Teil auf Kosten <strong>der</strong> Armen <strong>in</strong> den +unterentwickelten* Län<strong>der</strong>n.<br />

Lei<strong>der</strong> kann aber <strong>der</strong> Dimension <strong>der</strong> sozialen Ungleichheit und ihrer Verknüpfung mit dem<br />

Prozeß <strong>der</strong> sozialen Differenzierung hier nicht die Aufmerksamkeit geschenkt werden, die<br />

sie eigentlich verdiente. Es ist nämlich <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> horizontalen Differenzierung,<br />

<strong>der</strong> an dieser Stelle – allerd<strong>in</strong>gs auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en sozialen Auswirkungen – thematisiert werden<br />

soll. Horizontale Differenzierung ist nun weitgehend identisch mit <strong>der</strong> Herausbildung von<br />

Arbeitsteilung. Schon Platon sah e<strong>in</strong>en Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Entwicklung<br />

und Arbeitsteilung (vgl. Politeia; Abschnitt 2.2.2). Die soziologische Standardschrift zu diesem<br />

Thema stammt jedoch aus dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t:<br />

Emil Durkheim (1858–1917) entwickelte 1893 e<strong>in</strong>e Theorie +Über die Teilung <strong>der</strong> sozialen<br />

Arbeit*, <strong>in</strong> <strong>der</strong> bereits e<strong>in</strong>e ambivalente Sichtweise zum Tragen kommt. Er betrachtete nämlich<br />

soziale Arbeitsteilung nicht als ausschließliches Phänomen +mo<strong>der</strong>ner* Gesellschaften. Doch<br />

erst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne rückte sie laut Durkheim <strong>in</strong>s allgeme<strong>in</strong>e Bewußtse<strong>in</strong>, entfaltete e<strong>in</strong>e immer<br />

größere Dynamik, und seit Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts bestand schließlich das Bemühen, sie<br />

theoretisch zu fassen. Adam Smith (1723–1790) beispielsweise hielt sie gar für die Grundlage<br />

des Volkswohlstandes (vgl. Der Wohlstand <strong>der</strong> Nationen; S. 9ff.). Die Bedeutung <strong>der</strong> Arbeits-<br />

teilung lag für Durkheim aber weniger <strong>in</strong> ihren ökonomisch positiven Auswirkungen, son<strong>der</strong>n<br />

+ihre wahre Funktion besteht dar<strong>in</strong>, zwischen zwei o<strong>der</strong> mehreren Personen e<strong>in</strong> Gefühl <strong>der</strong><br />

Solidarität herzustellen* (Über die Teilung <strong>der</strong> sozialen Arbeit; S. 96). Sie ist beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong><br />

höher entwickelten Gesellschaften die Hauptquelle des gesellschaftlichen Zusammenhalts<br />

(vgl. ebd.; S. 102f.). In früheren Gesellschaften konnte Solidarität nämlich noch gleichsam<br />

mechanisch vorausgesetzt werden und beruhte auf <strong>der</strong> Konformität des Bewußtse<strong>in</strong>s <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong> (vgl. ebd.; S. 146ff. u. S. 169ff.). Diese Konformität des<br />

Bewußtse<strong>in</strong>s hat sich mit <strong>der</strong> Zunahme <strong>der</strong> sozialen Differenzierung aufgelöst. Das bietet<br />

gleichzeitig die Chance e<strong>in</strong>er allerd<strong>in</strong>gs erst herzustellenden organischen Solidarität, wobei

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