Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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72 POLITIK IN DER (POST-)MODERNE einer komplexen, erst im Beginn befindlichen Entwicklung. Um vor dieser Komplexität nicht zu kapitulieren, läßt sich grob, wie schon oben angedeutet, zwischen drei Dimensionen der Globalisierung unterscheiden: Ökonomie, Politik und Kultur (vgl. auch Sklair: Sociology of the Global System; S. 5f. sowie Waters: Globalization; S. 7f.). 11 Die kulturelle Dimension wird an dieser Stelle jedoch weitgehend ausgeblendet bleiben. 12 Entsprechend der formulierten These einer Dialektik von (sozio-)ökonomischem Wandel und politischer Statik, soll hier nämlich vor allem geklärt werden, ob und inwieweit die politische der ökonomischen Globalisierung hinterherhinkt. Dazu ist es sinnvoll, sich zunächst zu ver- deutlichen, was in der aktuellen (soziologischen) Diskussion unter diesem Begriff verstanden wird. Denn auch wenn die zitierte Passage aus dem +Manifest* eine gute (inhaltliche) Idee von Globalisierung vermittelt, so haben Marx und Engels zwar die Sache erfaßt, sich aber keinen expliziten Begriff davon gemacht. Springen wir deshalb in die Gegenwart. Vor allem zwei Definitionen von Globalisierung haben sich im Rahmen des soziologischen Diskurses als durchsetzungsfähig erwiesen und werden immer wieder zitiert: jene von Giddens, dessen Konzept der +live politics* ja bereits vorgestellt wurde (siehe S. 56f.), und jene Roland Robertsons. Giddens macht deutlich, daß eine der zentralen +Konsequenzen der Moderne* (1990) ihre globalisierende Wirkung darstellt und daß es im Zuge der Modernisierung zu einem raum-zeitlichen Dehnungsprozeß (des Lokalen) kommt: +Globalisation can thus be defined as the intensification of worldwide social relations which link distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occurring many miles away and vice versa.* (The Consequences of Modernity; S. 64) Die vier primär relevanten Felder dieses Prozesses sind laut Giddens das (globale) Staatensystem, die kapitalistische (Welt-)Ökonomie, die (weltweite) Militärordnung und die (internationale) Arbeitsteilung (vgl. ebd.; S. 70–78). Im Prinzip ähnlich, aber anders als Giddens auch die Bewußtseins-Dimension mit einschließend und betonend definiert Robertson (1992): +Globalization as a concept refers both to the compression of the world and the intensification of consciousness of the world as a whole.* (Globalization; S. 8) 13 Sein (ebenfalls) vierdimensionales globales Feld umfaßt die einzelne Nationalgesellschaft wie das internationale System, das einzelne Individuum wie die Menschheit als Ganze, die alle

KAP. 2: ZUR DIALEKTIK VON SOZIO-ÖKONOMISCHEM WANDEL UND POLITISCHER STATIK 73 14 in einer dialektischen Wechselbeziehung zueinander stehen (vgl. ebd.; S. 25–31). Globalisierung bedeutet also die widersprüchliche Gleichzeitigkeit von Universalisierung und Partikularisierung, Integration und Fragmentisierung etc. (vgl. hierzu auch McGrew: A Global Society?; S. 74f.). 15 Es kommt dabei weniger zu einer Homogenisierung als zu einer Verschränkung und Durch- mischung. Globalisierung kann entsprechend auch als +strukturelle Hybridisierung* konzeptio- nalisiert werden (vgl. Pieterse: Globalization as Hybridization). Deshalb bevorzugt Robertson neuerdings auch den Hybridbegriff +Glokalisierung*, der den dialektischen Charakter des stattfindenden Entgrenzungsprozesses seiner Meinung nach besser zum Ausdruck bringt. Mit Glokalisierung wird im +Business-Jargon* nämlich die weltweite Vermarktung unter Berück- sichtigung lokaler Besonderheiten bezeichnet (wie sie z.B. der Musik-Sender +MTV* erfolgreich betreibt). Hier findet auf kommerzieller Ebene statt, was Robertson ganz allgemein als Kenn- zeichen von Globalisierung gilt, die für ihn folglich den Charakter einer globalen Lokalisierung hat (vgl. Glocalization; S. 28ff.). Kombiniert man nun Giddens’ und Robertsons Definitionen 16 in kreativer Weise – und mischt ein wenig Beck hinzu –, so ergeben sich vier (jeweils einander bedingende) Elemente von +Globalisierung*: • Die (transport- und kommunikationstechnologische) Schrumpfung der räumlichen Distanz • Die daraus entstehende Intensivierung bzw. Verdichtung der weltweiten Beziehungen • Die somit bewirkte Risiko- und Nutzenvernetzung • Das hieraus sich entwickelnde (reflexive) globale Bewußtsein Anders als insbesondere Robertson möchte ich jedoch betonen, daß der Globalisierungsbegriff zu Recht eine expansive Dynamik ausdrückt. Die globale Diversifizierung, die momentan stattfindet, impliziert – auch wenn sie von Lokalisierungsprozessen begleitet wird – die weltweite Verbreitung zuvor lokal begrenzter ökonomischer, politischer und kultureller Muster und die 17 darauf aufbauende Schaffung eines globalen Netzwerks. Das heißt jedoch nicht, daß Globali- sierung notwendig gleichbedeutend mit Verwestlichung oder Amerikanisierung wäre, wie es das in diesem Zusammenhang häufig gebrauchte Imperialismus-Schlagwort nahelegt. 18 Wenn Globalisierung aktuell auch und gerade im ökonomischen Bereich zumeist tatsächlich ein +imperialistisches* Gesicht trägt, so zeigt dies nur, daß wir es in der Gegenwart mit einem unvollkommenen, hierarchisierenden Globalisierungsprozeß zu tun haben. Anzustreben wäre demgegenüber meines Erachtens eine gleichberechtigte und reziproke Globalisierung, die

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<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dialektischen Wechselbeziehung zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> stehen (vgl. ebd.; S. 25–31). Globalisierung<br />

bedeutet also die wi<strong>der</strong>sprüchliche Gleichzeitigkeit von Universalisierung und Partikularisierung,<br />

Integration und Fragmentisierung etc. (vgl. hierzu auch McGrew: A Global Society?; S. 74f.). 15<br />

Es kommt dabei weniger zu e<strong>in</strong>er Homogenisierung als zu e<strong>in</strong>er Verschränkung und Durch-<br />

mischung. Globalisierung kann entsprechend auch als +strukturelle Hybridisierung* konzeptio-<br />

nalisiert werden (vgl. Pieterse: Globalization as Hybridization). Deshalb bevorzugt Robertson<br />

neuerd<strong>in</strong>gs auch den Hybridbegriff +Glokalisierung*, <strong>der</strong> den dialektischen Charakter des<br />

stattf<strong>in</strong>denden Entgrenzungsprozesses se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach besser zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt. Mit<br />

Glokalisierung wird im +Bus<strong>in</strong>ess-Jargon* nämlich die weltweite Vermarktung unter Berück-<br />

sichtigung lokaler Beson<strong>der</strong>heiten bezeichnet (wie sie z.B. <strong>der</strong> Musik-Sen<strong>der</strong> +MTV* erfolgreich<br />

betreibt). Hier f<strong>in</strong>det auf kommerzieller Ebene statt, was Robertson ganz allgeme<strong>in</strong> als Kenn-<br />

zeichen von Globalisierung gilt, die für ihn folglich den Charakter e<strong>in</strong>er globalen Lokalisierung<br />

hat (vgl. Glocalization; S. 28ff.). Komb<strong>in</strong>iert man nun Giddens’ und Robertsons Def<strong>in</strong>itionen<br />

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<strong>in</strong> kreativer Weise – und mischt e<strong>in</strong> wenig Beck h<strong>in</strong>zu –, so ergeben sich vier (jeweils e<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

bed<strong>in</strong>gende) Elemente von +Globalisierung*:<br />

• Die (transport- und kommunikationstechnologische) Schrumpfung <strong>der</strong> räumlichen Distanz<br />

• Die daraus entstehende Intensivierung bzw. Verdichtung <strong>der</strong> weltweiten Beziehungen<br />

• Die somit bewirkte Risiko- und Nutzenvernetzung<br />

• Das hieraus sich entwickelnde (reflexive) globale Bewußtse<strong>in</strong><br />

An<strong>der</strong>s als <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Robertson möchte ich jedoch betonen, daß <strong>der</strong> Globalisierungsbegriff<br />

zu Recht e<strong>in</strong>e expansive Dynamik ausdrückt. Die globale Diversifizierung, die momentan<br />

stattf<strong>in</strong>det, impliziert – auch wenn sie von Lokalisierungsprozessen begleitet wird – die weltweite<br />

Verbreitung zuvor lokal begrenzter ökonomischer, politischer und kultureller Muster und die<br />

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darauf aufbauende Schaffung e<strong>in</strong>es globalen Netzwerks. Das heißt jedoch nicht, daß Globali-<br />

sierung notwendig gleichbedeutend mit Verwestlichung o<strong>der</strong> Amerikanisierung wäre, wie<br />

es das <strong>in</strong> diesem Zusammenhang häufig gebrauchte Imperialismus-Schlagwort nahelegt. 18<br />

Wenn Globalisierung aktuell auch und gerade im ökonomischen Bereich zumeist tatsächlich<br />

e<strong>in</strong> +imperialistisches* Gesicht trägt, so zeigt dies nur, daß wir es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegenwart mit e<strong>in</strong>em<br />

unvollkommenen, hierarchisierenden Globalisierungsprozeß zu tun haben. Anzustreben wäre<br />

demgegenüber me<strong>in</strong>es Erachtens e<strong>in</strong>e gleichberechtigte und reziproke Globalisierung, die

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