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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 1: POLITIK – ETYMOLOGIE UND SEMANTIK EINES +RECYCLINGFÄHIGEN* BEGRIFFS 45<br />

Das demokratische Element des politischen Liberalismus ist, nachdem es se<strong>in</strong>e Grundlegung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufklärungsphilosophie erhalten hatte, also erst im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t bzw. dem späten<br />

18. Jahrhun<strong>der</strong>t tatsächlich zum Durchbruch gelangt – und dies auch nur <strong>in</strong> +fortschrittlichen*<br />

Staaten wie England o<strong>der</strong> Frankreich sowie natürlich <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten Staaten. Alexis de<br />

Tocqueville (1805–59) g<strong>in</strong>g allerd<strong>in</strong>gs nach se<strong>in</strong>er Analyse <strong>der</strong> amerikanischen Verhältnisse<br />

davon aus, daß das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> politischen Gleichheit sich unaufhaltsam und überall durchsetzen<br />

würde, stand dem Prozeß <strong>der</strong> Demokratisierung aus se<strong>in</strong>er aristokratischen Perspektive aber<br />

durchaus distanziert gegenüber und sprach von <strong>der</strong> Gefahr e<strong>in</strong>er +Tyrannis <strong>der</strong> Mehrheit*<br />

(vgl. Über die Demokratie <strong>in</strong> Amerika; Teil II, Kap. 7).<br />

Deutschland hatte mit <strong>der</strong> gescheiterten +Revolution* von 1848 den Anschluß an diese von<br />

Tocqueville prognostizierte Entwicklung für lange Zeit verpaßt. Es ist deshalb auch kaum ver-<br />

wun<strong>der</strong>lich, daß <strong>der</strong> politisch-demokratische Liberalismus des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts se<strong>in</strong>e prägnanteste<br />

theoretische Ausformulierung nicht durch e<strong>in</strong>en deutschen Denker, son<strong>der</strong>n den Briten John<br />

Stuart Mill (1806–73) fand. E<strong>in</strong>e zentral Position nimmt dabei die For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>er repräsen-<br />

122<br />

tativen Volksvertretung e<strong>in</strong>, die die legislativen Kompetenzen <strong>in</strong>ne hat. Denn <strong>der</strong> gewalten-<br />

teilige bürgerliche Staat ist als +Rechtsstaat* durch e<strong>in</strong>e allseitige Verrechtlichung <strong>der</strong> Verhältnisse<br />

gekennzeichnet, was auch kalkulierbare Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die ökonomische Entfaltung<br />

sicherstellen sollte. Die For<strong>der</strong>ung nach sozialer Grundsicherung taucht im liberalen Kontext<br />

erst relativ spät auf und ist typisch für e<strong>in</strong>en +neuen Liberalismus*, wie ihn z.B. Ralf Dahrendorf<br />

vertritt:<br />

+Liberale haben es nicht immer leicht gefunden, den Wohlfahrtsstaat zu akzeptieren. Während Staatsbür-<br />

gerrechte e<strong>in</strong> traditionelles und zentrales Thema liberaler Programmatik waren, haben viele ihr Interesse<br />

auf die juristischen und politischen Aspekte solcher Rechte beschränkt […] Formale Chancengleichheit<br />

muß geschaffen werden […], aber dann müssen die Staatsbürger selbst ihren Weg gehen […] Nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg ist die Begrenztheit dieser Vorstellung fast allen bewußt geworden […] Die<br />

Möglichkeit <strong>der</strong> Teilnahme kann nur realisiert werden durch e<strong>in</strong>e Sozialpolitik, die Menschen befähigt,<br />

das Versprechen <strong>der</strong> Staatsbürgerschaft e<strong>in</strong>zulösen.* (Fragmente e<strong>in</strong>es neuen Liberalismus; S. 138)<br />

Der so verstandene +neue Liberalismus* Dahrendorfs hat natürlich denkbar wenig mit dem<br />

aktuellen Neoliberalismus geme<strong>in</strong>, <strong>der</strong> die Vorstellungen des ökonomischen Liberalismus<br />

123<br />

weitgehend auf das Feld <strong>der</strong> <strong>Politik</strong> überträgt. Was aber s<strong>in</strong>d die Grundpr<strong>in</strong>zipien des<br />

ökonomischen Liberalismus und welche Schlußfolgerungen ergeben sich daraus für den (neo)-

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