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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 111<br />

+Segen* des Bundesverfassungsgericht entlastet von politischer Entscheidung, Begründung<br />

und Überzeugung. Läßt sich also die Opposition auf das +Spiel* e<strong>in</strong>er Verfassungsklage (Normen-<br />

kontroll- o<strong>der</strong> Organklage) e<strong>in</strong>, so begibt sie sich auf glatten Boden: Nur wenn sie Erfolg hat,<br />

kann sie dem politischen Gegenüber e<strong>in</strong>e herbe Nie<strong>der</strong>lage durch partiellen Legitimitätsentzug<br />

bereiten. Unterliegt sie jedoch, so erhält das Regierungshandeln e<strong>in</strong>e rechtliche Legitimitätsstütze,<br />

während die oppositionelle Klage als Instrumentalisierung des Verfassungsgerichts dargestellt<br />

werden kann. Unabhängig vom konkreten Ausgang wirkt allerd<strong>in</strong>gs <strong>der</strong> oben angesprochene<br />

deflektorische Mechanismus des rechtlichen Verfahrens.<br />

Dieser Zusammenhang soll abschließend anhand des vor dem Bundesverfassungsgericht<br />

ausgetragenen Rechtsstreits zum Somalia-E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Bundeswehr im Rahmen <strong>der</strong> UNOSOM II-<br />

Mission von 1993 kurz illustriert werden, wobei ich mich auf die Ausführungen von Dieter<br />

Blumenwitz stützen möchte (vgl. Verteidigungs- und Sicherheitspolitik – E<strong>in</strong> Streitfall für das<br />

Verfassungsgericht?): Aufgrund <strong>der</strong> ungünstigen Entwicklung <strong>der</strong> Lage <strong>in</strong> Somalia reichte die<br />

SPD-Bundestagsfraktion Organklage beim Bundesverfassungsgericht e<strong>in</strong>. Sie befürchtete e<strong>in</strong>e<br />

Gefährdung deutscher Soldaten und sah deshalb die Kompetenzen <strong>der</strong> Regierung überschritten,<br />

die sich bei <strong>der</strong> Beteiligung an <strong>der</strong> UN-Mission nur auf e<strong>in</strong>e unverb<strong>in</strong>dliche, re<strong>in</strong> akklamatorische<br />

Entschließung des Bundestags mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit stützen konnte. In diesem Zusammenhang<br />

stellte sie auch e<strong>in</strong>en Eilantrag, +die Bundesregierung anzuweisen, bis zur Entscheidung über<br />

den […] Organstreit die bereits <strong>in</strong> Somalia bef<strong>in</strong>dlichen Soldaten <strong>der</strong> Bundeswehr zurückzuziehen<br />

und ke<strong>in</strong>e weiteren Soldaten nach Somalia zu entsenden* (zitiert nach ebd.; S. 93). Diesen<br />

Eilantrag wies das Gericht ab, for<strong>der</strong>te aber, daß bis zur Entscheidung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hauptsache<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> positiver (über e<strong>in</strong>e bloße Entschließung h<strong>in</strong>ausgehen<strong>der</strong>) +konstitutiver* Beschluß<br />

des Bundestags (allerd<strong>in</strong>gs ebenfalls nur mit e<strong>in</strong>facher Mehrheit) zu erfolgen hätte und auch<br />

alle weiteren Maßnahmen <strong>der</strong> Bundesregierung <strong>in</strong> dieser Sache <strong>der</strong> (ausdrücklichen) parla-<br />

mentarischen Zustimmung bedürften (vgl. ebd.; S. 93ff.). Dem konnte die Bundesregierung<br />

gelassen entgegensehen. Im letztendlichen Urteil des Gerichts vom 12. Juli 1994 wurde die<br />

Verfassungsmäßigkeit des Somalia-E<strong>in</strong>satzes festgestellt. Es legte dem Gesetzgeber aber nahe,<br />

Form und Inhalt <strong>der</strong> parlamentarischen Mitwirkung bei Streitkräftee<strong>in</strong>sätzen im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Entsendegesetzes näher zu gestalten (vgl. ebd; S. 100).<br />

Wie können dieses verfassungsrechtliche Verfahren an sich und se<strong>in</strong> Ergebnis <strong>in</strong>terpretiert<br />

werden? – Blumenwitz selbst gibt e<strong>in</strong>e sehr konservative Deutung: Er beschuldigt zum e<strong>in</strong>en

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