Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
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94 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE sich die Mitgliedsstaaten zudem auf eine +Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik* (GASP) verständigt (vgl. Art. B), welche die in den 70er Jahren auf Außenministerebene etablierte +Europäische Politische Zusammenarbeit* (EPZ) weiterführen soll, bisher jedoch eher theo- retischen Charakter hat. Praktisch von größerer Relevanz sind dagegen die Beschlüsse des 68 Ministerrats, die von den Mitgliedsstaaten rechtlich umgesetzt werden müssen. Der Ministerrat 69 kann jedoch nur auf Vorschläge der Europäischen Kommission hin seine Beschlüsse fassen, der damit ein großes Gewicht zukommt, und beide Organe sind nur indirekt demokratisch legitimiert. Eine direkte Legitimation hat alleine das Europaparlament, das aber erst seit dem Vertrag von Maastricht mit (einigen wenigen) relevanten Kompetenzen ausgestattet wurde. 70 Gleichzeitig wurde auch eine +Unionsbürgerschaft* eingeführt, die mit einem europaweiten Wahlrecht bei Europa- und Kommunalwahlen sowie mit einer uneingeschränkten Nieder- lassungsfreiheit im Rahmen der EU verbunden ist (vgl. Art. 8ff.). Absolute Freizügigkeit für Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital in einem gemeinsamen Binnenmarkt wurde bereits 1985 in der +Einheitlichen Europäischen Akte* vereinbart (vgl. Art. 13), deren Bestim- mungen plangemäß zum Jahresbeginn 1993 umgesetzt wurden. Im EU-Vertrag von Maastricht wurde als letzter Stein der wirtschaftlichen Integration die Verwirklichung einer Währungsunion beschlossen, die 1999 voll in Kraft getreten ist und die die monetäre Hoheit von den Einzel- staaten auf eine europäische Zentralbank verlagert (vgl. Art. 109e–m). Es gibt also, wie die angeführten Beispiele zeigen, tatsächlich einige Ansätze zur Transnationali- sierung der internatonalen Politik. Andererseits: Mit dem Wegfall des Ost-West-Konflikts ist die Dominanz bzw. das Engagement der USA in der NATO (bei einem gleichzeitigen Erweite- rungsbestreben) zurückgetreten, und der +Warschauer Pakt* wurde im Juli 1991 sogar offiziell 71 aufgelöst. Das brachte indirekt den (sektoralen) Wiedergewinn bzw. die Zunahme national- staatlicher Militärhoheit mit sich. Auch der Fall der EU ist nicht eindeutig: Wie angedeutet, ist das Ziel einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik noch in weiter Ferne (die stark differierende Politik der Mitgliedsstaaten gegenüber Serbien im Jugoslawien-Konflikt mag hier als Beispiel dienen). Und obwohl die EU im Vergleich zu anderen Regionalorganisationen politisch hoch integriert ist, haben faktisch alleine Regierungsentsandte der Staaten Beschlußkraft (siehe oben). Was die angestrebte Währungsunion betrifft, so wird sie sich, aufgrund der festgelegten Stabilitätskriterien, bis auf weiteres nur auf ein ökonomisch potentes +Kerneuropa* beschränken. 72
KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 95 Selbst die politische Weltorganisation UNO kann paradoxerweise als Argument für die weiter bestehende Dominanz nationalstaatlicher Politik auf der Weltebene angeführt werden, denn auch hier +regiert* das Staatenprinzip: Stimmberechtigt in der UNO und ihren Organen sind alleine Staatenvertreter (vgl. Charta der Vereinten Nationen; Art. 4 und 9). Allerdings ist mit 73 dem Ende des Ost-West-Konflikts die Paralysierung des Sicherheitsrats entfallen, und es hat auch innerhalb der UNO verschiedentlich Bestrebungen zu einem konzertierten Vorgehen gegeben. So formierte sich Mitte der 60er Jahre die +Gruppe der 77* als Sprachrohr der Ent- wicklungsländer, auf deren Betreiben z.B. im Dezember 1974 (gegen die Stimmen vieler westlicher Industrieländer) eine (rechtlich allerdings unverbindliche) +Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten* verabschiedet wurde, die eine gerechtere internationale Wirtschaftsordnung garantieren sollte. Dabei wurde jedoch ausdrücklich die Unantastbarkeit der staatlichen Souveränität betont (vgl. Art. 1), denn gerade für +schwache* Staaten ist der Erhalt der Souveränität ein wichtiges Ziel, und die Erlangung staatlicher Unabhängigkeit ist auch heute noch für viele politische Bewegungen zentral, so daß trotz aller Transnatio- nalisierungstendenzen, die insbesondere in den entwickelteren Regionen feststellbar sind, weitere Fragmentisierungen (vor allem durch eine ethnonationalistische Dynamik) drohen (vgl. hierzu auch Senghaas: Zwischen Globalisierung und Fragmentisierung). Es ist also letztendlich eine Frage der Interpretation, ob man Ansätze zu einer politischen Globalisierung sehen will oder nicht, wenngleich für mich, aufgrund der dargestellten Zusammen- hänge, derzeit die Anzeichen überwiegen, daß die Strukturierung durch den Nationalstaat noch immer (welt)politisch dominierend ist. Doch die ökonomischen Prozesse machen deshalb nicht Halt und erzeugen ein Phänomen, das man in Anlehnung an Brock und Albert +multiple Staatlichkeit* nennen könnte, d.h. der politische Raum wird durch andere +Funktionsräume* überformt (vgl. Entgrenzung der Staatenwelt; S. 266ff.). Angesichts dessen formuliert Menzel: +Der staatlich definierte Raum verschwindet, seine Grenzen zerfließen, die Beziehungen zwischen den Staaten werden imaginär. Den Regierungen wird die Souveränität genommen, da sich die Virtu- alisierung der internationalen Transaktionen den herkömmlichen Kontrollen und damit auch den staatlichen Steuerungskapazitäten entzieht.* (Internationale Beziehungen im Cyberspace; S. 53) Auf dieses grundsätzliche Dilemma des Nationalstaats, dem einerseits die ökonomische Basis entzogen wird und der andererseits noch immer die politische +Realität* maßgeblich bestimmt
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sich die Mitgliedsstaaten zudem auf e<strong>in</strong>e +Geme<strong>in</strong>same Außen- und Sicherheitspolitik* (GASP)<br />
verständigt (vgl. Art. B), welche die <strong>in</strong> den 70er Jahren auf Außenm<strong>in</strong>isterebene etablierte<br />
+Europäische Politische Zusammenarbeit* (EPZ) weiterführen soll, bisher jedoch eher theo-<br />
retischen Charakter hat. Praktisch von größerer Relevanz s<strong>in</strong>d dagegen die Beschlüsse des<br />
68<br />
M<strong>in</strong>isterrats, die von den Mitgliedsstaaten rechtlich umgesetzt werden müssen. Der M<strong>in</strong>isterrat<br />
69<br />
kann jedoch nur auf Vorschläge <strong>der</strong> Europäischen Kommission h<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Beschlüsse fassen,<br />
<strong>der</strong> damit e<strong>in</strong> großes Gewicht zukommt, und beide Organe s<strong>in</strong>d nur <strong>in</strong>direkt demokratisch<br />
legitimiert. E<strong>in</strong>e direkte Legitimation hat alle<strong>in</strong>e das Europaparlament, das aber erst seit dem<br />
Vertrag von Maastricht mit (e<strong>in</strong>igen wenigen) relevanten Kompetenzen ausgestattet wurde. 70<br />
Gleichzeitig wurde auch e<strong>in</strong>e +Unionsbürgerschaft* e<strong>in</strong>geführt, die mit e<strong>in</strong>em europaweiten<br />
Wahlrecht bei Europa- und Kommunalwahlen sowie mit e<strong>in</strong>er une<strong>in</strong>geschränkten Nie<strong>der</strong>-<br />
lassungsfreiheit im Rahmen <strong>der</strong> EU verbunden ist (vgl. Art. 8ff.). Absolute Freizügigkeit für<br />
Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen B<strong>in</strong>nenmarkt wurde<br />
bereits 1985 <strong>in</strong> <strong>der</strong> +E<strong>in</strong>heitlichen Europäischen Akte* vere<strong>in</strong>bart (vgl. Art. 13), <strong>der</strong>en Bestim-<br />
mungen plangemäß zum Jahresbeg<strong>in</strong>n 1993 umgesetzt wurden. Im EU-Vertrag von Maastricht<br />
wurde als letzter Ste<strong>in</strong> <strong>der</strong> wirtschaftlichen Integration die Verwirklichung e<strong>in</strong>er Währungsunion<br />
beschlossen, die 1999 voll <strong>in</strong> Kraft getreten ist und die die monetäre Hoheit von den E<strong>in</strong>zel-<br />
staaten auf e<strong>in</strong>e europäische Zentralbank verlagert (vgl. Art. 109e–m).<br />
Es gibt also, wie die angeführten Beispiele zeigen, tatsächlich e<strong>in</strong>ige Ansätze zur Transnationali-<br />
sierung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternatonalen <strong>Politik</strong>. An<strong>der</strong>erseits: Mit dem Wegfall des Ost-West-Konflikts ist<br />
die Dom<strong>in</strong>anz bzw. das Engagement <strong>der</strong> USA <strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO (bei e<strong>in</strong>em gleichzeitigen Erweite-<br />
rungsbestreben) zurückgetreten, und <strong>der</strong> +Warschauer Pakt* wurde im Juli 1991 sogar offiziell<br />
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aufgelöst. Das brachte <strong>in</strong>direkt den (sektoralen) Wie<strong>der</strong>gew<strong>in</strong>n bzw. die Zunahme national-<br />
staatlicher Militärhoheit mit sich. Auch <strong>der</strong> Fall <strong>der</strong> EU ist nicht e<strong>in</strong>deutig: Wie angedeutet,<br />
ist das Ziel e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Außen- und Sicherheitspolitik noch <strong>in</strong> weiter Ferne (die stark<br />
differierende <strong>Politik</strong> <strong>der</strong> Mitgliedsstaaten gegenüber Serbien im Jugoslawien-Konflikt mag hier<br />
als Beispiel dienen). Und obwohl die EU im Vergleich zu an<strong>der</strong>en Regionalorganisationen<br />
politisch hoch <strong>in</strong>tegriert ist, haben faktisch alle<strong>in</strong>e Regierungsentsandte <strong>der</strong> Staaten Beschlußkraft<br />
(siehe oben). Was die angestrebte Währungsunion betrifft, so wird sie sich, aufgrund <strong>der</strong><br />
festgelegten Stabilitätskriterien, bis auf weiteres nur auf e<strong>in</strong> ökonomisch potentes +Kerneuropa*<br />
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