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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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106 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE<br />

Die Politisierung <strong>der</strong> Justiz, die beson<strong>der</strong>s Anfang <strong>der</strong> 70er Jahre Gegenstand e<strong>in</strong>er breiteren<br />

Diskussion war, aber auch durch e<strong>in</strong>ige strittige Urteile des Bundesverfassungsgerichts <strong>in</strong> letzter<br />

Zeit wie<strong>der</strong> verstärkt zum Thema geworden ist (vgl. z.B. Piazolo: Zur Mittlerrolle des Bundes-<br />

verfassungsgerichts <strong>in</strong> <strong>der</strong> Deutschen Verfassungsordnung; S. 8f. und siehe auch hier S. 111ff.),<br />

vollzieht sich <strong>in</strong> zweifacher Weise: e<strong>in</strong>mal, <strong>in</strong>dem sich das Rechtssystem aus eigener Initiative<br />

politischer Fragen +bemächtigt* (ich spreche <strong>in</strong> diesem Fall von endogener Politisierung), und<br />

<strong>in</strong>dem die <strong>Politik</strong> eigentlich politische Entscheidungen auf das Rechtssystem +abwälzt* (<strong>in</strong><br />

diesem Fall spreche ich von exogener Politisierung). Die Verwendung <strong>der</strong> Verben +bemächtigen*<br />

und +abwälzen* entspricht dabei <strong>der</strong> dom<strong>in</strong>ierend negativen (öffentlichen) Perzeption bei<strong>der</strong><br />

Prozesse, da schließlich e<strong>in</strong>e wie auch immer geartete Politisierung gemäß <strong>der</strong> weith<strong>in</strong> ver<strong>in</strong>ner-<br />

lichten Ideologie des liberalen Rechtsstaats <strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>ten politischen Neutralität <strong>der</strong> Justiz<br />

zuwi<strong>der</strong> läuft (vgl. dazu GG; Art. 20, Abs. 3 sowie Litten: Die Politisierung <strong>der</strong> Justiz; S. 18ff.).<br />

Die oben getroffene Unterscheidung ist jedoch sehr hilfreich, wenn man e<strong>in</strong> Verständnis für<br />

die <strong>in</strong>nere Dialektik dieses Prozesses entwickeln will:<br />

Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> stellt die endogene Politisierung des Rechtssystems e<strong>in</strong>e Bedrohung<br />

<strong>der</strong> eigenen Systemautonomie wie des politischen Entscheidungsmonopols von Legislative<br />

und Exekutive dar (was sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>em stärkeren +juridical self-restra<strong>in</strong>t*<br />

99<br />

ausdrückt). Durch die +politische Initiative* <strong>der</strong> Richter werden jedoch gleichzeitig +Regelungs-<br />

defizite* des politischen Systems ausgeglichen und dieses damit <strong>in</strong>stitutionell abgestützt und<br />

ergänzt.<br />

Die exogene Politisierung <strong>der</strong> Justiz als politische Instrumentalisierung des Rechtssystems entlastet<br />

die <strong>Politik</strong> dagegen ganz offensichtlich davon, unliebsame, <strong>in</strong>nerpolitisch schwer vermittelbare<br />

und damit konfliktträchtige Entscheidungen zu treffen, o<strong>der</strong> bietet die Option e<strong>in</strong>es nach-<br />

träglichen juristischen Kippens von Gesetzen durch die Opposition. Die Legalität des juristischen<br />

Entscheidens verleiht <strong>in</strong> diesem Fall <strong>der</strong> Entscheidung (bzw. <strong>der</strong> eigentlich +undemokratischen*<br />

Infragestellung <strong>der</strong> parlamentarischen Mehrheitsentscheidung) Legitimität – legitimiert aber<br />

auch, durch die politische Anerkennung se<strong>in</strong>er Zuständigkeit, das Rechtssystems selbst. Trotzdem<br />

ersche<strong>in</strong>t aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Justiz exogene Politisierung verständlicherweise eher als Belastung,<br />

da sie nicht nur gezwungen wird, sich auf formal-rechtlicher Ebene mit eigentlich politischen<br />

Streitfragen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen, son<strong>der</strong>n so auch Gefahr läuft, <strong>in</strong>s politische und öffentliche<br />

Kreuzfeuer zu geraten.

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