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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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110 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

nur etwa 2.500 im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Antragsteller erfolgreich waren, was e<strong>in</strong>er Erfolgsquote von 2,7%<br />

entspricht (vgl. ebd.; S. 37f. und S. 40). Angesichts dessen bemerkt Roellecke:<br />

+Die Verfassungsbeschwerde hilft dem Bürger kaum. Bei je<strong>der</strong> Tombola ist die Trefferquote höher<br />

als [etwas über] zwei Prozent. Aber sie ist e<strong>in</strong> Indiz für Achtung und Ansehehen des Bundesverfassungs-<br />

gerichts. Sie verschafft ihm e<strong>in</strong>e Art populistischer Legitimation, die mit Demokratie allerd<strong>in</strong>gs nichts<br />

zu tun hat, son<strong>der</strong>n eher daran er<strong>in</strong>nert, daß schon die Monarchen des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts Bittschriften<br />

[…] ganz ähnlich als Legitimationsausweise verstanden haben […]* (Ebd.; S. 39)<br />

Auch von <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Rechtsprechung des Verfassungsgerichts hält Roellecke nicht viel<br />

(vgl. ebd.; S. 40–44), das zudem nur e<strong>in</strong>e schwache, nämlich <strong>in</strong>direkte demokratische Legiti-<br />

mation besitzt (siehe die gemachten Bemerkungen zur Richterwahl und vgl. auch ebd.; S.<br />

45). Entsprechend gelangt er zu dem Schluß, daß das Ansehen dieses Gerichts sich nicht<br />

aus ihm selbst heraus, son<strong>der</strong>n nur aus dem Ansehen <strong>der</strong> von ihm juristisch verwalteten,<br />

+gehüteten* Verfassung herleiten kann.<br />

Jede Verfassung beansprucht ihrem Wesen nach, obwohl sie positives Recht ist, e<strong>in</strong>en beson-<br />

<strong>der</strong>en, dem e<strong>in</strong>fachen Recht übergeordneten Status, schreibt e<strong>in</strong>en politischen Grundkonsens<br />

(unverrückbar) fest und entlastet so das politische Tagesgeschäft von Grundsatzause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>set-<br />

zungen. Die Paradoxie e<strong>in</strong>es Überpositivität beanspruchenden positiven Rechts wird gelöst,<br />

<strong>in</strong>dem die politische Geme<strong>in</strong>schaft die Verfassung verklärt und idealisiert (vgl. auch ebd; S.<br />

46). Der Verweis auf e<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>spruch zum Grundgesetz ist deshalb e<strong>in</strong> +Totschlagargument*,<br />

das den Gegner zum Verfassungsfe<strong>in</strong>d und politischen Außenseiter erklärt. Die säkularisierten<br />

Heilserwartungen <strong>der</strong> Bürger, die von <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> enttäuscht worden s<strong>in</strong>d, haben sich – sofern<br />

solche angesichts <strong>der</strong> postmo<strong>der</strong>nen +Ernüchterung* überhaupt noch bestehen bzw. sich <strong>in</strong><br />

das bestehende System <strong>in</strong>tegrieren lassen – auf das Recht und die Justiz verlagert, die als<br />

politisch sche<strong>in</strong>bar neutrale Instanzen die Illusion von Gerechtigkeit vermitteln (vgl. dazu<br />

auch Bubner: Zur juristischen Substituierung des Politischen; S. 399). Und selbst Habermas<br />

plädiert ja mittlerweile für e<strong>in</strong>en +Verfassungspatriotismus* (vgl. z.B. Staatsbürgerschaft und<br />

nationale Identität; S. 642f.) und gerät so <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e merkwürdige Nähe zu eher konservativen<br />

Geistern wie Dolf Sternberger, auf den dieser Begriff zurückgeht. 109<br />

Die <strong>Politik</strong> profitiert <strong>in</strong>direkt von <strong>der</strong> relativen Aufwertung des Rechts(systems): Mit <strong>der</strong> ver-<br />

fassungsrechtlichen Überprüfung e<strong>in</strong>es Gesetzes o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er exekutiven Entscheidung erfolgt,<br />

wenn die Konformität mit dem Grundgesetzt bejaht wird, e<strong>in</strong> Retransfer von Legitimität. Der

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