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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 129<br />

• Der sozialkonstruktivistische Ansatz h<strong>in</strong>terfragt die herkömmliche Trennung von Wissenschaft<br />

und Technik, Natur und Kultur und begreift, wie <strong>der</strong> Name bereits ausdrückt, wissenschaftliche<br />

Erkenntnis wie technische Artefakte als sozial konstruiert. Lei<strong>der</strong> ist die sozialkonstruktivistische<br />

Wissenschafts- und Techniksoziologie me<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach aber (noch) nicht makrotheoretisch<br />

ausreichend +e<strong>in</strong>gebettet*, und es überwiegt – obwohl e<strong>in</strong>e Integration von Mikro- und Makro-<br />

141<br />

ebene grundsätzlich angestrebt ist – e<strong>in</strong>e (mikro)empirische Orientierung, wobei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auch auf ethnographische Methoden zurückgegriffen wird (vgl. Knorr-Cet<strong>in</strong>a: The Ethnographic<br />

Study of Scientific Work). Man versucht also primär – und das ist, angesichts <strong>der</strong> lange<br />

praktizierten Vernachlässigung <strong>der</strong> Untersuchung des forschungspraktischen +Feldes*, durchaus<br />

begrüßenswert – an ganz konkreten Beispielen, den (sozialen) Konstruktionsprozeß von<br />

Wissen(schaft) und Technik nachzuvollziehen und zu analysieren.<br />

E<strong>in</strong> empirisches +Stufenprogramm* für <strong>der</strong>artige Analysen hat Harry Coll<strong>in</strong>s aufgestellt. In<br />

e<strong>in</strong>er ersten Phase gilt es für ihn, zunächst die +<strong>in</strong>terpretative Flexibilität* wissenschaftlicher<br />

+Fakten* zu dokumentieren, die im weiteren Verlauf des wissenschaftlichen Diskurses und<br />

<strong>der</strong> +D<strong>in</strong>gwerdung* von Wissenschaft jedoch meist +verschw<strong>in</strong>det* und e<strong>in</strong>em wissenschaftlichen<br />

Konsens über +Wahrheit* Platz macht (vgl. hierzu auch Mulkay/Gilbert: Theory Choice). Die<br />

Rekonstruktion dieses Schließungsmechanismus stellt den zweiten Schritt <strong>der</strong> Analyse dar.<br />

Die dritte und me<strong>in</strong>es Erachtens wichtigste Stufe wurde bisher jedoch noch nicht <strong>in</strong> be-<br />

friedigen<strong>der</strong> Weise verwirklicht: nämlich aufzuzeigen, wie diese Schließungsmechanismen<br />

142<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en umfassenden sozialen Kontext e<strong>in</strong>fügen. (Vgl. Stages <strong>in</strong> the Empirical Programme<br />

of Relativism)<br />

E<strong>in</strong>e theoretische Reflexion sowie e<strong>in</strong>en konkreten Umsetzungsversuch dieses Stufen-Programms<br />

haben Trevor P<strong>in</strong>ch und Wiebe Bijker unternommen, welche sich am Beispiel des Fahrradreifens<br />

fragen, warum bestimmte Varianten +abstarben*, während an<strong>der</strong>e +überlebten* und sich<br />

durchsetzten. In Fall des Fahrradreifens setzte sich <strong>der</strong> luftgefüllte Reifen gegenüber dem<br />

Vollgummireifen durch. Am Anfang bestand aber auch hier <strong>in</strong>terpretative Flexibilität: Für<br />

se<strong>in</strong>en Erf<strong>in</strong><strong>der</strong>, den Ingenieur Dunlop, hatte <strong>der</strong> luftgefüllte Reifen den Vorteil ger<strong>in</strong>gerer<br />

Vibrationen. An<strong>der</strong>e +Experten* sahen jedoch weniger die Vorteile als vielmehr e<strong>in</strong>e erhöhte<br />

Ausrutschgefahr. Die Schließung dieser Sicherheitsdiskussion erfolgte, so die Autoren, zum<br />

e<strong>in</strong>en über Werbekampagnen, die diese Gefahr schlicht negierten, und über e<strong>in</strong>e Redef<strong>in</strong>ition<br />

des Problems: Der Luftreifen wurde nicht mehr wegen se<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren Vibrationen gepriesen,

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