Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
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76 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE Übersicht 1: Wellen der Extension und Expansion 1. Merkantiler Kapitalismus und imperialer Kolonialismus (16. bis 18. Jahrhundert) 2. Semi-industrieller Kapitalismus und fortgeschrittener Kolonialismus des 19. Jahrhunderts 3. Industrieller Kapitalismus und transformierter Kolonialismus des 20. Jahrhunderts 4. Postindustrieller und globalisierter Kapitalismus des 21. Jahrhunderts? sprechen möchte. Mit einem durchschnittlichen Wachstum von 7,8% p.a. zwischen 1948 und 1973 wuchs der Welthandel sogar noch stärker als vor dem ersten Weltkrieg (Zahl errechnet 26 nach ebd.). Dieses +Goldene Zeitalter* des internationalen Handels (Maddison) hatte jedoch mit dem Ölschock zu Beginn der 70er Jahre ein jähes Ende, und das durchschnittliche Export- wachstum sank zwischen 1973 und 1984 auf magere 3,2% p.a. ab (vgl. ebd.). Trotzdem stieg die Außenhandelsquote (im gewichteten Durchschnitt aller Länder) auch zwischen 1960 und 1980 kontinuierlich. In Westeuropa überschritt sie sogar die 25%-Marke, was einer Steigerung um 50% gleich kommt. Erst seit Mitte der 80er Jahre ist allgemein ein leichter Einbruch festzustellen (vgl. Globale Trends 93/94; Abb. 4, S. 210). Das spricht für eine zwar nicht mehr zunehmende, aber insgesamt enorme Bedeutung des internationalen Handels, der nach der Stagnationsphase infolge des Ölschocks nicht nur wieder an Dynamik zugenommen 27 hat (1992 betrug das Handelswachstum 4,7%), sondern jetzt auch einen tatsächlich globalen Markt umfaßt. Denn durch den politischen Umbruch in den meisten sozialistischen Staaten, die stark vom Rest der Weltwirtschaft abgekoppelt waren und nur ca. 10% Prozent des Welt- handels (vorwiegend unter sich) abwickelten (siehe Tab. 5, S. 86), ist es seit 1989 zu einer nochmaligen Rahmenerweiterung gekommen – auch wenn die (welt)ökonomische Bedeutung der meisten postsozialistischen Transformationsstaaten derzeit marginal ist. 28 Der sich entgrenzende Handel stellt jedoch nur eine Ebene der ökonomischen Globalisierung dar (siehe Übersicht 2, S. 78). Zudem verläuft die Abwicklung des internationalen Handels (noch immer) nicht ungehindert und stößt auf protektionistische Maßnahmen durch die souveränen Staaten zum Schutz ihrer nationalen Produktion. Denn der anfängliche Kapitalismus der freien Konkurrenz (unter den Industrienationen), der laut Karl Polanyi durch ein System des Kräftegleichgewichts, den internationalen Goldstandard sowie die Selbstregulation des Marktes im liberalen Staat ermöglicht wurde, stellte letztendlich eine nicht auf Dauer realisierbare
KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 77 +Utopie* dar, und man ergriff zwangsläufig Mittel gegen den zerstörerischen Wildwuchs des Marktes, der nicht nur die natürliche, sondern auch die soziale Basis der Gesellschaft zu ver- 29 nichten drohte (vgl. The Great Transformation; S. 17f.). Konträr zu Polanyi, der eine Behin- derung der ökonomischen Entwicklung durch die Interventionsversuche des Staates befürchtete, heben sozialistisch orientierte Autoren eher die +Erfolge* dieser Politik hervor und sprechen für die postliberale Ära der interventionistisch transformierten Marktwirtschaft im 20. Jahrhundert vom organisierten bzw. Staatsmonopolkapitalismus (vgl. Kocka: Organisierter Kapitalismus 30 oder Staatsmonopolistischer Kaptalismus?). Im +organisierten Kapitalismus* (Hilferding) über- nimmt nicht nur der Staat die Regulation des Marktes, sondern der Klassengegensatz ist durch das +sozialpartnerschaftliche* System von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden solcher- 31 maßen institutionalisiert, daß dem Klassenkampf die Spitze genommen wird. Eine (begrenzte) wohlfahrtsstaatliche Umverteilung schafft dafür die materielle Basis. Fassen wir also noch einmal zusammen und betrachten wir die Folgen für den internationalen Handel: Die Klammer des durch eine begrenzte Umverteilung erkauften und auch dem Kapital dienlichen sozialen Friedens ist der (National-)Staat, der, um diese Funktion erfüllen zu können, seine Grenzen nach außen auch ökonomisch sichern muß. Schließlich können die Mittel für die wohlfahrtsstaatliche Grundsicherung nur durch die (maßvolle) Besteuerung des nationalen Kapitals bereitgestellt werden. Zum Schutz dieses nationalen Kapitals und da sich fremdes Kapital nicht direkt besteuern läßt, versuchte man deshalb, die Reichweite des staatlichen Gewaltmonopols durch Zölle und Kontingentierungen künstlich zu verlängern. Doch was lange Zeit der Entwicklung des Kapitalismus diente, begann, als die Grenze des auf dieser Basis möglichen Wachstums erreicht war, seine Entfaltung zu behindern. Instrumente wie das 1947 geschlossene +General Agreement on Trade and Tarifs* (GATT), das mittlerweile schon mehrere Erweiterungen erfahren hat und dem inzwischen weit über 100 Staaten bei- 32 getreten sind (1994 waren es 125), setzten hier zwar politisch an und versuchten eine Liberali- sierung des Welthandels durch die Festschreibung des Abbaus von Zöllen und Einfuhr- 33 beschränkungen sowie durch die sog. +Meistbegünstigungsklausel* herbeizuführen. In der Praxis änderte sich aber wenig. Der freie Welthandel blieb Theorie. In der Tat griff man nun zwar nicht mehr so leicht zum Mittel direkter Zölle, doch viele Staaten versuchten durch den Aufbau nicht-tarifärer Handelshindernisse (wie z.B. spezifische technische Normen oder Verbote von bestimmten Inhaltsstoffen in Nahrungsmitteln) das GATT-Abkommen zu unterlaufen.
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Übersicht 1: Wellen <strong>der</strong> Extension und Expansion<br />
1. Merkantiler Kapitalismus und imperialer Kolonialismus (16. bis 18. Jahrhun<strong>der</strong>t)<br />
2. Semi-<strong>in</strong>dustrieller Kapitalismus und fortgeschrittener Kolonialismus des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
3. Industrieller Kapitalismus und transformierter Kolonialismus des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
4. <strong>Post</strong><strong>in</strong>dustrieller und globalisierter Kapitalismus des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts?<br />
sprechen möchte. Mit e<strong>in</strong>em durchschnittlichen Wachstum von 7,8% p.a. zwischen 1948<br />
und 1973 wuchs <strong>der</strong> Welthandel sogar noch stärker als vor dem ersten Weltkrieg (Zahl errechnet<br />
26<br />
nach ebd.). Dieses +Goldene Zeitalter* des <strong>in</strong>ternationalen Handels (Maddison) hatte jedoch<br />
mit dem Ölschock zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 70er Jahre e<strong>in</strong> jähes Ende, und das durchschnittliche Export-<br />
wachstum sank zwischen 1973 und 1984 auf magere 3,2% p.a. ab (vgl. ebd.).<br />
Trotzdem stieg die Außenhandelsquote (im gewichteten Durchschnitt aller Län<strong>der</strong>) auch zwischen<br />
1960 und 1980 kont<strong>in</strong>uierlich. In Westeuropa überschritt sie sogar die 25%-Marke, was e<strong>in</strong>er<br />
Steigerung um 50% gleich kommt. Erst seit Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre ist allgeme<strong>in</strong> e<strong>in</strong> leichter<br />
E<strong>in</strong>bruch festzustellen (vgl. Globale Trends 93/94; Abb. 4, S. 210). Das spricht für e<strong>in</strong>e zwar<br />
nicht mehr zunehmende, aber <strong>in</strong>sgesamt enorme Bedeutung des <strong>in</strong>ternationalen Handels,<br />
<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Stagnationsphase <strong>in</strong>folge des Ölschocks nicht nur wie<strong>der</strong> an Dynamik zugenommen<br />
27<br />
hat (1992 betrug das Handelswachstum 4,7%), son<strong>der</strong>n jetzt auch e<strong>in</strong>en tatsächlich globalen<br />
Markt umfaßt. Denn durch den politischen Umbruch <strong>in</strong> den meisten sozialistischen Staaten,<br />
die stark vom Rest <strong>der</strong> Weltwirtschaft abgekoppelt waren und nur ca. 10% Prozent des Welt-<br />
handels (vorwiegend unter sich) abwickelten (siehe Tab. 5, S. 86), ist es seit 1989 zu e<strong>in</strong>er<br />
nochmaligen Rahmenerweiterung gekommen – auch wenn die (welt)ökonomische Bedeutung<br />
<strong>der</strong> meisten postsozialistischen Transformationsstaaten <strong>der</strong>zeit marg<strong>in</strong>al ist. 28<br />
Der sich entgrenzende Handel stellt jedoch nur e<strong>in</strong>e Ebene <strong>der</strong> ökonomischen Globalisierung<br />
dar (siehe Übersicht 2, S. 78). Zudem verläuft die Abwicklung des <strong>in</strong>ternationalen Handels<br />
(noch immer) nicht ungeh<strong>in</strong><strong>der</strong>t und stößt auf protektionistische Maßnahmen durch die<br />
souveränen Staaten zum Schutz ihrer nationalen Produktion. Denn <strong>der</strong> anfängliche Kapitalismus<br />
<strong>der</strong> freien Konkurrenz (unter den Industrienationen), <strong>der</strong> laut Karl Polanyi durch e<strong>in</strong> System<br />
des Kräftegleichgewichts, den <strong>in</strong>ternationalen Goldstandard sowie die Selbstregulation des<br />
Marktes im liberalen Staat ermöglicht wurde, stellte letztendlich e<strong>in</strong>e nicht auf Dauer realisierbare