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Heft/11 - andreas humburg

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Museumsblätter<br />

Mitteilungen des<br />

Museumsverbandes Brandenburg<br />

> Museumsnetzwerke<br />

Loch an Loch und hält doch!<br />

Museumsentwicklung im Barnim<br />

Archäologische Sammlungen<br />

Ostfriesische Erfahrungen<br />

ABC des Wassers<br />

Dezember 2007 <strong>11</strong>


Titelbild: Wasser ABC Collage, Andreas Humburg<br />

Seite 4: Schiffshebewerk<br />

Impressum<br />

Museumsblätter – Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg<br />

Herausgegeben vom Museumsverband des Landes Brandenburg e.V.<br />

Am Bassin 3, 14467 Potsdam<br />

Telefon: (0331) 23279<strong>11</strong><br />

museumsverband@t-online.de<br />

www.museen-brandenburg.de<br />

Redaktion Iris Berndt, Susanne Köstering<br />

Gestaltung www.<strong>humburg</strong>online.de<br />

Grundlayout www.heutemorgen.com<br />

Druck Brandenburgische Universitätsdruckerei<br />

ISSN 16<strong>11</strong>-0684<br />

Gefördert mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg.<br />

Editorial<br />

Zum zweiten Mal steht eine regionale Museumslandschaft<br />

im Mittelpunkt einer Ausgabe der Museumsblätter.<br />

Den Anfang in <strong>Heft</strong> 1 machten vor fünf Jahren<br />

die Museen in der Spreewaldregion. Jetzt wird <strong>Heft</strong> <strong>11</strong><br />

und damit die zweite Zehnerreihe unserer Zeitschrift<br />

von den Museen im Barnim angeführt. Damit stellen<br />

wir die in diesem Landkreis bevorstehende konzeptionelle<br />

Erneuerung einiger Museen zur Diskussion<br />

und berichten über das aus der Regionalgruppe der<br />

Museen erwachsene Museumsnetzwerk.<br />

Museumsnetzwerke bilden zugleich das übergreifende<br />

Thema dieses <strong>Heft</strong>es. Hinter dem manchmal<br />

schon etwas strapazierten Begriff steht eine Fülle von<br />

lebendigen Kooperationsprojekten auf Kreisebene<br />

und auf Landesebene. Längst nicht alle können wir in<br />

diesem <strong>Heft</strong> vorstellen. Wir haben uns ausgehend von<br />

der regionalen Schwerpunktsetzung mehr mit dem<br />

Norden befasst als mit dem Süden, in dem ebenfalls<br />

Museumsnetzwerke geknüpft wurden und werden, so<br />

beispielsweise in den Kreisen Spree-Neiße und Elbe-<br />

Elster.<br />

Regionale Netzwerke sind vielfach eine Weiterführung<br />

bereits bestehender Regionalgruppen. Den<br />

Unterschied zwischen einer Regionalgruppe und<br />

einem Netzwerk könnte man vielleicht so verallgemeinern:<br />

Regionalgruppen koordinieren gemeinsame<br />

Aktionstage und gemeinsame allgemein gehaltene<br />

Öffentlichkeitsarbeit. Netzwerke stimmen sich in Bezug<br />

auf ihre Sammlungen und auch auf dezentrale<br />

Ausstellungsprojekte untereinander ab und betreiben<br />

eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit, die sich an<br />

den charakteristischen Schwerpunkten der regionalen<br />

Museumslandschaften orientiert. Der Mehraufwand<br />

erfordert eine professionelle Koordination, die nur mit<br />

Projektfördermitteln geleistet werden kann und auch<br />

vom Museumsverband durchgeführt werden kann.<br />

In einem Teil des Landes versuchen wir, ein kreisübergreifendes<br />

archäologisches Netzwerk aufzubauen.<br />

Auf das andere Ende der Sammlungen<br />

konzentriert sich dagegen das landesweite Sammlungsnetzwerk.<br />

Einige Museen wollen für 2009 ein<br />

dezentrales Projekt entwickeln, das die „Zwischentöne.<br />

Aufbruch 1989/90 in brandenburgischen Städten“<br />

trifft. Bezieht man die Möglichkeiten der Weiter-<br />

Editorial<br />

entwicklung der Fachgruppe Technikmuseen und der<br />

Abstimmungsrunden der Museen in den kreisfreien<br />

Städten perspektivisch ein, dann könnte Brandenburg<br />

bald das Bundesland mit dem dichtesten Besatz an<br />

Museumsnetzwerken werden.<br />

Der Gastbeitrag kommt dieses Mal aus Ostfriesland,<br />

das mit seinem regionalen Sammlungsnetzwerk inzwischen<br />

bundesweit bekannt geworden ist. Museumsnetzwerke<br />

eignen sich wohl besonders für Gegenden<br />

mit verstreuter Kultur. Das prädestiniert natürlich<br />

unsere Streusandbüchse ganz besonders.<br />

Als Bebilderung drucken wir das „ABC des Wassers<br />

im Barnim“ erneut ab, das im Sommer dieses Jahres<br />

als farbige Broschüre erschien. Über die Entstehung<br />

dieses Wasser-ABC ist auf Seite 19f. mehr nachzulesen.<br />

Dietmar Fuhrmann, der das Projekt betreute,<br />

schrieb im Vorwort: „Liebe Kinder, dass Wasser nicht<br />

nur zum Zähneputzen und zum Schwimmen da ist,<br />

wusstet Ihr sicherlich schon länger. Dass es aber ohne<br />

Wasser kein Papier gäbe, dass man mit Wasser Kunst<br />

machen kann, dass Wasser aus Eberswalde schon<br />

bis in die Karibik gereist ist, das haben viele von euch<br />

bestimmt noch nicht gewusst. Die Museen im Barnim<br />

haben sich in diesem Jahr zusammengefunden, um<br />

in ihren Sammlungen nach Objekten zu suchen, die<br />

spannende Geschichten rund ums Wasser zu erzählen<br />

haben. (....) Wasser spielte und spielt im Barnim<br />

bis heute eine wichtige Rolle. Ob einst in der Teichfischerei<br />

oder früher wie heute als Transportweg für<br />

Waren und Baustoffe, ob im Haushalt oder im Betrieb,<br />

das Wasser bietet ein facettenreiches Spektrum an<br />

Bezügen zur Lokal- und Regionalgeschichte.“<br />

Das ABC hat nicht nur unter den Kindern, für die es<br />

geschrieben ist, Freunde und Leser gefunden. Das hat<br />

uns ermutigt, es auch für Sie noch einmal zu buchstabieren.<br />

Susanne Köstering<br />

3


Inhalt<br />

Forum<br />

Museumsnetzwerke<br />

8 Loch an Loch und hält doch!<br />

Erfahrungen mit Netzwerken Dietmar Fuhrmann<br />

14 Barnim<br />

Museumsentwicklung in einem Landkreis Susanne Köstering<br />

24 Barnim<br />

Sechs Jahre Regionalgruppe Birgit Klitzke<br />

28 Wandlitz<br />

Auf dem Weg in die Zukunft Christine Papendieck<br />

30 Wandlitz<br />

Pläne für das Agrarmuseum Jasdan Bernward Joerges, Wolfgang Grillitsch und Elke Knöß<br />

36 Groß Schönebeck<br />

Jagd und Macht in der Schorfheide Burghard Ciesla<br />

42 Havelland und Ruppin<br />

Möglichkeiten der Bewertung archäologischer Sammlungen Bert Krüger, Arne Lindemann<br />

48 Ostfriesland<br />

Von der Sammlung zum Sammlungskonzept Dirk Heisig<br />

Fundus<br />

52 Porträt<br />

53 Jubiläum<br />

54 Schon gesehen?<br />

57 Schatztruhe<br />

58 Arena<br />

59 Lesestoff<br />

Inhalt<br />

5


6 7<br />

Historische Wasseruhr<br />

(Museum in der Adler-Apotheke, Eberswalde)<br />

Armaturen und<br />

Messgeräte<br />

Eine Armatur ist eigentlich nichts an-<br />

deres als ein Ventil mit dem man<br />

eine Wasserleitung öffnen oder<br />

schließen kann. Jeden Morgen<br />

benutzt ihr eine solche Arma-<br />

tur, wenn ihr euch die Zähne<br />

putzt, denn ein Wasserhahn<br />

ist nichts an- deres. Das Wasser wird durch unterirdische Rohr-<br />

leitungen vom Wasserwerk bis in die Häuser und zu eurem Was-<br />

serhahn transportiert. Ein einziger Dreh – und ihr habt ständig fri-<br />

sches Wasser. Aber auch Wasser ist nicht umsonst. Jeder muss<br />

dafür beim Wasserwerk seiner Stadt bezahlen. Damit dabei alles<br />

gerecht zugeht, muss man natürlich wissen, wie viel Wasser genau<br />

jeder Haushalt verbraucht hat. Und dafür sind in die Wasserleitun-<br />

gen Messgeräte, so genannte Wasserzähler eingebaut. Hiermit<br />

kann man messen, wie viel Wasser durch die Leitung geflossen ist.<br />

Auch heute noch nennt man diese Zähler häufig Wasseruhren, ob-<br />

wohl sie keine Zeit anzeigen. Das liegt daran, dass die ersten Was-<br />

serzähler im 19. Jahrhundert von Uhrmachern gebaut wurden. Nur<br />

diese waren in der Lage derartig feine mechanische Geräte herzu-<br />

stellen. Übrigens wisst ihr wie viel Wasser ihr verbraucht? Jeder<br />

Deutsche verbraucht jeden Tag im Durchschnitt 150 Liter Wasser.<br />

Das ist etwa eine ganze Badewanne voll.<br />

Bier<br />

Bier wird bekanntlich mit Wasser gebraut. Ein ganz besonderes<br />

Bier wurde einst in Bernau hergestellt. Es war dunkel und wegen<br />

seines Wohlgeschmackes und seiner guten Haltbarkeit hoch ge-<br />

schätzt und weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt. Jahr-<br />

hunderte lang galt das Bernauer Bier als das beste der Mark Bran-<br />

denburg. Ja, es war sogar lange die Haupteinnahmequelle der<br />

Bernauer Bürger. In 146 von insgesamt 326 Haushalten wurde<br />

es gebraut. Mehr als 30.000 Tonnen des beliebten Gerstensaftes<br />

wurden im 17. Jahrhundert ausgeführt. Angeblich, so eine Sage,<br />

lag das auch an den strengen Kontrollen durch die Stadtväter. Die<br />

sollen nämlich zur Prüfung der Qualität ein wenig Bier auf die ge-<br />

polsterten Stühle des Ratssaales gegossen haben. Dann setzten<br />

sie sich darauf, warteten eine Weile und versuchten wieder aufzu-<br />

stehen. Klebte der Stuhl an ihren Lederhosen fest, dann war das<br />

Bier stark genug und für den Verkauf geeignet. Im 19. Jahrhun-<br />

dert aber änderten sich langsam die Ernährungsgewohnheiten<br />

der Menschen und die Brauverfahren. Der<br />

schwere „männerbezwingende Starktrunk“<br />

aus Bernau verlor mehr und mehr an Be-<br />

deutung. Heute gibt es in Bernau keine<br />

Brauerei mehr. Die letzte, das „Bürgerliche<br />

Brauhaus“, hat schon lange geschlossen.<br />

Plakat des Bürgerlichen Brauhauses Bernau, um 1910<br />

(Heimatmuseum Bernau, Steintor)<br />

Ciconiaciconia L.<br />

Ciconia ciconia L. - das ist die wis-<br />

senschaftliche Bezeichnung für den<br />

Weißstorch. Das große L. steht da-<br />

bei für den Naturwissenschafler Carl<br />

von Linné, der dem Storch 1758 seinen<br />

wissenschaftlichen Namen gab. Der Weiß-<br />

storch wird etwa einen Meter groß. Breitet er<br />

aber seine Flügel aus, dann misst er von der ei-<br />

nen Flügelspitze bis zur anderen über zwei Meter. Er<br />

liebt die Nähe des Wassers und sumpfiger Feuchtgebiete. Dort<br />

geht er auf die Jagd und findet reichlich Nahrung. Würmer, Schne-<br />

cken, Insekten, Frösche und Kröten stehen auf seinem bevor-<br />

zugten Speiseplan. Sein Nest baut er aber dann doch lieber auf<br />

dem Trockenen und in luftiger Höhe. Auf Bäumen, Strommasten<br />

oder Gebäuden sind seine Nester zu sehen. Hier ruht er sich aus,<br />

schläft er und zieht seine Jungen groß. Hat er sich einmal einen<br />

schönen Platz ausgesucht und dort sein Nest gebaut, dann kehrt<br />

er jedes Jahr dorthin zurück. Im Herbst nämlich, wenn das Wetter<br />

bei uns ungemütlich wird, fliegen die Weißstörche in den wärme-<br />

ren Süden. Bis nach Afrika geht ihre lange Reise. Im Frühjahr keh-<br />

ren sie dann aber wieder zu uns zurück. Es scheint ihnen bei uns<br />

zu gefallen.<br />

Präparat eines Weißstorches<br />

(Kloster Chorin)


8 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 9<br />

Loch an Loch und hält doch!<br />

Erfahrungen mit Netzwerken<br />

Dietmar Fuhrmann<br />

Loch an Loch und hält doch? Gelegentlich fühlt man<br />

sich bei Koordinierungsarbeiten von Netzwerken und<br />

Verbundprojekten an dieses Rätsel aus Kindheitstagen<br />

erinnert. Rätsel sollte man zwar ebenso wie<br />

Witze nicht erläutern, aber hier sei dies doch einmal<br />

gestattet. Der Dreh dieses Rätsels besteht gerade<br />

darin, dass nicht die Löcher die Grundbausteine des<br />

gesuchten Objektes sind, sondern die Teile, die sie bilden:<br />

Es sind die Stege und Stegkreuzungen, die das<br />

„Rückgrat“ des Siebes bilden und es damit zu einem<br />

unersetzlichen Werkzeug machen.<br />

Nicht wesentlich anders verhält es sich bei Netzwerken.<br />

Definitorisch besteht ein Netzwerk aus einer<br />

unbestimmten oder bestimmten Menge an Elementen<br />

(Knoten). Diese Elemente sind miteinander verbunden<br />

und bilden Maschen. Der Clou dabei: Die meisten<br />

Knoten gehören zu mehreren Maschen, eine Verbindung<br />

von nicht nebeneinander liegenden Knoten<br />

ist damit gegeben. Nur so kann das Netzwerk seine<br />

Funktion erfüllen.<br />

Schon seit einigen Jahren initiiert und fördert der<br />

Museumsverband die Vernetzung von Museen und<br />

Projekten im Land Brandenburg. Ein Blick in die Satzung<br />

macht dabei seine Motivation deutlich. Dort heißt<br />

es: „Der Museumsverband (...) fördert die interdisziplinäre,<br />

regionale, nationale und internationale Zusammenarbeit<br />

der Museen.“ Neben der „eins zu eins“-<br />

Beratung von Museen und der Vertretung musealer<br />

Belange öffentlichen Institutionen gegenüber, zählt<br />

das „Vernetzen“ also zu den Hauptaufgaben des Verbandes.<br />

Diesem Satzungszweck kommt der Verband<br />

auf unterschiedliche Weise nach. An Beispielen der<br />

letzten Jahre soll dies im Folgenden erläutert werden.<br />

Sammlungsvernetzung<br />

Seit 2005 unterstützt der Museumsverband aktiv die<br />

Vernetzung musealer Bestände im Land Brandenburg.<br />

Ziel ist eine effektivere und öffentlichkeitswirksamere<br />

Nutzung der Sammlungen. Um dies zu gewährleisten<br />

ist es unabdingbar, einen Überblick über die individuellen<br />

Bestände der Museen zu erhalten und den<br />

Museen selbst ein Instrument an die Hand zu geben,<br />

ihre Sammlung einzuschätzen, zu verorten und damit<br />

ein Instrument zu besitzen die eigene Sammlung aktiv<br />

weiterzuentwickeln. Auch museale Sammlungen sind<br />

ständigen Veränderungen unterworfen. Schenkungen,<br />

Nachlässe und Ankäufe verändern die Bestände<br />

fließend und erfordern eine aktive Sammlungsentwicklung.<br />

Vor der effektiven Nutzung der Bestände stehen<br />

daher zunächst die Durchsicht des Bestandes und<br />

eine einheitliche Kategorisierung. Für eine schnelle,<br />

aber dennoch effektive und nutzbare Bewertung von<br />

Sammlungen hat sich dabei ein System erwiesen, das<br />

in Ostfriesland entwickelt wurde. (vgl. auch S. 48 in<br />

diesem <strong>Heft</strong>) Es bewertet museale Objekte nach vier<br />

Kategorien und setzt sie in ein Verhältnis zum jeweiligen<br />

Museumsprofil. In Kategorie eins werden Objekte<br />

zusammengefasst, die unverzichtbar für das Museumsprofil<br />

sind. Kategorie zwei beinhaltet Objekte,<br />

die das Profil sinnvoll ergänzen. Zur dritten Kategorie<br />

gehören Objekte, die nicht unmittelbar zum Museumsprofil<br />

gehören, für Sonderausstellungen jedoch<br />

von Bedeutung sind und die vierte Kategorie umfasst<br />

schließlich all jene Objekte, die nicht dem Museumsprofil<br />

entsprechen. Mit einer solchen Sammlungsbewertung<br />

ist ein erster Schritt für die Profilierung<br />

der eigenen Sammlung auch auf die Vernetzung mit<br />

anderen Sammlungen hin gegeben.<br />

Die aktive Arbeit mit der Sammlung ist die Basis eines<br />

jeden Museums. Der Computer als Arbeitsinstrument<br />

und mit ihm die elektronische Datenverarbeitung<br />

haben in den letzten Jahren auch in kleineren Museen<br />

Einzug gehalten. Eine ganze Branche hat sich auf die<br />

Entwicklung von Software-Programmen spezialisiert,<br />

mit deren Hilfe Objekte verwaltet und museale Abläufe<br />

vom Leihverkehr über fortlaufende Objektdokumentationen<br />

bis hin zur Mitarbeiterverwaltung optimiert<br />

werden können.<br />

Mit Blick auf eine zukünftige Vernetzung der brandenburgischen<br />

Sammlungen hat der Museumsverband<br />

2005 eine Dachlizenz der Museumssoftware First<br />

Rumos erworben. So ist es den Museen möglich, die<br />

Software zu etwa einem Drittel des Marktpreises zu<br />

erstehen. Halbjährliche Schulungen des Verbandes<br />

und der Softwareentwickler dienen dazu, den Einsatz<br />

der Software zu optimieren und den Informationsaustausch<br />

unter den Nutzern zu gewährleisten. So dienen<br />

die Treffen nicht nur der technischen Fortbildung,<br />

sondern auch der Diskussion über Möglichkeiten der<br />

Zusammenarbeit im Netzwerk, denn: Voraussetzung<br />

für den Erwerb der Software unter der Lizenz des Verbandes<br />

ist die Bereitschaft zur Mitarbeit am Netzwerk.<br />

Mittlerweile sind ca. 20 Stadt- und Regionalmuseen<br />

des Landes Teil dieses Sammlungsnetzwerkes. Die<br />

Vorteile liegen auf der Hand. Die einheitliche elektronische<br />

Objekterfassung erleichtert den Vergleich<br />

und ermöglicht einen schnelleren Gesamtüberblick<br />

über die erfassten Bestände. Perspektivisch könnten<br />

Objektgruppen überregional verglichen, Einzelobjekte<br />

schneller gesucht, gefunden und zur Verfügung<br />

gestellt werden. Das Sammlungsnetzwerk bietet<br />

darüber hinaus die Möglichkeit, gemeinsame Projekte<br />

zu entwickeln und öffentlichkeitswirksam umzusetzen<br />

- mal ganz davon abgesehen, dass der Kampf gegen<br />

die Tücken der Technik gemeinsam wesentlich effektiver<br />

zu führen ist. Mitarbeiter des Museumsverbandes<br />

stehen den Mitgliedern sowohl bei technischen<br />

Problemen wie bei inhaltlichen Fragen zur Seite. Im<br />

Sammlungsnetzwerk hat sich eine engagierte Truppe<br />

zusammengefunden, erste Schritte sind erfolgreich<br />

getan.<br />

Der Barnim und das „ABC des Wassers“<br />

Museale Vernetzung betreibt der Museumsverband<br />

auch auf anderen Ebenen. So haben sich in den<br />

letzten Jahren auch regionale Netzwerke gebildet.<br />

Ein gutes Beispiel sind hier die Museen des Landkreises<br />

Barnim, die als aktive Regionalgruppe und mit<br />

Unterstützung des Museumsverbandes umfangreiche<br />

Aktivitäten entwickelt haben. Mit großem Engagement<br />

und finanzieller Unterstützung des Landkreises war<br />

es möglich, drei Jahre lang die interne Vernetzung<br />

voranzutreiben und diese auch nach außen sichtbar<br />

zu gestalten.<br />

Im ersten Projektjahr 2005 wurde ein Überblick<br />

über die vielfältige Museumslandschaft des Barnims<br />

gewonnen, die Sammlungen der einzelnen Museen<br />

gesichtet und bewertet. Die besondere Herausforderung<br />

bestand dabei in der Heterogenität der Museen<br />

und Sammlungen. Renommierte Regionalmuseen<br />

stehen im Barnim neben Spezialmuseen und kleinen<br />

Heimatstuben. Ausgebildete Museologen agieren<br />

neben nicht minder engagierten ehrenamtlichen<br />

Mitarbeitern. Inhaltlich bieten die Museen des Barnim<br />

eine Themenvielfalt, wie sie wohl kaum ein andere<br />

Landkreis Brandenburgs zu bieten hat. Sie alle unter<br />

einem Thema und einem Projekt zu vereinen war das<br />

gesetzte Ziel. Parallel dazu wurde vom Verband eine<br />

Einführung in die digitale Inventarisierung geboten, die<br />

gerade von den kleineren Museen gern angenommen<br />

wurde.<br />

2006 stand ganz im Zeichen der Vertiefung und der<br />

Entwicklung eines gemeinsamen, öffenlichkeitswirksamen<br />

Projektes. Mit Blick auf das Kulturlandjahr<br />

2007 „Fokus: Wasser“, wurden die Museen auf ihre<br />

individuellen Beziehungen zu diesem Thema erneut<br />

betrachtet und bewertet. Unter dem Arbeitstitel „ABC<br />

des Wassers“ begannen erste konzeptionelle Vorbereitungen<br />

für ein dezentrales Ausstellungsprojekt und<br />

eine Publikation.<br />

Das dritte Jahr widmete sich ganz der Konkretisierung<br />

und Realisierung. Die Buchstaben des Alphabets<br />

wurden unter die Museen aufgeteilt und mit einem<br />

charakteristischen Objekt der Sammlung mit Wasserbezug<br />

verknüpft. Fotos wurden angefertigt, Texte<br />

abgefasst und mit einem Grafiker ein Layout entwickelt.<br />

Als Zielgruppe wurden Kinder und Jugendliche<br />

ins Auge gefasst. Rechtzeitig zum internationalen<br />

Museumstag 2007 konnte dann die Broschüre „ABC<br />

des Wassers im Barnim – Eine Entdeckungsreise<br />

durch die Barnimer Museen für Kinder“ vorgelegt<br />

werden. Das <strong>Heft</strong> stellt museale Objekte vom Glasflaschenreinigungsgerät<br />

bis zum Löschflugzeug vor und<br />

erzählt zu jedem Objekt kindgerecht eine spannende<br />

Geschichte. In den Museen wurden diese Objekte<br />

durch eine besondere Kennzeichnung optisch hervorgehoben,<br />

so dass mit nur geringem Aufwand eine<br />

verbindende, dezentrale Ausstellung den Blick auf<br />

einzelne Exponate fokussierte und darüber hinaus<br />

zum Besuch der anderen Museen animierte. Gerade<br />

die kleineren Museen und Heimatstuben erhielten<br />

so die Möglichkeit, sich einem breiteren Publikum zu<br />

präsentieren. Der Erfolg dieses Projektes, und hier<br />

zeigen sich besonders die Stärken von Netzwerken,<br />

hängt dabei in starkem Maße vom Engagement der<br />

Beteiligten ab. Zwar ist es einer Institution wie dem<br />

Museumsverband möglich, Projekte zu initiieren, bei


10 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum <strong>11</strong><br />

der Beschaffung von Fördergeldern mitzuwirken und<br />

inhaltliches Know-how bereitzustellen. Das Fortleben<br />

eines Netzwerkes hängt aber entscheidend von den<br />

Aktivitäten der einzelnen beteiligten Institutionen ab.<br />

Im Barnim sind hier auch über das konkrete Wasser-Projekt<br />

hinaus die Möglichkeiten gegeben. Das<br />

Vernetzungsprojekt hat die Kenntnisse jedes einzelnen<br />

Teilnehmers über die anderen Museen und deren<br />

Sammlungen im Landkreis enorm erweitert und mit<br />

dem „ABC des Wassers“ konnte eine Publikation erarbeitet<br />

werden, in der sich alle Museen gleichberechtigt<br />

vorstellen konnten.<br />

Netzwerk Ostprignitz-Ruppin<br />

Ein Jahr zeitversetzt, hat der Museumsverband im<br />

Landkreis Ostprignitz-Ruppin ein weiteres Netzwerkprojekt<br />

initiiert, das der Abstimmung, Digitalisierung<br />

und Vernetzung der im Kreisgebiet bestehenden<br />

Sammlungen dienen soll. Das Projekt ist ebenfalls auf<br />

drei Jahre angelegt und wird auch hier vom Landkreis<br />

finanziell unterstützt. In der ersten Phase wurden die<br />

ca. 30 Museen im Herbst 2006 von einem erfahrenen<br />

Museologen aufgesucht. Gemeinsam mit den<br />

Museen wurden Sammlungsprofile erarbeitet, mit dem<br />

Ziel, eine Grundlage für Sammlungsentwicklungskonzeptionen,<br />

Profilabstimmungen und gemeinsame<br />

Projekte zu schaffen. Wie auch im Barnim, wurden die<br />

Mitarbeiter der Museen vom Museumsverband in der<br />

digitalen Inventarisierung geschult.<br />

Die Übersicht über die Sammlungsbestände belegt<br />

auch im Landkreis Ostprignitz-Ruppin eine facettenreiche<br />

Museumslandschaft. Die Auswertung der<br />

Sammlungsichtungen und die Diskussionen auf den<br />

Gruppentreffen ergaben eine spezifische Beziehung<br />

der Region zum Themenkomplex Mobilität, Reisen<br />

und Tourismus. Pilger-, Handels und militärische Aufmarschwege<br />

durchzogen das Land, Transitreisende<br />

durchquerten über 25 Jahre lang die Region und in<br />

der Frühzeit des Transitverkehrs auf der ehemaligen<br />

F 5 sogar deren Städte. Nicht zuletzt liegt mit der<br />

Fontanestadt Neuruppin, die Heimat des Schöpfers<br />

der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, im<br />

Landkreis. Für das laufende Projektjahr wurde deshalb<br />

der Entschluss gefasst, sich auf diesen Themenblock<br />

zu konzentrieren, die Sammlungen unter diesem<br />

Gesichtspunkt dezidiert abzuklopfen und ein öffenlichkeitswirksames<br />

„Produkt“ im dritten Jahr (2008)<br />

zu entwickeln. In welcher Form dies geschehen wird,<br />

steht noch nicht fest und hängt von den Ergebnissen<br />

der laufenden Recherchen ab. Es zeigt sich aber<br />

schon jetzt, dass durch das vernetzte Arbeiten ein<br />

kreativer Belebungsprozess stattfindet, der auf einen<br />

spannenden Abschluss im nächsten Jahr hoffen lässt.<br />

Die Neue Stadt – Ein Ausstellungs-Verbundprojekt<br />

Sechs Brandenburger Museen fanden sich temporär<br />

zusammen, um im Kulturland-Themenjahr 2006 „Baukultur“<br />

Aspekte ihrer Stadtgeschichten aufzuarbeiten<br />

und in lokalen Ausstellungen vorzustellen. Der besondere<br />

Reiz des Verbundprojektes lag in dem Wunsch,<br />

inhaltliche Diskussionen unter den Teilnehmern anzuregen<br />

und neue Sichtweisen auf eigene Probleme und<br />

Ansichten zu ermöglichen. Der Blick über das eigene<br />

Ausstellungsvorhaben hinaus ermöglichte einen Vergleich,<br />

der zu einer inhaltlichen Vertiefung des eigenen<br />

Projektes führte. So wurden auch dem Besucher vor<br />

Ort Einsichten auf überregionaler Ebene möglich.<br />

Seiner Rolle als Koordinator kam der Verband in<br />

mehrfacher Hinsicht nach. Zum einen zählt die fachlich-museale<br />

Beratung und Unterstützung zu seinen<br />

grundsätzlichen Hauptaufgaben. Der Zugriff hierauf<br />

stand selbstverständlich allen Teilnehmern offen und<br />

wurde je nach Bedarf von manchen intensiv, von<br />

anderen nur am Rande genutzt. Vor allem aber ging<br />

es darum, das Verbundprojekt als solches inhaltlich<br />

zu füllen und nach außen sichtbar werden zu lassen.<br />

Die besondere Entwicklung vieler ostdeutscher<br />

Städte und deren städtebauliche Auswirkung gab<br />

reichlich Diskussionsstoff und Ansatzpunkte. Und so<br />

wurde nicht zuletzt der Titel „Die Neue Stadt“ bewusst<br />

als Gegenpol zum städtebaulichen Schlagwort der<br />

„schrumpfenden Stadt“ gewählt, einem Phänomen,<br />

mit dem sich fast alle beteiligten Städte auseinander<br />

zu setzen haben. Hier gelang es mit den Ausstellungen<br />

und Publikationen einen facettenreichen Beitrag<br />

zu einer aktuellen Diskussion zu liefern. Um dies auch<br />

dauerhaft zu dokumentieren, widmete der Verband<br />

die Ausgabe 8 der Museumsblätter vollständig dem<br />

Verbundprojekt.<br />

Ein kurzes Resümee<br />

Auch zukünftig wird engere Zusammenarbeit in den<br />

unterschiedlichsten Bereichen der Museumsarbeit<br />

zu ungeahnten Effekten führen. Die Fachgruppe der<br />

Technikmuseen hat sich beispielsweise vorgenommen,<br />

eine gemeinsame Wanderausstellung zu erarbeiten.<br />

Jedes Museum steuert hier ein Objekt bei, das<br />

durch seine Ungewöhnlichkeit besticht und im ersten<br />

Moment häufig nicht seine Funktion zu erkennen gibt.<br />

Es wurde und wird also an vielen Museen im Lande<br />

ebenso wie beim Museumsverband Erfahrungen über<br />

Formen der vernetzten musealen Zusammenarbeit<br />

gesammelt. Eines hat sich als unabdingbar erwiesen:<br />

Grundvoraussetzung sind Offenheit und Flexibilität.<br />

Von großer Bedeutung ist aber die einfache Erkenntnis,<br />

dass auch ein Netzwerk kein perpetuum mobile<br />

ist und dass die Rolle des Verbandes beim Fortbestand<br />

und der Entwicklung von Netzwerken immer nur<br />

begrenzt sein kann. Ohne die aktive Teilnahme aller<br />

Beteiligten geht hier nichts. Denn nur durch die Aktivität<br />

des Einzelnen kann ein Netzwerk sein ganzes<br />

Potential entfalten.<br />

Damit möchte ich zum eingangs erwähnten Rätsel<br />

und dem darin enthaltenen Bild zurückkehren. Der<br />

Erfolg, die Stärke und das Wissen des Einzelnen im<br />

Netz ergibt die Stärke des ganzen Systems. Was<br />

wurde nicht schon alles mit guten Sieben dem Sand<br />

entrissen? Um ein Netzwerk dauerhaft zu erhalten, ist<br />

es unerlässlich, dass die „Knoten“ ihre „Verbindungen“<br />

zueinander pflegen und ausbauen. Es ist die Qualität<br />

der Verbindung, die die Qualität und die Stärke des<br />

Netzwerkes ausmacht. Ob die vom Museumsverband<br />

angeschobenen Vernetzungsprojekte auch in<br />

Zukunft Bestand haben werden, wird sich zeigen. Die<br />

Ergebnisse der bereits geleisteten Arbeit können sich<br />

allerdings sehen lassen.


12 13<br />

Die Dampflok „Ampflwang“ in ihrem Winterquartier<br />

(Heidekrautbahn-Museum Basdorf)<br />

Dampflokomotive<br />

Ohne die Erfindung der Dampfma-<br />

schine hätte es die Eisenbahn wohl<br />

nie gegeben. Im erhitzten Kessel ei-<br />

ner Dampfmaschine wird aus Wasser<br />

Wasserdampf. Dabei entsteht ein sehr<br />

großer Druck. Wer schon einmal zu Hause<br />

einen zischenden Wasserkessel oder Wasserko-<br />

cher gesehen hat, der weiß wie gefährlich das sein kann.<br />

Schafft man es, diese Energie zu bändigen, dann können damit<br />

Maschinen verschiedenster Art angetrieben werden. Aber da dies<br />

ziemlich kompliziert ist, dauerte es bis 1769 bis die erste Dampf-<br />

maschine erfunden war. 1804 gelang es dann einem gewieften<br />

Erfinder mit einer Dampfmaschine Räder anzutreiben, das ganze<br />

auf Schienen zu stellen und sich dort fortbewegen zu lassen. Zwar<br />

zerbrachen die Gleise noch unter dem Gewicht der Lok, aber die<br />

erste Dampflokomotive war erfunden und schon bald machte man<br />

sich daran, überall stabile Schienenstränge zu verlegen und bes-<br />

sere Lokomotiven zu bauen. Die Dampflokomotiven hatten soviel<br />

Kraft, dass sie viele Wagen ziehen konnten und sie waren auf ih-<br />

ren Schienen schneller als die Fuhrwerke auf den Straßen. So sah<br />

man schon bald überall in Europa den Rauch der Dampflokomo-<br />

tiven in den Himmel steigen, denn erhitzt wurde das Wasser im<br />

Kessel meist mit Kohle. Güter und Reisende kamen nun schneller<br />

als je zuvor von einem Ort zum anderen. Heute werden die meis-<br />

ten Lokomotiven mit Strom oder Dieselkraftstoff angetrieben. Das<br />

heißt aber nicht, dass es keine Dampfloks mehr gibt. Das Heide-<br />

krautbahnmuseum hat gleich zwei davon. Eine hat den schönen<br />

Namen „Ampflwang“ und mit ihr kann man noch heute durch die<br />

Landschaft „dampfen“.<br />

Eiskeller im Park des ehemaligen Gutshauses in Glambeck<br />

(Denkmale Glambeck e.V.)<br />

Eiskeller<br />

Wozu ist eigentlich ein Kühlschrank da? Erstens schmeckt kalte<br />

Limonade natürlich besser als warme, aber viel wichtiger ist zwei-<br />

tens, dass die Kälte unsere Nahrungsmittel vor dem schnellen Ver-<br />

derben bewahrt. Als es noch keine Kühlschränke gab, hat man das<br />

Problem der Kühlung von Lebensmitteln anders gelöst. Im Win-<br />

ter wurden Eisblöcke aus den zugefrorenen Seen geschnitten und<br />

aufbewahrt. Damit sie nicht bei wärmerem Wetter sofort schmol-<br />

zen, lagerte man die Blöcke in Eiskellern. In Glambeck kann man<br />

einen solchen Keller besichtigen. Hier war er besonders wichtig,<br />

weil das Dorf erst 1952 Strom bekam. Bis dahin wurden die Eisblö-<br />

cke im Winter aus dem nahegelegenen See gesägt und zum Eis-<br />

keller im Park des Gutshauses gebracht. Hier wurden sie in den<br />

sieben Meter tiefen Eiskeller hinunter gelassen und gestapelt. Jede<br />

einzelne Schicht wurde mit Stroh oder Sägespänen bedeckt. Unter<br />

der Erde, vor der Wärme des Sommers geschützt, konnte das Eis<br />

den ganzen Sommer überdauern. Zur weiteren Wärmedämmung<br />

wurde ein Erdhügel über dem Keller errichtet. Bei Bedarf holte man<br />

mit einem Seilzug einen Block aus dem Keller herauf, zerkleinerte<br />

ihn und brachte ihn zu den Kühleinrichtungen. Und so blieb auch in<br />

Glambeck im Sommer die Limonade immer schön kühl.<br />

Landwirtschaftsflugzeug PZL 108 Dromedar<br />

(Luftfahrtmuseum Finowfurt)<br />

Feuerlöschflugzeug<br />

Wenn große Waldflächen in Brand geraten, dann kann die Feuer-<br />

wehr nur noch schwer vom Boden aus den Brandherd erreichen<br />

und bekämpfen. Dann ist die Zeit für die Brandbekämpfung aus der<br />

Luft gekommen. Von Feuerlöschflugzeugen und Hubschraubern<br />

aus können große Wassermengen auf die brennenden Wälder ab-<br />

geworfen werden. Hierzu gibt es Spezialflugzeuge, es geht aber<br />

auch anders. Früher wurden große Felder von speziellen Flug-<br />

zeugen aus mit Dünger und Insektenschutzmitteln besprüht. Dafür<br />

hatten diese Landwirtschaftsflugzeuge große Tanks zur Aufnahme<br />

der Chemikalien. In der ehemaligen DDR gab es eigene Agrar-<br />

flugstaffeln, die meist polnische oder tschechische Agrarflugzeuge<br />

besaßen. Diese Flugzeuge waren sehr wendig und handlich. Sie<br />

mussten schnell starten und landen und enge Kurven fliegen kön-<br />

nen. Kam es zu einem größeren Brand, so konnten diese Flugzeu-<br />

ge statt mit Chemikalien mit Wasser befüllt werden. Und so wurde<br />

ganz schnell aus einem Landwirtschaftsflugzeug ein Feuerlösch-<br />

flugzeug. Auch Hubschrauber wurden in der Landwirtschaft und<br />

zum Feuerlöschen eingesetzt. Sie hatten den Vorteil, schneller und<br />

einfacher starten und landen zu können.<br />

Glasflaschenreinigungsgerät<br />

Wer Glasflaschen mehrmals be-<br />

nutzen möchte, der muss sie gründlich<br />

reinigen. Und womit? Mit Wasser natür-<br />

lich. Heute geschieht dies in riesigen Fla-<br />

schenreinigungsmaschinen, in denen hunderte<br />

von Flaschen gleichzeitig geduscht, gespült und getrocknet<br />

werden. In Neugrimnitz allerdings gibt es ein Museum, in dem man<br />

viel über die Glasherstellung erfahren und ein altes Glasflaschen-<br />

reinigungsgerät aus dem 19. Jahrhundert bewundern kann. Es ist<br />

nur etwa einen Meter groß und mit ihm musste jede Flasche ein-<br />

zeln gewaschen werden. Mit einer kleinen Schraubzwinge konnte<br />

die ganze Maschine senkrecht an einem Wassertrog befestigt wer-<br />

den. Am oberen Ende der Maschine befindet sich eine Bürste, die<br />

auf einem hohlen Stück Rohr befestigt ist. Darauf wurde die Glas-<br />

flasche gestülpt. An dieses Rohr konnte ein Schlauch angeschlos-<br />

sen werden, der in den Wassertrog gehängt wurde. Dann hieß es<br />

arbeiten: Mit Hilfe einer Kurbel wurde gleichzeitig das Wasser in<br />

die Flasche gepumpt und die Bürste in der Flasche gedreht, bis<br />

sie ordentlich sauber war. Dann kam die nächste Flasche an die<br />

Reihe. Trocken geblasen wie heute wurden die Flaschen natürlich<br />

nicht. Trocknen mussten sie schon von allein.<br />

Glasflaschenreinigungsgerät aus dem 19. Jahrhundert<br />

(Grimnitzer Glasstube)


14 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 15<br />

Barnim<br />

Museumsentwicklung in einem Landkreis<br />

Susanne Köstering<br />

Zwischen der Metropole Berlin und der Uckermark im<br />

Nordosten des Landes Brandenburg erstreckt sich der<br />

Landkreis Barnim. Das riesige zusammenhängende<br />

Waldgebiet der Schorfheide, ergänzt durch landwirtschaftliche<br />

Flächen im Süden des Kreisgebietes, die<br />

historische Industriekulturlandschaft im Finowtal und<br />

der steile Geländeabfall zur Oder bilden seine typischen<br />

Landschaftsmerkmale.<br />

Das Eberswalder Urstromtal mit dem Flüsschen Finow<br />

war schon in frühester Zeit besiedelt, wie archäologische<br />

Funde beweisen, darunter der größte vermutlich<br />

bronzezeitliche Goldschatz: der Hortfund von Heegermühle,<br />

der 1913 in der Nähe des Messingwerks<br />

gefunden wurde. Schifffahrt auf der Finow fand schon<br />

im Mittelalter statt, die Stadt Eberswalde wurde im 13.<br />

Jahrhundert gegründet – und wurde mit dem erfolgreichen<br />

Bau des zweiten Finowkanals als Verbindung<br />

zwischen der Havel und der Oder seit der Mitte des<br />

18. Jahrhunderts bedeutend. Zwei Kupferhämmer,<br />

ein Eisenhammer, Blechhammer und Drahthammer,<br />

eine Eisenspalterei, ein Messingwerk und mehrere<br />

Papiermühlen führten schon in der Frühen Neuzeit<br />

eine industrielle Verdichtung am Finowkanal herbei,<br />

die dann im Verlauf des 19. Jahrhunderts eine weitere<br />

Steigerung durch Maschinenfabriken und eine<br />

Eisengießerei erfuhr. Eberswalde war schon früh eine<br />

bürgerlich geprägte Stadt in einer weitgehend durch<br />

adlige Gutsherrschaft geprägten Region. Dazu trug<br />

auch ihr Aufschwung als Wissenschaftsstandort im<br />

19. Jahrhundert bei. Wissenschaftliche Forschung zur<br />

Bekämpfung von Waldschädlingen und Erforschung<br />

der Veränderung der Flora waren nicht zuletzt auch<br />

Reflex auf die ökologische Verwandlung von Stadt<br />

und Region. Die landschaftliche Prägung durch den<br />

Höhenunterschied zwischen Grundmoränenplatte und<br />

Urstromtal beschenkte die Stadt zudem mit einer Zahl<br />

von Quellen, denen gesundheitsfördernde Effekte<br />

zugesprochen wurden. Freienwalde 30 km weiter<br />

südlich war das hochherrschaftliche Bad, Eberswalde<br />

der bürgerliche Badeort.<br />

Das Spannungsverhältnis zwischen Industriestandort<br />

und Kurort schlägt sich in einem der ersten Gemälde<br />

einer Fabrikanlage nieder, dem 1830 von Carl Blechen<br />

geschaffenen „Walzwerk am Finowkanal“. Diese<br />

Dynamik war ein Ergebnis staatlicher Planung und<br />

Förderung. Die meisten Industrieanlagen in Eberswalde<br />

entstanden direkt oder indirekt mit staatlicher<br />

Hilfe. Dazu zählt auch die aktive preußische Einwanderungspolitik<br />

des 17. und 18. Jahrhunderts. Hugenotten,<br />

Schweizer und zugewanderte Juden trieben die<br />

Entwicklung der Industrielandschaft Finowtal erheblich<br />

voran. Davon profitierten auch einige Dörfer in der<br />

Umgebung, die Kolonisten aus Süddeutschland aufnahmen.<br />

Bis weit in das 20. Jahrhundert ist die Region<br />

ein Zuwanderungsgebiet geblieben. In Eberswalde<br />

leben heute Menschen aus 65 Staaten.<br />

Museumslandschaft Barnim<br />

Im Gebiet des Kreises Barnim existieren 18 Museen<br />

und museale Einrichtungen verschiedenen Alters.<br />

Fünf Museen befinden sich in öffentlich-rechtlicher<br />

Trägerschaft (Gemeinde, Amt, Stadt, Kreis), dreizehn<br />

in privater oder privatrechtlicher Trägerschaft.<br />

Nur vier der gegenwärtig 18 Museen sind verwurzelte<br />

Stammmuseen. Darunter befindet sich mit dem<br />

Museum Bernau eines der ältesten Brandenburger<br />

Museen (gegr. 1882). Das Museum Eberswalde<br />

(gegr. 1905) gilt als eines der bedeutendsten Stadt-<br />

und Regionalmuseen in Brandenburg. Diese beiden<br />

„Altmuseen“ fungierten bis 1993 als Kreismuseen,<br />

heute sind es Stadtmuseen. Zu ihnen kamen nach der<br />

Gründung der DDR zwei Spezialmuseen hinzu: 1954<br />

das Heimatmuseum in Oderberg, das sich inzwischen<br />

zum Binnenschifffahrtsmuseum gewandelt hat, und<br />

1955 das Heimatmuseum Wandlitz, das sich ebenfalls<br />

noch zu DDR-Zeiten als Agrarmuseum profiliert hat.<br />

Nach 1990 entwickelte sich die Museumslandschaft<br />

im Kreisgebiet rasant weiter. Es kamen acht Spezialmuseen<br />

hinzu, und zwar als erstes das Schorfheide-<br />

Museum in Groß Schönebeck (1990), dann vier<br />

Museen für Industriegeschichte, Verkehr und Technik<br />

(1991 das Museum Flugplatz Finowfurt, 1996 das<br />

Eisenbahnmuseum Basdorf, außerdem die Papiermanufaktur<br />

Eberswalde-Wolfswinkel und die Glasstube<br />

Glambeck - neuerdings gibt es Vorüberlegungen<br />

für ein Automobilmuseum in Bernau-Börnicke) und<br />

schließlich zwei private Kunstmuseen im weitesten<br />

Sinne (1997 das Internationale Artistenmuseum in<br />

Klosterfelde und 2005 das Wolf Kahlen Museum für<br />

Videokunst in Bernau). Parallel dazu entstand eine<br />

Reihe von Heimatmuseen und -stuben kleineren<br />

Formats.<br />

Diese Entwicklung ist einerseits typisch, andererseits<br />

aber auch spezifisch für die Museumsentwicklung im<br />

1990 neu gebildeten Land Brandenburg: Typisch ist<br />

das verstärkte Auftreten von Museen für Industriegeschichte,<br />

Technik und Verkehr vor dem Hintergrund<br />

von Stilllegungen einschlägiger Betriebe nach 1989,<br />

hier insbesondere in der Industrieregion Finowtal.<br />

Ebenfalls typisch ist das zahlreiche Auftreten von<br />

dörflichen Heimatstuben. Eine für den Kreis spezifische<br />

Erscheinung ist die weit überdurchschnittliche<br />

Vielfalt der Spezialmuseen. Eine solche Häufung<br />

von Museen mit speziellen Themen gibt es in keinem<br />

anderen Landkreis Brandenburgs. Das ist ein besonderes<br />

Potenzial dieser regionalen Museumslandschaft.<br />

Die Themenbreite entfaltet sich zwischen zwei<br />

Hauptachsen: einer grünen Achse „Wald und Weide“<br />

(Landwirtschaft, Forstwirtschaft) und einer stählernen<br />

Achse „Industrie-, Technik und Verkehr“. Das übergeordnete<br />

Thema der Museumslandschaft im Landkreis<br />

Barnim ist demnach die Beziehung zwischen Natur<br />

und Technik.<br />

Im Vergleich mit anderen Brandenburger Regionen<br />

zeichnet sich die Museumslandschaft im Barnim durch<br />

eine auffallende Häufung von Einmaligkeiten aus. Hier<br />

befinden sich das einzige Museum für Agrartechnik,<br />

das einzige Museum für Jagdwesen und das einzige<br />

Museum für Binnenschifffahrt im Land Brandenburg.<br />

Fast alle Verkehrsarten haben hier Museen gefunden,<br />

die sich ihnen widmen, die Stadtmuseen behandeln<br />

Themen, die sonst nirgends im Lande Brandenburg<br />

gezeigt werden, und schließlich und endlich liegen hier<br />

Kunstmuseen mit sehr eigenwilliger Ausrichtung.<br />

Als zwei Pole der Museumslandschaft im Landkreis<br />

Barnim können das Agrarmuseum in Wandlitz und das<br />

Museum in der Adler-Apotheke Eberswalde bezeichnet<br />

werden. Das Agrarmuseum Wandlitz vereint beide<br />

Themenbereiche: Natur und Technik. Es hat nicht<br />

allein deshalb besondere Bedeutung, sondern wegen<br />

seiner Berlin nahen Platzierung dient es auch als ein<br />

Haupttor in die gesamte Museums- und Kulturlandschaft<br />

Barnim. Dies gilt ebenso für das Museum in<br />

der Adler-Apotheke Eberswalde, das die wesentlichen<br />

Züge der Regionalgeschichte in ihrer thematischen<br />

Breite erforscht und zugänglich macht. Das ehemalige<br />

Kreismuseum, heute Stadtmuseum, ist durch seine<br />

Sonderausstellungen und Publikationen zu allen<br />

betreffenden Themen das einschlägige Regionalmuseum<br />

im Landkreis Barnim geblieben.<br />

Grüne Achse: Wald und Weide<br />

Wald und offene Landschaft haben sich über Jahrhunderte<br />

in wechselnden Anteilen das Gebiet des Barnim<br />

und des Urstromtals geteilt.<br />

Beschreibungen und Ansichten aus dem 18. Jahrhundert<br />

zeigen die extensive und kleinteilige Nutzung<br />

der kargen Böden. Nicht nur hier, hier aber besonders<br />

intensiv wurden seit der Wende vom 18. zum 19.<br />

Jahrhundert erhebliche Anstrengungen unternommen,<br />

um dem Land Erträge abzugewinnen. In unmittelbarer<br />

Nähe, in Möglin im Oderbruch, widmete sich die 1806<br />

gegründete preußische Landwirtschaftliche Lehranstalt<br />

der Ertragsverbesserung in der Landwirtschaft<br />

durch Fruchtfolge, synthetische Dünger und Mechanisierung.<br />

Schon früh galt die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler<br />

auch der Transformation der traditionellen<br />

Waldwirtschaft zur modernen Forstwirtschaft. Der<br />

Anteil, den der Wald gegenüber der offenen Landschaft<br />

einnahm, wurde im 19. Jahrhundert größer. Der<br />

wachsende Bedarf an Holz für den Schiffbau und für<br />

die Industrie war dafür ein treibender Faktor. Importe<br />

aus den Gebieten jenseits der Oder durch die Flößerei<br />

konnten den Bedarf nicht decken. Die Schorfheide<br />

wurde zum Experimentierfeld neuer Waldbewirtschaftung,<br />

und die 1830 nach Eberswalde verlegte<br />

preußische Forstlehranstalt mit ihrem forstbotanischen<br />

Garten wurde zum Zentrum der Forstwissenschaft.<br />

Die Geschichte der Forstwissenschaft und Forstwirtschaft<br />

wird im Landkreis Barnim gegenwärtig nicht<br />

angemessen gewürdigt. Die Fachhochschule Eberswalde<br />

hat ihre einschlägige Ausstellung abgebaut.<br />

Das Schorfheide-Museum in Groß Schönebeck hat<br />

sich mit guten Gründen auf die Geschichte der Jagd<br />

spezialisiert und zeigt Forstwirtschaft eher am Rande.


16 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 17<br />

Es ist dennoch nicht notwendig, ein neues Forstmuseum<br />

zu gründen. Es ist Aufgabe des Museums in<br />

der Adler-Apotheke in Eberswalde, die bedeutende<br />

forstwissenschaftliche Innovation, die von Eberswalde<br />

ausging, zu erforschen und darzustellen. Das Forstmuseum<br />

in Fürstenberg an der Oberhavel hat andere<br />

Aufgaben.<br />

Die Modernisierung der Landwirtschaft wird von den<br />

Landwirtschaftsmuseen in Wandlitz und Altranft sowie<br />

von der Thaer-Gedenkstätte in Möglin dargestellt. Das<br />

Agrarmuseum Wandlitz ist von diesen drei Museen<br />

das größte.<br />

Wandlitz, Agrarmuseum: 1955 erfolgte die<br />

Gründung eines Heimatmuseums in Wandlitz, das im<br />

Lauf der Zeit ein spezifisches landwirtschaftshistorisches<br />

Profil erhielt. Den Abschluss der allmählichen<br />

Transformation bildete die Verbringung der Sammlung<br />

landwirtschaftlicher Geräte des Volkskundemuseums<br />

in Ost-Berlin in den 1970er Jahren. Neben der qualitätvollen<br />

heimatkundlichen Sammlung ist es daher<br />

vor allem diese Sammlung mit technikgeschichtlicher<br />

Ausprägung, die das Museum in den Rang einer für<br />

die neuen Bundesländer bestimmenden Einrichtung<br />

hebt. Dieses Profil wird auch in Zukunft die Museumsarbeit<br />

bestimmen, die sich verstärkt auch der ökologischen<br />

Beziehung zwischen Natur und Landwirtschaft<br />

widmen wird. Das Museum unterstützt Kultureinrichtungen<br />

und landwirtschaftliche Projekte im Landkreis<br />

in Bezug auf Ausstellungen und pädagogische<br />

Angebote, insbesondere das Bildungswerk Buckow,<br />

pflegt aber weit darüber hinaus intensive Kontakte zu<br />

anderen landwirtschaftlichen Museen und Sammlungen<br />

in Brandenburg, Mecklenburg und in Berlin. Mit<br />

dem Freilichtmuseum Altranft im Oderbruch und der<br />

Domäne Dahlem in Berlin wurden Sammlungsprofile<br />

abgegrenzt. Während in Wandlitz die Landtechnik<br />

dominiert, erfasst Altranft Bereiche der ländlichen<br />

Volkskultur einschließlich der Bauernhausforschung,<br />

und im Freilichtmuseum Berlin-Dahlem steht die Landwirtschaft<br />

in Verbindung zur Ernährungsgeschichte.<br />

Das Potenzial der Sammlung wird in der gegenwärtigen<br />

Dauerausstellung deutlich, die zum Teil den<br />

Charakter einer Sammlungspräsentation hat. Die<br />

inhaltliche Erschließung der Sammlungsobjekte kann<br />

mit der Menge des Gezeigten jedoch kaum Schritt<br />

halten, zudem sind die drei Museumsgebäude so<br />

provisorisch und marode, dass der Aufenthalt darin<br />

nur eingeschränkt Freude macht. Deshalb ist sehr<br />

zu hoffen, dass das Agrarmuseum Wandlitz endlich<br />

einen Neubau auf dem Nachbargrundstück in<br />

Seenähe bekommen. Die neue Dauerausstellung wird<br />

die Evolution der Landwirtschaftstechnik in ortsübergreifender<br />

Perspektive darstellen. Das neue Gebäude<br />

wird auf den Ausstellungsinhalt bezogen und sowohl<br />

zum Dorf hin als auch zum See transparent konzipiert.<br />

Das passt zum kommunikativen Charakter, den die<br />

Ausstellung – nach gegenwärtigem Planungsstand<br />

– haben wird.<br />

Groß Schönebeck, Schorfheide-Museum:<br />

Nur etwa 30 km von Wandlitz entfernt befindet sich<br />

in einem zauberhaften Jagdschloss des 18. Jahrhunderts<br />

das Schorfheide-Museum in Groß Schönebeck.<br />

Hier, in diesem einzigartigen Kontext, wird jetzt schon<br />

fragmentarisch über die Geschichte der Jagd in<br />

der Schorfheide vom 18. bis in das 20. Jahrhundert<br />

berichtet. Die Jagd in der Schorfheide war immer<br />

Staatsjagd. Auf die preußischen Könige und Adligen<br />

folgten NS-Machthaber und DDR-Eliten. Göring und<br />

Honecker wurden zu den prominentesten Jägern in<br />

der Schorfheide im 20. Jahrhundert. Der auch zu<br />

DDR-Zeiten auf das Engste mit der Staatsmacht<br />

verbundene Jagd war aus politischen Gründen bis<br />

1989 kein eigenes Museum gewidmet. Dadurch fehlte<br />

bis in die jüngste Vergangenheit zugleich die museale<br />

Darstellung der Schorfheide. Das war ein großes<br />

Manko für die Darstellung der Region und des Landes.<br />

Seit der Museumsgründung durch einen Verein<br />

im Jahr 1990 ist diese Lücke geschlossen. Aber die<br />

Darstellung genügt noch nicht den Erwartungen der<br />

Öffentlichkeit. Insbesondere die Geschichte der Jagd<br />

zu DDR-Zeiten harrt noch der Erforschung und öffentlichen<br />

Darstellung. Deshalb wurde gerade ein wissenschaftliches<br />

Ausstellungskonzept erarbeitet.<br />

Stählerne Achse: Industrie- und Verkehrsgeschichte<br />

Die Kulturlandschaft im Kreis Barnim ist nicht nur<br />

durch Wald und Weide, sondern mindestens ebenso<br />

sehr durch die Industrieregion Finowtal bestimmt.<br />

Entlang des Finowkanals hat sich schon seit der<br />

Frühen Neuzeit einer der bedeutendsten Industriestandorte<br />

Brandenburgs herausgebildet. Nicht zufällig<br />

befindet sich deshalb auch hier einer der großen<br />

technikgeschichtlichen Schätze im Land Brandenburg,<br />

das Schiffshebewerk Niederfinow. Die Binnenschifffahrt<br />

hat die industriegeschichtliche Entwicklung der<br />

Finowtalregion erst möglich gemacht. Die Entwicklung<br />

der Kreisstadt Eberswalde zum Industriezentrum ist<br />

Thema des Museums in der Adler-Apotheke Eberswalde.<br />

Eberswalde, Museum in der Adler-Apotheke:<br />

Das 1905 gegründete Museum ist das<br />

gewachsene Regionalmuseum der Kulturlandschaft<br />

im Finowtal, das alle Aspekte der Wirtschafts- und<br />

Sozialentwicklung in und um Eberswalde dauerhaft<br />

darstellt. Es verfügt über eine wertvolle und zugleich<br />

für ein Stadt- und Regionalmuseum typische Sammlung<br />

mit zwei ausgeprägten historischen Schwerpunkten<br />

(Archäologie, Ethnografie). Da diese Sammlung<br />

von einem der profiliertesten Museumsleiter in der<br />

ehemaligen Provinz Brandenburg aufgebaut wurde<br />

und den Zweiten Weltkrieg fast unbeschadet überstand,<br />

stellt sie ein herausragendes Beispiel für<br />

Sammlungsarbeit über mehr als hundert Jahre dar.<br />

Die Spezialsammlung zur Apothekengeschichte seit<br />

dem 17. Jahrhundert ist überregional bedeutend. Von<br />

hier aus schlägt sich der Bogen bis zur Hygiene- und<br />

Gesundheitsfürsorge vom 19. bis in das 21. Jahrhundert<br />

(Eberswalde als Kurort mit Heilquelle, Sportbewegung,<br />

öffentliche Hygiene). Dieses Thema entfaltet<br />

seine Relevanz insbesondere vor dem Hintergrund<br />

der Industrialisierung des Finowtals seit dem 18. Jahrhundert<br />

mit Eberswalde als Zentrum (Messingwerk,<br />

Eisenspalterei, Papierwerk). Umweltgeschichtliche<br />

und wissenschaftshistorische Aspekte runden das<br />

Profil der Sammlung ab.<br />

Die Dauerausstellung des Museums gehört zu denjenigen<br />

Ausstellungen in Brandenburg, die klug gemacht<br />

und ästhetisch gestaltet sind. Dennoch wird sie mit<br />

der Zeit durch die vielfältigen inzwischen für Sonderausstellungen<br />

erarbeiteten Themen, gerade auch zur<br />

Industriegeschichte der Region, ergänzt werden müssen,<br />

um die Rolle des Museums als Regionalmuseum<br />

immer wieder neu zu beleben.<br />

Eberswalde, Papiermanufaktur und<br />

–museum Wolfswinkel-Spechthausen: Die<br />

stillgelegte Papierfabrik mit Produktionsgeräten zur<br />

Papierherstellung und Laborgeräten zur Prüfung von<br />

Papier steht teilweise unter Denkmalschutz, es gelang<br />

aber bisher nicht, sie als professionelles Museum zu<br />

etablieren.<br />

Oderberg, Binnenschifffahrtsmuseum: Das<br />

1954 gegründete Heimatmuseum in Oderberg hatte<br />

zunächst einen archäologischen Schwerpunkt, denn<br />

seine diesbezügliche Sammlung übertrifft die der<br />

anderen Museen im Landkreis. Spätestens seit den<br />

1970er Jahren setzte es dann aber einen deutlichen<br />

Akzent auf die Geschichte der Binnenschifffahrt und<br />

Flößerei der Region Finowkanal – Oder, der sich zum<br />

Hauptthema weiterentwickelte. Es zeigt Originale<br />

und Schiffsmodelle, eingebettet in natur- und kulturgeschichtliche<br />

Sammlungen, welche die exponierte<br />

landschaftliche Lage der Stadt am Rand des Oderbruchs<br />

erläutern. Highlight des Museums ist der Seitenraddampfer<br />

„Riesa“, der in direkter Nähe zum Haus<br />

am Finowkanal festliegt. Dieses Großobjekt ist nicht<br />

unproblematisch, da es zum Teil nicht denkmalgerecht<br />

saniert wurde und fahruntüchtig ist. Seine Herkunft<br />

von der sächsischen Elbe tritt als dritte konzeptionelle<br />

Schwäche hinzu. Klärungsbedarf besteht auch<br />

hinsichtlich des zukünftigen Umgangs mit einem Teil<br />

des DRK-Registers von Binnenschiffen der DDR. Sie<br />

stehen hier der Forschung zur Verfügung, anders als<br />

der andere Teil, welcher zur Zeit noch unzugänglich im<br />

Deutschen Technikmuseum Berlin gelagert ist. Beide<br />

Teile sollten zusammengeführt und der Öffentlichkeit<br />

zugänglich gemacht werden.<br />

In den letzten Jahren ist die Stadt Oderberg, die das<br />

Museum trägt, in massive finanzielle Schwierigkeiten<br />

geraten. So darf sie nun das Museum nicht weiterbetreiben.<br />

Nicht nur die Oderberger, sondern auch die<br />

Kreisverwaltung sind aber bestrebt, das Museum zu<br />

erhalten. Eine Übertragung an einen Verein und die<br />

weitere Unterstützung durch den Kreis könnten eine<br />

Übergangslösung bieten.<br />

Finowfurt, Luftfahrtmuseum: Das Museum<br />

entstand 1991 auf einem Teil des ehemaligen,1938<br />

angelegten Militärflugplatzes Finow. Flächenmäßig


18 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 19<br />

hat sich diese Sammlung zu dem größten Museum<br />

im Kreis entwickelt. Die Ausstellung erfolgt im Freigelände<br />

und in einer Ausstellungsbaracke sowie in thematisch<br />

gegliederten ehemaligen Flugzeugsheltern.<br />

Mit mehr als 30 Originalflugzeugen und Hubschraubern<br />

nimmt das Museum unter den Luftfahrtmuseen in<br />

der Bundesrepublik quantitativ einen oberen Platz ein.<br />

Ausstellungsräume in der Verwaltungsbaracke geben<br />

anhand von Modellen, und „kleineren“ Exponaten<br />

(Schleudersitz und Überdruckanzug eines Jagdfliegers)<br />

einen Überblick zur Geschichte des ehemaligen<br />

Militärflugplatzes Finow. Das Museum repräsentiert<br />

einen wichtigen Teil der für die Geschichte Brandenburgs<br />

bedeutenden Militärpräsenz und zeigt insbesondere<br />

die Beziehungen zwischen sowjetischer<br />

Besatzung und der DDR auf. Eine dauerhafte wissenschaftliche<br />

Weiterbearbeitung und Überarbeitung der<br />

Ausstellungen kann das Museum weiterbringen.<br />

Basdorf, Heidekrautbahn-Museum: Der<br />

ehrenamtlich betriebene Eisenbahnbetrieb auf der<br />

Strecke der ehemaligen Niederbarnimer Eisenbahn<br />

mit Anschluss an Groß Schönebeck und Klosterfelde<br />

(Museen) leidet unter eingeschränkten Öffnungszeiten.<br />

Kunst und Künste<br />

Im Kreis Barnim liegt einer der großen architekturgeschichtlichen<br />

Schätze im Land Brandenburg, das<br />

Kloster Chorin. Außerdem dokumentiert eine große<br />

Sammlung internationale Artistenkunst und es hat sich<br />

ein experimenteller Künstler mit einem Museum etabliert.<br />

So unterschiedlich diese Beispiele sind, eines<br />

haben sie gemeinsam: Internationalität.<br />

Chorin, Kloster: Die kleine Sammlung, v.a. ein<br />

Lapidarium, erläutert in erster Linie das Architekturdenkmal<br />

von nationaler Bedeutung.<br />

Klosterfelde, Internationales Artistenmuseum:<br />

Das Museum verfügt über eine international<br />

einzigartige Sammlung zur Geschichte des Artistenwesens.<br />

Der geringen Zahl von 450 Objekten<br />

stehen ca. 1 Mio. Archivalien und 30.000 Fotos sowie<br />

Tondokumente gegenüber. Teilweise reichen diese<br />

Bestände bis weit zurück, Einzelstücke bis ins 18.Jahr-<br />

hundert. Es ist der einzigartigen einstigen beruflichen<br />

Position des Museumsleiters als dem zentralen<br />

Zirkus- Veranstaltungsmanager der DDR zu verdanken,<br />

dass diese Sammlung zusammengekommen ist.<br />

Ohne Zweifel handelt es sich nicht um eine auf den<br />

Kreis Barnim oder das Land Brandenburg und seine<br />

Geschichte bezogene Sammlung, sondern aus dieser<br />

Sicht um ein Exotikum, das aber eine große Attraktion<br />

ist. Perspektivisch steht die Frage nach dem Fortbestand<br />

der Sammlung und deren Übertragung auf<br />

einen öffentlichen Träger im Raum.<br />

Bernau, Wolf Kahlen Museum: Der Video- und<br />

Medienkünstler präsentiert eine Auswahl seiner philosophisch<br />

inspirierten Kunstwerke globalen Charakters<br />

in seinem privaten Museum.<br />

Stadt- und Ortsgeschichten<br />

Die Sammlungen der beiden Stadtmuseen in Bernau<br />

und Eberswalde ergänzen sich. Bernau legt den<br />

Schwerpunkt auf die Geschichte des Mittelalters. Die<br />

sechs Heimatstuben in Barnim haben oft mehr als<br />

„0-8-15“ zu bieten.<br />

Bernau, Heimatmuseum: Das 1882 anlässlich<br />

des 450 Jubiläums der erfolgreichen Verteidigung<br />

der Stadt gegen die Hussiten gegründete älteste<br />

Museum im Kreis Barnim besitzt eine heimat- und<br />

stadtgeschichtliche ausgerichtete Sammlung, deren<br />

Höhepunkte wertvolle mittelalterliche Waffen und<br />

Rüstungen aus städtischem Besitz sind. Objekte zur<br />

Handwerkstradition, insbesondere der Tuchmacher<br />

(Uniformzubehör!), sowie zur Strafgerichtsbarkeit der<br />

Frühen Neuzeit ergänzen das Profil der kleinen, aber<br />

klar profilierten Sammlung.<br />

Biesenthal, Heimatstube: Die Geschichte des<br />

Ortes, der 1315 Stadtrecht bekam, führt in die frühe<br />

Besiedlung des Barnim ein.<br />

Glambeck, Denkmale: Das Gutsdorf derer von<br />

Reedern ist aufgrund zeitgeschichtlicher Faktoren in<br />

seiner Struktur nicht mehr zu erkennen (u. a. NS-Autobahnbau,<br />

DDR-Zerstörung des Gutshauses), gerade<br />

deshalb lohnt die Rekonstruktion in Form von Sammlungen<br />

und Ausstellungen.<br />

Friedrichswalde, Heimatstube: Das Kolonistendorf<br />

ist wegen seiner Holzschuhherstellung<br />

bekannt, die schwäbische Siedler hierher brachten.<br />

Lunow, Dorfmuseum: Das Oderranddorf wurde<br />

durch Siedler vom Niederrhein begründet. Dadurch<br />

entstand in Lunow eine eigene plattdeutsche Sprache.<br />

Diese Besonderheit verdient in der Heimatgeschichte<br />

besonders hervorgehoben zu werden.<br />

Neugrimnitz, Glasstube. Museum & Galerie:<br />

Im ehemaligen Gärtnerhaus in Neugrimnitz wird<br />

die Geschichte der dörflichen Glashütte anhand von<br />

ca. 250 Objekten v. a. aus Privatbesitz dargestellt.<br />

Problemlagen und Perspektiven<br />

2005 hat der Kreis Barnim den Museumsverband<br />

beauftragt, ein zunächst auf drei Jahre begrenztes<br />

Projekt zur Kooperation und Vernetzung der Museen<br />

durchzuführen und zu begleiten. Dieses Projekt sowie<br />

bereits vorliegende Museumskonzeptionen für das<br />

Agrarmuseum Wandlitz, das Schorfheide-Museum<br />

und das Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg geben<br />

eine Basis für eine Kreismuseumsentwicklungskonzeption<br />

des Kreises. Sie zielt auf Empfehlungen für<br />

Entwicklungs- und Förderschwerpunkte in der Museumslandschaft<br />

der Region für einen Zeithorizont von<br />

10-15 Jahren. Diese Konzeption bezieht sich auf die<br />

in Arbeit befindliche Landesmuseumsentwicklungskonzeption<br />

des Museumsverbandes Brandenburg<br />

(erscheint 2008).<br />

Eine solche Konzeption kann nur in Zusammenarbeit<br />

mit den Museen und deren Trägern erstellt werden. Im<br />

Folgenden können deshalb nur erste Anstöße gegeben<br />

werden, die sich auf die öffentliche Präsenz und<br />

mögliche Förderstrategien beziehen. Strukturfragen<br />

der Museumslandschaft, die auch Finanzen, Personalausstattung<br />

und Trägerschaften betreffen, werden hier<br />

nicht angeschnitten.<br />

Auffallend ist zunächst, dass die Farbigkeit und Einmaligkeit<br />

der Barnimer Museumslandschaft bisher den<br />

Besuchern der Region noch längst nicht genügend<br />

nahe gebracht wird, und auch im eigenen Gebiet ist<br />

sie noch nicht hinlänglich bekannt.<br />

Die regionalen Touristiker haben vor allem die Publikumsmagneten<br />

Kloster Chorin und Schiffshebewerk<br />

Niederfinow im Blick und übersehen deshalb leicht die<br />

Museumslandschaft mit ihren Bildungs- und Erlebnisangeboten.<br />

Das liegt nicht zuletzt auch an einer<br />

noch nicht genügend ausgeprägten gemeinsamen<br />

Außendarstellung der Museen. Mit den Museen in<br />

Finowfurt und Klosterfelde stehen solche Häuser an<br />

der Spitze der Publikumsgunst, die ihren Eventcharakter<br />

hervorheben. Danach folgen (nach Besuchszahlen)<br />

die Stadtmuseen in Eberswalde und Bernau,<br />

und erst danach das Agrarmuseum Wandlitz, das<br />

Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg und das Schorfheide-Museum<br />

in Groß Schönebeck. Damit erlangen<br />

wesentliche regionaltypische Spezialmuseen für<br />

Landwirtschaft, Schifffahrt und Forst/Jagd nicht die<br />

Aufmerksamkeit, die sie verdient hätten.<br />

Gerade hier bestehen auch erhebliche Entwicklungsrückstände.<br />

Insbesondere die thematisch<br />

wichtigen Museen zur Land- und Forstwirtschaft und<br />

zur Binnenschifffahrt weisen große Defizite auf. In<br />

Wandlitz, Groß Schönebeck und Oderberg betreffen<br />

sie vor allem die Gebäudesituation, aber auch die<br />

finanzielle Unterversorgung, unzureichende Personalausstattung,<br />

zum Teil veraltete Ausstellungen. Hier<br />

besteht gegenwärtig noch eine erhebliche Diskrepanz<br />

zwischen dem vorhandenem Potential und dessen<br />

Ausschöpfung. Das Agrarmuseum Wandlitz befindet<br />

sich noch immer in drei völlig unzureichenden Gebäuden,<br />

wovon eines nicht der Gemeinde gehört und die<br />

anderen kaum mehr sanierungswürdig sind. Aber es<br />

besteht – nach vertraglicher Regelung der Finanzierung<br />

durch Gemeinde und Kreis – Hoffnung auf einen<br />

Neubau. Das Binnenschifffahrtsmuseum in Oderberg<br />

versteckt sich hinter Gittern in einem sanierungsbedürftigen,<br />

abweisenden Gebäude. Das Schorfheide-<br />

Museum in Groß Schönebeck steht inzwischen am<br />

Beginn einer umfassenden Sanierung und Neugestaltung.<br />

Aber in ihrem gegenwärtigen Zustand werden<br />

diese Museen den Besuchererwartungen nicht<br />

gerecht und werden daher von Besuchern auch nicht<br />

weiter empfohlen. Nur extreme Eventorientierung kann<br />

diese Tatsache zeitweilig überdecken.<br />

Auf bekannte Highlights – Chorin, Niederfinow,<br />

Wildpark und Zoo – zu setzen, greift also zu kurz,


20 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 21<br />

um den Kulturtourismus im Kreisgebiet strukturell zu<br />

fördern. Not tut ein Umsteuern: Neben die bewährten<br />

Highlights müssen die Museen treten. Eine regionale<br />

Museumslandschaft zu vermarkten, bedeutet, sie<br />

nachhaltig als Ganzes darzustellen und die wesentlichen<br />

Züge herauszustellen. Der gemeinsame Auftritt<br />

der Museen verstärkt die Wirkung des Einzelauftritts.<br />

Wirksame Mittel sind Verknüpfungen zwischen<br />

Museen mit regionaltypischen Themen.<br />

Die Stärken der Museumslandschaft im Landkreis<br />

Barnim liegen in den Themenbereichen:<br />

Landwirtschaft<br />

Forstwirtschaft<br />

Industrieregion Finowtal mit Schifffahrt<br />

Diese Themen sind von hoher Relevanz für das Land<br />

Brandenburg. Diese Stärken müssen in Zukunft<br />

erheblich deutlicher als bisher vermarktet werden.<br />

Werbematerialien zu regionalen Schwerpunktthemen<br />

können auf der Basis der Sammlungsbestände<br />

leicht entwickelt werden (Beispiel: ABC des Wassers<br />

für Kinder). Gemeinsame Ausstellungen oder<br />

Wanderausstellungen zu übergreifenden Themen<br />

ergänzen Einzelinitiativen. Auch die Entwicklung<br />

von touristischen Angeboten zu den dargestellten<br />

Themenschwerpunkten (Wanderungen, Radtouren,<br />

Schiffsfahrten, Aktivitäten mit Museumsbesuch) sind<br />

ein wichtiges Handlungsfeld.<br />

Weitere Maßnahmen, um die Museen besser zu präsentieren,<br />

können sein:<br />

− eine durchgängige Ausschilderung der Museen<br />

im öffentlichen Straßenraum<br />

− eine Adressensammlung einschlägiger Zielgruppen<br />

in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg und<br />

Polen (z. B. Schulen, Seniorenwohnheime, Betriebe,<br />

Hotels) als zentrale Serviceleistung für die<br />

Museen<br />

− Werbung für die gesamte Museumslandschaft<br />

Barnim auf Bussen, Taxis, an Litfasssäulen, auf<br />

Tourismus-Messen<br />

− Darstellung der Museen auf der Homepage des<br />

Kreises. Bisher sind die Museen dort nicht auffindbar,<br />

selbst der Bergriff „Kultur“ stellt keinen<br />

Oberbegriff dar.<br />

Insbesondere durch eine gezielte Förderstrategie kann<br />

der Kreis die Profilierung der Museumslandschaft im<br />

Barnim effektiv unterstützen.<br />

Öffentliche Förderung gliedert sich im Land Brandenburg<br />

in Förderung durch die Kommunen – Gemeinden<br />

und Kreise – sowie Förderung durch das Land Brandenburg<br />

und die Bundesrepublik Deutschland. Die<br />

Struktur der Museumsförderung ist nicht homogenhierarchisch<br />

aufgebaut, sondern Ergebnis von Verhandlungen,<br />

die von Zeit zu Zeit neu geführt werden.<br />

Die Verwaltungskreise in Brandenburg haben nach<br />

1993 unterschiedliche Strategien entwickelt, ihre regionalen<br />

Museumslandschaften zu fördern. Ein verbreitetes<br />

Muster war und ist die Übernahme bzw.<br />

Weiterführung der Trägerschaft Museen mit überlokaler<br />

Bedeutung im Kreisgebiet (Altbestand, ehemalige<br />

Kreismuseen, Agrarmuseen, Gedenkstätten) als<br />

Kreismuseen oder die Neugründung von Kreismuseen.<br />

10 von 14 Kreise im Land Brandenburg haben<br />

jeweils bis zu vier, meistens zwei Kreismuseen.<br />

Diese Strategie der Kreisträgerschaft für Schwerpunktmuseen<br />

oder der verbindlichen finanziellen<br />

Mitverantwortung für Schwerpunktmuseen hat sich<br />

bewährt. Sie trägt entscheidend zu einer Steigerung<br />

der Attraktivität der Museumslandschaft des Landes<br />

bei, da wichtige Museen gezielt weiterentwickelt und<br />

vermarktet werden können. Eine dauerhafte Einzelförderung<br />

privater oder privatrechtlicher Museen, deren<br />

Sammlungen nicht in öffentlicher oder öffentlich-rechtlicher<br />

Hand sind, ist dagegen nicht zu befürworten.<br />

Sie profitieren von kreislich geförderten Gemeinschaftsprojekten.<br />

Die effektivste Strategie der Museumsförderung<br />

besteht aus einer Schwerpunktförderung ausgewählter<br />

überlokal wirkender Museen in Verbindung mit<br />

einer projektorientierten Förderung von Museumsverbünden<br />

(Regionalgruppen). Eine Gießkannenförderung<br />

von Museen durch Kreise wird dagegen in<br />

Brandenburg nirgends durchgeführt und ist auch in<br />

anderen Bundesländern nicht anzutreffen, weil sie<br />

keine nachhaltigen Wirkungen zeigt.<br />

Der Kreis Barnim hat die ehemaligen Kreismuseen in<br />

Bernau und Eberswalde an die betreffenden Städte<br />

abgegeben und besitzt seitdem kein Kreismuseum.<br />

Mit langfristiger vertraglicher Bindung (Wandlitz) bzw.<br />

auch ohne eine solche (Oderberg) fördert der Kreis<br />

das Agrarmuseum in Wandlitz und das Binnenschifffahrtsmuseum<br />

in Oderberg. Beides geschah bisher<br />

zusammen mit den jeweiligen Gemeinden, wie sich<br />

dies in Zukunft in der zahlungsunfähigen Stadt Oderberg<br />

darstellen kann, ist gegenwärtig nicht abzusehen.<br />

Diese Schwerpunktsetzung der Kreisförderung auf<br />

profilbildende Spezialmuseen ist weiterhin berechtigt.<br />

Denn grundsätzlich gilt in der Museumslandschaft<br />

das Prinzip der Kontinuität, es sei denn Museen oder<br />

deren Standorte würden sich als Fehlgründungen<br />

erweisen. Das ist aber bei diesen Museen nicht der<br />

Fall. Im Gegenteil: Es handelt sich um wohlplatzierte<br />

Themen, die gegebenenfalls um regionaltypische Themenschwerpunkte<br />

erweitert werden können. Auch die<br />

Einzelprojektförderung für Sonderausstellungen und<br />

Veranstaltungen kann sich in dieses Profil fügen.<br />

Darüber hinaus kann eine Förderung der Gesamtheit<br />

der Museen und musealen Einrichtungen im Kreis<br />

Barnim sinnvoll nur als Netzwerkförderung geschehen.<br />

Netzwerkförderung beinhaltet Kooperation und<br />

Abstimmung in Hinblick auf Sammlungen, Ausstellungen,<br />

Veranstaltungen und Vermarktung. Eine solchermaßen<br />

konzeptionell fundierte Museumsförderung<br />

wirkt nicht nur direkt strukturstärkend, sondern langfristig<br />

auch indirekt, indem sie durchaus imstande sein<br />

kann, die Bereitschaft weiterer Förderer, flankierend<br />

einzugreifen, zu erhalten und vielleicht sogar perspektivisch<br />

zu erhöhen.


22 23<br />

Handtuch, um 1900 (Heimatstube Biesenthal)<br />

Handtuch<br />

Was ein Handtuch ist, muss man<br />

heute wohl niemandem mehr erklä-<br />

ren. Es ist ein Tuch mit dem man sich<br />

nach dem Waschen die Hände oder<br />

den Körper abreibt, um wieder tro-<br />

cken zu werden. Es hilft also bei der<br />

Sauberkeit, der Körperhygiene. Je-<br />

der weiß heute, dass Sauberkeit von<br />

größter Wichtigkeit ist, wenn man vermeiden will, krank zu wer-<br />

den oder andere anzustecken, auch wenn dies nicht immer klappt.<br />

Das Waschen war aber nicht immer so komfortabel wie heute, wo<br />

überall Wasser aus den Wasserhähnen in unseren Badezimmern<br />

kommt. Früher musste das frische Wasser aus einem Brunnen ge-<br />

holt werden und wurde dann meist in einer Kanne bereitgestellt.<br />

Zum Waschen goss man dann etwas Wasser in eine Schüssel, die<br />

man nach dem Waschen ausleerte. Schön warm war das Wasser<br />

natürlich auch nicht. Ein wenig Überwindung war manchmal schon<br />

notwendig. Und so ist der Spruch „Wasser schafft neue Kraft“ auf<br />

dem historischen Handtuch in der Heimatstube Biesenthal viel-<br />

leicht auch als Aufmunterung gedacht.<br />

Die Festung „Bärenkasten“, Zeichnung von Daniel Petzold, um<br />

1710 (Ausschnitt), (Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg)<br />

Insel<br />

Auch Flüsse haben Inseln und manche sind so groß, dass man<br />

auf ihnen Festungen errichten kann. Auf einer solchen Insel im<br />

Oderbruch, ganz in der Nähe der heutigen Stadt Oderberg, be-<br />

fand sich einst ein Burgwall der Slawen, die dort seit dem 6. Jahr-<br />

hundert lebten. In der Mitte des 14. Jahrhunderts wurde dann auf<br />

dieser Insel eine deutsche Festung errichtet. Von hier aus sollten<br />

die Grenze nach Pommern, der Oderübergang und die Handels-<br />

straße gesichert werden und bald schon wurde hier der Zoll von<br />

den zahlreichen vorbeifahrenden Schiffen erhoben. Ein Zwinger,<br />

in dem Braunbären gehalten wurden, befand sich in der Festung<br />

und so wurde die Festung „Bärenkasten“ genannt. Drei Meter di-<br />

cke Mauern umgaben das große dreistöckige Hauptgebäude. Von<br />

vier Ecktürmen und einem Umgang mit Schießscharten aus konnte<br />

die Besatzung weit ins Land hinein blicken. 1637 wurde die Stadt<br />

Oderberg im Dreißigjährigen Krieg von schwedischen Soldaten in<br />

Schutt und Asche gelegt. Die Festung aber konnte von den Fein-<br />

den nie eingenommen werden. Bis 1736 gab es im „Bärenkasten“<br />

noch eine Besatzung. Dann änderte sich der Verlauf der Oder, die<br />

Soldaten wurden verlegt, das Gelände trockengelegt und die Fes-<br />

tung nach und nach abgerissen. Heute sind von der Festung nur<br />

noch einige wenige Reste der einst mächtigen Burgmauern zu se-<br />

hen.<br />

Tragjoch für Kinder<br />

(Heimatmuseum Bernau, Henkerhaus)<br />

Joch<br />

Wer schon einmal zwei volle Eimer Wasser getragen hat, der weiß<br />

wie schnell einem die Arme weh tun. Aber wer trägt heute noch<br />

Wasser eimerweise! Dazu gibt es ja Wasserschläuche für den<br />

Garten und in den Wohnungen fließt das Wasser aus Wasserlei-<br />

tungen. Früher aber musste das Wasser beschwerlich eimerweise<br />

vom Brunnen in die Wohnungen gebracht werden. Eine tägliche<br />

und sehr mühsame Arbeit. Damit diese Arbeit aber wenigstens et-<br />

was leichter fiel, benutzte man ein Tragjoch. Das Tragjoch besteht<br />

aus einem Holzstück, das der Form des Nackens nachgebildet ist.<br />

An beiden Enden hängen Seile oder Ketten herab und an deren<br />

Enden Haken, in die man Eimer einhängen kann. Mit einem sol-<br />

chen Tragjoch trug man also die schwere Last nicht mehr mit den<br />

Händen und Armen, sondern mit den Schultern. Natürlich konn-<br />

te man mit dem Tragjoch nicht nur Wasser transportieren. Häng-<br />

te man statt der Eimer Körbe an das Joch, dann konnte man auch<br />

Waren zum Markt befördern. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wur-<br />

den Tragjoche noch auf unseren Bauernhöfen eingesetzt. Und<br />

dass dort nicht nur die Erwachsenen zu arbeiten hatten, kann man<br />

im Museum Bernau sehen. Dort gibt es nämlich ein besonders klei-<br />

nes Tragjoch, das extra für Kinder angefertigt wurde.<br />

Kescher<br />

Einen Fisch zu fangen ist gar<br />

nicht so einfach. Und weil das so<br />

ist, haben die Fischer unzählige<br />

Gerätschaften erfunden, die ih-<br />

nen die Arbeit erleichtern und zu<br />

einem erfolgreichen Fischfang<br />

beitragen sollen. Da gibt es ver-<br />

schiedene Netze (siehe N wie<br />

Netze), Angeln, Reusen und Fangkörbe, aber man muss natürlich<br />

auch wissen, wie man diese Geräte bedient und für welche Fische<br />

sie geeignet sind. So gibt es extra Reusen für Aale und solche für<br />

Krebse. Der Kescher ist ein ziemliches Universalgerät. Nur mit ihm<br />

einen Fisch aus einem See zu angeln, ist fast nicht möglich. Aber<br />

er leistet hervorragende Dienste, wenn man mit ihm bereits zusam-<br />

mengetriebene oder geangelte Fische aus einem Gewässer heben<br />

will. Dann führt man ihn unter den Fisch und hebt ihn einfach her-<br />

aus. Kescher gibt es in vielen Formen und Größen. Unser Kescher<br />

stammt aus der Schorfheide, genauer gesagt aus Friedrichswalde.<br />

Dort kaufte 1878 der Fischermeister Wilhelm Pieper den Krummen<br />

See um dort zu fischen. Da der Ertrag nicht groß genug war, er-<br />

warben die Piepers bald auch das Recht, in anderen umliegenden<br />

Seen auf Fischfang zu gehen. Der Beruf des Fischers wurde tradi-<br />

tionell in der Familie immer weiter vererbt. Heute schreibt sich die<br />

Familie Pieper zwar nur noch mit i, den Krummen See nutzen sie<br />

aber immer noch.<br />

Kescher (Heimatstube Friedrichswalde)


24 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 25<br />

Barnim<br />

Sechs Jahre Regionalgruppe<br />

Birgit Klitzke<br />

Im Juni 2000 wurde ich vom Vorstand des Museumsverbandes<br />

des Landes Brandenburg e.V. zur<br />

Regionalreferentin berufen. Dem voraus ging auf der<br />

Jahrestagung eine Diskussion und ein Beschluss über<br />

die Notwendigkeit, die regionale Zusammenarbeit<br />

zwischen den Museen zu intensivieren.<br />

Schon am 5. März 2001 konstituierte sich im Eberswalder<br />

Museum in der Adler-Apotheke die Regionalgruppe<br />

Barnim mit damals sechs Mitgliedern, dem<br />

Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg, dem Dorfmuseum<br />

Lunow, dem Internationalen Artistenmuseum<br />

Klosterfelde, dem Kloster Chorin, dem Museum in der<br />

Adler-Apotheke und dem Schorfheide-Museum Groß<br />

Schönebeck. Man kannte einander oft nur flüchtig<br />

oder gar nicht. Inzwischen machen alle 17 Museen<br />

des Kreises Barnim mit, manche intensiver, andere<br />

eher sporadisch. Man trifft sich abwechselnd ein- bis<br />

zweimal jährlich in einem der Museen im Kreis und<br />

darüber hinaus informieren wir uns wechselseitig über<br />

Sonderausstellungen und Veranstaltungen. Es hat<br />

sich die Erkenntnis durchgesetzt: Nur wer sich engagiert,<br />

kann viel gewinnen. Wer es nicht macht, vergibt<br />

sich eine Chance.<br />

Was in den vergangenen sechs Jahren zustandegebracht<br />

wurde, kann sich sehen lassen. Dabei erfreut<br />

sich die Arbeit der Regionalgruppe der wohlwollenden<br />

Unterstützung des Kreises Barnim. Die Regionalgruppe<br />

sollte, und das war mir als Sprecherin vor<br />

allem wichtig, nicht nur miteinander reden und diskutieren,<br />

sondern auch etwas gemeinsam machen. Von<br />

2002 an stellte ich im Auftrag der Regionalgruppe<br />

mehrmals einen Antrag auf finanzielle Unterstützung<br />

unserer Vorhaben. Ich fand nicht nur offene Ohren,<br />

sondern auch jedes Mal Unterstützung beim Landkreis<br />

Barnim. Das letzte große Verbundprojekt der<br />

Barnimer Museen 2005 –2007, das Wasser-ABC,<br />

initiiert und begleitet durch den Museumsverband des<br />

Landes Brandenburg, wurde finanziell sogar noch<br />

aufgestockt.<br />

Erster sichtbarer Erfolg der gemeinsamen Verbundarbeit<br />

war die Erarbeitung eines kleinen Museumsführers<br />

der Museen im Barnim, der 2004 sogar aktualisiert<br />

neu herausgegeben werden konnte. Für<br />

die Neugestaltung des Faltblattes konnte das Ebers-<br />

walder Grafikbüro „meyer und kleber“ gewonnen<br />

werden, deren ansprechendes Layout auch für<br />

nachfolgende Vorhaben genutzt wurde. Das Faltblatt<br />

bot zum ersten Mal eine aktuelle Übersicht zu den<br />

Museen im Barnim mit ihren Ausstellungsschwerpunkten<br />

sowie touristische Informationen wie Öffnungszeiten<br />

und Anschriften. Alle waren sehr froh, ein solches<br />

Werbematerial in ihren Einrichtungen präsentieren zu<br />

können. Der Museumsführer wurde auch über den<br />

Landkreis hinaus verschickt und es gab viel anerkennende<br />

Worte. Pläne für die nächsten Jahre sind eine<br />

Postkartenserie und ein Kalender.<br />

Weitere Gemeinschaftsprojekte waren u.a. 2003<br />

ein Plakat, das 2006 ebenfalls neu herausgegeben<br />

wurde. Es knüpft in seiner Gestaltung an den Museumsführer<br />

an und lässt es als ein Werk der Regionalgruppe<br />

erscheinen. 2005 brachte die Regionalgruppe<br />

auch noch eine Postkarte heraus.<br />

Darüber hinaus organisierte die Regionalgruppe<br />

anlässlich des Internationalen Museumstages thematische<br />

Bustouren durch die regionale Museumslandschaft.<br />

2005 und 2006 starteten die ersten beiden<br />

Touren in Zusammenarbeit mit der Wirtschafts- und<br />

Tourismusentwicklungsgesellschaft mbH (WITO) des<br />

Landkreises Barnim. Die diesjährige Museumstour<br />

führte mit gutem Erfolg das Reiseunternehmen Regio<br />

Natour GmbH aus Ahrensfelde durch. Passend zum<br />

Kulturlandjahr 2007 mit dem Fokus WASSER erlebten<br />

die Teilnehmer einen unterhaltsamen Exkurs in die<br />

Kulturgeschichte des Wassers bei einem Besuch des<br />

Wolf Kahlen Museums in Bernau, dem Museum in der<br />

Adler-Apotheke in Eberswalde und dem Binnenschifffahrtsmuseum<br />

Oderberg.<br />

Aber es gibt auch Schwierigkeiten. Stadt und Amt<br />

Oderberg versuchen ihre gewaltigen finanziellen<br />

Schwierigkeiten, u.a. auch durch Kürzungen am<br />

Museum zu lösen. Dies ist unserer Meinung nach aber<br />

der Schwächste, der hier für Fehler, die anderswo<br />

gemacht wurden, herhalten muss. Die Regionalgruppe<br />

beschloss am 28. August 2006, einen offenen Brief<br />

zum Erhalt des Oderberger Museums zu verfassen.<br />

Das wurde durchgeführt und ein Presseecho ebenso<br />

wie ein Anruf des Amtsdirektors bei der Regionalgruppensprecherin<br />

zeigten, dass die Botschaft verstanden<br />

wurde. Die Oderberger Museumsleiterin, die zum 31.<br />

Oktober 2007 entlassen wurde, fehlt jetzt in unserer<br />

Regionalgruppe. Sie gehörte zu den Aktivsten, wir<br />

haben auch viel über die Regionalgruppentreffen hinaus<br />

miteinander telefoniert und ich hoffe, dass sie zur<br />

neuen Museumssaison im Frühjahr wieder eingestellt<br />

wird und dann auch wieder bei uns dabei sein wird.<br />

Außerdem sind wir natürlich nicht immer alle einer<br />

Meinung. Über das Machen von Ausstellungen<br />

diskutierten wir ebenso wie über den Umgang mit<br />

Originalobjekten und ihre materielle Sicherheit in einer<br />

Ausstellungspräsentation. Hier wurde der Bedarf<br />

deutlich, sich auch einmal in einer Regionalgruppe<br />

oder in einem größeren Rahmen einer Verbandsweiterbildung,<br />

mehr fachliche Argumente anzueignen.<br />

Aus Anlass zahlreicher 750-Jahrfeiern in den Klosterdörfern<br />

um Chorin wurde über den Umgang mit<br />

neuer und neuester Geschichte nachgedacht. Beliebte<br />

Aktivitäten bilden dabei die Festumzüge. Aber welche<br />

Teile der Geschichte können überhaupt in Festumzügen<br />

abgebildet werden? Wir wollen uns auch der<br />

Geschichte der jüngeren und jüngsten Vergangenheit<br />

stellen, doch diese Geschichte ist auf lokaler Ebene<br />

oft nicht ausreichend aufgearbeitet. Wie geht man<br />

damit um? Das waren wichtige Anstöße zum vertieften<br />

Nachdenken unseres Umgangs mit Geschichte.<br />

Das ist umso dringender, als gerade in kleinen Orten<br />

zuerst die Museen die ersten Ansprechpartner für alle<br />

Fragen der Geschichte sind.<br />

Jetzt gibt es in Hohenfinow die Initiative zur Gründung<br />

einer neuen Heimatstube. Das Querhaus, eines<br />

der ältesten Häuser im Ort, das auch eine schwarze<br />

Küche enthält, soll eine Ausstellung erhalten. Inzwischen<br />

hat sich herumgesprochen, dass es beim<br />

Eberswalder Museum eine Ansprechpartnerin für die<br />

Museen im Kreise gibt. Die Hohenfinower wandten<br />

sich daher mit ihren Fragen nach Eberswalde und<br />

erhielten fachliche Beratung für die Ausstellung und<br />

ihre zukünftige Arbeit.<br />

Zu guter Letzt noch Gratulationen dem Heimatmuseum<br />

Bernau zum 125. Jubiläum, dem Internationalen<br />

Artistenmuseum Klosterfelde und dem Dorfmuseum<br />

Lunow zum 10-jährigen Bestehen und dem Regionalmuseum<br />

Eberswalde zu „10 Jahre in der Adler-Apotheke“<br />

verbunden mit den besten Wünschen für eine<br />

erfolgreiche Museumsarbeit.


26 27<br />

Lokomobile<br />

Die Dampfpfluglokomobile ist eine mit Dampf angetriebene selbst-<br />

fahrende Lokomobile, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts zum<br />

Dampfpfluglokomobile der Firma Heucke um 1900<br />

(Agrarmuseum Wandlitz)<br />

Pflügen von Feldern eingesetzt wurde. Anders<br />

als unsere heutigen Traktoren, waren die Lo-<br />

komobilen aber viel zu schwer, um über das<br />

Feld zu fahren und den Pflug hinter sich her<br />

zu ziehen. Ein Dampflug-Satz bestand also<br />

meist aus zwei Lokomobilen. Diese wurden<br />

auf die Wege neben den Feldern gefahren und nahmen dort ge-<br />

genüber Aufstellung, das zu pflügende Feld zwischen sich. Unter<br />

dem Dampfkessel hatten die Lokomobilen Seilwinden. Hieran wur-<br />

de ein Kipp-Pflug montiert. Das Pflügen geschah dann folgender-<br />

maßen: Die Maschine auf deren Ende des Ackers sich der Pflug<br />

befand, signalisierte mit einem Pfiff der Dampfpfeife die Bereit-<br />

schaft. Daraufhin fuhr die andere Maschine ein Stück weiter vor-<br />

wärts und begann, den Pflug über den Acker zu ziehen. Das Seil<br />

der ersten Maschine blieb aber mit dem Pflug verbunden, dadurch<br />

wurde das Seil abgespult und zusammen mit dem Pflug zum ande-<br />

ren Ende des Ackers gezogen. Dort angekommen, stoppte der Ma-<br />

schinist der ziehenden Maschine den Seilzug und der Pflug wurde<br />

für das Pflügen in die andere Richtung gekippt. Die Bauform des<br />

Kipp-Pfluges machte das Wenden des Pfluges überflüssig. Da-<br />

nach begann der Vorgang von neuem, diesmal in die entgegen-<br />

gesetzte Richtung.<br />

Das Museumsschiff „Riesa“<br />

(Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg)<br />

Museumsschiff<br />

Kein Schiff ist je als Museumsschiff gebaut worden. Ein Museums-<br />

schiff wird man, wenn man alt und betagt, aber außergewöhnlich<br />

ist. So die Riesa in Oderberg, gleich hinter der Brücke links. Der<br />

Name kommt einigen vielleicht etwas komisch vor, anderen ver-<br />

rät er aber sicherlich schon etwas. Riesa ist nämlich eine Stadt an<br />

der Elbe und genau die befuhr einst unsere Riesa. Gebaut wur-<br />

de sie 1897 als Eildampfer für die Sächsisch-Böhmische Dampf-<br />

schifffahrtsgesellschaft. Von einer Dampfmaschine wurden bei der<br />

Riesa zwei große, seitlich am Schiff befestigte Räder angetrieben.<br />

An diesen Rädern waren Schaufeln befestigt, weshalb man solche<br />

Schiffe auch Schaufelraddampfer nennt. Bald setzten sich aber<br />

auch auf der Elbe andere Antriebsarten durch und so wurde die<br />

Riesa nach dem Zweiten Weltkrieg Teil der Weißen Flotte in Dres-<br />

den und beförderte vorwiegend Ausflügler. Bis 1976 tat die Riesa<br />

ihre Dienste, dann aber erlitt sie einen Kesselschaden und wur-<br />

de außer Dienst gestellt. Zwei Jahre später kaufte dann die Stadt<br />

Oderberg das Schiff und richtete es als Museumsschiff ein. Weil<br />

die Riesa auf dem Wasser nur den Schiffsverkehr behindert hät-<br />

te, setzte man sie kurzerhand aufs Ufer. Der alte Antrieb und eines<br />

der Schaufelräder funktionieren aber noch heute, was an manchen<br />

Tagen stolz vorgeführt wird.<br />

Verschiedene Netze und andere Arbeitsgeräte der Fischerei<br />

(Heimatstube Friedrichswalde)<br />

Netze<br />

Das Netz ist das wichtigste Arbeitsgerät des Fischers bei der Netz-<br />

fischerei. Aber nicht jedes Netz ist für den Fang gleich gut geeig-<br />

net. Grob unterschieden werden Netze für die aktive von denen für<br />

die passive Fischerei. Bei der passiven Fischerei kommen Stellnet-<br />

ze zum Einsatz. Das sind Wände aus Netzen, die oben Schwim-<br />

mer haben und unten kleine Gewichte. Dadurch steht das Netz im<br />

Wasser und die Fische verfangen sich darin. Meist lässt der Fi-<br />

scher das Netz die ganze Nacht im See und holt es erst am Morgen<br />

wieder ein. Bei der aktiven Fischerei kommen Zugnetze zum Ein-<br />

satz. Diese haben einen Fangsack und rechts und links davon je<br />

eine Netzwand, einen sogenannten Flügel. Der Fang mit dem Zug-<br />

netz ist ein wenig kompliziert. Ein oder zwei Boote legen das Netz<br />

in Ufernähe aus. An den Enden des Netzes gibt es Leinen, die die<br />

Boote dann ans andere Ufer bringen. Dann heißt es kräftig ziehen.<br />

Die Flügel leiten die Fische in die Mitte zum Fangsack. Hat man<br />

das Netz bis ans Ufer gezogen, müssen die Fische nur noch her-<br />

ausgeholt werden. Dabei ist der Kescher (siehe K wie Kescher) ein<br />

sehr nützliches Arbeitsgerät. Die Fischer brachten viel Zeit auf um<br />

ihre Netze zu pflegen und zu reparieren. Denn Netze waren teuer<br />

und mit Löchern im Netz fängt man keine Fische.<br />

Otter<br />

Der Fischotter gehört zur großen<br />

Familie der Marder. Er hat sich<br />

sehr gut an das Leben am Wasser<br />

angepasst und zählt zu den besten<br />

Schwimmern unter den Landraubtie-<br />

ren. Sein bevorzugter Lebensraum sind<br />

flache Flüsse mit zugewachsenen Ufern und<br />

Überschwemmungsebenen. Dort kann er sich<br />

gut verstecken. Der Eingang zu seinem Bau liegt meist un-<br />

ter Wasser, sein „Wohnzimmer“ aber über der Hochwasserlinie, so<br />

dass der Bau immer trocken bleibt. Wenn er nicht im Wasser jagt,<br />

dann liegt er am liebsten am Ufer und erholt sich. Der Otter ist nicht<br />

nur ein guter Schwimmer, nein er kann auch hervorragend tau-<br />

chen. Bis zu 8 Minuten kann er die Luft anhalten und unter Wasser<br />

bleiben. Seine Lieblingsspeise kann wohl jeder erraten: Fische na-<br />

türlich - sonst hieß er ja nicht Fischotter. Aber ab und zu verspeist<br />

er auch gern mal einen Frosch, Flusskrebse oder auch Blesshüh-<br />

ner. Mit seinem runden Kopf und seiner kurzen Schnauze sieht er<br />

zwar ganz putzig aus, lange Zeit aber hatte er einen schlechten<br />

Ruf, weil man glaubte er würde sogar Lämmer töten und Jagdhun-<br />

de unter Wasser ziehen.<br />

Präparat eines Fischotters<br />

(Schorfheide-Museum, Groß Schönebeck)


28 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 29<br />

Wandlitz<br />

Auf dem Weg in die Zukunft<br />

Christine Papendieck<br />

Das Agrarmuseum Wandlitz beging im Jahre 2005<br />

sein 50-jähriges Gründungsjubiläum. Damit gehört<br />

es innerhalb der Agrarmuseen des Landes Brandenburg<br />

und der neuen Bundesländer zu den Museen<br />

mit längerer Tradition. Seine Gründung im Jahr 1955<br />

geht zurück auf die private Initiative des Wandlitzer<br />

Ehepaares Walter und Margot Blankenburg. Im<br />

Zusammenhang mit der damaligen Umgestaltung der<br />

DDR-Landwirtschaft richteten die Museumsgründer<br />

von Beginn an einen besonderen Schwerpunkt auf die<br />

Sammlung und Bewahrung von landwirtschaftlichen<br />

Maschinen und Geräten und legten damit bereits<br />

wichtige Grundlagen für die weitere Entwicklung und<br />

agrargeschichtliche Spezialisierung des Wandlitzer<br />

Museums. Mit der Übergabe der privat begründeten<br />

Sammlung an die Gemeinde Wandlitz im Jahr<br />

1966 wurde eine wesentliche Voraussetzung für die<br />

zukünftige Museumsentwicklung geschaffen. Die<br />

überregionale Bedeutung des seit 1975 agrarhistorischen<br />

Spezialmuseums führte1980 zur Übernahme<br />

des Wandlitzer Museums in kreisliche Trägerschaft.<br />

Seit 1999 wird das Agrarmuseum Wandlitz auf der<br />

Grundlage eines zwischen dem Landkreis Barnim und<br />

der Gemeinde Wandlitz abgeschlossenen 15-jährigen<br />

Geschäftsbesorgungsvertrages durch die Gemeinde<br />

bewirtschaftet.<br />

Die herausragende Bedeutung der Landwirtschaft für<br />

die Geschichte des Landes spiegelt sich in der Museumslandschaft<br />

nur unzureichend wider. Eine besondere<br />

Bedeutung bekommt die jüngere Geschichte der<br />

Landwirtschaft Brandenburgs auch durch ihre Beziehung<br />

zu Berlin und die Ernährung der dortigen ständig<br />

wachsen Stadtbevölkerung. Aus dieser Notwendigkeit<br />

griffen im Verflechtungsraum Berlin-Brandenburg<br />

besonders ausgeprägt Modernisierung, Rationalisierung<br />

und Dynamik von Produktion und Konsumption<br />

von Nahrungsmitteln. Landwirtschaftsgeschichte<br />

in landesweiter Perspektive bieten derzeit neben<br />

Wandlitz nur das Freilichtmuseum Altranft (Landkreis<br />

Märkisch Oderland) und die Domäne Dahlem (Land<br />

Berlin). Von diesen ist Wandlitz das Spezialmuseum<br />

zur Geschichte der Landtechnik und landwirtschaftlichen<br />

Produktion in Brandenburg. Eine Unternehmensanalyse,<br />

die im Rahmen eines 1996 für das<br />

Agrarmuseum Wandlitz erarbeiteten Entwicklungsgut-<br />

achtens vorgelegt wurde, stellte fest, dass die Spezifik<br />

und Unterscheidbarkeit des Agrarmuseums Wandlitz<br />

zu den anderen mit der Agrargeschichte des Landes<br />

befassten Museen besonders begründet ist in seinen<br />

umfangreichen und in sich geschlossenen Sammlungsbeständen<br />

insbesondere zur Geschichte der<br />

landwirtschaftlichen Produktionsmittel und Landtechnik.<br />

„Eine Sammlungs- und Profilierungskonkurrenz<br />

zu den übrigen Museen im Landkreis Barnim sowie<br />

zu Agrar- und Technikmuseen im Land Brandenburg<br />

kann nicht festgestellt werden.“ 1<br />

Die Ausstellungen des Agrarmuseums umfassen<br />

gegenwärtig drei thematisch, zeitlich und räumlich<br />

unterschiedene Ausstellungsbereiche mit insgesamt<br />

2000 m² Ausstellungsfläche:<br />

1. Eine Schau- und Studiensammlung zur Geschichte<br />

der Landwirtschaft vom Ende des<br />

18.Jahrhunderts bis Mitte des 20.Jahrhunderts<br />

mit dem Schwerpunkt der technischen Entwicklung.<br />

2. Geschichte der ostdeutschen Landwirtschaft<br />

von 1945 bis 1989. Diese als chronologischer<br />

Abriss gestaltete Ausstellung ist eine der letzten<br />

noch erhaltenen Zeitdokumente der DDR-Geschichtsdarstellung.<br />

3. Orts- und Heimatgeschichte – von der ersten<br />

Besiedlung bis zum 20. Jahrhundert.<br />

Die gegenwärtig genutzten Ausstellungsgebäude sind<br />

zu mehr als 50% kostenintensive Mietobjekte. Das<br />

äußere Erscheinungsbild der jetzigen Museumsgebäude<br />

erweckt den Eindruck eines Provisoriums und<br />

ist von einem Ortsunkundigen kaum als ein Museum<br />

zu erfassen. Noch viel weniger ist der inhaltliche<br />

Schatz zu erahnen. Baulich-räumliche Defizite (z.B.<br />

problematische klimatische Bedingungen, fehlende<br />

Räumlichkeiten für Sonderausstellungen und -veranstaltungen<br />

sowie museumspädagogische Begleitprogramme)<br />

beschränken alle Bereiche der Museumsarbeit<br />

und werden den neuen Ansprüchen an aktive<br />

Präsentations- und Vermittlungsformen nicht gerecht<br />

werden.<br />

Bereits das 1996 erstellte Entwicklungsgutachten<br />

verweist darauf, dass „bei realistischer Betrachtung<br />

ein entscheidender Sprung in der Attraktivität der Ausstellungsbereiche<br />

und in der Qualität wie Quantität der<br />

Besucherarbeit wie bei der Wahrnehmung der übrigen<br />

Museumsaufgaben erst mit einer bauseitigen Investition<br />

erwartet werden kann“. 2<br />

Die Lösung dieses Problems wurde zur dringlichsten<br />

Aufgabe für die weitere Entwicklung und Perspektive<br />

des Agrarmuseums Wandlitz.<br />

Im vergangenen Jahr ergriff die Gemeinde Wandlitz<br />

die Initiative für ein Neubauprojekt. Die perspektivische<br />

Ablösung der Miet- und Pachtverhältnisse,<br />

Attraktivitätssteigerung des Agrarmuseums als<br />

Kernstück der (touristischen) Dorfentwicklung, die<br />

Konzentration der agrarhistorischen Ausstellung auf<br />

ein Gebäude waren und sind wichtige Entscheidungskriterien<br />

dabei. Im Rahmen eines vom Ministerium für<br />

Wissenschaft, Forschung und Kultur geförderten Projektes<br />

konnte ebenfalls im Jahr 2006 die Erarbeitung<br />

einer Museumsentwicklungskonzeption in Auftrag<br />

gegeben werden. Die Büros Dr. Jasdan Bernward<br />

Joerges (Potsdam) und Peanutz Architekten (Berlin)<br />

haben mit der vorliegenden Arbeit die Voraussetzung<br />

und Arbeitsgrundlage für weitere Planungsschritte<br />

geschaffen.<br />

Mit dem zwischen dem Landkreis Barnim und der<br />

Gemeinde Wandlitz nun erreichten Verwaltungsübereinkommen<br />

und der im November dazu gefassten<br />

Beschlüsse des Kreistages Barnim und der Gemeindevertretung<br />

Wandlitz stehen die Signale zur Weiterführung<br />

und Realisierung des Museumsneubaus nun<br />

endlich auf Grün. Das gemeinsame Bemühen von<br />

Landkreis und Gemeinde um die Akquirierung der<br />

notwendigen Fördermittel ist eine gute Basis für den<br />

Erfolg dieses Zukunftsvorhabens, das zugleich ein<br />

Zeichen setzt für die kultur-touristische Entwicklung<br />

der Region.<br />

1 Cornelia Dümcke: Entwicklungsgutachten Agrarmuseum<br />

Wandlitz. Grundlagen zu einer langfristigen Entwicklungskonzeption,<br />

Berlin 1996 (Manuskript), S.38)<br />

2 Dümcke: 1996 (wie Anm. 1), S. IV<br />

Museumssommerfest mit Traktorparade auf der Wiese


30 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 31<br />

Wandlitz<br />

Pläne für das Agrarmuseum<br />

Jasdan Bernward Joerges, Wolfgang Grillitsch und Elke Knöß<br />

Das Agrarmuseum Wandlitz ist eines der profiliertesten<br />

Häuser zum Thema Landwirtschaft in Brandenburg.<br />

Trotz seiner hohen Publikumswirksamkeit gibt<br />

es auf unterschiedlichen Ebenen Handlungsbedarf,<br />

um die Ausstellung auf einen zeitgemäßen und der<br />

Bedeutung der Sammlung angemessenen Standard<br />

zu bringen. Zur Zeit existieren beispielsweise drei<br />

Themenbereiche getrennt voneinander und bilden für<br />

den Besucher keine erkennbare Struktur. Auch fehlt<br />

eine schlüssige Dramaturgie, die alles miteinander<br />

verbindet. Die Gemeinde Wandlitz hat daher im Jahr<br />

2006 die Büros Peanutz Architekten (Berlin) und Jasdan<br />

Bernward Joerges (Potsdam) mit der Erarbeitung<br />

einer Museumsentwicklungskonzeption beauftragt.<br />

Die Ergebnisse dieser Konzeption wurden Ende 2006<br />

in Wandlitz vorgestellt und sollen in diesem Beitrag in<br />

den Grundzügen dargestellt werden.<br />

Zusammen passen<br />

Vom sechsten Gang direkt in den dritten geschaltet,<br />

der Motor jault auf! Michael Schumacher spürt die<br />

Vibrationen am Lenkrad, als er in der Kurve mit 180<br />

Sachen von links Häkkinen überholt, um in der Zielgeraden<br />

seinen dritten Weltmeister-Titel klar zu machen.<br />

Man weiß, wie so ein Auto ausschaut, mit dem Schumacher<br />

die Ehrenrunde dreht. Es ist kein Familienvan.<br />

Dafür taugt er nicht, auch der Kinderwagen passt nicht<br />

rein. Zumal der Familienvater mit dem Formel-Eins<br />

Boliden schneller im Straßengraben landen würde,<br />

als ihm lieb ist. Formel-Eins-Wagen und Pilot bilden<br />

eine hoch spezialisierte Einheit. Ziel: Autorennen zu<br />

gewinnen.<br />

Auch Museen konkurrieren heute untereinander und<br />

befinden sich mit einer Menge anderer Einrichtungen<br />

für Bildung, Kultur, Freizeit und Tourismus im Wettstreit<br />

um die meisten Besucher. Die Erwartungen an die<br />

Leistungsfähigkeit sind heute so groß wie nie. Daher<br />

ist es nahe liegend, ebenso spezialisiert wie beim<br />

Formel-Eins-Rennen an die Sache heranzugehen.<br />

So wie nur ein optimales Auto mit dem besten Piloten<br />

zusammen gewinnen kann, so sollten auch Ausstellungen<br />

im Wechselspiel von Inhalten, Gestaltung und<br />

Architektur geplant werden. Diese Chance gibt es für<br />

das Agrarmuseum in Wandlitz. Für die hier vorgestellte<br />

Museumsentwicklungskonzeption wurden die<br />

Bedingungen und Leitlinien für eine künftige Gebäudehülle,<br />

die Ausstellungsarchitektur sowie die inhaltliche<br />

Aufarbeitung als eine Einheit gedacht, entwickelt und<br />

konzipiert.<br />

Das Museum bisher<br />

Im Agrarmuseum Wandlitz beginnt man nicht bei<br />

Null. Es gibt ein bestehendes Museum, mit einem<br />

wunderbaren Schatz an Exponaten. Auch das Thema<br />

selbst ist viel versprechend. So hat auch das Team mit<br />

seiner Arbeit begonnen, mit der Analyse des bestehenden<br />

Museums und des Standorts. Es geht darum,<br />

die Potentiale bestmöglich zu nutzen und ideal für den<br />

Standort zusammenzustellen. Ziel der Neukonzeption<br />

ist die Zusammenführung und grundlegende Überarbeitung<br />

der Ausstellungsbereiche. Die dringend notwendige<br />

Erneuerung der Dauerausstellung (Stand von<br />

1985) konnte aufgrund der räumlichen Situation bisher<br />

nicht in Angriff genommen werden. Von besonderer<br />

Bedeutung war die Einbindung in die weitere touristische<br />

Gesamtentwicklung des Ortes und der Region.<br />

Die inhaltliche und gestalterische Neukonzeption der<br />

agrarhistorischen Ausstellung ist die Grundlage für die<br />

bauliche Vorplanung eines neuen Ausstellungsgebäudes<br />

und die weitere Museumsentwicklung.<br />

Standort<br />

Wandlitz liegt am gleichnamigen See. Das Grundstück<br />

für das Museum fast am Wasser. Kein Wunder, dass<br />

der Wandlitztourismus auf eine lange Tradition zurückblicken<br />

kann. Vor den Toren Berlins gelegen, inmitten<br />

des Naturparks Barnim das Ideale Naherholungsgebiet<br />

für den Großstädter. Als einer der größten Seen<br />

des Barnim gibt der Wandlitzsee auch den Namen<br />

für das Wandlitzer Seengebiet. Für die vorhandene<br />

touristische Infrastruktur ist das Museum eine ideale<br />

Ergänzung. Wenn sie ganzjährig funktioniert, ist sie<br />

auch eine Möglichkeit zur Verlängerung der Sommersaison.<br />

Sammlung<br />

Das bestehende Museum verfügt über einen immensen<br />

Schatz an Exponaten. Gegründet als private<br />

Sammlung, gehören archäologische und heimat-<br />

kundliche Exponate ebenso dazu, wie die Sammlung<br />

landwirtschaftlicher Technik. Legendär ist der Bestand<br />

an Traktoren der Marke Lanz. Das sind Exponate, die<br />

Kinder faszinieren, Väter begeistern und den Fachkundigen<br />

Tränen in die Augen treiben.<br />

Landwirtschaft, ein Thema für alle<br />

Woher kommt unser Essen? Das meiste davon<br />

produzieren Landwirte. Fleisch, Milch, Gemüse. Da<br />

die Ernährung als Notwendigkeit des Lebens besteht,<br />

geht das Thema jeden Menschen an. Und die meisten<br />

interessiert es wirklich, gerade in einer Zeit, wo Nahrungsmittelskandale<br />

immer wieder zu großer Verunsicherung<br />

führen.<br />

Keine Gnade – für wen auch immer<br />

Bei allen Vorzügen des bestehenden Museums: Das<br />

Team, zu dem auch die Museumsleiterin des bestehenden<br />

Museums gehört, ging hart ins Gericht mit<br />

dem was da ist. Schließlich soll es ja besser werden,<br />

dabei hilft konstruktive Kritik. Folgende Schwachstellen<br />

sollten in einer Neukonzeption ausgemerzt werden:<br />

Zur Zeit existieren drei Themenbereiche getrennt<br />

voneinander und bilden für den Besucher keine klare<br />

Gliederung. Es fehlt die übergreifende Dramaturgie.<br />

Die Besucher haben wenig Möglichkeiten zum<br />

Ausprobieren und selbst aktiv werden. Als Zielgruppe<br />

sollen in Zukunft vor allem Kinder und Familien angesprochen<br />

werden. Das sind vornehmlich Touristen<br />

aus der Berliner Region. Aber auch Schulklassen aus<br />

ganz Brandenburg sollen im Museum als Besucher<br />

aktiv werden. Eine weitere, zunehmend nicht nur hier<br />

an Bedeutung gewinnende Gruppe sollen SeniorInnen<br />

bilden. Nicht zuletzt eine weitere, wichtige Gruppe<br />

bilden Technik-Interessierte und regelrechte Technik-<br />

Freaks. Es gibt eine große Traktoren-Fan-Szene.<br />

Leitlinien für die Neukonzeption<br />

Die Zielgruppenorientierung soll nicht nur Lippenbekenntnis<br />

sein. Ganz konkret soll der spielerisch<br />

orientierte Lernansatz durchgehend in der Gestaltung<br />

des Museum Berücksichtigung finden. Alle Sinne<br />

der BesucherInnen sollen angesprochen werden,<br />

was durch Mitmach-Exponate, bei denen es viel zum<br />

Ausprobieren gibt, erreicht werden könnte. So soll<br />

beispielsweise das Gerüttel eines Traktors zum Hineinsetzen,<br />

der auch ruhig einmal laut sein kann, zum<br />

aktiven Entdecken anregen.<br />

Das Museum versteht sich als Tor zur Region. Dies ist<br />

nicht nur für die Tourismus-Branche wichtig. Die Vernetzung<br />

mit der Region steht dafür, Natur und Kultur<br />

gemeinsam als ein Ding zu entdecken und begreifen.<br />

Für Touristen kann das Museum die erste Station<br />

eines Erlebnis-Parcours sein, der am Anfang der Radtour<br />

durch die Region auch über andere Anlaufpunkte<br />

informiert.<br />

Die Betonung liegt darauf, das Brandenburger<br />

Museum für Landtechnik zu sein. Im Berlin-Brandenburger<br />

Raum dürfte es keine bessere Traktorensammlung<br />

geben. Wo Technikfreaks auf ihre Rechnung<br />

kommen, so wissen die BesucherInnen, sind sie gut<br />

aufgehoben.<br />

Das zentrale Bild: Große Parade der<br />

Landmaschinen<br />

Wichtigstes Element für die unmittelbare Besucheransprache<br />

ist ein großes zentrales Bild, welches<br />

die gesamte Ausstellung auf einen Punkt bringt. Als<br />

zentrale Attraktion ist die Versammlung der beeindruckenden<br />

Landmaschinen und Großtechnik zu einer<br />

großen „Maschinen-Parade“ geplant. Nirgendwo<br />

sonst in Deutschland ist bisher eine vergleichbare<br />

Sammlung in einer solchen Inszenierung zu sehen.<br />

Von diesem zentralen Bild ausgehend entwickeln sich<br />

sieben Themenfelder, in denen die Besucher auf Entdeckungsreise<br />

durch die Region und die Geschichte<br />

der Landtechnik gehen können.<br />

So kann die Ausstellung zugleich einprägsam sein<br />

und zugleich den roten Faden auf faktenreiche Art und<br />

Weise aufspannen. Aber nicht nur inhaltlich, auch für<br />

die Außendarstellung und als Alleinstellungsmerkmal<br />

soll eine Großinszenierung dienen. Sie ist ein wesentlicher<br />

Schlüssel für die Verknüpfung von Ausstellungsgebäude,<br />

Ausstellungsarchitektur und Inhalt. Das<br />

zentrale Bild ist die Hauptattraktion. Das Thema ist die<br />

Evolution der Landtechnik. Vom Faustkeil zur computergesteuerten<br />

Erntemaschine.


32 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 33<br />

Parade der Landmaschinen<br />

Neukonzeption der Ausstellungsgliederung<br />

Die zugegebenermaßen hohen Ziele sind nur dann zu<br />

erreichen, wenn es einen klaren roten Faden durch die<br />

gesamte Ausstellung gibt. Eine klare Themenstruktur<br />

soll durch eine einfach lesbare Dramaturgie der<br />

gesamten Ausstellung einprägsam werden. Hierzu<br />

wurden entlang der großen Maschinen-Parade sieben<br />

Themenbereiche festgelegt:<br />

1) „Von Leuten, die am Wasser Leben“<br />

Wandlitz, Geschichte der Region und Ursprünge<br />

des Agrarmuseums<br />

2) „Heimwerken vor 100 Jahren...“<br />

Handwerke in der Landwirtschaft<br />

3) „Von der Weide in den Stall“<br />

Tierhaltung<br />

4) „Ein weites Feld“<br />

Feld- und Bodenbearbeitung<br />

5) „High-Tech von damals“<br />

Technisierung der Landwirtschaft und historische<br />

Maschinen<br />

6) „Pionier und Brockenhexe“<br />

DDR-Agrarwirtschaft<br />

7) „Tor in die Region“<br />

Vernetzung mit Naturpark und regionalem<br />

Tourismus<br />

Der rote Faden ist wörtlich zu nehmen, die Orientierung<br />

bis zur untersten Ebene der Ausstellungselemente<br />

soll anschaulich und nachvollziehbar sein.<br />

Inhaltlich wird der Bogen gespannt vom Beginn der<br />

Agrarwirtschaft mit ersten Steinwerkzeugen und<br />

Faustkeilen bis hin zu den hoch technisierten und<br />

rationalisierten Abläufen der DDR-Landwirtschaft und<br />

ihren LPGs. Kinder wie Erwachsene können Informationen<br />

und Einsichten in die Zusammenhänge von<br />

Gesellschaft und ihrer Kultur und ihre Prägung durch<br />

die agrartechnische Revolution erhalten. Ernährungs-<br />

und Lebensgewohnheiten auf der einen Seite und<br />

Landwirtschaft auf der anderen Seite bieten vielfältige<br />

Anknüpfungspunkte an die individuelle Erfahrungswelt.<br />

Originell<br />

inszenierte Leitexponate<br />

führen in die<br />

jeweiligen Themenbereich ein.<br />

Ein Tragejoch als „Mitmachexponat“<br />

zum ausprobieren und eine historische Milchzentrifuge,<br />

die unter Einsatz der eigenen Körperkraft in<br />

Bewegung versetzt werden kann, laden die Besucher<br />

ein, sich aktiv zu beteiligen.<br />

Das Joch steht hier für die umfassende Nutzung der<br />

Tiere in der Landwirtschaft. Das Rind als wichtigstes<br />

Großvieh des Bauern lieferte neben der Zugkraft<br />

auch Milch, Fleisch und Dung. Der Übergang von der<br />

Weidewirtschaft zur Großtierhaltung läutete eine neue<br />

Ära ein, die in die quasi industrielle Milch- und Fleischproduktion<br />

von heute mündete. Hightech eroberte<br />

den ländlichen Raum – dieses wird historisch an einer<br />

beeindruckenden Dampflokomobile von 1906 dargestellt.<br />

Viele weitere Landmaschinen aus dem großen<br />

Fundus des Agrarmuseums kommen hier zu neuer<br />

Geltung. Das Ersetzen der tierischen Zugkraft durch<br />

Traktoren und immer komplexere Spezialmaschinen<br />

zur Aussaat und Ernte legen den Fokus zunehmend<br />

auf technische Aspekte. Riesige sowjetische Mähdrescher<br />

aus den siebziger Jahren bilden hier den<br />

krönenden Abschluss.<br />

Aber auch die Anfänge der DDR-Landwirtschaft nach<br />

dem Krieg, die Herstellung einfacher Werkzeuge und<br />

Agrartechnik aus Waffeneisen und Kriegsresten und<br />

die Bodenreform, ihre politischen Hintergründe und<br />

gesellschaftlichen Auswirkungen bis hin zur Nachwendezeit<br />

werden beleuchtet. Dafür muss die Ausstellung<br />

auch auf der sprachlichen Ebene entsprechend<br />

griffig sein. Informationen werden am besten durch<br />

Informationslust kommuniziert. Neugierde soll durch<br />

aktiv-freche Fragestellungen geweckt werden. Die<br />

Informationsebene soll durchgängig einheitlich sein,<br />

Prinzipien der Ausstellung, wenn sie einmal eingeführt<br />

sind, bleiben durch die gesamte Ausstellung nachvollziehbar.<br />

Das gilt umso mehr für Medien. Diese werden<br />

konsequent und vielfältig eingesetzt. Das neue Konzept<br />

sieht vor, den Besuchern einen spannenden<br />

Einblick in über 1000 Jahre Agrargeschichte zu bieten.<br />

Informations- und Schaulust werden durch Exponate<br />

zum aktiven Entdecken ergänzt. So sollen die Besucher<br />

zum Beispiel an einem „Pflug-Simulator“ mit Kraft<br />

und Geschick einen Pflug in der Furche halten oder an<br />

einem Riesenblasebalg ein digitales Feuer anfachen<br />

bis das Eisen schmilzt. Durch die gesamte Ausstellung<br />

soll ein erlebnisorientierter Ansatz verfolgt werden, der<br />

vor allem Kinder. Jugendliche und Familien anspricht.<br />

Das spielerische Lernen steht im Vordergrund.<br />

Natur und Kultur gemeinsam erleben<br />

Am Ende der Ausstellung und des Rundgangs schreiten<br />

die Besucher schließlich durch das „Tor in die<br />

Region“, als das sich das Museum zentral positionieren<br />

möchte. Für Touristen gibt es wertvolle Anregungen<br />

für weitere Ziele, Ausflügler bekommen Tipps zur<br />

Planung des Tagesverlaufs, die Vernetzung mit dem<br />

Naturpark Barnim und seinen vielen Ausflugszielen<br />

wird hergestellt. Kultur und Natur zusammen entdecken:<br />

Wenn das Museum in Zukunft hierzu beitragen<br />

kann, ist ein entscheidender Schritt getan.<br />

Gebäudekonzept/Einbindung in „Wandlitz<br />

Dorf“ und Realisierung Seeblick<br />

Die Breitscheidstraße, der gegenüberliegende Dorfladen,<br />

die bestehende Gastronomie, sowie die bauliche<br />

Struktur entlang der Straße, bilden den Maßstab für<br />

das neue Museum. Der überdachte Vorbereich des<br />

Museums ist ein Ort zum Verweilen. Die Ausstellung<br />

beginnt an der Straße, dort stehen die ersten großen<br />

Exponate, wie zum Beispiel die Lokomobile. Das<br />

Dach des Gebäudes, mit Lichtkuppeln, die die Halle<br />

auf natürliche Weise beleuchten, ist das zeichenhafte<br />

Motiv.<br />

Die Maschinenparade ist das zentrale Motiv des<br />

Museums. Die Ausstellungsstationen stehen im<br />

Maschinenpark wie überdimensionierte Exponate.<br />

Jede hat eine andere Form. Sie funktionieren teilweise<br />

wie große begehbare Vitrinen. Oder sie erinnern an<br />

landwirtschaftliche Gebäudemaschinen; so wie eine<br />

Windmühle ein Hybrid aus Haus und Maschine ist,<br />

oder die ersten Dreschmaschinen mit hölzernem<br />

Gehäuse wie eine kleine Scheune aussahen. Dabei<br />

wird keine naturalistische Nachbildung angestrebt.<br />

Durch Materialzitate an der Außenhülle soll der Kontext<br />

hergestellt werden. Die einzelnen Ausstellungsstationen<br />

sind eigene, klimatisch abgeschlossene<br />

Räume, die in einer großen Halle stehen, welche als<br />

Kalthalle ohne zusätzliche Heizung konzipiert ist. So<br />

ermöglichen sie auch die geeignete Lichtsituation<br />

für Projektionen, angenehme Raumtemperatur und<br />

Schallschutz.<br />

Stege zwischen den Ausstellungsstationen erschließen<br />

den Maschinenpark. Sie führen hinauf auf eine<br />

Galerie. Oben angekommen erhalten die BesucherInnen<br />

einen Überblick über die Ausstellungslandschaft<br />

- und gleichzeitig eine Aussicht zum See.<br />

Vision mit Seeblick


34 35<br />

Papier<br />

Ohne Wasser kein Papier. Die Herstellung von<br />

Papier erfordert viele Arbeitsschritte, an den meis-<br />

ten davon ist Wasser beteiligt. Die Grundstoffe bei der Herstel-<br />

lung von Papier waren Jahrhunderte lang Lumpen aus Leinentex-<br />

tilien. Diese wurden gereinigt und zerkleinert, bevor sie in einem<br />

Stampfwerk zu einem Brei zerfasert wurden. Weil diese Stampf-<br />

werke meist von Wasserrädern angetrieben wurden, nannte man<br />

diese Mühlen auch Papiermühlen. Das Zerstampfen dauerte ziem-<br />

lich lange und so wurde gegen Ende des 17. Jahrhunderts der so-<br />

genannte „Holländer“ erfunden. In ihm wurden die Stoffreste mit<br />

Wasser im Umlauf gehalten und von einer Messerwalze ständig<br />

zerkleinert, bis nur noch ein feiner Brei übrigblieb. Dieser Brei wur-<br />

de dann weiter verdünnt und in eine Bütte (Bottich) gefüllt. Von ihr<br />

erhielt das Papier den Namen Büttenpapier. Mit einem Drahtsieb<br />

schöpfte dann der Papiermacher aus der Bütte den Bogen Pa-<br />

pier. Der Gautscher löste den Bogen vom Sieb und stapelte die<br />

nassen Papierbögen, immer getrennt von einem Filztuch, überei-<br />

nander. Mit mächtigen Pressen wurde dann das Wasser aus den<br />

Stapeln gepresst und die einzelnen Bögen wurden zum Trocknen<br />

aufgehängt. Heute wird meist Holz für die Herstellung von Papier<br />

verwendet. Alle Arbeitsgänge werden von riesigen Maschinen er-<br />

ledigt, die bis zu 1500 t Papier täglich herstellen können. Wie man<br />

aber Büttenpapier herstellt und wie feucht es dabei zugeht, kann<br />

man noch heute gelegentlich in der Papiermanufaktur Wolfswin-<br />

kel erleben.<br />

Historischer Holländer in der Papiermanufaktur Wolfswinkel<br />

(Papiermanufaktur und -museum Wolfswinkel-Spechthausen, Eberswalde)<br />

Werbeblatt für die Eberswalder Königsquelle nach 1890<br />

(Museum in der Adler Apotheke, Eberswalde)<br />

Quelle<br />

Wenn Wasser auf natürliche Weise aus der Erde tritt, so nennt man<br />

das eine Quelle. Quellen sind die Ursprünge unserer Bäche und<br />

Flüsse. Weil ihr Wasser meist klar und sauber ist, haben sich an<br />

Quellen aber oft auch Kurorte entwickelt, da man dem Wasser ei-<br />

ne heilsame Wirkung zuschrieb. Bei Eberswalde treten besonders<br />

viele Quellen zu Tage und deren Wasser wurde schon seit dem<br />

Mittelalter hochgelobt. Im 19. Jahrhundert wurde aus Eberswal-<br />

de dann ein beliebter Kur- und Badeort, den sogar der König be-<br />

suchte. 1821 kam Friedrich Wilhelm III. nach Eberswalde und trank<br />

von dem gesunden Quellwasser. Stolz nannten die Eberswalder<br />

ab nun ihre Quelle die „Königsquelle“. Das Wasser wurde in Fla-<br />

schen abgefüllt und um 1900 konnten jährlich über 200.000 davon<br />

verkauft werden. Die längste Reise haben dabei einige Flaschen<br />

wohl 1892 hinter sich gebracht. An Bord eines Schiffes wurden 12<br />

Flaschen in die Karibik verschickt. Man wollte beweisen, dass das<br />

Eberswalder Wasser absolut sauber, also keimfrei, sei. Nach sie-<br />

ben Monaten Fahrt gelangten die Flaschen nach Barbados, wo ein<br />

Teil davon gleich vom deutschen Konsul getrunken wurde. Ihm hat<br />

es geschmeckt. Die übrigen Flaschen schickte er mit dem Dampfer<br />

nach England und von dort gelangten sie schließlich nach Berlin.<br />

Hier wurden die Wasserflaschen untersucht und beim Öffnen stell-<br />

te man fest, dass es genauso sprudelte und schmeckte, als wäre<br />

es eben erst aus der Quelle gekommen. Der Beweis war erbracht<br />

und die Eberswalder waren noch stolzer auf ihre „Königsquelle“.<br />

Rettungsring der Badeanstalt in Lunow<br />

(Dorfmuseum Lunow)<br />

Rettungsring<br />

Einen Rettungsring gab es früher in jeder Badeanstalt und noch<br />

heute sieht man ihn zur Sicherheit gelegentlich an Kanälen und<br />

Seen. Er gehört zu den Gegenständen, von denen man hofft, dass<br />

sie nie eingesetzt werden. Denn wenn das geschieht, dann ist ein<br />

Mensch in Not. Unser Rettungsring ist ein ganz besonderer. Er ge-<br />

hörte nämlich zu einer Badeanstalt, von der nichts außer eben die-<br />

sem Rettungsring geblieben ist. Die Badeanstalt lag direkt an der<br />

Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße in Lunow. Der Kanal<br />

verläuft neben der Oder und verbindet die Städte Hohensaaten im<br />

Süden und Friedrichsthal im Norden. Daher der komplizierte Na-<br />

me. Die Anwohner nennen ihn deswegen auch gern ganz einfach<br />

nur „den Kanal“. 20 Jahre dauerte sein Bau, bevor er 1926 fertigge-<br />

stellt werden konnte. Die Badeanstalt in Lunow wurde auf Initiative<br />

des örtlichen Lehrers, Herrn Johannes Becker, 1934 gebaut und<br />

zu einem beliebten Ausflugsziel für die Kinder der Region. Sie be-<br />

saß sogar einen hölzernen Sprungturm und man konnte in kleinen<br />

Hütten übernachten. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Badeanstalt<br />

stark zerstört, aber schon bald ging der Badebetrieb weiter. Gegen<br />

Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts musste die Badean-<br />

stalt dann aber endgültig geschlossen werden. Die Wasserqualität<br />

des Kanales war leider nicht mehr zum Baden geeignet.<br />

Schiffshebewerk<br />

Damit Schiffe Höhenunterschiede zwischen Flüssen<br />

und Kanälen überwinden können, sind<br />

Schleusen notwendig. Manchmal aber sind<br />

die Höhenunterschiede so groß, dass eine<br />

Schleuse nicht ausreicht. Bei Niederfinow<br />

fällt das Barnimer Plateau 36 Meter tief zum<br />

Odertal hin ab. Bis 1934 mussten alle Schiffe,<br />

die den Oder-Havel-Kanal befuhren, diesen Höhen-<br />

unterschied durch 4 Schleusen überwinden. Das kostete viel Zeit<br />

und so baute man statt neuer Schleusen ein Schiffshebewerk. Ein<br />

Schiffshebewerk funktioniert wie ein Fahrstuhl. Die Schiffe fahren<br />

oben vom Kanal direkt in einen großen mit Wasser gefüllten Trog.<br />

Dann wird der Trog hinten geschlossen und das Schiff wird mit<br />

dem Wasser nach unten gefahren. Eine solche Fahrt dauert nicht<br />

mehr als fünf Minuten. Unten angekommen wird das vordere Tor<br />

geöffnet, dass Schiff kann ausfahren und seine Reise fortsetzen.<br />

Umgekehrt geht es natürlich auch. Obwohl es schon über 70 Jahre<br />

alt ist und als technisches Denkmal gilt, befördert das Schiffshebe-<br />

werk in Niederfinow noch täglich dutzende von Schiffen. Aber weil<br />

der Verkehr auf dem Kanal immer mehr zunimmt und die Schiffe<br />

immer größer werden, wird es bald ein weiteres, neues Hebewerk<br />

geben. Das kann dann Schiffe bis zu einer Länge von <strong>11</strong>0 Metern<br />

aufnehmen.<br />

Schiffshebewerk Niederfinow<br />

(Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg)


36 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 37<br />

Groß Schönebeck<br />

Jagd und Macht in der Schorfheide<br />

Burghard Ciesla<br />

„magna merica werbellin“<br />

Etwa 50 Kilometer nordöstlich von Berlin liegt eines<br />

der größten zusammenhängenden Waldgebiete Europas<br />

– die Schorfheide. Eine vielfältige, herausragende<br />

und an einigen Stellen unberührte Kultur- und Naturlandschaft.<br />

Heute erstreckt sich die Heidelandschaft<br />

in der Süd-Nord-Richtung mehr als 25 Kilometer vom<br />

Oder-Havel-Kanal über Groß Schönebeck, dem „Tor<br />

zur Schorfheide“, bis vor Templin und etwa 35 Kilometer<br />

in der West-Ost-Ausdehnung von Zehdenick über<br />

Joachimsthal bis zur Autobahn Berlin-Prenzlau.<br />

In den vergangenen Jahrhunderten hat sich der<br />

Umfang der Heide immer wieder verändert. In alten<br />

Urkunden wird das Waldgebiet als „große Heide<br />

Werbellin“ – „magna merica werbellin“ – bezeichnet.<br />

Ursprünglich war das nur die innere oder engere<br />

Schorfheide, die sich um Hubertusstock, den Werbellin-<br />

und Grimnitzsee erstreckt. Die heutige weit<br />

größere Ausdehnung kam zum großen Teil erst 1929<br />

zustande. Der sozialdemokratische Ministerpräsident<br />

und „Oberste Jagdherr“ der Weimarer Republik, Otto<br />

Braun, hat damals Teile des Gebietes unter Schutz<br />

stellen lassen. Braun selbst bevorzugte die Schorfheide<br />

als Jagdgebiet und verstand sich über die Jagd<br />

zudem gut mit dem politisch auf der Gegenseite<br />

stehenden Reichspräsidenten Paul von Hindenburg.<br />

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten musste<br />

Otto Braun Anfang Februar 1933 emigrieren. Zuvor<br />

war er aus dem Büro seines Jagdfreundes Hindenburg<br />

vor der unmittelbar bevorstehenden Verhaftung<br />

gewarnt worden. Hermann Göring sorgte als selbsternannter<br />

„Herr der Schorfheide“ nach 1933 für die<br />

Weiterführung der fortschrittlichen Pläne aus der<br />

Zeit der Weimarer Republik, indem er das Ganze als<br />

NS-Idee „verkaufte“ und Brauns Wirken verschwieg:<br />

Im Jahre 1934 kam es zur Gründung des „Natur- und<br />

Urwildparks Schorfheide“ und 1936 wurde die „Stiftung<br />

Schorfheide“ errichtet. 1<br />

Nach 1945 jagte die sowjetische Besatzungsmacht in<br />

der Schorfheide. Große Treibjagden wurden veranstaltet,<br />

bei denen das Wild auch schon mal mit Panzern<br />

aus den Dickungen getrieben und mit Maschinenpistolen<br />

niedergestreckt wurde. Zudem zogen die<br />

massiven Holzeinschläge für Reparationslieferungen,<br />

Gruben-, Schwellen- und Brennholz, den Waldbestand<br />

der Schorfheide schwer in Mitleidenschaft.<br />

Nordwestlich von Vogelsang beanspruchte die sowjetische<br />

Besatzungsmacht ab 1947 die „Kleine Schorfheide“<br />

als Truppenübungsplatz. Mit 3.500 Hektar und<br />

20.000 fest stationierten Soldaten und Offizieren war<br />

das Gebiet weit mehr als vierzig Jahre lang der größte<br />

sowjetische Truppenübungsplatz auf deutschem<br />

Territorium. Nach der Gründung der DDR übernahm<br />

die Forstwirtschaft die Verwaltung der Schorfheide.<br />

Eine Sonderstellung nahm das Jagdschloss Hubertusstock<br />

in dieser Zeit ein, da es von 1949 – 1952 der<br />

Landsitz des brandenburgischen Ministerpräsidenten<br />

Rudi Jahn wurde. Ab Mitte der fünfziger Jahre wurde<br />

Hubertusstock und ab 1962 die ganze Schorfheide<br />

zum „Sonderjagdgebiet“ erklärt und durch einen<br />

nicht zur zivilen Forstwirtschaft gehörenden „Militärforstbetrieb“<br />

bis zu dessen Auflösung am 1. Januar<br />

1990 verwaltet. Hier jagten später ausschließlich der<br />

Generalsekretär Erich Honecker, der Wirtschaftssekretär<br />

Günter Mittag, der Volkskammerpräsident Horst<br />

Sindermann und natürlich deren Jagdgäste aus Ost<br />

und West. 2<br />

Seit 1990 – auf Beschluss der letzten Regierung der<br />

DDR – ist die Schorfheide (25.000 Hektar) Kernstück<br />

des rund 130.000 Hektar umfassenden Biosphärenreservats<br />

Schorfheide-Chorin. Hierzu zählen neben<br />

ausgedehnten Waldflächen auch etwa 240 Seen, tausende<br />

Moore sowie eine Vielzahl Wiesen und Äcker.<br />

Die Schorfheide hat im Biosphärenreservat aufgrund<br />

ihrer historischen Traditionen die Stellung als ausgedehntes<br />

Jagdgebiet beibehalten. 3<br />

Zur Ausstellung<br />

Die Schorfheide ist ein Landschaftsgebiet mit einer<br />

einzigartigen Fauna und Flora und damit zuerst einmal<br />

ein besonderes Stück brandenburgische Natur- und<br />

Landschaftsgeschichte. Zudem ist die Schorfheide<br />

geschichtsträchtig, d. h. sie widerspiegelt Deutsche<br />

Geschichte im Großen und Kleinen. Immerhin jagten<br />

nachweislich schon germanische und slawische Völker<br />

in der Schorfheide, die Askanier bauten Grenzburgen<br />

und seit nunmehr beinahe tausend Jahren ist die<br />

Heide das exklusive Jagdgebiet der Adligen, Landesherren,<br />

Mächtigen, Privilegierten und natürlich auch<br />

Die „Museumsscheune“ nach der Sanierung im Sommer 2007. Hier werden die Ausstellungsthemen<br />

nach 1918 präsentiert<br />

der Wilddiebe. Besonders im 19. und 20. Jahrhundert<br />

prägten und formten Jagd und Macht die Schorfheidelandschaft.<br />

Wer also die Geschichte der Schorfheide<br />

erzählt, kann die Geschichte der Natur, des Waldes<br />

und der Jagd mit der Geschichte der Macht, Mächtigen<br />

und ihrer Politik auf wohl einzigartige Weise<br />

miteinander verknüpfen.<br />

Die Gemeinde Schorfheide hat diesen viel versprechenden<br />

Ansatz aufgenommen und ist dabei, eine<br />

neue Ausstellung im Schorfheide-Museum auf dem<br />

historischen Gelände des Jagdschlosses Groß<br />

Schönebeck aufzubauen. Immerhin ließen an der<br />

Stelle des Schlosses zuerst die Askanier zwischen<br />

1205 und 1220 eine Festung erbauen, da dort die<br />

Grenze zwischen Brandenburg und Pommern verlief.<br />

Zwischen 1680 und 1715 wurde auf der abgetragenen<br />

alten Burganlage dann ein Schloss errichtet, das<br />

die brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten<br />

als Jagd- und Herrschaftssitz nutzten. Als 1849 das<br />

Jagdschloss Hubertusstock in der Nähe des Werbellinsees<br />

übergeben wurde, verlor das Jagdschloss in<br />

Groß Schönebeck für die preußische Herrscherfamilie<br />

an Bedeutung und es zog dort bis 1945 die Forstverwaltung<br />

ein. Später wurde es als Kulturhaus des<br />

Staatlichen Forstwirtschaftsbetriebes Bernau genutzt.<br />

Im Jahre 1991 übernahm der Verein der Natur- und<br />

Heimatfreunde das Jagdschloss und gestaltete es zu<br />

einem Museum um.<br />

Derzeit befindet sich im Schloss schon eine kleine<br />

Jagdausstellung. Zudem werden dort Sonderausstellungen<br />

gezeigt und eine Vielzahl von Veranstaltungen<br />

angeboten. Der Jagdsaal des Schlosses dient der<br />

Gemeinde auch als Standesamt.<br />

Diese vielfältige Nutzung soll<br />

künftig beibehalten werden. Die<br />

bestehende Jagdausstellung im<br />

Schloss wird aber vollkommen<br />

neu konzipiert und thematisch<br />

auf die Kaiserzeit bzw. die Jagdgeschichte<br />

davor ausgerichtet.<br />

In der auf dem Schlossgelände<br />

gelegenen denkmalgeschützten<br />

Scheune, die inzwischen für die<br />

neue Dauerausstellung saniert<br />

und umgebaut wurde, wird dann<br />

die Ausstellung über die Jagd- und Machtgeschichte<br />

nach 1918 untergebracht: Weimarer Republik, NS-Zeit<br />

(Göring und Carinhall), Besatzungszeit, DDR und die<br />

Entwicklungen nach 1990.<br />

In diesem Rahmen werden in der neuen Ausstellung<br />

zugleich Bezüge zur Jagdpolitik, zum Jagdalltag und<br />

der Jagdkultur im Wandel der Zeiten hergestellt. Die<br />

Ausrichtung der Ausstellung auf den Themenkomplex<br />

Jagd und Macht bedeutet zugleich die Auseinandersetzung<br />

mit den Themen Wald, Umwelt und<br />

Naturschutz. Darüber hinaus wird neben der neuen<br />

Dauerausstellung auch ein neues Bildungszentrum<br />

aufgebaut, wodurch das Museum künftig aktiv in die<br />

bildungspolitische Arbeit eingebunden werden kann.<br />

Jagd und Macht – Facetten<br />

Generell muss bei einer solchen Ausstellung immer<br />

die lange Entwicklungsgeschichte der Jagd Berücksichtigung<br />

finden, da sie den Menschen schon seit<br />

Urzeiten begleitete. In den Anfangsgründen der<br />

Menschheitsgeschichte war das Jagen ein entscheidendes<br />

Mittel zur Existenzsicherung. Doch mit der<br />

Landwirtschaft verlor das „Jagdgeschäft“ an Bedeutung.<br />

Die erwerbswirtschaftliche Jagd wurde von der<br />

Herrenjagd verdrängt. Im Zeitalter der bürgerlichen<br />

Revolutionen kam es schließlich zur Aufhebung des<br />

Jagdrechts auf fremden Grund und Boden und damit<br />

wurde der jagdrechtlichen Willkür des Adels Einhalt<br />

geboten. Der Grundstein für eine neue Jagdgesetzgebung<br />

war gelegt worden, d. h. das Herrenrecht auf<br />

Jagd verlor an Bedeutung. Doch bis heute hat die<br />

Jagd ein Hauch des Exklusiven behalten. Viele


38 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 39<br />

Traditionen – gute und weniger gute – erwiesen sich<br />

als sehr widerstandsfähig und sie leben bis in die<br />

Gegenwart fort. 4<br />

Wie schon deutlich gemacht, ist der Zusammenhang<br />

zwischen Jagd und Macht in der Schorfheide besonders<br />

stark ausgeprägt. Der Wildreichtum der „großen<br />

Heide“ wurde seit dem 12 Jahrhundert von den Mächtigen<br />

zur hochherrschaftlichen Jagd genutzt: Von<br />

den Askanier- und Hohenzollern-Fürsten über den<br />

Kaiser, den Ministerpräsidenten der Weimarer Republik,<br />

den Reichsjägermeister der NS-Zeit bis hin zum<br />

SED-Generalsekretär reicht die Linie derjenigen, die<br />

der Herrenjagd als „Vergnügen der Vornehmen“ und<br />

„privilegierten Zeitvertreib“ nachgingen. In der Schorfheide<br />

trafen der Hochadel, Staatsoberhäupter, Wirtschaftsmanager<br />

und andere einflussreiche Personen<br />

aus Politik und Gesellschaft zusammen. Hierbei gab<br />

es stets Gelegenheit zum Gespräch und Austausch:<br />

„Jagderfolg und gemeinsame Waldspaziergänge,<br />

Gespräche am Lagerfeuer oder hochherrschaftlichen<br />

Kamin bei Wildbraten und Umtrunk haben manchen<br />

Vertragsabschluß und manche politische Entscheidung<br />

beeinflusst.“ 5<br />

Das ist bis heute so geblieben. Die Journalistin Nina<br />

Grunenberg hat unlängst eine Studie über die Generation<br />

der Wirtschaftsmanager der Bundesrepublik<br />

vorgelegt, die maßgeblich zum wirtschaftlichen Erfolg<br />

der Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger<br />

Jahren beigetragen haben. Sie stellte bei ihren<br />

Recherchen mit Blick auf deren Karrieren in der NS-<br />

Zeit fest, dass diese Männer immer großen Wert auf<br />

Verschwiegenheit und Diskretion gelegt haben und in<br />

eigener Sache kaum etwas Schriftliches hinterließen:<br />

„Nur nichts Geschriebenes’, hieß es in ihren Kreisen,<br />

und wenn doch, dann ‚nichts Unterschriebenes’. Was<br />

sie zu sagen hatten, erledigten sie unter vier Augen.<br />

Geordnete Nachlässe mit Gedanken und Erinnerungen,<br />

mit Zeugnissen über die privaten, gesellschaftlichen,<br />

gar politischen Motivationen ihres Handelns<br />

sind sehr selten. Dafür wimmelt es in den Archiven der<br />

Unternehmen von Jagdeinladungen und tiefempfundenen<br />

Dankschreiben für viele ‚schöne Hirschbrunfterlebnisse’.“<br />

6 Ein Mitarbeiter eines großen deutschen<br />

Unternehmensarchivs erklärte in diesem Zusammenhang<br />

zugespitzt, dass aufgrund der dürftigen Aktenlage<br />

künftige Unternehmensgeschichten wohl besser<br />

nach den Jagdeinladungen und Fotos mit Jägern und<br />

Trophäen geschrieben werden müssen.<br />

Für die Ausstellung ist diese problematische Quellen-<br />

und Materiallage durchaus aufzulösen, da es inzwischen<br />

eine Reihe historischer Darstellungen, Untersuchungen<br />

und neuere Aktenfunde gibt, die indirekt<br />

oder direkt Rückschlüsse auf den Inhalt der „Jagd-<br />

gespräche“ bzw. auf in der Schorfheide getroffene<br />

politische und militärische Entscheidungen geben.<br />

Während des Zweiten Weltkrieges verlegte Göring als<br />

Reichsluftmarschall beispielsweise alle seine Lagebesprechungen<br />

von Berlin nach Carinhall in die Schorfheide.<br />

Über das, was dort besprochen wurde und wie<br />

sich Göring dabei verhielt, bekamen die Alliierten sehr<br />

bald genaue Kenntnis und sie konnten reagieren. So<br />

geriet der General der Fallschirmtruppen, Bernhard<br />

Ramcke, im September 1944 in britische Gefangenschaft<br />

und kam nach Trent Park, wo die Gespräche<br />

der deutschen Offiziere abgehört wurden. In einem<br />

dieser Gespräche berichtete Ramcke detailliert über<br />

einen Besuch bei Göring in der Schorfheide im Februar<br />

1944. Darüber hinaus wurde in Bletchley Park,<br />

dem Entschlüsselungszentrum der Briten, der Funkverkehr<br />

der deutschen Luftwaffe und der japanischen<br />

Botschaft mit Tokio mitgehört und erfolgreich entschlüsselt.<br />

Informationen über neue Waffen sowie die<br />

militärische und rüstungswirtschaftliche Lage erreichten<br />

damit auch die Alliierten. 7<br />

Eine weitere Besonderheit wäre das Kapitel „Schorfheide<br />

und Kalter Krieg“: Zur Jahreswende 1958/59<br />

ließ die Sowjetunion am Rande der Schorfheide<br />

atomare Mittelstreckenraketen stationieren. In<br />

Vogelsang wurden zwei von insgesamt vier mobilen<br />

Abschussrampen und sechs von insgesamt zwölf<br />

Raketen in Stellung gebracht. Mit diesem atomaren<br />

Potential hätte Städte wie London und Paris erstmals<br />

real bedroht werden können. Die Kuba-Krise begann<br />

genau genommen in der Schorfheide. 8<br />

Doch auch die internen Gegensätze zwischen Walter<br />

Ulbricht und Erich Honecker im inneren Kreis der<br />

SED-Führung lassen sich über die Jagdfreundschaft<br />

Honeckers mit dem sowjetischen Parteichef Leonid<br />

Breschnew erzählen. Nach dem Abschluss des<br />

Grundlagenvertrages von 1972 spielt die Schorfheide<br />

zudem bei der Gestaltung der deutsch-deutschen<br />

Beziehungen eine wichtige Rolle. Jagdeinladungen<br />

an bundesdeutsche Politiker und Führungskräfte<br />

der Wirtschaft waren in den achtziger Jahren keine<br />

Seltenheit. Allein der Vorstandsvorsitzende der Krupp<br />

AG, Berthold Beitz, weilte als offizieller Gast zum<br />

Jagen zwischen 1981 und 1989 fünfmal in der Schorfheide.<br />

Für den Abschluss des ersten Milliardenkredits<br />

besuchte Franz Josef Strauß das Jagdschloss<br />

Hubertusstock. Darüber hinaus kamen in den achtziger<br />

Jahren Helmut Schmidt und mehrfach Herbert<br />

Wehner und Hans-Jochen Vogel. Zudem besuchten<br />

auch bundesdeutsche Politiker zum Jagen und zu<br />

Gesprächen die Schorfheide, die auf keiner der<br />

offiziellen bzw. internen Besucherlisten zu finden sind.<br />

Diese hier kurz vorgestellten Beispiele sind natürlich<br />

nur Facetten einer im Entstehen begriffenen Ausstel-<br />

lung, die diesen Zusammenhängen und Geschichten<br />

systematisch folgen wird.<br />

Grundfragen und gestalterische<br />

Umsetzung<br />

Das Thema Jagd und Macht ist das zentrale Element<br />

der geplanten Ausstellung. Andere Schwerpunkte wie<br />

beispielsweise Jagdpolitik, Wald oder Naturschutz<br />

richten sich an diesem zentralen Element aus und<br />

werden dargestellt. Folgende fünf Grundfragen bzw.<br />

Themen wären für die Ausstellung von durchgängigem<br />

Interesse:<br />

(1) Wie gestaltet sich das Wechselverhältnis von<br />

Tradition und Moderne bei der Jagd im Hinblick<br />

auf die Machtpolitik?<br />

(2) Welche politischen Wirkungen haben Besuche<br />

hochrangiger Persönlichkeiten in der<br />

Schorfheide und ihre „Jagdgespräche“?<br />

Zum Beispiel ist die große Zahl russischer<br />

Adliger und Militärs während der Bismarckzeit<br />

auffallend. Ähnlich gelagerte Zusammenhänge<br />

stellen sich für die Zeit nach 1918,<br />

1933 und 1945 dar.<br />

(3) Es ist die Frage nach der Modernisierung und<br />

Neuordnung des Jagdwesens (Kontinuitäten<br />

und Brüche) sowie des Naturschutzes zu beantworten.<br />

(4) Im Hinblick auf Personen interessieren die<br />

Jagdmotive und die Jagdpraxis. Bei „abweichendem“<br />

Verhalten lassen sich so wiederum<br />

Themen der Jagdkultur, -technik oder<br />

des Jagdalltags darstellen.<br />

(5) Mit den verschiedenen Jagd- und Repräsentationsgebäuden<br />

(Hubertusstock, Groß<br />

Schönebeck oder Carinhall) kann zudem das<br />

Thema „Architektur der Jagd“ transparent<br />

gemacht werden.<br />

Auf der Basis von Archivakten aus verschiedenen<br />

Beständen und Nachlässen des Bundesarchivs, aus<br />

dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv, dem<br />

Archiv der BStU und den Regionalarchiven sowie<br />

aufgrund schon geleisteter Vorarbeiten durch das<br />

Schorfheide-Museum ist das Thema bislang befriedigend<br />

recherchiert. Besonders für die Zeit nach 1945<br />

haben sich im Vorfeld der Ausstellungskonzeption<br />

eine Reihe neuer Erkenntnisse ergeben. Hinzu kommt<br />

die Nutzung von Rundfunkmitschnitten, Zeitzeugeninterviews,<br />

Zeitungssammlungen und Dokumentarfilmen.<br />

Diese Mischung von Dokumenten, O-Tönen,<br />

Interviews und Filmsequenzen bei der Darstellung<br />

erscheint notwendig, um die für bestimmte Themen<br />

schlechte Objektlage auszugleichen und interessante<br />

Vertiefungsmöglichkeiten zu bieten.<br />

Das Schorfheide-Museum in Groß-Schönebeck bietet<br />

mit dem Jagdschloss, der neuen „Museumsscheune“<br />

und dem künftigen Aufbau eines Bildungszentrums<br />

eine hervorragende Möglichkeit für die künftige Museums-,<br />

Bildungs- und Freizeitarbeit in der Region an.<br />

Die Themenausrichtung „Jagd und Macht“ sowie die<br />

vielgestaltigen Verknüpfungsmöglichkeiten begründen<br />

zugleich die besondere Chance und Herausforderung,<br />

die sich durch das geplante Ausstellungsprojekt des<br />

Schorfheide-Museums am historischen Ort bieten.<br />

1 Heinz Preuß/Horst Hering: In der Schorfheide. Streifzüge zwischen Havel und<br />

Grimnitzsee, Leipzig 1975, S. <strong>11</strong>-24; Erwin Nippert, Die Schorfheide. Zur Geschichte<br />

einer deutschen Landschaft, 2. Auflage, Berlin 1995, S. 126-128; Volker<br />

Knopf/Stefan Martens, Görings Reich. Selbstinzinierung in Carinhall, Berlin 1999,<br />

S. 24-35; Manfred Feder, Wandern in der Schorfheide. Touren durch eine ungewöhnliche<br />

Landschaft, Berlin 2001, S. 6-9; Andreas Gautschi, Der Reichsjägermeister.<br />

Fakten und Legenden um Hermann Göring, 4., überarbeitete Auflage,<br />

Melsungen 2006, S. 43-45.<br />

2 Nippert (wie Anm. 1): Schorfheide, S. 152-190; Thomas Grimm: Das Politbüro<br />

privat. Ulbricht, Honecker, Mielke & Co. Aus der Sicht ihrer Angestellten, Berlin<br />

2005, S. 120-134.<br />

3 Nippert (wie Anm. 1): Schorfheide, S. 191-2<strong>11</strong>.<br />

4 Horst Stern/Rudolf Schreiber: Rettet den Wald, München 1979, S. 182.<br />

5 Nippert (wie Anm. 1): Schorfheide, S.66.<br />

6 Nina Grunenberg: Die Wundertäter. Netzwerke der deutschen Wirtschaft<br />

1942-1966, München 2006, S. 17.<br />

7 Sönke Neitzel: Abgehört. Deutsche Generäle in britischer Kriegsgefangenschaft<br />

1942-1945, Berlin 2005, S. 152-158; F.H. Hinsley (ed.), Britisch Intelligence in the<br />

Second World War. Abridged Version, Cambridge1993, S. 567-595.<br />

8 Matthias Uhl: Stalins V-2. Der technologietransfer der deutschen Fernlenkwaffentechnik<br />

in die UdSSR und der Aufbau der sowjetischen Raketenindustrie 1945 bis<br />

1959, Bonn 2001, S. 7.


40 41<br />

Teertopf<br />

Teertopf, Dichteisen, Dichthammer und Bohrer<br />

(Schorfheide-Museum, Groß Schönebeck)<br />

Wer in seinem Fischerboot nicht schon bald nasse<br />

Füße bekommen wollte, der musste sein Boot gut ab-<br />

dichten und pflegen. Zum Abdichten wurden die Boo-<br />

te daher „kalfatert“. Da Holzboote meist aus einzelnen<br />

Brettern zusammengesetzt waren, mussten die Lücken<br />

zwischen diesen Brettern irgendwie dicht gemacht wer-<br />

den. Mit einem Dichteisen und einem Dichthammer wur-<br />

de meist Werg oder Baumwolle in die Spalten zwischen<br />

den Bootsplanken geschlagen. Hatte man diese mühsame Arbeit<br />

hinter sich, dann mussten die Nähte noch mit heißem Teer oder<br />

Pech geschlossen werden. Dazu wurde der Teer in einem Topf er-<br />

hitzt und dann in eine eiserne Tüte gegossen, die unten ein kleines<br />

Loch hatte. So konnte man bequem den Teer in die Fuge bringen.<br />

Wer keine Tüte besaß, der lieh sich eine oder nahm einfach eine<br />

alte Suppenkelle. Natürlich konnte man nicht überall mit der Sup-<br />

penkelle oder der Tüte Teer auf die Fugen gießen. Bei senkrech-<br />

ten Außenwänden kam daher der Dweiel zum Einsatz. Der Dweiel<br />

besteht aus einem Stück Wolle ähnlich dem Bommel einer Pudel-<br />

mütze, der an einem Stab befestigt ist. Den tauchte man in den<br />

heißen Teer und drehte ihn in die Nähte um sie so gut wie möglich<br />

mit Teer aufzufüllen.<br />

Wrack der Focke Wulf FW 190 mit Diorama im Hangar 3 des Luftfahrtmuseums<br />

Finowfurt (Luftfahrtmuseum Finowfurt)<br />

Unterwasserfund<br />

Nicht nur in der Erde, auch unter Wasser finden sich viele Zeug-<br />

nisse unserer Geschichte. Mit der Bergung solcher Objekte be-<br />

schäftigt sich die Unterwasserarchäologie. Besondere Bedeutung<br />

hat dieser noch junge Zweig der Archäologie, weil sich gerade un-<br />

ter Wasser organische Stoffe wie Holz, Papier oder Textilien sehr<br />

gut erhalten. Die Aussage- und Informationskraft unter Wasser ge-<br />

borgener Gegenstände ist deshalb sehr gut. Einen interessanten,<br />

aber auch traurigen Fund machten 1991 Mitarbeiter des Luftfahrt-<br />

museums Finowfurt. Im Schlosssee bei Alt Zeschdorf wurden ein-<br />

zelne Teile eines abgestürzten Flugzeuges entdeckt. Fünf Jahre<br />

später fand man dann das ganze Wrack und machte sich an die<br />

Bergung. Dabei wurde auch eine Geldbörse mit Banknoten und ei-<br />

ne Bahnfahrkarte nach Berlin gefunden. Vom Wasser geschützt,<br />

war darauf sogar noch der Name des Piloten zu lesen, der mit dem<br />

Flugzeug abgestürzt war. Das Wrack und andere aus den Seen<br />

Brandenburgs geborgene Flugzeugteile kann man heute im Mu-<br />

seum in Finowfurt besichtigen. Dort erfährt man auch mehr über<br />

Hans Grapenthin, den unglücklichen Piloten des abgestürzten<br />

Jagdflugzeuges aus dem Zweiten Weltkrieg.<br />

Innungskahn des Schiffervereins Hohenwutzen von 1897, Darstellung<br />

eines Finowmaßkahns (Binnenschifffahrtsmuseum Oderberg)<br />

Vortrageschiff<br />

Im Odergebiet gab es Gemeinden, in denen viele Familien von der<br />

Schifffahrt auf dem Fluss und den Kanälen lebten. Sie transportier-<br />

ten Güter bis nach Berlin und Schwerin. Die meisten Kähne waren<br />

so genannte „Finowmaßkähne“ mit einer Länge von 40,2 m und ei-<br />

ner Breite von 4,6 m. Sie passten genau in die zahlreichen Kanal-<br />

schleusen. Im Durchschnitt hatten diese Kähne eine Tragkraft von<br />

200 t. Anfänglich waren die Kähne aus Holz, später dann auch aus<br />

Eisen. Ab Mitte Dezember begann für die Schiffer die Winterruhe,<br />

die so lange dauerte, bis das Eis von den Wasserstraßen wieder<br />

verschwunden war und die Flüsse gefahrlos befahrbar waren. In<br />

dieser Zeit lagen die Schiffer mit ihren Kähnen im Heimathafen und<br />

beschäftigten sich mit Reparaturarbeiten auf dem Kahn oder an<br />

Land. Dann wurde auch das so genannte Quartal gefeiert. Hierzu<br />

wurde der Innungskahn, ein Schiffsmodell, mit bunten Bändern ge-<br />

schmückt und dem Festzug vorangetragen. Nach dem Festzug tra-<br />

fen sich alle Schiffer zur Quartalsfeier, bei der auch zum Tanz auf-<br />

gespielt wurde. Weil das Schiff dem Festzug vorangetragen wurde,<br />

erhielt es auch den Namen Vortrageschiff.<br />

Wasserminna<br />

Minna Schulze (1883 - 1959)<br />

war eine berühmte Berliner<br />

Akrobatin und ging als „Was-<br />

serminna“ in die Geschichte des<br />

Zirkus Busch ein. Eine Besonder-<br />

heit des Zirkus Busch waren seine<br />

Wasserpantomimen. Dazu konnte<br />

in die versenkte Manege Wasser<br />

aus der Spree geleitet werden, in dem sich dann Tiere und Schwim-<br />

merinnen tummelten. Als mutige Schwimmerin und Artistin tat sich<br />

Minna Schulz hervor, die einen Kopfsprung aus der Zirkuskuppel<br />

in das Wasserbecken wagte und als erste Reiterin mit einem Pferd<br />

ins Wasser sprang. Sie rutschte mit Bären hinab ins Becken und<br />

schwamm unter Wasser in eine Taucherglocke, wo sie fast bis zur<br />

Bewußtlosigkeit ausharrte. Ihr zu Ehren schuf der Berliner Künstler<br />

Kurt Hartwig eine Brunnenfigur, die die „Wasserminna“ auf einem<br />

Pferd balancierend zeigt. Eigentlich sollte die Figur mal in einem<br />

Lokal in Berlin aufgestellt werden. Dann aber kaufte der Zirkusdi-<br />

rektor Heinz Geier-Busch das Kunstwerk, dass einen Platz vor ei-<br />

nem geplanten Festbau des Zirkus Busch in Berlin erhalten sollte.<br />

Weil der Direktor starb, konnte das Vorhaben leider nicht zu Ende<br />

geführt werden. Für das Artistenmuseum war dies aber auch ein<br />

Glücksfall. Denn dort steht heute vor dem Museum die „Wasser-<br />

minna“. Wer sie bestaunt, sollte nicht vergessen hineinzugehen,<br />

denn das Museum hat viele Überraschungen zu bieten.<br />

„Wasserminna“, Brunnenfigur von Kurt Hartwig<br />

(Internationales Artistenmuseum, Klosterfelde)


42 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 43<br />

Havelland und Ruppin<br />

Möglichkeiten der Bewertung archäologischer Sammlungen<br />

Bert Krüger, Arne Lindemann<br />

Seit November 2007 findet im Rahmen des Netzwerk-<br />

Projekts der Museen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin<br />

eine Untersuchung der archäologischen Sammlungen<br />

statt. Ziel ist es, einen Gesamtüberblick über den<br />

archäologischen Sammlungsbestand im Landkreis<br />

zu erhalten. Nach Jahrzehnten des Sammelns und<br />

der Odyssee vieler Sammlungsbestände mit unklarem<br />

oder unbekanntem Verbleib sollen die archäologischen<br />

Zeugnisse unserer frühen Vergangenheit<br />

in ihrem heutigen Bestand erfasst werden. Damit<br />

verbindet sich das Anliegen, die oftmals in Vergessenheit<br />

geratenen Sammlungen für die wissenschaftliche<br />

Forschung nutzbar sowie für die breite Öffentlichkeit<br />

zugänglich zu machen. Folgende Fragen werden<br />

untersucht: Was sagen die Objekte über die Siedlungsgeschichte<br />

der Region aus? Welche Möglichkeiten<br />

bieten sie insbesondere zum Dachthema des<br />

Projekts „Mobilität“, unter dessen Motto sich Museen<br />

des Landkreises Ostprignitz-Ruppin 2007 – 2008<br />

zusammengefunden haben? Die Ergebnisse dieser<br />

Sammlungsbewertung sollen den Museen einen systematischen<br />

und schnellen Zugang zu ihren prähistorischen<br />

Sammlungen ermöglichen, Substanzverluste<br />

stoppen und eine Grundlage für die Neugestaltung<br />

von archäologischen Ausstellungen schaffen, sowie<br />

in einen gemeinsamen Führer durch die Sammlungen<br />

der am Projekt beteiligten Museen einfließen.<br />

Pilotprojekt im Heimatmuseum Falkensee<br />

Die Möglichkeiten und Chancen, die eine Erfassung<br />

und Bewertung archäologischer Sammlungen bietet,<br />

zeigen die Ergebnisse der Bestandsaufnahme<br />

und Aufarbeitung der ur- und frühgeschichtlichen<br />

Sammlung des Heimatmuseums Falkensee. Das<br />

Ziel der Magisterarbeit von Bert Krüger an der Humboldt<br />

Universität zu Berlin war es, die Sammlung des<br />

Falkenseer Museums zu erfassen, zu dokumentieren<br />

und in die Besiedlungsgeschichte des Havellands<br />

einzuordnen sowie Schwerpunkte für die Dauerausstellung<br />

herauszuarbeiten. 1 Vor Beginn der Arbeiten im<br />

Heimatmuseum Falkensee hatte bereits der Arzt und<br />

Bodendenkmalpfleger Manfred Kluger aus Dallgow-<br />

Döberitz etwa 261 Funde in einem Inventarverzeichnis<br />

erfasst. Heute sind 784 Objekte in einer digitalen<br />

Datenbank mit Katalogausgabe dokumentiert und<br />

in ihrem Erhaltungszustand bewertet. Grabgefäße<br />

der Bronzezeit, der Vorrömischen Eisenzeit und der<br />

Römischen Kaiserzeit stellen den größten Teil der<br />

Sammlung, die Funde aller Epochen von der Altsteinzeit<br />

bis zum Mittelalter – einem Zeitraum von 10.000<br />

Jahren – enthält. Neben Amphoren, Tassen, Schalen,<br />

Terrinen und Krügen finden sich zahlreiche Steinartefakte.<br />

Die Palette reicht hier von nur daumennagelgroßen<br />

Feuersteinpfeilspitzen bis zu großen massiven<br />

Steinbeilen und -äxten. Auch Spinnwirtel, Mahl- und<br />

Reibsteine, eiserne wie bronzene Geräte, Schmuck<br />

und Waffen gehören zur Sammlung. Mammutfossilien<br />

und prähistorische Tierknochen bilden einen weiteren<br />

Schwerpunkt. Sie sind für ein Heimatmuseum in<br />

besonderer Menge und Qualität vorhanden.<br />

Viele Objekte der heutigen Sammlung entspringen der<br />

Sammelleidenschaft der Gründerväter der Museen<br />

in Falkensee, Ketzin und Nauen sowie ihrer Nachfolger.<br />

Die Geschichte der archäologischen Sammlung<br />

Falkensees umfasst deshalb auch einen Teil<br />

der Ketziner und Nauener Museumsgeschichte. Bis<br />

auf kleinere zusammenfassende Darstellungen und<br />

Artikel fehlten bisher tiefergehende Arbeiten über die<br />

Entstehung und Entwicklung beider archäologischer<br />

Altsammlungen. Durch Recherchen vor allem im<br />

Brandenburgischen Landeshauptarchiv, ehemaligen<br />

Museumsarchiven in Ketzin und Nauen oder durch<br />

Einsicht in Ortsakten und Fundmeldungen konnten<br />

den archäologischen Objekten in Falkensee wieder<br />

wichtige Hintergrundinformationen zugeordnet<br />

werden. So war es möglich, Fundorte zu ermitteln,<br />

die Objekte nach Altsammlungen zu ordnen sowie<br />

Fundkomplexe zusammenzuführen und Gefäße zu<br />

rekonstruieren. Viele Objekte erhielten dadurch wieder<br />

kulturelle Beweiswerte bzw. Bedeutungsinhalte. Damit<br />

können sie in den museologischen Kontext aufgenommen<br />

werden. Dieser fragt nicht nach ihrem materiellen<br />

oder ästhetischen Wert, sondern nach ihrer Bedeutungsqualität.<br />

Für die Erfassung und Beschreibung der Funde in<br />

Falkensee wurde ein Leitfaden erstellt, der die Reihenfolge<br />

und alle Standards der Eingabe definierte.<br />

Die Funde der Falkenseer Sammlung wurden digital<br />

fotografiert und in die Datenbank eingefügt. Die knapp<br />

1.500 Materialaufnahmen erfolgten maßstabsgetreu<br />

vor einem einheitlichen Hintergrund. Sie eignen<br />

sich für Publikationszwecke. Unter Berücksichtigung<br />

konservatorischer Belange wurden die Funde der<br />

Sammlung Falkensee in speziell angefertigte Kartons<br />

verpackt und im neuen Depot des Museums untergebracht.<br />

Mit Abschluss der Arbeit erfolgt mithilfe der Datenbank<br />

eine Aufnahme der Objekte in das Museumsinventar.<br />

Anschließend sollen die Daten in die Museumssoftware<br />

FirstRumos exportiert werden, mit der die<br />

Sammlung des Hauses erfasst und verwaltet wird.<br />

Aktuell bietet die Sammlungsdokumentation in Form<br />

von Datenbank und vorgelegter Arbeit mit Katalog ein<br />

wichtiges Instrument zur Sammlungsverwaltung. Denn<br />

sie gibt dem Museum Kenntnis über den Gesamtbestand<br />

und über die Objekte im Einzelnen. Damit sind<br />

Bestandsverluste überhaupt erst wieder nachvollziehbar.<br />

Zu verlorenen oder untergegangenen Objekten<br />

bietet sie Nachweise durch exakte Beschreibungen.<br />

Sie liefert darüber hinaus einen schnellen und direkten<br />

Zugriff auf jegliche Objektdaten und kann damit<br />

eigene Fragestellungen des Museums, zum Beispiel<br />

zu eigentumsrechtlichen Verhältnissen oder zum<br />

Erhaltungszustand, aber auch Anfragen anderer Institutionen<br />

effizient beantworten. In diesem Zusammenhang<br />

garantiert die Dokumentation, dass der Zugang<br />

zu diesen Informationen nicht mehr ausschließlich<br />

vom persönlichen Wissen bestimmter Menschen<br />

abhängt, sondern intersubjektiv verfügbar ist.<br />

Neue Erkenntnisse über die Herkunft von Objekten<br />

oder Ergebnisse weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen<br />

können in die vorhandene Dokumentation<br />

einfließen. Die Abfragefunktionen der Datenbank<br />

bieten vielfältige Möglichkeiten, die archäologische<br />

Sammlung Falkensee nach verschiedenen Kategorien<br />

wie Epochen, Material- und Sachgruppen,<br />

Altsammlungen etc. zu sortieren und in einem<br />

Gesamtkatalog oder in themenorientierten Katalogen<br />

auszugeben. Damit ist die Grundlage für<br />

zukünftige Forschungen geschaffen. Die umfassende<br />

Objektanalyse des Sammlungsbestands<br />

ermöglicht es, die Sammlung schnell auf thematische<br />

Fragestellungen hin zu bewerten. Die geplante<br />

Neukonzeption der ur- und frühgeschichtlichen<br />

Ausstellung in Falkensee kann nun wissenschaftlich<br />

fundiert und effektiv angegangen werden.<br />

Archäologische Sammlungen im Kreis<br />

Ostprignitz-Ruppin<br />

Die Vorteile eines digitalen und vernetzten Sammlungsbestands<br />

sollen in Zukunft auch für die Museen<br />

im Landkreis Ostprignitz-Ruppin wirksam werden.<br />

Das Projekt macht es aus der Sicht ur- und frühgeschichtlicher<br />

Sammlungen möglich, ein Stück brandenburgischer<br />

Museumsgeschichte fortzuschreiben.<br />

Die Privatsammlungen „vaterländischer Altertümer“<br />

bildeten auch im Landkreis Ostprignitz-Ruppin museale<br />

Keimzellen. Zu nennen sind unter anderem die<br />

Ziethen-Sammlung für das Neuruppiner Museum und<br />

die Sammlung Adolphine von Rohr für das Prignitz-<br />

Museum in Heiligengrabe. Beide Sammlungen sind<br />

für die wissenschaftliche Erforschung der ältesten<br />

Geschichte des Landkreises bzw. Brandenburgs<br />

bedeutsam. In diesem Sinne beabsichtigt das Projekt,<br />

ein Stück regionaler Identität zu bewahren und gleichzeitig<br />

Bezüge zum Leben in heutiger Zeit herzustellen.<br />

Dass hierin kein Widerspruch besteht, zeigt die inhaltliche<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema des Projekts<br />

„Mobilität“. Mobilität ist kein Phänomen der jüngsten<br />

Menschheitsgeschichte. Ihre modernen Zeugen<br />

ziehen sich in Brandenburg als Autobahnen, Bundesstraßen<br />

und ICE-Trassen durch eine Landschaft, in<br />

der Menschen nachweislich seit über 13.500 Jahren<br />

leben. Die materiellen Hinterlassenschaften unserer<br />

Vorfahren illustrieren dabei anschaulich – der Mensch<br />

war von je her in Bewegung.<br />

Vor allem in den frühesten Abschnitten unserer Geschichte<br />

bedeutete Mobilität Überleben. Bis in das 5.<br />

vorchristliche Jahrtausend hinein bildete das Jagen,<br />

Sammeln und Fischen in unseren Breiten die alleinige<br />

Grundlage der menschlichen Existenz. Die Natur<br />

bestimmte, wo Nahrung zu finden war. Der Mensch<br />

passte sich an und folgte großen Rentierherden durch<br />

die Steppen der späten Altsteinzeit und der jahreszeitlich<br />

wechselnden Flora und Fauna im dichten Wald<br />

des Mesolithikums. Dabei legte er weite Strecken<br />

zurück, wie sich heute durch archäologische Funde<br />

rekonstruieren lässt. Der gesamte Hausrat passte sich<br />

dem Nomadenleben an. Alles wichtige Hab und Gut<br />

musste transportabel sein, Geräte, Waffen, Kochgeschirr<br />

und auch das Dach über dem Kopf – nur ein


44 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 45<br />

Zelt oder eine Hütte aus leichtem Baumaterial. Der<br />

Aufwand einer festen Behausung lohnte sich nicht in<br />

einem Leben, das dem Willen der Natur folgte.<br />

Erst vor rund 7.500 Jahren lernte der Mensch in<br />

Brandenburg die Natur zu nutzen, indem er Pflanzen<br />

anbaute und Vieh hielt. Es war nun möglich, den<br />

Lebensmittelpunkt auf einen festen Ort zu beschränken<br />

und sesshaft zu werden. Aber auch bei dieser<br />

epochalen Entwicklung spielte Mobilität eine entscheidende<br />

Rolle. Denn wandernde Bauerngruppen<br />

brachten dieses Wissen in den Nordosten Deutschlands.<br />

Ihre Reise begann vor rund 10.000 Jahren im<br />

Norden der arabischen Halbinsel. Sie verbreiteten die<br />

Idee der Landwirtschaft über ganz Europa und legten<br />

somit den Grundstein für unsere heutige moderne<br />

Industriegesellschaft. Trotz Sesshaftigkeit blieb der<br />

Mensch mobil. Kommuniziert und getauscht wurde<br />

in der Bronzezeit von Skandinavien bis in die Ägäis.<br />

Funde aus fernen Gegenden veranschaulichen<br />

heute dieses europaweite Netzwerk. Zinn und Kupfer,<br />

wesentliche Bestandteile bei der Herstellung von<br />

Bronze, wurden von Lagerstätten auf den Britischen<br />

Inseln oder Zypern nach ganz Europa verhandelt.<br />

Der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Hortfund<br />

von Lebus (Märkisch Oderland) zeigt, mit wem<br />

die bronzezeitlichen Menschen in Brandenburg in<br />

Kontakt standen. Unter den insgesamt 106 Objekten<br />

mit einem Gesamtgewicht von 22,5 kg, dabei allein<br />

101 bronzene Lappen- und Tüllenbeile, befinden<br />

sich Stücke, deren Formen auf Verbindungen in den<br />

mittleren Donauraum, den Alpenraum, Böhmen und<br />

Süddeutschland sowie in das Baltikum und Westeuropa<br />

hinweisen. 2<br />

Warum Menschen und auch ganze Bevölkerungsgruppen<br />

mobil werden und auf Wanderung gehen,<br />

ihre Heimat verlassen um sich in der Fremde neu<br />

anzusiedeln, ist nicht allein eine Fragestellung der<br />

heutigen Migrationsforschung. Auch Archäologen<br />

beschäftigt die Suche nach möglichen Ursachen von<br />

Bewegungen und deren Folgen, wie Umweltbedingungen,<br />

Wirtschaftsinteressen, Überbevölkerung,<br />

Krieg und Vertreibung. Dies sind aktuelle Themen, für<br />

deren Erforschung auch ein Blick in unsere früheste<br />

Geschichte notwendig ist und deren Zeugen sich bisher<br />

ungesehen in unserem Boden und sichtbar in den<br />

Sammlungen unserer Museen befinden.<br />

Wie wichtig dabei umfangreiches Wissen und ein<br />

schneller Zugang zu den archäologischen Sammlungen<br />

in den Museen ist, zeigte sich in Falkensee. Erst<br />

die systematische Aufnahme und Dokumentation der<br />

Funde in einer Datenbank macht es nun möglich, die<br />

Sammlung schnell auf thematische Fragestellungen<br />

hin zu bewerten. Mit wenigen Klicks sind Objekte<br />

gefunden, die das Thema Mobilität anschaulich und<br />

begreiflich machen. Zum Beispiel das Fragment eines<br />

mittelalterlichen Gefäßes. Sein schöner, wellenförmig<br />

ausgeführter Standfuss verrät, dass der Krug nicht in<br />

unseren Gefilden geformt und gebrannt wurde. Sein<br />

Herstellungsort lag im Rheinland, von wo aus das<br />

Gefäß über Handelswege in die Gegend von Nauen,<br />

dem späteren Fundort gelangte.<br />

Sichtproben im Museum Neuruppin<br />

Ähnliche Ergebnisse sind für die archäologischen<br />

Sammlungen zu erwarten, die im Rahmen des Vernetzungsprojekts<br />

im Landkreis Ostprignitz-Ruppin<br />

untersucht werden. Erste Erfolge brachten begonnene<br />

Arbeiten im Museum Neuruppin. Die altehrwürdige<br />

archäologische Sammlung des Museums fand ihren<br />

Ursprung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. 1865<br />

wurde das Museum anlässlich der 500-Jahrfeier des<br />

Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums als Ziethen-Museum<br />

gegründet. 3 Die Sammlung ist somit die älteste in<br />

einem Museum präsentierte Kollektion ur- und frühgeschichtlicher<br />

Objekte im Land Brandenburg. Einzelne<br />

Stücke gehen auf eine wesentlich ältere Fundgeschichte<br />

zurück. Im Jahr 1763 wurde ein spätslawisches<br />

Gefäß in Alt Ruppin gefunden. Später gelangte<br />

der Fund in die Ziethensche Sammlung.<br />

Nach wie vor besticht die Sammlung durch ihre<br />

einzigartigen Fundstücke. So zum Beispiel der kleine<br />

„Kultwagen“ aus der Bronzezeit, der 1848 bei Chausseearbeiten<br />

nahe Frankfurt/Oder entdeckt wurde 4 .<br />

Bis heute ist in Brandenburg nur ein weiteres Vergleichsstück<br />

bekannt. Ebenso eindrucksvoll sind ein<br />

slawischer Hakenpflug aus Dabergotz (Kreis Ostprignitz-Ruppin)<br />

5 und ein vollständig erhaltener bronzener<br />

Stabdolch aus Trieplatz aus demselben Kreis. 6<br />

Letzterer symbolisierte Macht- und Elitenbildung in der<br />

Bronzezeit, eine gesellschaftliche Entwicklung, deren<br />

Ursache auch im Fernhandel dieser Zeit begründet<br />

ist. Dies sind nur einige der bedeutenden Funde, die<br />

heute die Ausstellung des Heimatmuseums Neuruppin<br />

bereichern. Schon Fontane schwärmte über einige<br />

Objekte der Ziethenschen Sammlung in seinem ersten<br />

Band der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg.<br />

Die Grafschaft Ruppin“.<br />

Im Magazin des Museums sind weitere interessante<br />

Funde. Die begonnene digitale Bestandsaufnahme<br />

förderte ein mittelalterliches Gefäßfragment zu Tage.<br />

Zum Verwechseln ähnlich dem bereits erwähnten<br />

Importstück aus der Sammlung Falkensee ist es ein<br />

weiterer Nachweis für Handel und Mobilität während<br />

des Mittelalters. Ebenso konnte eine Reihe von Feuersteinartefakten<br />

der steinzeitlichen Jäger, Sammler<br />

und Fischer erfasst werden. Die Funde stammen<br />

Sachgerechte Verwahrung im neuen Falkenseer Museumsdepot<br />

vom Mühlenland bei Dreetz (Ostprignitz-Ruppin)<br />

und zeigen, dass die Menschen dieser Epoche hier<br />

häufig auf ihren Wanderungen lagerten. Wahrscheinlich<br />

etwas älter ist eine Harpune aus Knochen, die in<br />

der Heimatstube Dreetz zu besichtigen ist. Das wohl<br />

bisher in der Forschung noch unbekannte Stück ist ein<br />

weiteres Puzzleteil bei der Erforschung der Wanderungen<br />

unserer ältesten Vorfahren. Faszinierende<br />

Rätsel anderer Art geben auch Fundstücke auf, deren<br />

„Migration“ noch nicht allzu lange zurück liegen. Ein<br />

Feuersteinbeil fand von der fernen Ostküste Australiens<br />

seinen Weg in die Sammlung nach Neuruppin.<br />

Die lapidare Aufschrift auf einer schönen Zigarrenkiste<br />

verkündet – Botany Bay. Wie der Fund die 16.000<br />

Kilometer von der einstigen englischen Strafkolonie<br />

vor den Toren Sydneys in das Märkische überwand,<br />

verschweigen Kiste und Beizettel.<br />

Erzählenswertes und Überraschendes werden<br />

sicherlich auch die weiteren Untersuchungen in den<br />

archäologischen Sammlungen des Landkreises Ostprignitz-Ruppin<br />

hervorbringen. Geschichten, wissenschaftliche<br />

Fakten und Hintergründe, die ansonsten in<br />

den Regalen und Kisten der Sammlungen versteckt<br />

blieben. Das Netzwerkprojekt soll dem verborgenen<br />

Wissen den Weg in die Öffentlichkeit ebnen. Gerade<br />

das fast in Vergessenheit geratene Vermächtnis unserer<br />

Vorfahren bietet in seiner Vielfältigkeit ein großes<br />

Potential, um museale Ausstellungen, Veröffentlichungen<br />

und Events spannend, lehrreich und aktuell zu<br />

gestalten.<br />

1 Die Museumsleiterin Gabriele Helbig sowie der Verein der Freunde und Förderer<br />

des Heimatmuseums Falkensee e.V. unterstützten die Magisterarbeit und trugen<br />

so maßgeblich zu ihrem Entstehen bei. Die Arbeit wurde finanziell durch die Archäologische<br />

Gesellschaft für Berlin und Brandenburg e.V. gefördert. Dafür sei<br />

allen herzlich gedankt.<br />

2 Franz Schopper: Aus nah und fern. Zum spätbronzezeitlichen Hortfund<br />

von Lebus, Lkr. Märkisch-Oderland, in: Archäologie in Berlin und Brandenburg<br />

2003, (2004), 76-79.<br />

3 Lisa Riedel: Theodor Fontane und das Heimatmuseum Neuruppin, in:<br />

Jahrbuch Ostprignitz-Ruppin 8, 1999, 20-27.<br />

4 Georg Christian Friedrich Lisch: Bronzewagen von Frankfurt a. O. und<br />

Räder von Friesack, in: Jahrbücher des Vereins für mecklenburgische Geschichte<br />

und Altertumskunde 16, 1851, 261-268. Der Wagen wurde auf heute polnischem<br />

Gebiet gefunden.<br />

5 Robert Mielke: Der Pflug von Dabergotz, in: Zeitschrift für Ethnologie 56,<br />

1924, 121-124.<br />

6 Ernst Friedel/Rudolf Virchow: Schwertpfähle aus der Mark, in: Zeitschrift<br />

für Ethnologie 8, 1876, 18-20.


46 47<br />

Xmal Kunst mit Wasser<br />

Moderne Kunst lässt sich aus fast Allem ma-<br />

chen. Und natürlich auch aus Wasser, oder<br />

auch über Wasser. Im Wolf Kahlen Muse-<br />

Videoskulptur, „Galapagos, Horizonte II“, 1980<br />

(Wolf Kahlen Museum, Bernau)<br />

um gibt es einiges davon zu bestaunen.<br />

Da ist zum Beispiel das Kunstwerk<br />

„Galapagos, Horizonte I“. Eine von<br />

Meerwasser bei einem echten<br />

Schiffsuntergang teils aufgelö-<br />

ste, teils magisch verfremdete Filmrolle. Der Künstler hat sie auf 36<br />

Meter Länge vergrößert und so manches Detail entdeckt. So zum<br />

Beispiel eins, dass aussieht wie eine Aufnahme von Südamerika<br />

aus dem Weltall, umspült vom Meer. Dann gibt es da ein Video,<br />

das das Waschen eines langen Zopfes zeigt, als wäre das Haare-<br />

waschen ein spannendes Spiel mit Wasser, Schaum und zucken-<br />

den Haaren. Ein anderes Kunstwerk heisst „Galapagos, Horizonte<br />

II“. Es zeigt drei Videoröhren, die in einem großen Fass mit Was-<br />

ser versinken. Der Künstler hat verraten, dass die drei Videoröhren<br />

drei Menschen symbolisieren. Nämlich den Künstler selbst, seine<br />

Frau und deren Sohn. Was sich sonst noch dahinter verbirgt? Das<br />

erfährt man, wenn man ins Museum hineingeht. Oft ist dann auch<br />

der Künstler selbst da und erzählt persönlich, wie all diese Kunst-<br />

werke entstanden sind und warum.<br />

Yacht<br />

Eine Yacht ist ein Schiff für Freizeitzwecke. Aber nicht jedes Frei-<br />

zeitschiff ist deswegen gleich eine Yacht. Größe und Ausstattung<br />

machen den Unterschied. So ganz genau ist allerdings nicht ge-<br />

regelt, ab wann man ein Boot eine Yacht nennen darf. Es gibt Se-<br />

gelyachten und Motoryachten, aber eine luxuriöse Ausstattung<br />

und mindestens eine Länge von 7 bis 10 Metern sollte eine Yacht<br />

schon aufweisen. Ist sie länger als 15 Meter, so nennt man sie<br />

auch Maxiyacht und wenn sie mehr als 24 Meter misst, dann darf<br />

man auch Superyacht dazu sagen. Der Name kommt übrigens aus<br />

dem Niederländischen. Er ist eine Verkürzung des Wortes „jacht-<br />

ship“, was soviel bedeutet wie „Jagdschiff“ oder „schnelles Schiff“.<br />

Deswegen darf man das Wort Yacht auch mit J schreiben, wenn<br />

man mag. Und wen jagten die Yachten? Natürlich Piraten! In den<br />

Niederlanden wurden im 17. Jahrhundert auch die ersten Yachten<br />

gebaut. Zu dieser Zeit waren Flüsse und Meere noch dem Han-<br />

del, der Fischerei und der Kriegsführung vorbehalten. Seefahrt<br />

zum Vergnügen existierte noch<br />

nicht. So richtig in Mode kam<br />

die Freizeitschifffahrt erst im 19.<br />

Jahrhundert. Heute sieht man auf<br />

den Seen und Kanälen im Barnim viele<br />

Boote und Yachten. Die ganz großen fah-<br />

ren dann aber doch lieber auf dem offenen<br />

Meer. Vielleicht ist das ja auch der Grund, wa-<br />

rum wir keine Yacht in einem Barnimer Museum<br />

finden konnten.<br />

Zinkwanne mit Waschbrett, Wäschemangel und Puppe in historischer<br />

Kleidung (Wäschereimuseum „Omas Waschküche“, Eberswalde)<br />

Zinkwanne<br />

Dass Wäschewaschen nicht immer so komforta-<br />

bel wie heute war, merkt man gleich, wenn<br />

man die Zinkwanne und das Waschbrett<br />

in „Omas-Waschküche“ sieht. Vor<br />

der Erfindung der vollautomatischen<br />

Waschmaschine war das Wäschewa-<br />

schen schwere körperliche Arbeit. In<br />

einen Bottich oder eine Wanne wur-<br />

den das Wasser und die Seifenlauge gefüllt. Dann nahm man das<br />

Waschbrett zur Hand, stellte es in die Wanne und rieb die Wäsche<br />

auf der welligen Oberfläche hin und her, um den Schmutz aus der<br />

Kleidung zu lösen. Manchmal benutzte man zusätzlich noch ei-<br />

ne Bürste. Schließlich musste das Wasser erneuert werden, um<br />

die gereinigte Wäsche von den Seifenresten zu befreien. Wieder<br />

und wieder wurde die Wäsche bewegt, gerieben und gespült, bis<br />

Schmutz und Seife herausgelöst waren. Bevor man sie dann zum<br />

Trocknen aufhängen konnte, wrang man erst noch das Wasser<br />

heraus und wer eine Wäschemangel besaß, konnte aus so man-<br />

chem Wäschestück das Wasser vorher herauspressen. Eine sol-<br />

che Mangel bestand aus zwei Walzen, die man mit einer Kurbel<br />

antrieb. Zwischen diese Walzen steckte man das Wäschestück<br />

und mit Hilfe der Kurbel wurde das dann zwischen den Walzen hin-<br />

durchgepresst. Weil die Arbeit so schwer war, haben viele darüber<br />

nachgedacht, wie man sie erleichtern kann. Was dabei alles her-<br />

ausgekommen ist? Na, geht doch ins Museum!


48 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 49<br />

Ostfriesland<br />

Von der Sammlung zum Sammlungskonzept<br />

Dirk Heisig<br />

Das Sammeln steht gegenwärtig vor einer ungewissen<br />

Zukunft. Manchen Sammlungen droht der Verlust<br />

ihrer Heimat beispielsweise bei der Schließung des<br />

Museums oder im Zuge einer ungeregelten Nachfolge<br />

in Heimatvereinen oder bei Privatsammlern. Andere<br />

Sammlungen sind im Zuge von unsachgemäßer<br />

Lagerung und mangelnde Konservierung von Verfall<br />

bedroht. Angesichts verwaister, vagabundierender<br />

und verfallender Sammlungen stellt sich die Frage,<br />

welche Zukunft diese Bestände haben können. Angesichts<br />

der zweifelhaften musealen Qualität mancher<br />

Sammlungsbestände und den begrenzten Mitteln, die<br />

zur sachgerechten Lagerung und Konservierung zur<br />

Verfügung stehen, ist die Forderung nach einer langfristigen<br />

Bewahrung aller vorhandenen Sammlungen<br />

bequem und unangemessen. Um aber einem unkontrollierten<br />

Verlust von kulturellem Erbe entgegenzuwirken,<br />

bedarf es einer Evaluierung der vorhandenen<br />

Sammlungsbestände. Ohne Sammlungskonzepte,<br />

die Perspektiven für die Stücke entwickeln, die vom<br />

Museum nicht benötigt werden, droht die passive und<br />

unkontrollierte Entsammlung. Dabei werden die Stücke<br />

unter katastrophalen Bedingungen gelagert und<br />

dem Verfall preisgegeben, ohne dass ihr musealer<br />

Gehalt je geprüft wurde.<br />

Mittels einer Erhebung und Bewertung der vorhandenen<br />

Sammlungsbestände kann das Potential der<br />

über Jahrzehnte angewachsenen Sammlung ermittelt<br />

werden. Zugleich werden mit diesem Verfahren<br />

auch die Überhänge einer Sammlung identifiziert. Die<br />

Erhebung der Sammlungsgeschichte und die Evaluierung<br />

der Sammlungsqualität bilden die Grundlage<br />

für ein Sammlungskonzept. Im Sammlungskonzept<br />

werden die Strategien zur weiteren Entwicklung der<br />

Sammlung als auch die Schritte für eine begründete<br />

und geplante Entsammlung 1 festgelegt. Hier reicht die<br />

Bandbreite der Handlungsoptionen von Verschenken<br />

über Tauschen, Verkaufen, Verbrauchen bis hin zum<br />

Entsorgen.<br />

Evaluierung der Sammlung 2<br />

Ausgangspunkt einer Sammlungsevaluierung bildet<br />

der vorhandene Bestand. Im Rahmen einer die<br />

Stärken und Schwächenanalyse werden das Sammlungsprofil<br />

und die Sammlungsqualität ermittelt. Ziel<br />

ist die Entwicklung von Perspektiven für die wichtigen<br />

ebenso wie auch bislang unbeachtete Sammlungsbestände.<br />

Handlungsbedarf besteht dabei insbesondere<br />

für Sammlungsgruppen, deren Bedeutung für das<br />

Museum und das Profil als hoch eingeschätzt wird,<br />

deren vorhandene Objektqualität zugleich aber als<br />

vergleichsweise gering eingeschätzt wird.<br />

Sammlungsprofil<br />

Auch ohne eine vollständige Dokumentation der<br />

Sammlung erlaubt die Bildung von Sammlungsgruppen<br />

einen ersten Gesamtüberblick über den Sammlungsbestand.<br />

Um die individuelle Sammlungsstruktur<br />

abzubilden, werden die Sammlungsgruppen vom<br />

Haus selbst festgelegt.<br />

Im Sinne einer Generalinventur werden alle Objekte<br />

in den Magazinen und Ausstellungen erfasst und den<br />

Sammlungsgruppen zugeordnet. Anschließend wird<br />

die Sammlungssituation überblicksartig beschrieben.<br />

Dazu wird die Gesamtzahl der Objekte einer<br />

Sammlungsgruppe geschätzt und die Zahl der aus<br />

dieser Gruppe im Inventar erfassten Objekte und der<br />

erreichte Inventarisierungsgrad angeführt. In einem<br />

weiteren Schritt werden der Grad der Digitalisierung<br />

des Inventars und der Grad der Objektfotografie<br />

eingeschätzt, wobei auch die konkrete Zahl der fotografierten<br />

Objekte angegeben wird. Bezogen auf den<br />

Besitzstatus des Museums an den Objekten wird<br />

der Eigentumsgrad geschätzt sowie die Anzahl der<br />

Dauerleihgaben und befristeten Leihgaben vermerkt.<br />

Abschließend wird der Restaurierungsbedarf innerhalb<br />

der Sammlungsgruppe, der Grad der ausgestellten<br />

Objekte sowie der Anteil der Stücke, für die<br />

zusätzlicher Magazinraum dringend benötigt wird,<br />

eingeschätzt.<br />

Auf die Beschreibung der Sammlungsgruppe folgt die<br />

Beurteilung der thematischen Bedeutung der einzelnen<br />

Gruppen für das Museum. Anhand von vier Kategorien<br />

wird die Sammlungsgruppe hinsichtlich ihrer<br />

Bedeutung für das Museum selbst sowie für das Profil<br />

des Museums von der Leitung des Museums bzw. den<br />

Leitenden der Sammlung eingeschätzt.<br />

SAMMELN! 1 Die Sammlung ist unverzichtbar für<br />

das Profil des Museums.<br />

SAMMELN! 2 Die Sammlung ist für das Museum<br />

wichtig und ergänzt das Profil des<br />

Museums.<br />

SAMMELN! 3 Die Sammlung ist für das Museum<br />

wichtig, ohne dass sie das Profil<br />

unterstützt.<br />

SAMMELN! 4 Die Sammlung ist ohne Bedeutung für<br />

das Museum und ohne Bezug zum<br />

Profil.<br />

Eine Aussage zur Entwicklungsperspektive der<br />

vorhandenen Sammlungsgruppen wird anhand der<br />

folgenden drei Kategorien getroffen:<br />

SAMMELN! + Die Sammlung wird weiter ausgebaut<br />

SAMMELN! = Die Sammlung ist geschlossen<br />

SAMMELN! – Der Sammlungsbestand wird abgebaut<br />

Sammlungsqualität<br />

Die Evaluierung und Beurteilung der Sammlungsgruppen<br />

unter thematischen Gesichtspunkten wird um<br />

die Bewertung der Sammlungsqualität ergänzt. Die<br />

Qualifizierung erstreckt sich dabei auf alle Objekte<br />

einer Sammlungsgruppe. Diese müssen gesichtet<br />

und – falls notwendig – nachinventarisiert werden.<br />

Anschließend wird eine Einzelbegutachtung der Stükke<br />

anhand einer Bewertungsmatrix 3 vorgenommen.<br />

Auf Grundlage der Dokumentation und einer aktuellen<br />

Sichtung der Stücke werden die Objekte einer<br />

Sammlungsgruppe vom Museum bewertet. Insgesamt<br />

stehen acht Bedeutungsebenen zur Verfügung, von<br />

denen nur die Dimensionen herangezogen werden<br />

sollen, in denen das Objekt aussagekräftig ist:<br />

- geschichtlicher Bezug<br />

- räumlicher Bezug<br />

- weiterer Bezug<br />

- Seltenheitswert<br />

- Forschungsrelevanz<br />

- Ausstellungsrelevanz<br />

- Besucherattraktivität<br />

- Bedeutung innerhalb der Sammlungsgruppe<br />

Der Bedeutungsgehalt des jeweiligen Objekts wird<br />

schriftlich vermerkt und die Aussagekraft wird mittels<br />

folgender Punkteskala erhoben: Außerordentlich (4),<br />

erheblich (3), mittel (2), gering (1), nicht vorhanden<br />

(0). Auf Basis der Bewertung werden starke und<br />

schwache Stücke innerhalb einer Sammlungsgruppe<br />

identifiziert und die unterschiedlichen Qualitätsgrade<br />

innerhalb einer Sammlung werden sichtbar. Anschließend<br />

treffen die Verantwortlichen im Museum die Entscheidung<br />

über den zukünftigen Verbleib des Stücks:<br />

SAMMELN! A Das Objekt findet Aufnahme in die<br />

Kernsammlung.<br />

SAMMELN! B Das Objekt findet Aufnahme in die<br />

Reservesammlung.<br />

SAMMELN! C Das Objekt soll abgegeben werden.<br />

Die Kernsammlung umfasst die gesamte museale<br />

Sammlung, unabhängig von der Qualität des<br />

jeweiligen Objekts und der Bewertung der Sammlungsgruppe.<br />

Objekte aus der Kernsammlung sollen<br />

vollständig dokumentiert, erforscht, konservatorisch<br />

gesichert und angemessen bewahrt werden. Dabei<br />

können auch Objekte mit einer niedrigen Punktezahl<br />

Aufnahme in die Kernsammlung finden, wenn beispielsweise<br />

das Museum über keine aussagekräftigeren<br />

Stücke mit einem vergleichbaren Bedeutungsgehalt<br />

verfügt.<br />

Objekte der Kategorien B und C sollen aus der musealen<br />

Sammlung aus inhaltlichen Gründen oder aufgrund<br />

ihres mangelhaften Erhaltungszustands ausgesondert<br />

werden. Die Stücke der Kategorie B, die in die<br />

Reservesammlung aufgenommen werden, verfügen<br />

über keinen musealen Wert und werden im Museumsalltag<br />

sukzessive vernutzt, in dem sie beispielsweise<br />

in der Museumspädagogik eingesetzt oder als Ersatzteilspender<br />

in der Restaurierung genutzt werden. Allen<br />

Objekten der Reservesammlung ist gemein, dass sie<br />

langfristig nicht erhalten werden.<br />

Objekte der Kategorie C entsprechen entweder nicht<br />

dem Sammlungsprofil des Hauses oder sie verfügen<br />

über keine angemessene Qualität. Sie binden<br />

materielle und personelle Ressourcen im Museum,<br />

die durch eine Abgabe wieder für die Kernsammlung<br />

genutzt werden können. Stücke, die über eine Qualität<br />

verfügen, sollen zunächst anderen Museen angeboten<br />

werden, damit sie an einem neuen Ort eine neue<br />

Chance erhalten. Objekte aber, deren Qualität nicht<br />

den musealen Ansprüchen genügt, sollen entsorgt<br />

werden. Nach der Aussonderung wird der Bewer-


50 Forum Museumsnetzwerke<br />

Museumsnetzwerke Forum 51<br />

tungsbogen der Objektdokumentation beigefügt, um<br />

die Abgabeform und die Begründung für die Aussonderung<br />

zu dokumentieren.<br />

Sammlungskonzept<br />

In das Sammlungskonzept fließen neben dem Profil<br />

und der Qualität der Sammlung weitere sammlungsbezogene<br />

Aspekte ein. So wird die museumseigene<br />

Sammlung im Kontext der räumlich und thematisch<br />

benachbarten Museen betrachtet, um die Bestände<br />

untereinander abzustimmen. Auch finden neue bzw.<br />

erweiterte Fragestellungen, jüngste Forschungsergebnisse<br />

sowie die gewandelten Interessen der verschiedenen<br />

Besuchergruppen Berücksichtigung.<br />

Neben den Beständen selber, fließen in das Sammlungskonzept<br />

auch die im Museumskonzept formulierten<br />

Aufgabenstellungen und Entwicklungsziele<br />

des Museums ein. Museumspolitische Ziele, wie die<br />

Erhöhung der Anziehungskraft des Museums gegenüber<br />

konkurrierenden Einrichtungen, kulturpolitische<br />

Ziele, wie die Steigerung der kulturellen Attraktivität<br />

sowie regionalpolitische Ziele, wie der Ausbau der<br />

touristischen Infrastruktur einer Region bilden den<br />

strategischen Rahmen für das Sammlungskonzept.<br />

Dabei ist es jedoch wichtig, das Sammlungskonzept<br />

nicht linear aus diesen Vorgaben zu entwickeln. Sonst<br />

kann es passieren, dass im Sammlungskonzept eine<br />

Entwicklungsperspektive ausgearbeitet wird, die an<br />

den vorhandenen Beständen vorbei läuft und die<br />

vorhandenen Stärken der Sammlung unberücksichtigt<br />

lässt. Wird der Sammlungsbestand erst nach der<br />

Festlegung von strategischen Entwicklungszielen für<br />

die Sammlung begutachtet, kann das Ergebnis eines<br />

solchen Vorgehens sehr ernüchternd sein. Die erhofften<br />

Objekte sind nicht vorhanden und gegenüber<br />

den unerwartet vorgefundenen Beständen herrscht<br />

Ratlosigkeit.<br />

Damit das Potential der Sammlung und die Rahmenbedingungen<br />

des Museums bei der Formulierung der<br />

Entwicklungsziele für die Sammlung berücksichtigt<br />

werden, müssen die Sammlungsevaluierung und die<br />

Museumskonzeption gleichberechtigt in das Sammlungskonzept<br />

einfließen.<br />

Sammlungsevaluierung als Projekt<br />

Eine erste museumsübergreifende Evaluierung der<br />

Sammlungsbestände wurde im Projekt SAMMELN!<br />

zwischen 2004 und 2006 gemeinsam mit 14 Museen<br />

aus dem Museumsverbund Ostfriesland und mit der<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg entwickelt<br />

und umgesetzt. 4 Aufbauend auf den Ergebnissen des<br />

von 2001 bis 2004 durchgeführten Inventarisierungsprojekts<br />

M.O.I.N. - Museumsverbund Ostfriesland<br />

Inventarisierungs-Netzwerk 5 wurden die vorhandenen<br />

Bestände in den beteiligten Museen anhand der oben<br />

skizzierten Arbeitsschritte zur Sammlungsprofilierung<br />

und Sammlungsqualifizierung erfasst und bewertet. Im<br />

Anschluss wurde ein Ringtausch unter den beteiligten<br />

Museen durchgeführt, mit dem Objekte und Sammlungen,<br />

die in das Profil eines Museums nicht passten, an<br />

einem anderen Museum eine neue Chance erhielten,<br />

um hier Sammlungslücken zu füllen und die Sammlungsqualität<br />

zu erhöhen.<br />

Die im Zuge der Evaluierung der 14 verschiedenen<br />

Museumssammlungen entstandene Gesamtübersicht<br />

über die Bestände, die von den jeweiligen<br />

Museumsleitungen hinsichtlich ihres Profils bewertet<br />

waren, machte deutlich, dass mehrere Museen in den<br />

gleichen Themengebieten sammelten und diese in<br />

ihrer Bedeutung für das Haus jeweils als gleich wichtig<br />

einschätzten. Um die konzeptionelle Abstimmung der<br />

Sammlungstätigkeit unter den Beteiligten weiter zu<br />

entwickeln, wurden exemplarisch zwei sammlungsbezogene<br />

Arbeitskreise gegründet. An den regelmäßigen<br />

Arbeitskreistreffen zu den Themen „Schifffahrt<br />

und Fischerei in Ostfriesland“ und „Ostfriesisches<br />

Silber“ nahmen die jeweiligen Museumsleitungen mit<br />

den Expertinnen und Experten aus den beteiligten<br />

Häusern teil. Um neben dem Potential der jeweiligen<br />

Sammlung auch die äußere Einbettung zu berücksichtigen,<br />

stand die Abstimmung und Verzahnung der<br />

Sammlungen unter dem Fokus der Besucherorientierung.<br />

Ziel war die Führung der Bewohner und Besucher<br />

Ostfrieslands zu den für ein Thema relevanten<br />

Museen. In der Folge entstanden die beiden museumsübergreifenden<br />

kulturtouristischen Publikationen<br />

„Am Rand der Welt“ 6 und „Ostfriesisches Silber“ 7 , die<br />

von zwei zweisprachigen Faltblättern begleitet wur-<br />

den. Bei der Erarbeitung dieser Schriften tauschten<br />

die Beteiligten zahlreiche inhaltliche Positionen und<br />

konzeptionelle Überlegungen aus und konnten neue<br />

Erkenntnisse gewinnen. Dieser intensive Austausch<br />

floss in die inhaltliche Ausgestaltung der Veröffentlichungen<br />

ein, fand Berücksichtigung bei der Neugestaltung<br />

von Präsentationen in der Dauerausstellung<br />

und sensibilisierte maßgeblich für Neuerwerbungen<br />

im Museum. Die weiteren Entwicklungsperspektiven<br />

der im Rahmen der Arbeitskreise untereinander abgestimmten<br />

Sammlungen sollen nun in einem gemeinsamen<br />

regionalen Sammlungskonzept koordiniert und<br />

schriftlich niedergelegt werden.<br />

1 Zur nationalen und internationalen Diskussion um die Entsammlung siehe Dirk<br />

Heisig (Hg.): Ent-Sammeln. Neue Wege in der Sammlungspolitik von Museen,<br />

Aurich 2007. (vgl. auch die Rezension auf Seite 61 dieses <strong>Heft</strong>es)<br />

2 Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf den Erfahrungen und den<br />

Ergebnissen des museumsübergreifenden Projekts SAMMELN! (s.u.)<br />

3 (wie Anm. 1), S. 120 f.<br />

4 SAMMELN! wurde getragen von der Ostfriesland-Stiftung der Ostfriesischen<br />

Landschaft und durch die Stiftung Niedersachsen gefördert sowie durch das Land<br />

Niedersachsen mit den Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung<br />

kofinanziert. Für eine ausführliche Projektdarstellung siehe: Dirk Heisig, Sammeln<br />

und Entsammeln. Methode und Praxis des Projekts SAMMELN!, in: ders. (Hg.),<br />

Ent-Sammeln. Neue Wege in der Sammlungspolitik von Museen, S. 20 – 30,<br />

Aurich 2007. Im Materialanhang sind die Projektbögen Objektbewertung,<br />

Sammlungsgruppe, Sammlungsschwerpunkt und Sammlungskonzept<br />

(S. 120-131) abgedruckt.<br />

5 Dirk Heisig: M.O.I.N. Zwei Jahre erfolgreiche Netzwerkarbeit, in: Museumsverband<br />

für Niedersachsen und Bremen e. V. (Hg.), Mitteilungsblatt, Hannover 2003,<br />

S. 35-40.<br />

6 Dirk Heisig (Hg.): Am Rand der Welt. Auf den Spuren von Schifffahrt und Fischerei<br />

in Ostfriesland, Aurich 2007.<br />

7 Dirk Heisig (Hg.): Ostfriesisches Silber. Eine Spurensuche in Schatzkammern<br />

Ostfrieslands, Aurich 2007.<br />

Ent-Sammeln. Neue Wege in der Sammlungspolitik<br />

von Museen, hrsg. von Dirk Heisig für die Ostfriesland-Stiftung<br />

der Ostfriesischen Landschaft, Aurich<br />

2007, ISBN: 3-932206-65-7, 9,80 Euro, zu beziehen<br />

über ol@ostfriesischelandschaft.de,<br />

Tel. 04941-179970<br />

Vgl. auch die Rezension auf Seite 61 dieses <strong>Heft</strong>es


52 Fundus Porträt<br />

Jubiläum Fundus 53<br />

Dr. Wolfgang de Bruyn<br />

Neuer Direktor des<br />

Frankfurter Kleist-Museums<br />

Die Beschäftigung mit Heinrich<br />

von Kleist ist für jeden Literaturkenner<br />

Ehre wie Herausforderung.<br />

Dr. de Bruyn bringt für die Direktorstelle<br />

der „Kleist-Gedenk- und<br />

Forschungsstätte“ Frankfurt/Oder<br />

denkbar gute Voraussetzungen<br />

mit.<br />

1951 in Berlin als Sohn des Schriftstellers<br />

Günter de Bruyn geboren,<br />

wuchs er seit dem dritten Lebensjahr,<br />

nach Trennung der Eltern,<br />

bei der Großmutter auf. Nach<br />

Berufsausbildung mit Abitur – er<br />

lernte Zierpflanzenbauer – wurde<br />

er zur NVA eingezogen, um an der<br />

Grenze die Wehrpflicht abzuleisten,<br />

aber statt an die Grenze kam<br />

er in die Psychiatrie, da er mit dem<br />

Dienstauftrag des Grenzregimes in<br />

Konflikt geriet. Ein Tagebuch dieser<br />

Zeit erschien später unter dem Titel<br />

„Rosenhof – Aufzeichnungen aus<br />

der Kaserne“. Nach der Rückkehr<br />

arbeitete er ein Jahr als Redakteur<br />

der Zeitschrift „Sammlerexpress“.<br />

Anschließend wählte er ein<br />

Pädagogikstudium an der Humboldt-Universität,<br />

Berlin, mit der<br />

Fachkombination Germanistik und<br />

Anglistik/Amerikanistik. Nach dem<br />

Examen wurde er 1975 Lehrer im<br />

Hochschuldienst und unterrichtete<br />

am „Institut für Sprachintensivaus-<br />

bildung“. Nebenher absolvierte er<br />

von 1978 – 1981 ein Fernstudium<br />

am „Institut für Literatur“ in Leipzig.<br />

1983 erschien im Aufbau-Verlag<br />

seine erste literarische Veröffentlichung,<br />

der Erzählungsband „Die<br />

letzte Runde“. In der Folgezeit<br />

bereitete er seine Promotion vor<br />

und verteidigte 1985 eine Doktorarbeit<br />

über Aspekte im Werk von<br />

Ernest Hemingway.<br />

Nach elfjähriger Tätigkeit wurde<br />

ihm, dem einzigen parteilosen<br />

Lehrer am Institut, nahegelegt, den<br />

Dienst zu quittieren. Er entschied<br />

sich für die vage Existenz einer<br />

freiberuflichen Tätigkeit als Autor,<br />

abgefedert durch einen Lehrauftrag<br />

an der Volkshochschule. 1988<br />

erschien unter dem Titel „Varianten<br />

eines Lebens“ ein zweiter Band<br />

mit Erzählungen. Kurz darauf<br />

veröffentlichte er wissenschaftliche<br />

Arbeiten zu Hemingway sowie die<br />

Übersetzung der Autobiografie der<br />

Illustratorin Elizabeth Shaw.<br />

Nach der Wende übernahm<br />

Wolfgang de Bruyn 1991 die Stelle<br />

des Kulturamtsleiters im ursprünglichen<br />

Landkreis Beeskow. Nach<br />

der Großkreisbildung leitete er seit<br />

1994 das Kultur- und Sportamt des<br />

Landkreises Oder-Spree. Er wählte<br />

seinen Wohnsitz in unmittelbarer<br />

Nachbarschaft seines Vaters, der<br />

seit Jahren in einem zurückgezogenen<br />

Domizil in der Region lebt.<br />

In den 16 Jahren Verwaltungsarbeit<br />

konzentrierte sich Dr. de Bruyn<br />

auf einige kulturelle Schwerpunkte.<br />

Infolge seines literarischen Interesses<br />

begründete er 1993 die<br />

erste Stadtschreiberstelle Brandenburgs.<br />

Als „Burgschreiber“<br />

arbeiteten namhafte Schriftsteller<br />

wie Martin Stade, Richard Pietraß,<br />

Katja Lange-Müller oder Joachim<br />

Walther in Beeskow. Besondere<br />

Aufmerksamkeit widmete er dem<br />

Denkmalschutz. Davon zeugen<br />

gelungene Renovierungen wie<br />

Marienkirche und Burg Beeskow<br />

oder das barocke Stift Neuzelle.<br />

Zu seinem Einflussgebiet gehörten<br />

zahlreiche Museen. Besonders am<br />

Herzen lag ihm das Gerhart-Hauptmann-Museum<br />

in Erkner. Eine<br />

andere Facette seines Wirkens als<br />

Mitglied der Kreisverwaltung war<br />

die Tätigkeit als Herausgeber und<br />

Redakteur. Seit 1993 führte er die<br />

langjährige Tradition der Kreiskalender<br />

im Land Beeskow-Storkow<br />

fort. Zu seinen besten Editionen<br />

gehören der zauberhafte Bild-Text-<br />

Band „Land der stillen Reize“, die<br />

bibliophile Kostbarkeit „Kunst alles<br />

Lichtbaren“ über den Jugendstilkünstler<br />

Fidus bis hin zu „Gerhart<br />

Hauptmann und seine Häuser“. Mit<br />

Gerhart Hauptmann ist eine seiner<br />

wichtigsten Leistungen in der Zeit<br />

als Amtsleiter verbunden, die<br />

Gründung des Verbundes der vier<br />

Hauptmann-Häuser in Deutschland<br />

und Polen.<br />

Um die Stelle im Kleist-Museum<br />

bewarb sich Dr. de Bruyn, weil es<br />

ihn nach einer neuen Bewährungsprobe<br />

drängte. Unter 40 Bewerbern<br />

wählte ihn der Trägerverein<br />

der Kleist-Gesellschaft einstimmig<br />

zum Direktor. Laut Satzung gilt die<br />

Verpflichtung für fünf Jahre. Es ist<br />

keine gewöhnliche Wahlperiode,<br />

da sich am 18. Oktober 20<strong>11</strong> der<br />

Geburtstag Kleists zum 200. Mal<br />

jährt. Im Gedenkjahr wird das<br />

Kleist-Museum einen Mittelpunkt<br />

der Feierlichkeiten bilden. Bis dahin<br />

steht ein bereits geplanter Erweiterungsbau<br />

für die Mitarbeiter an. Die<br />

Gedenkstätte wird neu gestaltet<br />

und schon 2008 in eine Stiftung<br />

umgewandelt. Die Ausstrahlung<br />

des Hauses soll verbessert werden,<br />

nicht zuletzt über die Ostgrenze<br />

Brandenburgs hinaus.<br />

Die Beschäftigung mit Leben<br />

und Werk Heinrich von Kleists<br />

dürfte für den neuen Direktor des<br />

Kleist-Museums die bisher größte<br />

Herausforderung sein. Sie ist aber<br />

zugleich eine Ehre, die zu besonderen<br />

Leistungen anspornt. Rückblickend<br />

scheint es, als steuerte die<br />

Entwicklung Wolfgang de Bruyns<br />

schon lange auf einen bestimmten<br />

Punkt zu – die Ankunft bei Kleist.<br />

Till Sailer<br />

50 Jahre Freilandmuseum Lehde<br />

Das sorbisch/wendische Freilandmuseum<br />

Lehde ist das älteste<br />

Freilichtmuseum im Land Brandenburg.<br />

Am 18. August 2007 feierte<br />

es mit Prominenten und tausenden<br />

Besuchern sein 50-jähriges<br />

Bestehen.<br />

„Wendisches“ begann man zu<br />

sammeln, als sich das sorbische<br />

Siedlungsgebiet in der Lausitz<br />

mit zunehmender Industrialisierung<br />

dramatisch verringerte. In<br />

Lübbenau ebenso wie übrigens<br />

im Märkischen Museum Berlin<br />

schufen engagierte Bürger dafür<br />

museale Orte. Zum bereits 1899<br />

gegründeten Lübbenauer Heimat-<br />

und Spreewaldmuseum gehörte<br />

die wendische Stube mit Mobiliar,<br />

Trachten, Gerätschaften und Volkskunstgegenständen.<br />

Die Geschichte des Museums<br />

Lehde begann mit der Eröffnung<br />

eines Wohn-Stall-Hauses als<br />

Freilandmuseum. Unter dem Museumsleiter<br />

Gerhard Krüger wurde<br />

es am 15. Mai 1957 in die erste<br />

Saison geschickt. Gezielt wurden<br />

Landankäufe in Lehde getätigt, um<br />

den weiteren Ausbau des Freilandmuseums<br />

Lehde zu forcieren.<br />

Zunächst stand die Dorfbevölkerung<br />

diesem Anliegen skeptisch<br />

gegenüber, letztlich gelang die<br />

Expansion des Museums aber<br />

dennoch durch die wachsende<br />

Akzeptanz der Lehder Bauern und<br />

die Verfügbarkeit genügend finanzieller<br />

Budgets seitens der Kreisverwaltung,<br />

des Braunkohlewerkes<br />

“Jugend“ bzw. des Kraftwerkes<br />

Lübbenau.<br />

Als Gerhard Krüger nach über 30<br />

Jahren aus dem aktiven Museumsdienst<br />

schied, betrug das Areal<br />

des Freilichtmuseums Lehde von<br />

ursprünglich 50 m² bereits ca. 2 ha.<br />

Aus allen Teilen des Spreewaldes<br />

wurden dem Verfall preisgegebene<br />

Zum 50-jährigen Bestehen des Lehder Museums kam auch der Museumsgründer Gerhard Krüger<br />

Wohngebäude, Stallungen und<br />

Scheunen abgetragen und unter<br />

Anleitung des stellvertretenden<br />

Direktors Wilfried Lehmann, einem<br />

gelernten Zimmermann, vor Ort<br />

wieder errichtet. Ihm zur Seite<br />

stand die ehemalige BKW-Brigade<br />

unter dem Maurer Herbert Neddermeyer.<br />

Insgesamt drei komplette<br />

Hofanlagen mit Backhaus,<br />

Stall-Galerie-Bau, Bienenstand,<br />

Stallscheune und Altenteil wurden<br />

aus dem zweisprachigen Gebiet<br />

des Spreewaldes so aus Lehde,<br />

Burg-Kauper, Suschow, Kittlitz,<br />

Kiekebusch und Märkischheide ins<br />

Museum transloziert. Einzig der<br />

Kahnschuppen musste wegen seiner<br />

noch heute vollen Gebrauchsfunktion<br />

in der Region mit alten<br />

Balken nachkonstruiert werden.<br />

Ab 1988 kamen unter der neuen<br />

Direktorin Christel Lehmann-<br />

Enders, die seit 1968 am Museum<br />

tätig war, eine Kahnbauerei, eine<br />

Trachtenausstellung, eine Volkskunstgalerie<br />

mit Osterausstellung,<br />

eine Ausstellung zum Töpferhand-<br />

werk, zur Blaudruckerei und zum<br />

Gurkenanbau, ein Bauern- und<br />

Kräutergarten sowie ein Pflanzenfärbergarten<br />

hinzu.<br />

Jährlich im August stattfindende<br />

Museumsfeste bildeten Höhepunkte<br />

des Gesamtjahresangebotes<br />

im Freilandmuseum Lehde.<br />

Museumspädagogische Veranstaltungen<br />

und das systematische<br />

Heranführen der Mitarbeiter zum<br />

Demonstrieren alter bäuerlicher<br />

Handwerkstechniken ließen das<br />

Museum zu einem der ersten<br />

anschaulich „lebendigen“ Freilandmuseen<br />

der Nachwendezeit auf<br />

dem Gebiet der neuen Bundesländer<br />

werden.<br />

Ute Henschel


54 Fundus Schon gesehen?<br />

Schon gesehen? Fundus 55<br />

Der Goethe seiner Zeit<br />

Das Gerhart-Hauptmann-Museum in Erkner zeigt eine neue Dauerausstellung<br />

Wie gegenwärtig und fesselnd das<br />

Werk Gerhart Hauptmanns sein<br />

kann, zeigt derzeit vor allem das<br />

Deutsche Theater in Berlin. Seine<br />

von Regisseur Michael Thalheimer<br />

und Bühnenbildner Olaf Altmann<br />

in Szene gesetzte Fassung der<br />

Tragikomödie „Die Ratten“ besticht<br />

durch eine geradezu geniale Grundidee.<br />

Eingezwängt zwischen den<br />

Bühnenboden und eine niedrige<br />

Decke quälen sich die Figuren in<br />

gebückt-gedrückter Haltung durch<br />

ihr armseliges Leben: Den aufrechten<br />

Gang kennen diese Gestalten<br />

nicht.<br />

Am 15. November 2007, genau<br />

145 Jahre nach des Dichters<br />

Geburt und zwei Jahrzehnte nach<br />

Einweihung des Gerhart-Hauptmann-Museums<br />

Erkner, wurde in<br />

der Stadt zwischen Flaken- und<br />

Dämeritzsee eine neue Dauerausstellung<br />

eröffnet. In Erkner hatte<br />

Hauptmann von 1885 bis 1889 mit<br />

seiner Familie in der Villa Lassen<br />

gelebt. Hier war er – nach eigenem<br />

Bekunden – zum Schriftsteller<br />

geworden. Und das kometengleich.<br />

Folgten dem Aufenthalt in<br />

der Provinz doch Bühnentriumphe<br />

und -skandale, 1912 der Literaturnobelpreis<br />

und immer wieder<br />

Goethe: die hohe Denkerstirn, das<br />

nach hinten gekämmte Haar, die<br />

Beschäftigung mit der Antike, der<br />

Goethe-Preis der Stadt Frankfurt<br />

sowie – im Goethe-Jahr<br />

1932 – Vorträge über<br />

das Idol in Amerika.<br />

Doch die von Martin<br />

Hoffmann gestaltete und<br />

von Museumsleiter Stefan<br />

Rohlfs in Zusammenarbeit<br />

mit Peter Böthig,<br />

dem Leiter des Kurt-<br />

Tucholsky-Literaturmuseums<br />

Rheinsberg, und<br />

der Germanistin Sunhild<br />

Pflug konzipierte Schau<br />

mit dem Titel „Nulla dies sine linea<br />

– Kein Tag ohne Zeile“ reduziert<br />

den Schriftsteller keineswegs auf<br />

Epigonentum. Sie sucht viel mehr,<br />

ihn in seiner Widersprüchlichkeit<br />

darzustellen.<br />

Während die Wohnräume unverändert<br />

blieben, zog in die Ausstellungsräume<br />

erfreulich viel Licht<br />

und Farbe ein. Wandfüllende<br />

Collagen zeigen nun zahlreiche<br />

Fotos und Dokumente, Vitrinen<br />

meist Erstausgaben des Oeuvres.<br />

Graue Pulte liefern biografische<br />

Fakten und dienen als Auflage<br />

von Alben, in denen Fotografien,<br />

Briefe und kurze Texte zu finden<br />

sind. Allerdings erhält der Besucher<br />

kaum Möglichkeit, sich in<br />

das Werk hineinzulesen. Allein ein<br />

Flyer stellt einen Szenenanfang<br />

aus „Die Weber“ vor. Und nur in<br />

einer Vitrine sieht man ein im Text<br />

aufgeschlagenes Buch. Dafür kann<br />

man an CD-Playern Mario Adorf<br />

die Novelle „Bahnwärter Thiel“ und<br />

Klaus Kinski aus „Der Ketzer von<br />

Soana“ lesen hören.<br />

In der Vitrine „Leben in der Diktatur“<br />

liegt neben der 1937, anlässlich<br />

Hauptmanns 75. Geburtstag,<br />

erschienenen Zeitschrift „Die<br />

Woche“ ein Exemplar der „Neuen<br />

Weltbühne“ von September 1933.<br />

Während auf dem Titel der Illustrierten<br />

ein farbiges Porträtfoto des<br />

Dichters zu sehen ist, attackiert<br />

in dem im Prager Exil herausgegebenen<br />

<strong>Heft</strong> mit dem roten<br />

Umschlag ein ungenannter Autor<br />

den „Villenbesitzer von Hiddensee“,<br />

da dieser „im Krieg Kriegshetzer,<br />

in der Demokratie Demokrat und<br />

Fascist im Fascismus“ sei. Die<br />

Enttäuschung über Hauptmanns<br />

Schweigen, ja, die Wut vieler Zeitgenossen<br />

über seine (anfängliche)<br />

Parteinahme für die Nationalsozialisten,<br />

ist verständlich. Doch sollte<br />

man gerade sie in einem Hauptmann-Museum<br />

als Grundlage für<br />

die Sicht auf Gerhart Hauptmann<br />

nehmen? Hauptmann – bestenfalls<br />

ein Opportunist? Dieser Eindruck<br />

drängt sich auf, weil besonders<br />

solche Äußerungen und Wortmeldungen<br />

herausgestellt sind, die die<br />

These des anonymen Weltbühnen-<br />

Autors stützen. Sicher: Ein Stürmer<br />

und Dränger ist der Schlesier nicht<br />

gewesen. Eher ein Konservativer,<br />

der oft (und meist vergeblich) zur<br />

Versöhnung aufrief. Opportunismus<br />

muss man das nicht nennen.<br />

Am 1. Mai 1936 schrieb Gerhart<br />

Hauptmann übrigens das Gedicht<br />

„Lautsprecher“ in sein „Kleines<br />

Tagebuch“: „Was mischt sich da für<br />

ein Vogel in den Wälder Maiensang?<br />

/ Ein Demagog, eine Stimme<br />

mit drohendem Klang …/<br />

Demagog! Demagog: / Die Welt<br />

ward verlogen / Durch den Maiensang<br />

aller Demagogen / Ich liebe<br />

den Sperling, die Meise, den Finck<br />

– / Am meisten den schweigenden<br />

Schmetterling.“<br />

In Erkner findet man keinen Hinweis<br />

auf diesen Text. Um ihn zu<br />

entdecken, muss man ins Literaturmuseum<br />

der Moderne nach<br />

Marbach fahren.<br />

Martin Stefke<br />

Singer und Veritas<br />

Neue Ausstellung im Wittenberger Stadtmuseum<br />

Nahezu 90 Jahre wurden in Wittenberge<br />

Nähmaschinen gefertigt.<br />

Von 1903 bis 1991 arbeiteten Tausende<br />

Wittenberger unter dem<br />

Markenzeichen Singer und Veritas.<br />

Das Stadtmuseum Wittenberge<br />

reflektierte diesen zentralen Bereich<br />

der jüngeren Stadtgeschichte<br />

bisher im wesentlichen in Form der<br />

vor einigen Jahren eingerichteten<br />

Nähmaschinenwerkstatt, in der zugleich<br />

die Palette der in Wittenberge<br />

produzierten Nähmaschinen<br />

präsentiert wurde.<br />

Doch ein VEB war mehr als<br />

ein Produktionsbetrieb. Dieser<br />

Erkenntnis folgend fanden sich<br />

um das Jahr 2000 die Mitarbeiter<br />

des Museums und der Freundeskreis<br />

Nähmaschine Wittenberge<br />

zusammen, um eine Dauerausstellung<br />

zur Geschichte des VEB<br />

Nähmaschinenwerkes Veritas zu<br />

erarbeiten.<br />

Am 26. Oktober diesen Jahres war<br />

es dann soweit. Auf 48 m² wurde in<br />

zwei Räumen der Ausstellungsteil<br />

„Ein VEB war mehr als ein Produktionsbetrieb“<br />

eröffnet. Entstanden<br />

ist eine ideenreiche, informative<br />

und unterhaltende Exposition. Der<br />

Besucher wird zunächst in einen<br />

Pausenraum des Nähmaschinenwerks<br />

geführt. Auf vielfältige Weise<br />

werden Bereiche des betrieblichen<br />

Lebens außerhalb der eigentlichen<br />

Produktion vorgestellt. Dazu zählen<br />

das Betriebsambulatorium und<br />

die Kindereinrichtungen ebenso<br />

wie der Werkskonsum, die Werksbibliothek<br />

und das Arbeitervariete.<br />

Der zweite Ausstellungsraum<br />

wendet sich dann dem Produktionsprozess<br />

zu und leitet logisch in<br />

die bereits bestehende Präsentation<br />

der Nähmaschinen über. Dass<br />

es hier bei Andeutungen bleiben<br />

muss, ist schon allein durch den<br />

zur Verfügung stehenden Raum<br />

bedingt. Trotzdem ist es Muse-<br />

umsleiterin Birka Stövesandt und<br />

ihrem Team sehr gut gelungen, die<br />

Komplexität des gesellschaftlichen<br />

Lebens in einem Großbetrieb der<br />

DDR herüberzubringen. Dazu<br />

trägt ebenso die durch ehemalige<br />

Betriebsangehörige eingebrachte<br />

fachliche Kompetenz bei wie auch<br />

in besonderem Maße die gestalterische<br />

Umsetzung durch Susanne<br />

Kirstein und Antje Kapanke aus<br />

Schwerin. Die Ostdeutsche Sparkassenstiftung<br />

und die Sparkasse<br />

Prignitz ermöglichten die Umsetzung.<br />

Im Mittelpunkt der Ausstellungsgestaltung<br />

stehen die zahlreichen<br />

originalen Exponate. Sie werden<br />

– wie das Mobiliar aus dem Pausenraum<br />

und zwei Spinde – als<br />

wesentliche Elemente der Rauminszenierung<br />

eingesetzt. Einfallsreich<br />

verwenden die Ausstellungsmacher<br />

interaktive und multimediale<br />

Elemente. Auf der originalen Pausenbank<br />

sitzend, kann man Kurzfilme<br />

des Amateurfilmstudios des<br />

Nähmaschinenwerkes ansehen.<br />

Sie konnten mit Unterstützung<br />

der Landeszentrale für politische<br />

Bildung im Vorfeld digitalisiert<br />

werden.<br />

Über ein altes Telefon kann der<br />

Besucher einem Interview mit dem<br />

ehemaligen Betriebsleiter Günther<br />

Bertold folgen, dessen Engagement<br />

für die inhaltliche Grundlage<br />

der Ausstellung unabdingbar war.<br />

Für diejenigen, die sich näher mit<br />

dem Thema Nähmaschinenwerk<br />

beschäftigen wollen, sind in einem<br />

Schrank thematisch geordnete<br />

Materialien ausgelegt. Überhaupt<br />

ist die weit über die aktuelle Dauerausstellung<br />

hinausreichende<br />

Bedeutung der in den letzten<br />

Jahren mit der Unterstützung der<br />

Nähmaschinenwerker zusammen<br />

getragenen Sachzeugen und<br />

Archivalien zu betonen.<br />

Insofern liefern sowohl die Ausstellung<br />

als auch die Art ihrer Entstehung<br />

wertvolle Anregungen für<br />

die museale Arbeit zur DDR- und<br />

Industriegeschichte.<br />

Rolf Rehberg


56 Fundus Schon gesehen?<br />

Schatztruhe Fundus 57<br />

Mehr als ein Heimatmuseum<br />

Zur neuen Dauerausstellung im Kloster Stift<br />

zum Heiligengrabe<br />

Die Idee von einem Museum in<br />

Heiligengrabe ist nicht neu. Vor<br />

fast hundert Jahren vermachte<br />

der junge Maler Paul Quente dem<br />

Kloster eine Sammlung frühgeschichtlicher<br />

Funde, die den<br />

Grundstock für das 1909 gegründete<br />

und schon bald über die Grenzen<br />

der Prignitz hinaus bekannte<br />

Heimatmuseum bildete. Der<br />

Versuch der späteren Leiterin des<br />

Museums, Annemarie von Auerswald,<br />

die Ur- und Frühgeschichte<br />

in den 1930er Jahren zu popularisieren<br />

und sie in den Dienst der<br />

Ideologie des Dritten Reichs und<br />

des Germanenkults zu stellen,<br />

überschattete die verdienstvollen<br />

Leistungen der frühen Jahre des<br />

Museums. Vom Stift wurde das<br />

Museum seitdem als Fremdkörper<br />

empfunden. Nach dem Krieg nahm<br />

man daher Abstand von seiner<br />

Wiederbelebung. Erst nach der<br />

politischen Wende 1989 schien<br />

das Bedürfnis, sich der Geschichte<br />

des Ortes wieder erinnern zu wollen<br />

und diese auch der Öffentlichkeit<br />

zugänglich zu machen, wieder<br />

stärker an Bedeutung gewonnen<br />

zu haben.<br />

Das ehemalige Stiftshauptmannhaus,<br />

seit 1926 Schulgebäude der<br />

Stiftskinder, schien schließlich der<br />

geeignete Ort dafür. Der spätklassizistische<br />

Bau wurde 1998 saniert<br />

und museumsgerecht ausgestattet.<br />

Seitdem fanden hier regelmäßig<br />

Sonderausstellungen statt – Ausstellungen<br />

zu verschiedenen<br />

Aspekten der Geschichte des Klosters,<br />

des Damenstifts, zum Wirken<br />

und dem Schicksal der Stiftsschule<br />

im 19. und 20. Jahrhundert.<br />

Seit 2005 bemühte sich ein eigens<br />

zur „Entwicklung des Kultur- und<br />

Museumsstandortes Heiligengrabe“<br />

gegründeter Verein, dem<br />

sowohl Vertreter der Kommune,<br />

ortsansässiger Gewerbe und Stiftsfrauen<br />

angehörten, zunächst um<br />

die Konzeption einer Dauerausstellung<br />

und sorgte schließlich auch für<br />

deren Umsetzung. Am 13. Oktober<br />

2007 wurde die neue Ausstellung<br />

mit dem Titel „Vom Nonnenchor<br />

zum Damenstift. 700 Jahre Kloster<br />

Stift zum Heiligengrabe“ eröffnet.<br />

Sie erstreckt sich über sieben<br />

Räume im Erdgeschoss des Stiftshauptmannhauses.<br />

Gerade für die Frühzeit Heiligengrabes<br />

ist die Überlieferung sehr<br />

lückenhaft. Diesem Umstand sucht<br />

die Ausstellungsarchitektur zu<br />

begegnen. Durch spezielle Raumwirkungen<br />

werden Assoziationen<br />

geweckt, die die ursprünglichen<br />

Gebrauchszusammenhänge der<br />

vorwiegend auf den klösterlichen<br />

Alltag und die religiöse Praxis der<br />

Nonnen verweisenden Gegenstände<br />

verdeutlichen. Die von<br />

Herbert Sander entworfene Ausstellungsgestaltung<br />

erfreut dabei<br />

besonders durch ihre dezente<br />

Zurückhaltung, die den Blick stets<br />

auf die Objekte lenkt.<br />

Ein eigenes Kapitel bilden die<br />

Ereignisse zur Zeit der Reformation.<br />

Erst nach heftigen Auseinandersetzungen<br />

zwischen Kurfürst<br />

Joachim II. und dem Kloster, deren<br />

Hintergründe vor allem pekuniärer<br />

Art waren, kommt es zur Anerkennung<br />

der neuen Kirchenordnung.<br />

Das lutherische Abendmahlsverständnis<br />

machen in diesem<br />

Zusammenhang ein Altaraufsatz,<br />

reformatorische Schriften und ein<br />

Prunkkelch deutlich. Eine kleine<br />

Sensation innerhalb der Ausstellung<br />

stellt ein schwerer, 21 Liter<br />

fassender bronzener Grapen dar,<br />

ein kugeliger Kochtopf auf drei<br />

Beinen, den man zur Zubereitung<br />

von Mehlspeisen verwendete. Er<br />

ist eine Leihgabe des Altonaer<br />

Museums in Hamburg und nun<br />

nach fast 400 Jahren wieder am<br />

Ort seiner ursprünglichen Bestimmung<br />

zu sehen. Laut einer Inschrift<br />

war Elisabeth von Königsmark die<br />

Stifterin des Grapens. Sie ist zur<br />

Zeit der Auseinandersetzungen<br />

des Klosters mit dem Kurfürsten<br />

als Nonne in Heiligengrabe urkundlich<br />

nachweisbar.<br />

Die Ausstellung zeigt ferner Fundstücke<br />

vom Klostergelände aus der<br />

Zeit des Dreißigjährigen Krieges<br />

und Zeugnisse des wirtschaftlichen<br />

Aufschwungs im 18. Jahrhundert.<br />

Einen Schwerpunkt bildet die 1847<br />

gegründete Stiftsschule, die bis<br />

zu ihrer Schließung 1945 eine der<br />

angesehensten Schulen für die<br />

Töchter des preußischen Adels<br />

war. Die Ausstellung reicht jedoch<br />

weit über diesen Zeitpunkt hinaus.<br />

Eines der eindrucksvollsten<br />

Dokumente aus der Nachkriegsgeschichte<br />

des Klosters ist der<br />

als Tondokument aufgearbeitete<br />

Bericht einer Stiftsdame von der<br />

Besetzung Heiligengrabes durch<br />

russische Truppen im Mai 1945.<br />

Einfühlsam vermittelt aber auch ein<br />

1987 aufgezeichnetes Gespräch<br />

mit der letzten Äbtissin Ingeborg<br />

Maria von Werthern, wie viel<br />

Selbstbewusstsein es kostete, als<br />

kirchliche Einrichtung in der DDR<br />

weiter zu existieren. Längst ist<br />

Heiligengrabe mit seinen Ausstellungen<br />

der letzten Jahre über den<br />

Rahmen eines Heimatmuseums<br />

hinausgewachsen. Die neue Dauerausstellung<br />

belegt dies wiederum<br />

auf eindrucksvolle Weise.<br />

Sarah Romeyke<br />

Ganz in der gerade wieder<br />

modern gewordenen Art...<br />

Die Benennung ur- und frühgeschichtlicher<br />

Funde hat bisher so<br />

manche Blüte hervorgebracht.<br />

Einige Termini für den Insider fachlich<br />

verschlüsselt, wie die „Fibel<br />

Typ Beltz Variante J“ oder die<br />

„K-Axt“, andere anschaulich und<br />

bildhaft, wie die bronzezeitliche<br />

Schwanenhalsnadel. Zu letzterer<br />

Gattung sind sicherlich auch die<br />

Segelohrringe zu zählen. Hier an<br />

Schmuckstücke zu denken, die<br />

auffallenden Gesichtsmerkmalen<br />

ähneln, ist zwar nahe liegend, doch<br />

weit gefehlt. Vielmehr handelt es<br />

sich um Ohrringe, deren Form an<br />

ein windgefülltes Segel erinnert.<br />

Ein schönes Exemplare dieses<br />

Ohrringtyps kann in der archäologischen<br />

Ausstellung des Neuruppiner<br />

Museums betrachtet<br />

werden. Sie bestehen aus einem<br />

Bronzedraht, der sich zu einem<br />

gebogenen, bandförmigen Plättchen<br />

erweitert. Zwei Perlen aus<br />

blauem und weißem Glas sind auf<br />

den gekrümmten Draht gesteckt<br />

und wurden vermutlich vor dem<br />

Ohrloch getragen. Das „Segel“<br />

trägt eine getriebene Bandverzierung<br />

und ist viermal durchlocht.<br />

Der Durchmesser des Ohrgehänges<br />

beträgt ca. 2 cm.<br />

Segelohrringe sind typische Trachtbestandteile<br />

in der Vorrömischen<br />

Eisenzeit (ca. 550-0 v.Chr.) und<br />

finden sich meist als Beigaben in<br />

Urnengräbern dieser Epoche.<br />

Ein solches Urnengrab grub in den<br />

Pfingstferien des Jahres 1868 der<br />

damalige Direktor des Friedrich-<br />

Wilhelm-Gymnasiums Neuruppin<br />

Wilhelm Schwartz mit einigen<br />

Primanern aus. Die „alte heidnische<br />

Grabstätte“ lag „auf der sanft<br />

ansteigenden Süd-West-Seite<br />

der Zühlen´schen Pfühle“ auf dem<br />

Land des Gutsbesitzers Stromeyer<br />

zu Binenwalde (Sabinenwalde) bei<br />

Rheinsberg. Neben einer Urne, die<br />

den Eindruck machte, „aus freier<br />

Hand gearbeitet zu sein“, fand<br />

sich besagter Segelohrring sowie<br />

eine große Kugelfibel, ein großer<br />

Gürtelhaken, Knöpfe und verstreuter<br />

Leichenbrand. Die Tragweise<br />

der Segelohrringe erlebte zu Zeiten<br />

von Schwartz ihre Renaissance.<br />

Sie wurden „ganz in der jetzt<br />

gerade wieder modern gewordenen<br />

Art gearbeitet, nach welcher<br />

das Ohrgehäng nur mittelst eines<br />

gekrümmten Drahtes von vorn<br />

nach hinten in’s Ohr geschoben<br />

wird, ohne irgendwie schlossartig<br />

befestigt zu werden […]“. 1<br />

Die für damalige Verhältnisse<br />

detaillierte Berichterstattung des<br />

Gelehrten überrascht nicht. Wilhelm<br />

Schwartz hatte in Berlin und<br />

Leipzig Philologie studiert, bevor<br />

er ab 1844 im Werder-Gymnasium<br />

Berlin unterrichtete und ab 1864<br />

dem Neuruppiner Gymnasium<br />

vorstand. Ihn interessierten die nordischen<br />

und griechischen Volksmythologien<br />

und die Archäologie.<br />

Nach seinem Wechsel zum Posener<br />

Friedrich-Wilhelm-Gymnasium<br />

im Jahr 1872 leitete er zahlreiche<br />

Ausgrabungen auf über 40 Fundplätzen<br />

im Gebiet des ehemaligen<br />

Großpolen. Der hier gesammelte<br />

archäologische Nachlass fand<br />

nach seinem Tod am 16.05.1899<br />

nicht den Weg an seine ehemalige<br />

märkische Wirkungsstätte. Viele<br />

Stücke gingen an Berliner Museen.<br />

Die Funde aus seiner „Ruppiner“<br />

-Zeit wurden allerdings in die<br />

Sammlung des Zieten-Museums<br />

eingegliedert. 2 So kann auch fast<br />

140 Jahre nach seiner Entdeckung<br />

der Segelohrring aus Binenwalde<br />

im Museum Neuruppin besichtigt<br />

werden.<br />

Bert Krüger und Arne Lindemann<br />

Zwei Segelohrringe aus Binenwalde bei Rheinsberg<br />

(F.L.W. Schwartz 1871, No. 10 u. <strong>11</strong>)<br />

Dank<br />

Für die Möglichkeit über den vorgestellten<br />

Fund zu publizieren, danken wir dem Neuruppiner<br />

Museumsleiter Hansjörg Albrecht.<br />

Herrn Ulrich Wollenberg, ebenfalls<br />

Museum Neuruppin, sei für das Heraussuchen<br />

des Grabungsberichts Binenwalde<br />

und der Abbildung von Wilhelm Schwartz<br />

gedankt.<br />

1 Schwartz, F. L. W. (1871): Bericht über eine Ausgrabung.<br />

In: Programm womit zu der öffentlichen<br />

Prüfung der Zöglinge des Friedrich-Wilhelms-Gymnasiums<br />

am 31. März ergebenst einladet F. L. W.<br />

Schwartz. Neu-Ruppin, 1871, 19-22. Binenwalde ist<br />

ein OT von Gühlen-Glienicke.<br />

2 Jarmila E. Kaczmarek (1996): Organizacja badań i<br />

ochrony zabytków archeologicznych w Poznaniu<br />

(1720-1958), Poznań 1996, 342.


58 Fundus Arena<br />

Lesestoff Fundus 59<br />

Die neue Wirklichkeit der Bilder<br />

Carl Blechen im Spannungsfeld der Forschung<br />

Symposium 21. und 22. 9. 2007,<br />

Cottbus-Branitz<br />

Carl Blechen war einer der bedeutendsten<br />

deutschen Landschaftsmaler<br />

des 19. Jahrhunderts. Als<br />

einem künstlerischen Entdecker<br />

der Mark wollte ihm auch Theodor<br />

Fontane einen Aufsatz widmen,<br />

der aber leider unvollendet blieb.<br />

1798 in Cottbus geboren, hat<br />

Blechen in seiner Vaterstadt, auch<br />

wenn sie für ihn mit einer schweren<br />

Kindheit verbunden war, schon<br />

zeitig Aufmerksamkeit gefunden.<br />

Unter dem Cottbuser Oberbürgermeister<br />

Paul Werner wurde<br />

zwischen 1892 und 1914 der<br />

Grundstock der städtischen Blechen-Sammlung<br />

gelegt, der stetige<br />

Erweiterung erfuhr und im Schloss<br />

Branitz inmitten eines raffinierten<br />

Landschaftsgartens des Fürsten<br />

Pückler und eingebettet in eine<br />

Sammlung zur Landschaftskunst<br />

von Zeitgenossen Blechens, eine<br />

würdige Heimstatt erhielt.<br />

An zwei sonnigen Septembertagen<br />

traf sich inmitten des Branitzer<br />

Parks die Spitze der Blechen-<br />

Forschung. Eingeladen hatte die<br />

Carl-Blechen-Gesellschaft in Kooperation<br />

mit der Friedrich-Schiller-<br />

Universität Jena und die Stiftung<br />

Fürst-Pückler-Museum Park und<br />

Schloss Branitz. Anders als bei<br />

dem letzten großen Kolloquium der<br />

Carl-Blechen-Gesellschaft 2002<br />

in Kooperation mit der Cottbuser<br />

Technischen Universität, hatte man<br />

nicht das romantische Zeitalter von<br />

Carl Blechen und Fürst Pückler<br />

zum Thema, sondern konzentrierte<br />

sich ganz auf diesen einzigartigen<br />

Landschaftsmaler, was der Sache<br />

außerordentlich gut bekam.<br />

Das Schöne war dabei auch, dass<br />

viele junge Blechen-Forscher<br />

zusammenkamen, die viel Neues<br />

zu berichten hatten und dass am<br />

Ende auch noch eine ausgedehnte<br />

und intensive Diskussion aufkam.<br />

Dr. Bernhard Maaz, Dr. Birgit Verwiebe,<br />

Dr. Annik Pietsch, Dr. Uta<br />

Simmons und der seit drei Jahren<br />

mit einem Habilitationsprojekt zu<br />

Carl Blechen beschäftigte Dr. Kilian<br />

Heck gehörten zu den Referenten.<br />

Altmeister der Forschung, vor allem<br />

Prof. Helmut Börsch-Supan, Berlin,<br />

der den abendlichen Festvortrag<br />

„Carl Blechen. Das Wasser als<br />

Spiegel der Seele“ hielt, und Prof.<br />

Reinhard Wegner aus Jena, der<br />

über die „schwarzen“ Bilder Blechens<br />

sprach, Gerd Bartoschek,<br />

der sehr differenziert Blechens<br />

Bilder für die königlichen Schlösser<br />

vorstellte oder Priv.Doz. Dr.<br />

Reinhard Zimmermann aus Trier,<br />

der eine Beeinflussung der Bilder<br />

Blechens durch Gemälde Caspar<br />

David Friedrichs zur Diskussion<br />

stellte, brachten ihre Erfahrung<br />

ein und so wurde es ein Gespräch<br />

über Generationen hinweg.<br />

Zugleich war es ein Diskurs,<br />

der durch alle kunsthistorischen<br />

Ansätze und Schulen ging. Die<br />

Fragen der Wahrnehmungsphysiologie,<br />

also die Diskussion um die<br />

Wahrnehmung von Licht, Dunkel<br />

und Farben, sowie die Theorien<br />

von Landschaftsdarstellung und<br />

Bildführung wurden dargelegt,<br />

wenn auch kritisch darauf hingewiesen<br />

wurde, dass es hier nicht<br />

darum ginge, ob Blechen diesen<br />

oder jenen kunsttheoretischen<br />

Autor gelesen habe, sondern<br />

vielmehr darum, der Malerei<br />

Blechens, „die an die Grenzen<br />

des Wahrnehmbaren“ vordringe<br />

– wie das Reinhard Wegner nannte<br />

– gerecht zu werden. Die Malerei<br />

Blechens drücke auf besondere<br />

Weise Ahnungen und Unbestimmtheiten<br />

ebenso aus wie etwa Hitze<br />

oder Moder und sprenge damit das<br />

klassische Bild. Mit Recht wurde<br />

immer wieder auf die Dioramen<br />

als die neuen Medien jener Zeit<br />

verwiesen, oder auf Blechens<br />

Tätigkeit als Theatermaler, die ihm<br />

einen reichen Erfahrungsschatz an<br />

Beleuchtungseffekten verschafft<br />

hat. Ikonographisch wurden die<br />

bevorzugten Motive Blechens<br />

herausgearbeitet, neue Dokumente<br />

wurden vorgestellt. Die komplizierte<br />

Persönlichkeit des Künstlers<br />

verlangt psychologisches Einfühlungsvermögen,<br />

hier ging man<br />

mit aller gebotenen Rücksicht zu<br />

Werke. Es gehörte zum Niveau der<br />

Veranstaltung, dass Kollegen aus<br />

Berlin, aus den Cottbuser Sammlungen<br />

und so manch interessierter<br />

Bürger hinzustießen. Bei der<br />

Seltenheit solcher Veranstaltungen<br />

hätten es vielleicht noch ein paar<br />

mehr sein können.<br />

Dass Blechen in seinem vollen<br />

Umfang noch nicht erkannt ist<br />

und die jüngere Forschung hier<br />

viele Aufgaben habe, hob Helmut<br />

Börsch-Supan in seinem<br />

Schlusswort hervor. Einen wichtigen<br />

Grundstein hierfür hat dieses<br />

Symposium gelegt. Allgemein war<br />

der Wunsch nach Publikation der<br />

Ergebnisse.<br />

Iris Berndt<br />

Märkische Ansichten<br />

Die Provinz Brandenburg im Bild der Druckgraphik<br />

1550–1850<br />

Iris Berndt, Märkische Ansichten.<br />

Die Provinz Brandenburg im Bild<br />

der Druckgraphik 1550 –1850<br />

Lukas Verlag 2007, 480 Seiten,<br />

50,- Euro<br />

Längst kein Geheimtipp mehr: Die<br />

Druckfassung der Dissertation<br />

der Verbandsreferentin Iris Berndt<br />

ist in diesem Jahr erschienen<br />

und ein echter „Renner“. In vielen<br />

Veranstaltungen und Vorträgen<br />

hat Iris Berndt ihre Ergebnisse der<br />

Öffentlichkeit mitgeteilt, und ein<br />

großer Teil der Auflage ist schon<br />

verkauft. Dass sie fast zehn Jahre<br />

lang für diese Arbeit in Brandenburger<br />

und Berliner Museen<br />

recherchiert hat, wissen Viele und<br />

schon lange waren Alle auf das<br />

Ergebnis gespannt. Nun liegt es<br />

vor, ein umfassendes Werk mit<br />

fast 2000 Druckgraphiken aus der<br />

ehemaligen Provinz Brandenburg.<br />

Damit hat Frau Berndt nach ihren<br />

Hochrechnungen etwa 75 % aller<br />

„Veduten“ (italienisch für: Ansichten),<br />

die zwischen 1550 und 1850<br />

angefertigt wurden, erfasst.<br />

Schön sind diese Ansichten – und<br />

das Buch natürlich auch. Aber<br />

das Berndt‘sche Mammutwerk<br />

leistet mehr als zeichnerischen<br />

Reichtum zu dokumentieren. Es<br />

analysiert Konstruktionsweisen<br />

von Wirklichkeit. Brandenburgs<br />

Schönheiten, so die Erkenntnis<br />

aus diesem Lernerlebnis, sind<br />

künstliche Gewächse des 18. und<br />

19. Jahrhunderts, die auf einem<br />

Humus aus künstlerischer Kreativität<br />

entlang bürgerlicher Interessen<br />

gezogen wurden. Um ihre<br />

Künstlichkeit zu durchschauen,<br />

benötigen wir eine Sehhilfe, und<br />

diese Sehhilfe gibt uns Iris Berndt<br />

in diesem Buch mit.<br />

Dazu lenkt sie unsere Aufmerksamkeit<br />

zunächst auf das Sehen<br />

selbst. Heute kennen wir das<br />

fotografische Sehen. Wir erfassen<br />

schnell und oberflächlich. Vor der<br />

Fotografie waren viele Verarbeitungsstufen<br />

notwendig, um ein<br />

Bild zu erzeugen, und eben so<br />

viele müssen wir hinabsteigen,<br />

um die Herstellung des Bildes und<br />

damit die Konstruktionsprinzipien<br />

schöner Bilder zu verstehen. Jede<br />

Verarbeitungsstufe folgte eigenen<br />

Regeln und Interessen. Künstler<br />

und Verleger waren die wichtigsten<br />

Akteure in diesem Produktionsprozess,<br />

sie entschieden über Abbildungswürdigkeit<br />

oder -unwürdigkeit<br />

einer Stadt, eines Dorfes, einer<br />

Landschaft. Aber auch Landvermesser,<br />

Soldaten, Architekten trugen<br />

je ihren Teil dazu bei, denn sie<br />

beherrschten Vermessungstechniken<br />

und Konstruktionsprinzipien<br />

der darstellenden Geometrie.<br />

Als erstes kam es auf den Standpunkt<br />

an. Die jeweilige Ansicht<br />

musste gezeichnet werden, und<br />

das musste der Künstler vor Ort<br />

bewerkstelligen, der den Standpunkt<br />

festlegte. Oft ist auf den<br />

Ansichten mehr zu sehen als in der<br />

Wirklichkeit von einem einzigen<br />

Standpunkt aus möglich war: Der<br />

Künstler umrundete sein Objekt<br />

und fertigte dabei mehrere Zeichnungen<br />

an, die er dann kreativ<br />

kombinierte, nur so sind viele<br />

Städteansichten nachvollziehbar.<br />

Gern wurden Städte – von jeher<br />

die liebsten Gegenstände dieses<br />

künstlerischen Genres – in<br />

geradezu utopisch anmutenden<br />

Gesamtansichten dargestellt.<br />

Das Publikum wünschte einen<br />

Überblick über die im 19. Jahrhundert<br />

sprunghaft wachsenden<br />

Städte. Deshalb traten plötzlich<br />

neue Standpunkte auf: Berge und<br />

Geländeerhebungen. Frankfurt<br />

an der Oder, jahrzehntelang vom<br />

Fluss aus charakterisiert, wurde<br />

plötzlich von erhöhter Position aus<br />

porträtiert. Solche Standpunkte<br />

gefielen eben nicht nur den regierenden<br />

Königen, sondern auch den<br />

freiheitsliebenden Bürgerlichen, die<br />

sich Brandenburg als bürgerlichen<br />

Aktionsraum erfanden.<br />

Deshalb begleiteten und unterstützten<br />

die „Veduten“ des 19.<br />

Jahrhunderts auch den frühen<br />

Tourismus aus Berlin in die<br />

Provinz. Sie warben für neue, per<br />

Chaussee und bald sogar per<br />

Bahn erreichbare Ausflugsziele wie<br />

Freienwalde mit Gesundbrunnen,<br />

Schloss und adligen Landsitzen,<br />

Neustadt/Eberswalde mit früher<br />

Industrie und natürlich Kloster<br />

Chorin, Brandenburgs schönste<br />

Ruine. Könige und Landadlige<br />

„vermarkteten“ ihre Schlösser und<br />

Gutshäuser übrigens eher verhalten.<br />

Mehr waren es die Verleger,<br />

die ein Interesse an gut verkäuflichen<br />

Schlösser-Motiven hatten<br />

und entsprechende Veduten-Reihen<br />

auflegten. Dörfer und Landschaften<br />

kamen vergleichsweise<br />

spät und selten in den Fokus der<br />

Ansichten-Produzenten, und wenn,<br />

dann als romantisches Gegenbild<br />

zur dynamischen Stadt.<br />

Von diesem herrlichen Lese-,<br />

Seh- und Lernbuch profitieren nicht<br />

nur Kunstliebhaber, sondern auch<br />

sozialhistorisch Interessierte und<br />

Naturfreunde. Mein Tipp: Schnell<br />

noch eines der letzten Exemplare<br />

für den Gabentisch sichern!<br />

Susanne Köstering


60 Fundus Lesestoff<br />

Lesestoff Fundus 61<br />

Science oder Fiction?<br />

Geschlechterrollen in archäologischen Lebensbildern<br />

Jana Esther Fries, Ulrike Rambuschek,<br />

Gisela Schulte-Dornberg<br />

(Hg.), Bericht der 2. Sitzung<br />

der AG Geschlechterforschung<br />

während des 5. Deutschen Archäologen-Kongresses<br />

in Frankfurt<br />

(Oder) 2005 (Frauen-Forschung-<br />

Archäologie Bd. 7), Verlag<br />

Waxmann Münster/New York/<br />

München/Berlin 2007, 235 S.,<br />

ISBN 978-8309-1749-6,<br />

19,90 Euro<br />

Aufgabe der Archäologie ist es sich<br />

mit der Vergangenheit zu beschäftigen,<br />

um prähistorische und<br />

historische Verhältnisse verstehen<br />

und rekonstruieren zu können. Wie<br />

alle Fachdisziplinen war auch die<br />

Archäologie über weite Strecken<br />

ihres Wirkens männerdominiert<br />

und ist das teilweise auch noch. In<br />

Reaktion darauf hat sich 1994 ein<br />

„Netzwerk archäologisch arbeitender<br />

Frauen“ gegründet, das seit<br />

2000 die Reihe Frauen-Forschung-<br />

Archäologie herausgibt, mit dem<br />

Ziel „feministische Archäologie<br />

in der Öffentlichkeit bekannter zu<br />

machen“. Auch der Band „Science<br />

oder Fiction?“ stellt sich bewusst in<br />

diese Reihe. Thema des Bandes<br />

sind Lebensbilder, worunter nicht<br />

allein szenische Darstellungen<br />

in Publikationen, Darstellungen<br />

und Medien, sondern eine breite<br />

Palette von in der Regel verbalen<br />

Rekonstruktions- und Interpretationsversuchen<br />

bis hin biographischen<br />

Annäherung an die erste<br />

Facharchäologin Deutschlands, zu<br />

verstehen ist.<br />

In den Museumsblättern verdient<br />

gerade der Bereich der bildlichen<br />

Wiedergabe historischer Verhältnisse<br />

im Rahmen von Ausstellungen<br />

eine nähere Betrachtung,<br />

denn dies betrifft die Lebensbilder<br />

in engerem Sinn. Katja Allinger<br />

gewährt in ihrem Beitrag „Fakt<br />

oder Fiktion?“ Einblicke in die<br />

Ergebnisse ihrer Magisterarbeit zur<br />

Darstellung frühaltsteinzeitlicher<br />

Verhältnisse in den Lebensbildern<br />

europäischer Fachpublikationen,<br />

die nicht selten auch Eingang in die<br />

Museumsarbeit fanden. Insgesamt<br />

konnte sie 99 Bilder aus 140 Jahren<br />

analysieren, die sich mit den<br />

frühesten Jäger- und Sammlerkulturen<br />

beschäftigen.<br />

Deutlich werden mehrere Grundtendenzen.<br />

1. Dargestellt werden<br />

ganz überwiegend Männer. Frauen<br />

haben nur einen Anteil von etwa<br />

16% (353 zu 68). 2. Spezifische<br />

Tätigkeiten sind den Geschlechtern<br />

zugewiesen. Während Männer<br />

die Großwildjagd betreiben und<br />

Werkzeuge herstellen, versorgen<br />

Frauen die Kinder, hüten das Feuer<br />

oder üben meist nur randlich dargestellte<br />

handwerkliche Tätigkeit im<br />

Rahmen der Bekleidungsherstellung<br />

aus (Felle schaben, Nähen).<br />

3. Die natürliche Alterspyramide<br />

(viele Kinder) wird nicht wiedergegeben.<br />

4. Kinder und ältere<br />

Menschen sind in der Regel passiv<br />

und ohne eigenen Arbeitsbeitrag.<br />

5. Rollenverteilung und Szenen<br />

erscheinen stereotyp von 1867 bis<br />

heute. Häufig fußen sie auf Sujets<br />

der Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts.<br />

Allinger hat alle ihr zugänglichen<br />

Lebensbilder untersucht. Von dieser<br />

Zusammenschau erwartet sie<br />

die Wiedergabe breiter Lebensumstände<br />

auch im Sinne einer Geschlechtergerechtigkeit<br />

(gender<br />

and sex). Fraglos findet sie ein in<br />

dieser Hinsicht verzerrtes Bild vorgeschichtlichen<br />

Lebens vor. Allerdings<br />

muss man davon ausgehen,<br />

dass nur die Allerwenigsten der<br />

Museumsbesucher oder Leser von<br />

einschlägigen Publikationen das<br />

Gesamtspektrum der Lebensbilder<br />

überblicken werden, der Blickwinkel<br />

Allingers somit zwangsläufig<br />

ein elitärer ist. Es liegt in der Natur<br />

der Sache, dass einzelne bzw.<br />

wenige Lebensbilder die in einer<br />

Ausstellung oder einer Publikation<br />

geboten werden können, nie in der<br />

Lage sind die gesamte Wirklichkeit<br />

zu spiegeln. Die wiederkehrende<br />

Konzentration auf wenige Lebensbereiche<br />

ist neben den zweifellos<br />

nachwirkenden Sujets vorwiegend<br />

durch das Fundspektrum bedingt.<br />

Zu einem exorbitant hohen Anteil<br />

besteht dieser frühe Fundstoff aus<br />

Stein. Egal ob Rohstoff, Halbzeug,<br />

Gerät oder Abfall. Damit drängen<br />

sich in der bildlichen Rekonstruktion<br />

verschiedene Themen förmlich<br />

auf. Für den Lebensunterhalt so<br />

wichtige Tätigkeiten wie Sammeln<br />

und die Kleintierjagd mit dem<br />

Grabstock fallen mangels archäologischer<br />

Belege leider unter den<br />

Tisch.<br />

Fraglos bleibt jede Rekonstruktion<br />

der Vergangenheit trotz aller<br />

Objektivierungsversuche ein<br />

Konstrukt aus dem jetzt und heute.<br />

Lebensbilder sind nie Fotografien<br />

vorgeschichtlicher Ereignisse,<br />

sondern bestenfalls eine Annäherung.<br />

Ausstellungsmacher und<br />

Besucher sollte sich dies stets<br />

bewusst machen. Nicht nur in diesem<br />

Beitrag gibt der Tagungsband<br />

dem feministischen Programm der<br />

Reihe folgend Denkanstöße, die<br />

Stoff zum Grübeln bieten.<br />

Franz Schopper<br />

Sammeln-Entsammeln<br />

Neue Wege in der<br />

Sammlungspolitik<br />

„Ent-Sammeln“ ist ein griffiger<br />

Begriff für etwas, was es längst<br />

gibt, was aber eher ein Schattendasein<br />

in der Museumsarbeit<br />

führt: Das gezielte Entsorgen und<br />

Aussortieren überflüssiger Dinge.<br />

Für die DDR wurden bereits 1953<br />

Gründe für mögliches Aussondern<br />

angegeben, am Detmolder<br />

Freilichtmuseum wurden seit den<br />

1980er Jahren die Sammlungen<br />

systematisch durch Aussondern<br />

ebenso wie aktives Sammeln qualifiziert.<br />

„Ent-Sammeln. Neue Wege in der<br />

Sammungspolitik von Museen“<br />

richtet, dies sei vorangeschickt,<br />

seinen Fokus nicht auf Werke der<br />

Kunst und des Kunstgewerbes,<br />

sondern auf das breite Spektrum<br />

all der Dinge, die handwerklich,<br />

gewerblich oder industriell gefertigt<br />

wurden und Zeugnis der menschlichen<br />

Alltagskultur sind. Es geht<br />

vor allem um Wäschemangeln und<br />

Schreibmaschinen, Bügeleisen,<br />

Radios, um Überraschungseier,<br />

Aufkleber oder Sensen ...<br />

Die Publikation vereint Beiträge<br />

eines Symposiums mit dem Titel<br />

„Entsammeln“, welches die ostfriesische<br />

Initiative „Sammeln“ durchführte.<br />

Für dieses Buch erweiterten<br />

die Autoren ihre Beiträge. Der<br />

Projektleiter selbst stellt in diesem<br />

<strong>Heft</strong> S. 48ff. in Erweiterung eines<br />

Buchbeitrages die entwickelten<br />

Strategien der Sammlungsbewertung<br />

vor. Die praktischen Beispiele<br />

verleihen dem Buch Glaubwürdigkeit,<br />

etwa wenn Brigitte Junge<br />

vom Historischen Museum Aurich<br />

die Erstellung von Sammlungsbewertung<br />

und -konzeption sowie<br />

die Ermittlung auszusortierender<br />

Sammlungsgruppen erläutert. Die<br />

statistische Übersicht ist eindrucksvoll:<br />

14 Museen beteiligten sich an<br />

„Sammeln“, 509 Sammlungsgruppen<br />

mit insgesamt etwa 132.000<br />

Objekten wurden begutachtet.<br />

Dem Projekt wird deutschlandweit<br />

Aufmerksamkeit gezollt und das<br />

hat das Team um Dirk Heisig wahrlich<br />

verdient. Das entwickelte und<br />

im Anhang abgedruckte Formular<br />

einer Sammlungskonzeption kann<br />

dazu beitragen, die brandenburgischen<br />

Ergebnisse der bereits in<br />

einigen Museen durchgeführten<br />

Sammlungsbewertungen noch<br />

klarer zu strukturieren und übersichtlicher<br />

und nachdrücklicher im<br />

Museumsalltag zu verankern.<br />

Von höchstem Interesse war überhaupt<br />

der Anhang des Buches.<br />

Erstmals in deutscher Sprache finden<br />

sich hier die niederländischen<br />

und dänischen Handreichungen<br />

zum Aussondern von Museumsgut,<br />

wodurch die Selbstverständlichkeit<br />

und die durchaus unterschiedlichen<br />

Regeln für die Aussonderung von<br />

Museumsgut deutlich werden.<br />

Auch der deutsche Diskussionsstand<br />

ist durch jüngste Dokumente<br />

von ICOM Deutschland und DMB<br />

ablesbar.<br />

In Dänemark sind Verschenken<br />

und Verkaufen nicht möglich,<br />

alle Aussonderungen bedürfen<br />

zudem unter Einhaltung eines<br />

Regelwerkes der Zustimmung des<br />

Kulturministeriums. Der Leiter des<br />

Programms „Collectie“ stellte die<br />

niederländische Handreichung<br />

mit den Worten vor: „Kann jeder<br />

Sammlungsgegenstand mindestens<br />

einmal pro Generation, das<br />

heißt alle fünfundzwanzig Jahre,<br />

eingesetzt werden? Und mit<br />

einsetzen ist dann gemeint, dass<br />

er gezeigt, veröffentlicht oder für<br />

Forschungszwecke herangezogen<br />

wird. Angesichts der Tatsache,<br />

dass im Schnitt neunzig Prozent<br />

der Sammlung unsichtbar in<br />

den Depots ‚verstauben’, dürfte<br />

klar sein, dass zahlreiche große<br />

Museen dieses Kriterium nicht<br />

erfüllen.“<br />

Im Archivwesen ist die Entsorgung<br />

ein selbstverständlicher Bestandteil<br />

der Arbeit. Auch ein Museum muss<br />

Angebote potentieller Schenker<br />

ablehnen können. Denn alles, was<br />

ins Museum kommt, verursacht<br />

Kosten, muss letzten Endes als<br />

Teil einer Museumskonzeption<br />

inhaltlich sinnvoll sein und bei<br />

einem öffentlich finanziertem<br />

Museum öffentlich vertreten werden<br />

können. Das sagte sich auch<br />

ein geschätzter Kollege in einem<br />

sächsischen Museum, als er eine<br />

Handwagensammlung kurzerhand<br />

aussonderte. Alle Wagen fand er<br />

auseinandergebaut unter einem<br />

Schleppdach vor, alle Räder und<br />

Einzelteile fein säuberlich geordnet.<br />

Auf der zugehörigen Inventarkarte<br />

war jeweils nur vermerkt, ob es ein<br />

großer oder kleiner Handwagen<br />

war – keine Fotos, keine weiteren<br />

Hinweise auf Funktion und Vorbesitzer.<br />

Er hat die Sammlung<br />

kurzerhand und nach Abstimmung<br />

mit dem Träger dem Sperrmüll<br />

überantwortet. Hätten Sie anders<br />

entschieden?<br />

Noch wichtiger als das Aussondern<br />

ist jedoch die Frage nach zukünftigem<br />

Sammeln und dessen Zielen.<br />

In vielen Beiträgen des Bandes<br />

finden sich hierzu Hinweise, doch<br />

nur das dänische Kulturministerium<br />

hielt ausdrücklich eine Handlungsanweisung<br />

für sinnvoll. Ansonsten<br />

gewinnt man den Eindruck, dass<br />

beim Sammeln in Deutschland<br />

jeder seine eigenen Strategien<br />

verfolgt und darüber nicht gesprochen<br />

wird. Hilfreich ist es, sich den<br />

fließenden Übergang zwischen<br />

Müll, Trödel und Museumsgut deutlich<br />

zu machen. Entscheidend ist<br />

die wissenschaftliche Aussagekraft<br />

von Objekten und Objektgruppen.<br />

Abschließend: „Sammeln“ und<br />

dieses Buch öffneten die Tür zum<br />

offensiven Nachdenken über die<br />

notwendigen Konsequenzen ungehemmten<br />

Sammelns. Sie nehmen<br />

die Angst vor einem vernachlässigten<br />

Thema.<br />

Iris Berndt


Die Autoren und Autorinnen:<br />

Dr. Iris Berndt Referentin beim Museumsverband des Landes Brandenburg e.V.<br />

Dr. Burghard Ciesla Historiker, Berlin<br />

Dietmar Fuhrmann freier Mitarbeiter des Museumsverbandes des Landes Brandenburg e. V., Berlin<br />

Wolfgang Grillitsch Peanutz Architekten, Berlin<br />

Dirk Heisig Leiter von Musealog,Verein zum Erfassen, Erschließen und Erhalten der historischen Sachkultur<br />

im Weser-Ems-Gebiet e.V., Emden<br />

Ute Henschel Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Spreewaldmuseums Lübbenau - Museen des Kreises<br />

Oberspreewald-Lausitz<br />

Dr. Jasdan Bernward Joerges Ausstellungsbüro Potsdam<br />

Birgit Klitzke Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums in der Adler-Apotheke, Eberswalde<br />

Elke Knöß Peanutz Architekten, Berlin<br />

Dr. Susanne Köstering Geschäftsführerin des Museumsverbandes des Landes Brandenburg e.V.<br />

Bert Krüger Student der Archäologie an der Humboldt-Universität Berlin<br />

Arne Lindemann Archäologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Brandenburgischen Landesamtes für<br />

Denkmalpflege, Wünsdorf<br />

Dr. Christine Papendieck Leiterin Agrarmuseum Wandlitz<br />

Dr. Rolf Rehberg Leiter des Stadt- und Brauereimuseums Pritzwalk<br />

Sarah Romeyke Kunsthistorikerin, freiberufliche Kuratorin, Berlin<br />

Till Sailer freiberuflicher Schriftsteller, Bad Saarow<br />

Prof. Dr. Franz Schopper Landesarchäologe Brandenburg, stellv. Direktor des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege<br />

und Archäologischen Landesmuseums, Wünsdorf<br />

Martin Stefke freiberuflicher Schriftsteller und Kulturjournalist, Baruth/Mark<br />

Abbildungsnachweis<br />

Titelseite Ehrenfried Wohlgezogen, Berlin<br />

S. 4 Ehrenfried Wohlgezogen, Berlin<br />

S. 6 Museum in der Adler-Apotheke, Eberswalde<br />

S. 7 Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 16 Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 17 o. Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 17 u. Iris Berndt, Potsdam<br />

S. 22 o. Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 22 u. Iris Berndt, Potsdam<br />

S. 23 o. Axel Heinzel-Berndt, Potsdam<br />

S. 23 u. Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 25 Museum in der Adler-Apotheke, Eberswalde<br />

S. 26 Lorenz Kienzle, Berlin<br />

S. 26 u. Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 27 Iris Berndt, Potsdam<br />

S. 29 Peanutz Architekten, Berlin<br />

S. 32, 33 Peanutz Architekten, Berlin<br />

S. 34 Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 35 o. Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 35 u. Ehrenfried Wohlgezogen, Berlin<br />

S. 39 Burghard Ciesla, Berlin<br />

S. 40, 41 Dietmar Fuhrmann, Berlin<br />

S. 45 Marcel Blank, Potsdam<br />

S. 46 Wolf Kahlen, Berlin/Bernau<br />

S. 47 Axel Heinzel-Berndt, Potsdam<br />

S. 52 MOZ, Frankfurt (Oder)<br />

S. 53 Roland Hottas, Lübbenau<br />

S. 54 Martin Stefke, Baruth/Mark<br />

S. 55 Stadtmuseum Wittenberge<br />

S. 56 Sarah Romeyke, Berlin<br />

S. 63 Iris Berndt, Potsdam<br />

Verschiedene Netze und andere Arbeitsgeräte der Fischerei<br />

(Heimatstube Friedrichswalde)


ISSN 16<strong>11</strong>-0684

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