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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 109<br />

am österreichischen Modell anlehnt – angesichts se<strong>in</strong>er umfassenden Kompetenzen nur wenige<br />

wirklich gleichwertige Entsprechungen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Staaten hat (vgl. Weber: Verfassungsgerichte<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n; S. 61ff. und S. 67f.). Und an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> den meisten Län<strong>der</strong>n werden<br />

107 108<br />

die je acht Richter <strong>der</strong> beiden Senate auch alle<strong>in</strong>e durch das/die Parlament(e) (d.h. Bundes-<br />

tag und Bundesrat) bestellt (vgl. ebd.; S. 65f.). Das Bundesverfassungsgericht besitzt also,<br />

sowohl was se<strong>in</strong>en Zuständigkeitsbereich betrifft wie auch durch den Modus <strong>der</strong> Richterwahl,<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>s ausgeprägte <strong>Politik</strong>verflechtung. Trotzdem wird es von <strong>der</strong> Öffentlichkeit als<br />

politisch unabhängige Rechts<strong>in</strong>stitution wahrgenommen und genießt nicht zuletzt deswegen<br />

e<strong>in</strong> sehr hohes Ansehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung.<br />

Gelegentlich wird nun von wissenschaftlicher Seite zum<strong>in</strong>dest dem Argument e<strong>in</strong>er politisierten<br />

Richterwahl entgegengehalten, daß die im BVerfGG (§ 6f.) festgeschriebene Zweidrittel-Mehrheit<br />

e<strong>in</strong>e zu starke e<strong>in</strong>seitige parteipolitische Prägung <strong>der</strong> Kandidaten verh<strong>in</strong><strong>der</strong>e. Die Parlaments-<br />

fraktionen können jedoch die gegenseitige Zustimmung zu +ihren* Kandidaten leicht unter-<br />

e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> +aushandeln*, auch wenn diese e<strong>in</strong>e augenfällige parteipolitische +Färbung* aufweisen<br />

(vgl. hierzu auch Iffensee: Die Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Recht und <strong>Politik</strong>; S. 54f.).<br />

Dem hält wie<strong>der</strong>um Gerd Roellecke entgegen:<br />

+Waren die Parteigänger als Richter stark, haben sie sich schnell mit ihrer neuen Rolle identifiziert<br />

und ihre Loyalitäten zu den politischen Parteien gelockert […] Waren die Parteigänger als Richter<br />

schwach, haben sie sich zwar stärker an ihre Partei gebunden gefühlt, aber dann hatten sie im Senat<br />

nichts zu sagen.* (Das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts und die Verfassung; S. 34)<br />

Diese Aussage kl<strong>in</strong>gt sehr nach rechtsprofessioneller Ideologie. Gerade Roellecke beweist<br />

jedoch, daß er gängigen Vorstellungen kritisch gegenübersteht, <strong>in</strong>dem er die +offizielle* Sichtweise<br />

h<strong>in</strong>terfragt und alternative Interpretationen anbietet. Dies zeigt sich an se<strong>in</strong>er Beurteilung<br />

des Verfassungsbeschwerdeverfahrens. Verfassungsbeschwerden können (wie oben angesprochen)<br />

nach Art. 93 (Abs. 4a) GG von Bürgern e<strong>in</strong>gereicht werden, die sich durch die öffentliche<br />

Gewalt <strong>in</strong> ihren Grundrechten bee<strong>in</strong>trächtigt fühlen. Dieses Verfahren erfreut sich großer<br />

+Beliebtheit*: 1993 hatte das Bundesverfassungsgericht 5.246 Beschwerden zu bearbeiten<br />

– fast doppelt soviel wie noch Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre und obwohl die E<strong>in</strong>reichung seit 1985<br />

gebührenpflichtig ist. Insgesamt g<strong>in</strong>gen bis 1993 ca. 92.000 Verfassungsbeschwerden e<strong>in</strong>,<br />

von denen allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> Großteil nicht e<strong>in</strong>mal die Vorprüfung überstand und letztendlich

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