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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 161<br />

Öffentlichkeit kann entsprechend als gigantisches Panoptikum aufgefaßt werden, mittels dessen<br />

die bestehenden sozialen Verhältnisse verfestigt und (praxologisch) ver<strong>in</strong>nerlicht werden. Der<br />

öffentliche Prozeß ist also zwiespältig. Er vermag e<strong>in</strong>erseits, wenn man Habermas folgen will,<br />

zwischen <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> Lebenswelt und <strong>der</strong> Sphäre <strong>der</strong> politischen Institutionen zu vermitteln.<br />

Zudem kann das Publikum, wie<strong>der</strong>um ganz gemäß Luhmann, wenn es sich se<strong>in</strong> eigenes<br />

Rollenverhalten bewußt macht (d.h.: beobachtet), e<strong>in</strong> kritisches Verständnis für den Schauspiel-<br />

charakter des öffentlichen Handelns erlangen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wird aber das Individuum<br />

gerade durch das (tägliche) Agieren <strong>in</strong> <strong>der</strong> (alltagsweltlichen) Öffentlichkeit im S<strong>in</strong>n des<br />

gesellschaftlichen Funktionierens umgeformt.<br />

Im Rahmen dieser grundsätzlichen Ambivalenz läßt sich nun allerd<strong>in</strong>gs von e<strong>in</strong>em historischen<br />

+Strukturwandel <strong>der</strong> Öffentlichkeit* (Habermas 1962) sprechen. An<strong>der</strong>s als Habermas (siehe<br />

auch S. XVII), möchte ich mich aber nicht auf den Wandel von <strong>der</strong> +repräsentativen* zur<br />

bürgerlichen Öffentlichkeit beschränken, son<strong>der</strong>n unterscheide (idealtypisch) vier Stufen: die<br />

konkrete und +unbelastete* Öffentlichkeit <strong>der</strong> vormo<strong>der</strong>nen Welt, die politisierte und kodifizierte<br />

Öffentlichkeit <strong>der</strong> Aufklärung, die anonyme, <strong>in</strong>vasive und hierarchisierte Öffentlichkeit <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>dustriellen Massengesellschaft und die diffuse, fragmentisierte und <strong>in</strong>teraktive Öffentlichkeit<br />

<strong>der</strong> multimedialen Kommunikations- und Wissensgesellschaft. Diese vier Stufen möchte ich<br />

im folgenden (mit Blick auf das <strong>Politik</strong>system) näher charakterisieren:<br />

• Die konkrete und +unbelastete* Öffentlichkeit <strong>der</strong> vormo<strong>der</strong>nen Welt: Die Öffentlichkeit<br />

<strong>der</strong> vormo<strong>der</strong>nen Welt hatte ganz überwiegend den Charakter des Konkreten. Sie war durch<br />

die aktuelle Gegenwart e<strong>in</strong>es an<strong>der</strong>en gekennzeichnet, <strong>der</strong> im Normalfall auch ke<strong>in</strong> Frem<strong>der</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Person aus dem unmittelbaren Lebensumfeld war: Nachbar, Mitbewohner des<br />

206<br />

Dorfes o<strong>der</strong> Stadtviertels, Freund, Fe<strong>in</strong>d, Verwandter, Bekannter. Es handelte sich also<br />

bei den öffentlichen Handlungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel um face-to-face-Interaktionen, die zudem <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em klar def<strong>in</strong>ierten öffentlichen Raum stattfanden. Dieser öffentliche Raum war <strong>der</strong> Platz<br />

um den Dorfbrunnen, das Geme<strong>in</strong>dehaus, das Badehaus o<strong>der</strong> die Kirche etc. Interessant<br />

ist, daß gerade <strong>der</strong> vielleicht wichtigste öffentliche Raum, <strong>der</strong> Marktplatz, dem Umschlag<br />

des Privatbesitzes und se<strong>in</strong>er Mehrung diente. Das Öffentliche hatte also schon sehr früh<br />

207<br />

e<strong>in</strong>e Funktion gerade für die Erfüllung privater Interessen und Bedürfnisse. Es wird sich<br />

noch zeigen, daß dies <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die mittelalterliche Stadt gilt.

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