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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 135<br />

In <strong>der</strong> Regel haben wir über diese Ursache bestimmte Theorien, also z.B. +die Strafe Gottes<br />

für sündhaftes Verhalten* o<strong>der</strong> eben: +krankmachende Strahlung durch radioaktiven Abfall*.<br />

Solche Theorien können mehr o<strong>der</strong> weniger mit <strong>der</strong> +tatsächlichen* Ursache <strong>der</strong> Krankheit<br />

zu tun haben. Es ist nur lei<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>fach zu entscheiden, welche Theorie wie e<strong>in</strong>-<br />

zuordnen ist, da wir die wirkliche(n) Ursache(n) nicht (er)kennen (können). E<strong>in</strong>e mögliche<br />

Orientierung bietet hier me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach nur das subjektive und empirische Kriterium,<br />

wie nützlich bzw. s<strong>in</strong>nvoll sich e<strong>in</strong>e Theorie für die Bewältigung des Alltags (auch des Forschungs-<br />

155<br />

alltags) erweist. Lei<strong>der</strong> setzt sich nicht immer die <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht +beste* Theorie durch.<br />

Für die Bewältigung des seefahrerischen Alltags hat es sich z.B. <strong>in</strong> den letzten Jahrhun<strong>der</strong>ten<br />

als vorteilhaft erwiesen, davon auszugehen, daß die Erde e<strong>in</strong>e Kugel ist. Lange Zeit wurde<br />

diese Theorie jedoch verworfen, da sie <strong>in</strong> Konflikt mit e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Theorie stand (<strong>der</strong> Theorie,<br />

daß die Erde e<strong>in</strong>e Scheibe sei), die von e<strong>in</strong>er sozial sehr e<strong>in</strong>flußreichen Kraft (<strong>der</strong> Kirche)<br />

favorisiert wurde. Aus <strong>der</strong> Sicht e<strong>in</strong>es entwurzelten, streng relativistischen Konstruktivismus<br />

gibt es nun jedoch ke<strong>in</strong>e +besseren* o<strong>der</strong> +schlechteren* Theorien: Alle s<strong>in</strong>d per se gleichge-<br />

wichtig. E<strong>in</strong>e Rangordnung entsteht erst durch die sozialen Aushandlungsprozesse. Damit<br />

aber h<strong>in</strong>terläßt uns <strong>der</strong> radikalisierte Konstruktivismus hilflos gegenüber <strong>der</strong> Aushandlungsmacht<br />

von bestimmten Akteuren. Wir können ke<strong>in</strong>e wie auch immer geartete +objektive* bzw. <strong>in</strong><br />

objektiven Gegebenheiten verankerte subjektive +Wahrheit* gegen sie <strong>in</strong>s Feld führen.<br />

E<strong>in</strong> letztes Problem mit dem konstruktivistischen Ansatz gilt auch und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die<br />

Akteur-Netzwerk-Theorie: Die Verwischung <strong>der</strong> Begrifflichkeiten im Bemühen um e<strong>in</strong>e Dekon-<br />

struktion <strong>der</strong> begrifflichen Trennungen. Selbstverständlich s<strong>in</strong>d Begriffe Konstrukte. Begriffe<br />

haben, entgegen idealistischen und nom<strong>in</strong>alistischen Vorstellungen, nicht an sich, son<strong>der</strong>n<br />

nur für sich/uns Wirklichkeit, d.h. sie/wir erschaffen die Sache, die sie/wir bezeichnen. Deshalb<br />

beruht die begriffliche Trennung zwischen Wissenschaft und Technik, Technik und Gesellschaft,<br />

Gesellschaft und Natur etc. auf <strong>der</strong> begrifflichen Konstruktion dieser Trennung. Gerade weil<br />

das so ist, ist aber auch <strong>der</strong> (de)konstruktivistische Versuch <strong>der</strong> Auflösung dieser Trennung<br />

<strong>in</strong> Hybridkonzepte e<strong>in</strong> Akt <strong>der</strong> (Kontra-)Konstruktion, da man, um zu dekonstruieren, die<br />

zu dekonstruierenden Begriffe erstens voraussetzen muß und sie zweitens <strong>in</strong> ihrer Verschmelzung<br />

nicht aufhebt, son<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> herstellt. Alle<strong>in</strong>e mit <strong>der</strong> (verschmelzenden) Dekonstruktion<br />

von Begriffen ist deshalb nichts gewonnen. Im Gegenteil: Für die Analyse und Theoriebildung<br />

s<strong>in</strong>d begriffliche Unterscheidungen s<strong>in</strong>nvoll, da nur differenzierte begriffliche Systeme die

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