Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal
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XII POLITIK IN DER (POST-)MODERNE ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? Ich möchte diesen Prolog, in dem es um eine Problematisierung des allzu vagen und vielleicht gerade deshalb so schillernden Begriffs +Postmoderne* gehen wird – ganz dem Thema entspre- chend – mit einem Zitat beginnen: +Wir schwanken zwischen verschiedenen Meinungen, nichts wollen wir […] mit festem Sinn, nichts mit Beharrlichkeit […] Von mir selbst habe ich nichts Ganzes aus einem Stücke, nichts Einfaches, nichts Festes ohne Verwirrung und […] nichts, was ich in ein Wort fassen könnte […]* (Michel de Montaigne: Über die Unbeständigkeit der menschlichen Handlungen; S. 105 u. S. 108) Beim Lesen dieser Zeilen Montaignes wird sich der eine oder andere vielleicht in seiner eigenen Ambivalenz und Unentschiedenheit wiedererkennen. Es scheint, als sei hier in plastischen Worten das vielbeschriebene Dilemma des (post)modernen Menschen erfaßt, dessen +heimatloses 1 Bewußtsein* (Berger/Berger/Kellner) bestenfalls eine +Patchwork-Identität* (Keupp) zu gewinnen vermag. Doch egal ob man, wie Berger et al., eher die negativen Aspekte dieser +Identitäts- 2 Diffusion* (Erikson) beklagt oder, wie Keupp, auch einen +Zugewinn kreativer Lebensmög- lichkeiten* infolge der Befreiung aus dem +Identitätszwang* zugesteht (Auf der Suche nach 3 verlorener Identität; S. 64) – beide beziehen sich auf die psychologischen Niederschläge einer Gegenwart, die immer häufiger mit dem Etikett +Postmoderne* versehen wird. 4 Montaigne, der auch von Keupp zitiert wird, offenbarte allerdings dieses so aktuell anmutende Eingeständnis seines inneren Zwiespalts als Mensch des 16. Jahrhunderts – d.h. zu einer Zeit, da gemäß der gängigen Einteilung gerade erst die Epoche der Neuzeit heraufzudämmern begann. Dieser Umstand provoziert die Frage: Wie postmodern war die Moderne und wie modern ist andererseits die Postmoderne? Könnte es nicht sein, daß die Grenze beider Epochen nur im Bewußtsein des individuellen Selbst verläuft, in der Einstellung der Individuen zu sich und ihrer Zeit zum Ausdruck kommt? – Würde man dem zustimmen, so ergäbe die begriffliche Trennung in ihrer aktuellen Form, die eine historische Abgrenzbarkeit von +Moderne* und
ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? XIII +Postmoderne* suggeriert, wenig Sinn. Und schließlich stellt schon das Wort +Postmoderne* einen Widerspruch in sich dar, denn die Moderne hat sich selbst perpetuiert, indem sie sich als die auf ewig +neue Zeit* festschrieb, woraus folgt, daß ein +Danach* erst gar nicht in den Sinn geriet und somit obsolet wurde. Die Postmoderne ist also schon durch den gewählten Terminus in eine unbestimmte Zukunft verlagert, eine Epoche, die niemals beginnt und doch beständig in den Startlöchern hockt, die Gegenwart zu überholen. Ist sie also nur die zum Begriff gewordene Fiktion einer kommenden Zeit, in der sich die Probleme und Hoffnungen des aktuellen Seins spiegeln? Eine Reihe von Fragen wurde in diesen kurzen Eingangssätzen bereits aufgeworfen. Fragen, die weitgehend unbeantwortet bleiben werden – und auch unbeantwortet bleiben sollen. Es sind nämlich weniger (notwendigerweise) vereinfachende Antworten, die an dieser Stelle interessieren, als das Bewußtsein für die Problematik des Begriffs. Und so gibt sich nicht nur der Titel dieser Arbeit zwiespältig. +Politik in der (Post-)Moderne* – die Klammern deuten es an: Auch ich als Autor bin ambivalent in bezug auf +unsere postmoderne Moderne* (Welsch). Allerdings ist diese (unentschiedene) Ambivalenz ihrerseits bereits Ausdruck einer als +post- modern* charakterisierbaren Einstellung – einer Einstellung, die darauf verzichtet, zu fixieren und zu identifizieren, und anstelle dessen auch Unsicherheiten und Vielschichtigkeit zuläßt. In den von mir gesetzten Klammern ist deshalb folgende Möglichkeit bewußt mit eingeklammert: daß unsere Gegenwart gleichzeitig modern und postmodern ist. AUF DEN SPUREN DER MODERNE Die oben getroffene Aussage, daß eine postmoderne Haltung durch das Zulassen von Un- sicherheiten und Vielschichtigkeit gekennzeichnet sein könnte, stellt einen Vorgriff auf die erst noch zu vollziehenden Annäherung an die Inhalte postmodernen (des sich selbst so ver- stehenden wie des so bezeichneten) Denkens dar. Da aber die Moderne der Postmoderne – zumindest als Begriff – vorausgeht, sollte man vor der Beschäftigung mit ihren verschiedenen Richtungen und Spielarten Klarheit über das (Ge)wesen(e) der Moderne gewinnen. Leider besteht jedoch nicht einmal Einigkeit bezüglich der Datierung. Je nach Betrachtungsperspektive kann die Schwelle zur Epoche der Moderne mit dem Anbruch des 16. Jahrhunderts, aber auch erst wesentlich später (oder gar in der Gegenwart) angesetzt werden. 5
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ENTRÉE DISCURSIVE: POSTMODERNE – ENDE ODER VOLLENDUNG DER MODERNE? XIII<br />
+<strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne* suggeriert, wenig S<strong>in</strong>n. Und schließlich stellt schon das Wort +<strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne*<br />
e<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>spruch <strong>in</strong> sich dar, denn die Mo<strong>der</strong>ne hat sich selbst perpetuiert, <strong>in</strong>dem sie sich<br />
als die auf ewig +neue Zeit* festschrieb, woraus folgt, daß e<strong>in</strong> +Danach* erst gar nicht <strong>in</strong> den<br />
S<strong>in</strong>n geriet und somit obsolet wurde. Die <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne ist also schon durch den gewählten<br />
Term<strong>in</strong>us <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unbestimmte Zukunft verlagert, e<strong>in</strong>e Epoche, die niemals beg<strong>in</strong>nt und doch<br />
beständig <strong>in</strong> den Startlöchern hockt, die Gegenwart zu überholen. Ist sie also nur die zum<br />
Begriff gewordene Fiktion e<strong>in</strong>er kommenden Zeit, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich die Probleme und Hoffnungen<br />
des aktuellen Se<strong>in</strong>s spiegeln?<br />
E<strong>in</strong>e Reihe von Fragen wurde <strong>in</strong> diesen kurzen E<strong>in</strong>gangssätzen bereits aufgeworfen. Fragen,<br />
die weitgehend unbeantwortet bleiben werden – und auch unbeantwortet bleiben sollen.<br />
Es s<strong>in</strong>d nämlich weniger (notwendigerweise) vere<strong>in</strong>fachende Antworten, die an dieser Stelle<br />
<strong>in</strong>teressieren, als das Bewußtse<strong>in</strong> für die Problematik des Begriffs. Und so gibt sich nicht nur<br />
<strong>der</strong> Titel dieser Arbeit zwiespältig. +<strong>Politik</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> (<strong>Post</strong>-)Mo<strong>der</strong>ne* – die Klammern deuten<br />
es an: Auch ich als Autor b<strong>in</strong> ambivalent <strong>in</strong> bezug auf +unsere postmo<strong>der</strong>ne Mo<strong>der</strong>ne* (Welsch).<br />
Allerd<strong>in</strong>gs ist diese (unentschiedene) Ambivalenz ihrerseits bereits Ausdruck e<strong>in</strong>er als +post-<br />
mo<strong>der</strong>n* charakterisierbaren E<strong>in</strong>stellung – e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>stellung, die darauf verzichtet, zu fixieren<br />
und zu identifizieren, und anstelle dessen auch Unsicherheiten und Vielschichtigkeit zuläßt.<br />
In den von mir gesetzten Klammern ist deshalb folgende Möglichkeit bewußt mit e<strong>in</strong>geklammert:<br />
daß unsere Gegenwart gleichzeitig mo<strong>der</strong>n und postmo<strong>der</strong>n ist.<br />
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Die oben getroffene Aussage, daß e<strong>in</strong>e postmo<strong>der</strong>ne Haltung durch das Zulassen von Un-<br />
sicherheiten und Vielschichtigkeit gekennzeichnet se<strong>in</strong> könnte, stellt e<strong>in</strong>en Vorgriff auf die<br />
erst noch zu vollziehenden Annäherung an die Inhalte postmo<strong>der</strong>nen (des sich selbst so ver-<br />
stehenden wie des so bezeichneten) Denkens dar. Da aber die Mo<strong>der</strong>ne <strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne<br />
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Richtungen und Spielarten Klarheit über das (Ge)wesen(e) <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne gew<strong>in</strong>nen. Lei<strong>der</strong><br />
besteht jedoch nicht e<strong>in</strong>mal E<strong>in</strong>igkeit bezüglich <strong>der</strong> Datierung. Je nach Betrachtungsperspektive<br />
kann die Schwelle zur Epoche <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne mit dem Anbruch des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts, aber<br />
auch erst wesentlich später (o<strong>der</strong> gar <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gegenwart) angesetzt werden. 5