09.12.2012 Aufrufe

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

160 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

o<strong>der</strong> unbewußt anwendet* (S. 23), um sich den an<strong>der</strong>en mitzuteilen, sowie zweitens, daß<br />

<strong>der</strong> Darstellende das Bild, das er beim Publikum erzeugt, zu schönen versucht, <strong>in</strong>dem se<strong>in</strong>e<br />

Darstellung +dem Verständnis und den Erwartungen <strong>der</strong> Gesellschaft, vor <strong>der</strong> sie stattf<strong>in</strong>det,<br />

angepaßt wird* (ebd.; S. 35). Dazu bedarf es allerd<strong>in</strong>gs <strong>der</strong> Fähigkeit <strong>der</strong> Ausdruckskontrolle,<br />

denn <strong>der</strong> Darsteller im öffentlichen Raum +kann sich […] darauf verlassen, daß se<strong>in</strong> Publikum<br />

204<br />

kle<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise als Zeichen für wichtige Momente <strong>der</strong> Vorstellung nimmt. Diese bequeme<br />

Tatsache hat e<strong>in</strong>e unbequeme Folge. Auf Grund eben dieser Neigung des Publikums […],<br />

kann es […] zufällige beziehungsweise versehentliche Gesten und Ereignisse […] falsch<br />

<strong>in</strong>terpretieren* (ebd.; S. 48). Deshalb bemerkt Goffman weiter:<br />

+Die notwendige Stimmigkeit des Ausdrucks bei unseren Darstellungen weist uns auf e<strong>in</strong>e Diskrepanz<br />

zwischen dem allzu-menschlichen Selbst und dem Bild <strong>der</strong> Persönlichkeit, wie es vor <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

ersche<strong>in</strong>t, h<strong>in</strong>. Als menschliche Wesen s<strong>in</strong>d wir allem Ansche<strong>in</strong> nach Kreaturen mit variablen Impulsen<br />

[…] Als Persönlichkeiten vor e<strong>in</strong>em Publikum dürfen wir uns jedoch nicht unseren Hoch- und Tiefpunkten<br />

h<strong>in</strong>geben.* (Ebd.; S. 52)<br />

Es ist also das Bewußtse<strong>in</strong> für das Beobachtetwerden, das uns auf <strong>der</strong> öffentlichen Bühne<br />

e<strong>in</strong>e relativ strenge Ausdruckskontrolle diktiert. Wir erwarten deshalb <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel ke<strong>in</strong>e so<br />

hohe Aufrichtigkeit beim +Spiel* <strong>der</strong> öffentlichen Rollen wie im privaten Bereich und entwickeln<br />

auch e<strong>in</strong>e größere Rollendistanz – obwohl es nach Goffman für e<strong>in</strong> erfolgreiches Rollenspiel<br />

grundsätzlich erfor<strong>der</strong>lich ist, daß +<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne selbst an den Ansche<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirklichkeit glaubt,<br />

205<br />

den er bei se<strong>in</strong>er Umgebung hervorzurufen trachtet* (ebd.; S. 19). Dem kann jedoch entgegnet<br />

werden, daß <strong>der</strong> oben von Goffman selbst angesprochene Sachverhalt des Zwangs zur Aus-<br />

druckskontrolle notwendigerweise e<strong>in</strong>e gewisse Distanzierung bewirkt. Und die Distanz zu<br />

unseren eigenen (öffentlichen) Rollen übertragen wir auch auf die Wahrnehmung des Rollenspiels<br />

an<strong>der</strong>er, denn wir müssen damit rechnen, daß diese, wie wir selbst, uns, dem Publikum,<br />

etwas vorspielen. So schafft das Bewußtse<strong>in</strong> für das eigene Beobachtetwerden – zum<strong>in</strong>dest<br />

potentiell – tatsächlich e<strong>in</strong> kritisches Bewußtse<strong>in</strong> für die Beobachtung <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en.<br />

An<strong>der</strong>erseits erfolgt mit <strong>der</strong> Praxis des Rollenspiels auch e<strong>in</strong>e Ver<strong>in</strong>nerlichung <strong>der</strong> Rolle und<br />

des Blicks <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en auf uns. Es kommt also e<strong>in</strong> ähnlicher Mechanismus zum Tragen wie<br />

er von Foucault am Beispiel des Benthamschen Panoptikums beschrieben wurde: Der Gefangene<br />

im gläsernen, panoptischen Gefängnis <strong>in</strong>ternalisiert den Blick des Wächters und damit das<br />

Machtverhältnis, das zwischen beiden herrscht (siehe zurück zu S. XXXVI). Die Sphäre <strong>der</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!