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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 143<br />

In den USA gab es schon <strong>in</strong> den 20er Jahren, aufbauend auf Veblens Schrift +The Eng<strong>in</strong>eer<br />

172<br />

and the Price System* (1921), e<strong>in</strong>e technokratische Bewegung (vgl. z.B. Kle<strong>in</strong>: The Technocrats).<br />

In Deutschland kamen technokratische Ideen dagegen erst viel später auf. Hier nahm man<br />

auch weniger auf Veblen als auf Ellul bezug. Dieser malt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch +La Technique ou<br />

l’enjeu du siècle* (1954) – das zehn Jahre später auch <strong>in</strong> englischer Sprache unter dem Titel<br />

+The Technological Society* erschien – e<strong>in</strong> eher düsteres Bild über die Technisierung von<br />

Gesellschaft und Staat. Die autonom gewordene Technik hat sich den Menschen unterworfen<br />

(vgl. Kap. 2). Sie ist nicht mehr Mittel für menschliche Zwecke, son<strong>der</strong>n dom<strong>in</strong>iert alles Nicht-<br />

Technische: +It destroys, elim<strong>in</strong>ates, or subord<strong>in</strong>ates the natural world* (ebd.; S. 79). Durch<br />

die alles durchdr<strong>in</strong>gende Technisierung wird <strong>der</strong> Staat totalitär, <strong>der</strong> sich <strong>der</strong> Technik zur Beherr-<br />

schung <strong>der</strong> Gesellschaft bemächtigt und das Leben <strong>der</strong> Bürger vollständig absorbiert (vgl.<br />

ebd.; S. 284ff.). Am Ende dieses Prozesses stehen auch bei Ellul so etwas wie Cyborgs: +Mensch-<br />

173<br />

Masch<strong>in</strong>en* (vgl. ebd.; S. 395). Deren Dase<strong>in</strong> ist von Technik normiert, sozial fragmentisiert<br />

und ohne e<strong>in</strong> geistiges Moment (vgl. ebd.; Kap. 5).<br />

Elemente dieser negativen Sicht f<strong>in</strong>den sich auch bei Gehlen, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch +Die Seele<br />

im technischen Zeitalter* (1957) e<strong>in</strong>e anthropologisch begründete Sozialpsychologie <strong>der</strong> <strong>in</strong>du-<br />

striellen Gesellschaft versucht (siehe auch zurück zu S. XXXVIIf.): Das +Mängelwesen* Mensch<br />

schafft sich durch Technik Ersatz für se<strong>in</strong>e unzureichenden körperlichen Organe – soweit<br />

ist Technik e<strong>in</strong>e Notwendigkeit für den Menschen (vgl. S. 7ff.). Aus dieser mittelhaften Technik<br />

hat sich aber e<strong>in</strong>e technische +Superstruktur* entwickelt (vgl. ebd.; S. 11ff.). Diese zw<strong>in</strong>gt<br />

uns zur Anpassung an ihre Vorgaben. Die Folgen s<strong>in</strong>d u.a. Ents<strong>in</strong>nlichung und Erfahrungsverlust<br />

(vgl. ebd. Kap. II u. III). Trotzdem aber gilt für Gehlen, daß das fragmentisierte Subjekt durch<br />

Technik auch neue Ausdrucksformen gew<strong>in</strong>nt (vgl. ebd.; Kap. IV und IX).<br />

Bei Schelsky, <strong>der</strong> an Gehlen und Ellul anschließt, erfolgt e<strong>in</strong>e Umdeutung die politische Sphäre<br />

betreffend, und was <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Ellul Anlaß zu Kritik ist, weicht bei Schelsky e<strong>in</strong>er<br />

Kapitulation vor den angeblichen Sachzwängen, die sich aus <strong>der</strong> technischen Superstruktur<br />

ergeben. Zwar kann man aus <strong>der</strong> Diktion Schelskys e<strong>in</strong>e deutliche Distanz zur +technisch-wissen-<br />

schaftlichen Zivilisation* heraushören, die unsere Gesellschaft kennzeichnet, doch diese hat<br />

unabän<strong>der</strong>lich e<strong>in</strong> neues Verhältnis des Menschen zu se<strong>in</strong>er Umwelt geschaffen: Die Sach-<br />

gesetzlichkeit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriell-technischen Produktionsweise ersetzt den Naturzwang (vgl. Der<br />

Mensch <strong>in</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen Zivilisation; S. 449). Auch die <strong>Politik</strong>, das Verhältnis Mensch

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