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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 163<br />

sungen <strong>der</strong> Wohlhaben<strong>der</strong>en herrschte relativer Platzmangel. Deshalb stellt Mumford an an<strong>der</strong>er<br />

Stelle fest:<br />

+Will man die mittelalterliche Wohnung zusammenfassend schil<strong>der</strong>n, so kann man sagen, daß sie<br />

sich durch e<strong>in</strong>en allgeme<strong>in</strong>en Mangel an funktionell unterschiedenen Räumen auszeichnete. In den<br />

Städten wurde dieser Mangel an <strong>in</strong>nerer Differenzierung dadurch aufgewogen, daß häusliche Funktionen<br />

<strong>in</strong> öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen vollständiger entwickelt waren. Zwar gab es vielleicht im Haus ke<strong>in</strong>en<br />

Backofen, doch stand e<strong>in</strong> öffentlicher Backofen beim nächsten Bäcker zur Verfügung. Es gab wohl<br />

ke<strong>in</strong> privates Badezimmer, aber dafür e<strong>in</strong> städtisches Badehaus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe […] Liebesleute hatten<br />

vielleicht ke<strong>in</strong> eigenes Schlafzimmer, doch konnten sie dafür vor <strong>der</strong> Stadtmauer ›im Feld zwischen<br />

dem Roggen liegen‹.* (Ebd.; S. 334)<br />

Die öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen und Plätze dienten also als +Ersatzräume* für den fehlenden<br />

Privatraum. Doch sobald <strong>der</strong> Wohlstand sich mehrte, wollten die Menschen +für sich schlafen,<br />

für sich essen, für sich religiösen und gesellschaftlichen Pflichten nachkommen, schließlich<br />

auch für sich denken* (ebd.; S. 332). Die Vermengung von privatem Leben und öffentlicher<br />

Sphäre im Mittelalter war hauptsächlich aus <strong>der</strong> Not geboren.<br />

Habermas’ Schil<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> vormo<strong>der</strong>nen Öffentlichkeit ist freilich e<strong>in</strong>e etwas an<strong>der</strong>e. Zwar<br />

weist auch er darauf h<strong>in</strong>, daß es zum allgeme<strong>in</strong>en Gebrauch zur Verfügung stehende E<strong>in</strong>-<br />

richtungen wie öffentliche Brunnen gab. Er konzentriert sich bei se<strong>in</strong>er Betrachtung jedoch<br />

auf den Aspekt <strong>der</strong> Repräsentation, <strong>der</strong> für ihn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit <strong>der</strong> vormo<strong>der</strong>nen Welt<br />

das charakteristische Moment darstellt. Dabei geht er so weit, folgendes zu behaupten:<br />

+Öffentlichkeit als eigener, von e<strong>in</strong>er privaten Sphäre geschiedener Bereich läßt sich für die feudale<br />

Gesellschaft des hohen Mittelalters soziologisch, nämlich anhand <strong>in</strong>stitutioneller Kriterien, nicht<br />

nachweisen. Gleichwohl hießen die Attribute <strong>der</strong> Herrschaft, etwa das fürstliche Siegel, nicht zufällig<br />

›öffentlich‹ […] – es besteht nämlich e<strong>in</strong>e öffentliche Repräsentation von Herrschaft. Diese repräsentative<br />

Öffentlichkeit konstituiert sich nicht als e<strong>in</strong> sozialer Bereich, als e<strong>in</strong>e Sphäre <strong>der</strong> Öffentlichkeit, vielmehr<br />

ist sie […] so etwas wie e<strong>in</strong> Statusmerkmal […]* (Strukturwandel <strong>der</strong> Öffentlichkeit; S. 60f.)<br />

Diese Behauptung wird aber <strong>in</strong> gewisser Weise durch Habermas selbst wi<strong>der</strong>legt. Denn wenn<br />

es e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>stitutionell von <strong>der</strong> Privatsphäre geschiedenen Bereich nicht gegeben hätte, so<br />

hätte dieser sich schwerlich für die Repräsentation von Status und Macht (also als effektives<br />

Herrschafts<strong>in</strong>strument) nutzen lassen. Die Zurschaustellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit diente <strong>der</strong><br />

Aktualisierung <strong>der</strong> gesellschaftlichen Hierarchien im (visuellen) +öffentlichen Bewußtse<strong>in</strong>* und

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