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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 1: POLITIK – ETYMOLOGIE UND SEMANTIK EINES +RECYCLINGFÄHIGEN* BEGRIFFS 61<br />

als ethischer und politischer Wert ist im Gegensatz dazu grundsätzlich offen. Demgemäß<br />

umfaßt <strong>der</strong> Normenkatalog e<strong>in</strong>er postmo<strong>der</strong>nen Ethik <strong>der</strong> Pluralität für ihn e<strong>in</strong>zig zwei positive<br />

und zwei prohibitive For<strong>der</strong>ungen: Erstere bestehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> +E<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong> das Eigenrecht und<br />

die Eigentlichkeit des An<strong>der</strong>en* (ebd.; S. 26) sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Akzeptanz +ihrer eventuell un-<br />

gewohnten o<strong>der</strong> anstößigen Äußerungsformen* (ebd.). Die zwei prohibitiven Maximen äußern<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Verbot von Übergriffen und e<strong>in</strong>er Ablehnung von Totalisierungen (vgl. ebd.;<br />

S. 28). Politisch umgemünzt ergibt sich e<strong>in</strong> Demokratiekonzept, das auf dem Recht zum Dissens<br />

beruht (vgl. ebd.; S. 31f.). In Anlehnung an Becks Konzept <strong>der</strong> Subpolitik sowie postmo<strong>der</strong>ne<br />

Theoretiker wird bei Welsch aus diesem Recht zum Dissens e<strong>in</strong>e aus <strong>der</strong> Lebenswelt gespeiste<br />

<strong>Politik</strong> <strong>der</strong> Differenz (vgl. ebd.; S. 34f.).<br />

Welsch hat mit diesem Entwurf sicherlich e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>teressanten Beitrag zu e<strong>in</strong>er +postmo<strong>der</strong>nen*<br />

Demokratie-Theorie geleistet, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e weitere Ausarbeitung verdienen würde. Ich möchte<br />

allerd<strong>in</strong>gs auch auf e<strong>in</strong>ige Probleme se<strong>in</strong>er Konzeption h<strong>in</strong>weisen. Zum e<strong>in</strong>en bleibt es dunkel,<br />

warum das bloße An<strong>der</strong>sse<strong>in</strong> des An<strong>der</strong>en e<strong>in</strong> Verbot von Übergriffen und Totalisierungen<br />

gebietet. Dieser E<strong>in</strong>wand gilt auch für Lév<strong>in</strong>as’ Ethik <strong>der</strong> Differenz, <strong>der</strong> diesbezüglich ähnliche<br />

155<br />

Aussagen trifft (vgl. z.B. Jenseits des Se<strong>in</strong>s; S. 37–41). Schließlich ist Differenz ke<strong>in</strong> Wert<br />

an sich, son<strong>der</strong>n davon abhängig, ob wir bereit s<strong>in</strong>d, ihr e<strong>in</strong>en Wert beizumessen. Zudem:<br />

Auch <strong>der</strong> An<strong>der</strong>e wird erst durch unsere Def<strong>in</strong>ition zum An<strong>der</strong>en. Identität und Differenz<br />

s<strong>in</strong>d dabei gleichermaßen kont<strong>in</strong>gente Konstruktionen. E<strong>in</strong> weiterer, ganz ähnlicher E<strong>in</strong>wand<br />

betrifft die Pluralität als ethischen und politischen Wert. Welsch bemüht sich darzulegen,<br />

daß das Pr<strong>in</strong>zip radikaler Pluralität, wie er es versteht, unabhängig von e<strong>in</strong>em vorgängigen<br />

Konsens ist. Er vergißt, daß auch <strong>der</strong> Wert <strong>der</strong> Pluralität als Grundlage politischer Organisation<br />

zustimmungsbedürftig ist. Daß die +Verfassung <strong>der</strong> <strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne* diesen Konsens über die<br />

Pluralität als ihr Fundament strukturell <strong>in</strong> gewisser Weise nahe legt, spricht allerd<strong>in</strong>gs wie<strong>der</strong>um<br />

für Welschs Argumentation.<br />

So e<strong>in</strong>deutig und auf allen Ebenen plural, wie Welsch diese Struktur <strong>in</strong>terpretiert, ist sie jedoch<br />

ke<strong>in</strong>eswegs. Nicht von ungefähr spricht auch Lyotard schließlich von <strong>der</strong> +Vorherrschaft <strong>der</strong><br />

156<br />

ökonomischen Diskursart* (Der Wi<strong>der</strong>streit; S. 293 [Nr. 253]). Die radikale Mo<strong>der</strong>ne <strong>der</strong><br />

<strong>Post</strong>mo<strong>der</strong>ne, das ist die im Umbruch bef<strong>in</strong>dliche Welt des Spätkapitalismus. Und im Spät-<br />

kapitalismus gilt, wie Jameson feststellte (siehe S. LVII), e<strong>in</strong>e ganz eigene Logik: Die Entgrenzung<br />

des <strong>in</strong>ternationalen Kapitals hat zu e<strong>in</strong>er Entgrenzung <strong>der</strong> kapitalistischen Waren-Kultur geführt.

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