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Politik in der (Post-)Moderne - edition fatal

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KAP. 1: POLITIK – ETYMOLOGIE UND SEMANTIK EINES +RECYCLINGFÄHIGEN* BEGRIFFS 17<br />

e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen allen an<strong>der</strong>en die Richtung weisen, um die Vielheit des Geme<strong>in</strong>wesens<br />

zusammenzuhalten. Das so begründete Herrscheramt ist aber (an<strong>der</strong>s als später z.B. bei Marsilius<br />

und ganz <strong>in</strong> antik-christlicher Tradition verhaftet) dem allgeme<strong>in</strong>en Wohl (bonum commune)<br />

ausdrücklich verpflichtet: +E<strong>in</strong> König ist, wer über die Gesellschaft e<strong>in</strong>er Stadt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Land-<br />

schaft gebietet, und zwar um ihrem Geme<strong>in</strong>wohl zu dienen* (S. 18 [Kap. 1]). Diese Geme<strong>in</strong>wohl-<br />

verpflichtung gilt, da <strong>der</strong> Herrscher e<strong>in</strong>zig von Gott an diese hervorragende Stelle gesetzt<br />

wurde. Er ist also nicht eigenmächtig, son<strong>der</strong>n schöpft von <strong>der</strong> +göttlichen Allmacht*. Die<br />

ihm verliehene Gewalt darf er folglich nur zum Wohle aller gebrauchen, und er muß auch<br />

für die Möglichkeit zur +sittlichen Vervollkommnung* se<strong>in</strong>er Untertanen Sorge tragen:<br />

+Dessen muß sich also e<strong>in</strong> König bewußt se<strong>in</strong>: daß er das Amt auf sich genommen hat, se<strong>in</strong>em<br />

Königreiche das zu se<strong>in</strong>, was die Seele für den Leib und Gott für die Welt bedeutet. Wenn er dies<br />

mit Fleiß bedenkt, wird <strong>in</strong> ihm wohl <strong>der</strong> Eifer <strong>der</strong> Gerechtigkeit entbrennen, da er erwägt, daß er<br />

nur deshalb auf se<strong>in</strong>en Platz gestellt ist, um an Gottes Statt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Reiche Urteil zu sprechen.*<br />

(Ebd.; S. 74f. [Kap. 12])<br />

Die weltliche Gewalt bleibt also bei Thomas, obwohl er <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung +Gebt dem Kaiser<br />

was des Kaisers ist!* grundsätzlich zustimmt, rückgebunden an die +göttliche Transzendenz*<br />

40<br />

und ist <strong>in</strong> Angelegenheiten des +Seelenheils* sogar <strong>der</strong> Geistlichkeit klar untergeordnet. Entlang<br />

dieser L<strong>in</strong>ie argumentieren fast alle Denker des Hochmittelalters. Schließlich war die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Kirche groß und ihr E<strong>in</strong>fluß umfassend. Sie hatte nicht nur immense Besitzungen – spätestens<br />

seit Gregor VII. (1073–85) erhob sie e<strong>in</strong>en Führungsanspruch, <strong>der</strong> sich auch auf den politischen<br />

Bereich erstreckte. Der Papst beanspruchte nun nicht nur das Recht zur Ernennung <strong>der</strong><br />

geistlichen Würdenträger, son<strong>der</strong>n auch zur E<strong>in</strong>- und Absetzung <strong>der</strong> weltlichen Herrscher.<br />

Dem Übergriff auf ihre Machtsphäre versuchten diese sich natürlich zu entziehen, doch zunächst<br />

mußten sie vor <strong>der</strong> kirchlichen Autorität, die mit Exkommunizierung drohte, kapitulieren:<br />

Der sprichwörtliche gewordene Bußgang He<strong>in</strong>richs IV. nach Canossa im Jahr 1077 ist Symbol<br />

<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage <strong>der</strong> weltlichen <strong>Politik</strong> im Investiturstreit des 11. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Der sich abzeich-<br />

nende Gegensatz zwischen Kirche und Staat führte bei allen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen aber niemals<br />

zur generellen Anzweifelung <strong>der</strong> dualen sozialen Ordnung: Der e<strong>in</strong>zelne blieb <strong>in</strong> <strong>der</strong> ständisch-<br />

feudalen Gesellschaft des Mittelalters sowohl Spielball <strong>der</strong> königlich-fürstlichen wie <strong>der</strong> päpstlich-<br />

klerikalen Herrschaft. Theologie und <strong>Politik</strong> waren (noch) untrennbar <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verquickt,<br />

wobei erstere den Rahmen des Politischen absteckte. 41

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