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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 1: POLITIK – ETYMOLOGIE UND SEMANTIK EINES +RECYCLINGFÄHIGEN* BEGRIFFS 27<br />

gebunden sowie die souveräne Macht durch e<strong>in</strong> System <strong>der</strong> +checks and balances* beschränkt.<br />

Damit s<strong>in</strong>d die größten Schwächen <strong>der</strong> Konstruktion Hobbes’ beseitigt. Doch diente die von<br />

Locke entworfene und im historischen Prozeß schließlich auch weitgehend umgesetzte Gesell-<br />

schaftsordnung <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie den Interessen <strong>der</strong> Besitzenden. Die angeblich natürlichen Rechte,<br />

die Locke nennt, reflektieren Vorstellungen und Werte des aufgrund se<strong>in</strong>es ökonomischen<br />

Erfolgs selbstbewußt gewordenen Bürgertums. Das verdeutlicht beson<strong>der</strong>s die zentrale Rolle<br />

des Eigentums im System Lockes. Denn <strong>der</strong> Zweck <strong>der</strong> Ausübung des staatlichen Gewaltmono-<br />

pols ist zwar +das Wohl <strong>der</strong> Menschheit* (vgl. ebd.; § 229). Dieses wird aber identifiziert<br />

mit +<strong>der</strong> Erhaltung des Eigentums [property] aller Glie<strong>der</strong> dieser Gesellschaft* (ebd.; § 88). 74<br />

Jean- Jacques Rousseau (1712–78), <strong>der</strong> dritte große neuzeitliche Vertragstheoretiker, hat das<br />

75<br />

scharfs<strong>in</strong>nig erkannt. In se<strong>in</strong>em berühmten +Discours sur l’<strong>in</strong>égalité* (1755) bemerkt er mit<br />

deutlicher Stoßrichtung gegen Locke:<br />

+Der Reiche <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bedrängnis entwarf schließlich den ausgedachtesten Plan, den jemals <strong>der</strong><br />

menschliche Geist ausbrütete, nämlich zu se<strong>in</strong>en Gunsten sogar die Kräfte <strong>der</strong>er zu benutzen, die<br />

ihn angriffen […] ›Wir wollen uns vere<strong>in</strong>en‹, sagte er ihnen, ›um die Schwachen vor <strong>der</strong> Unterdrückung<br />

zu bewahren […] und jedem se<strong>in</strong>en Besitz zuzusichern […] Wir wollen Vorschriften über Gesetz<br />

und Frieden erlassen, denen je<strong>der</strong> zu folgen verpflichtet ist, die ke<strong>in</strong> Ansehen <strong>der</strong> Person gelten lassen<br />

und auf gewisse Weise die Launen des Glücks wie<strong>der</strong>gutmachen, <strong>in</strong>dem sie den Mächtigen wie den<br />

Schwachen gleicherweise gegenseitigen Pflichten unterwerfen […]‹ […] So vollzog sich die Entstehung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft […] sowie <strong>der</strong> Gesetze, die dem Schwachen neue Fesseln und dem Reichen neue<br />

Macht gaben.* (S. 227ff.)<br />

Rousseau, <strong>der</strong> sich hier sehr kritisch äußert, ist allerd<strong>in</strong>gs nicht, wie man vermuten könnte,<br />

76<br />

e<strong>in</strong> (früh)sozialistischer o<strong>der</strong> gar revolutionärer Denker. Die Revolutionäre des Jahres 1789<br />

77<br />

haben sich wohl eher aus weitgehen<strong>der</strong> Unkenntnis se<strong>in</strong>er Schriften auf ihn berufen. Ihre<br />

Parole +Freiheit, Gleichheit, Brü<strong>der</strong>lichkeit*, die sie nach dem Verfall des +Ancien Régime*<br />

78<br />

dem absolutistischen +l’état, c’est moi* entgegensetzten, hätte zwar wohl auch die Zustimmung<br />

des über zehn Jahre zuvor verstorbenen Rousseaus gefunden – das sich aus <strong>der</strong> Revolution<br />

entwickelnde jakob<strong>in</strong>ische +Schreckenssystem* jedoch ganz gewiß nicht. Zudem weist Rousseaus<br />

Denken auch klar konservative Züge auf – etwa wenn er ständig die Bedeutung von Sitte<br />

und Moral betont o<strong>der</strong> die gesellschaftliche Ordnung als +geheiligtes Recht* bezeichnet, zu<br />

<strong>der</strong>en Durchsetzung (im S<strong>in</strong>ne des Geme<strong>in</strong>wohls) auch Zwang angewandt werden kann (vgl.<br />

79<br />

Vom Gesellschaftsvertrag; S. 6 u. S. 21 [I,1 u. I,7]). Diese konservativen Elemente s<strong>in</strong>d wohl

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