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Cooper_LeseprobeCover160620

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Allen erkenntnishungrigen<br />

Führungskräften gewidmet<br />

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<strong>Cooper</strong>s<br />

Welt<br />

Leadership für eine neue Zeit<br />

Edition Summerhill<br />

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Impressum:<br />

1. Auflage, 2016<br />

Copyright © 2016 Edition Summerhill e.U., St. Margarethen/Raab, Österreich<br />

Wir danken dem Amalthea Signum Verlag für die Rückgabe der Rechte<br />

an der <strong>Cooper</strong>-Erzählung aus "K. Völkl, H. P. Wallner, D. Kresse, 2008,<br />

Das LILA-Management Prinzip, 1. Auflage" an die Autorin.<br />

Umschlaggestaltung: Dodo Kresse, Wien, Österreich<br />

Coverfotos: istock.com,<br />

Satz, Grafiken und Fotos: Dodo Kresse,<br />

Korrektorat: www.professionelles-lektorat.de<br />

Druck und Bindung: Druckerei Bösmüller, Stockerau, NÖ.<br />

Printed in Austria<br />

ISBN 978-3-9504233-0-3 (Hardcover)<br />

ISBN 978-3-9504233-1-0 (ebook)<br />

www.summerhill.at.<br />

www.cooperswelt.de<br />

office@summerhill.at<br />

Besuchen Sie uns auf Facebook und Pinterest: Edition Summerhill<br />

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags. Kein Teil<br />

des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm und andere<br />

Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter<br />

Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet<br />

werden.<br />

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Wir leben Nachhaltigkeit!<br />

Edition Summerhill – Eco-Premium Books<br />

Edition Summerhill bietet Inspirationen für ein schöneres Leben. Ein<br />

Aspekt dabei ist die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und der Gesellschaft.<br />

Wir möchten sicherstellen, dass unsere Bücher und Leistungen den<br />

Menschen Unterstützung leisten, sich ganzheitlich zu entwickeln. Ganzheitlich<br />

betrachtet aber müssen unsere Bücher in der Produktion ebenso<br />

einen Beitrag zu einer besseren Welt leisten. Das erkennen wir an einer<br />

nachgewiesenen ökologischen Nebenwirkungsarmut und einem sozialen<br />

Wirkungsreichtum. In der Produktion dürfen unsere Produkte die<br />

Umwelt nicht belasten. Wir wollen Ihnen, lieber Leserin, lieber Leser, in<br />

dieser Frage jeden Zweifel nehmen!<br />

Daher arbeiten wir mit einem Druckpartner, der alle denkmöglichen Auswirkungen<br />

auf die Umwelt berücksichtigt und minimiert.<br />

• Klimaneutrale Produktion mit CO2 Ausgleich,<br />

• ausgewählte Recyclingpapiere,<br />

• giftstofffreie Farben<br />

Ein regionaler Ansatz in der Wertschöpfung ist ebenso wichtig, damit<br />

Transportkosten minimiert werden. Wir drucken daher in Österreich. In<br />

der Produktion ist der Umgang mit Menschen und der Gesellschaft wichtig:<br />

• Gesunde Arbeitsbedingungen,<br />

• faire Entlohnung,<br />

• eine inspirierende Atmosphäre,<br />

• und ein Geist der Nachhaltigkeit.<br />

Auch das haben wir bei unserem Druckpartner Bösmüller gefunden.<br />

Überzeugen Sie sich selbst: www.boesmueller.at/zertifikate/<br />

Natürlich haben Eco-Premium Books ihren Preis. Welchen Sinn aber hätte<br />

es, mit billigen Büchern aus schlechten Produktionsbedingungen unseren<br />

Planeten zu belasten? Wir bedanken uns bei Ihnen für Ihren fairen Beitrag<br />

für eine bessere Welt!<br />

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Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird,<br />

wenn es anders wird, aber soviel kann ich sagen:<br />

es muss anders werden, wenn es gut werden soll.<br />

Georg Christoph Lichtenberg<br />

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Vorwort<br />

Leadership für eine neue Zeit: Viel wird darüber gesprochen, geschrieben<br />

und diskutiert. Die Kernbotschaft lautet: Zunehmende Komplexität und<br />

steigende Dynamik erfordern agile Unternehmen und damit eine veränderte<br />

Form der Führung. Doch was wir derzeit in der Wirtschaftswelt<br />

beobachten, lässt sich durchaus mit Hyperaktivität beschreiben. Traditionelle<br />

Unternehmen kaufen Startups, um schnell ein digitales Geschäftsmodell<br />

mit jugendlichem Drive zu erhalten. Softwareentwickler gelten<br />

mit Methoden wie Scrum und Co als neue Gurus der Selbstorganisation<br />

und diese Praktiken werden von anderen Unternehmensbereichen hastig<br />

als Blaupause übernommen. CEOs legen ihre Krawatten ab und pilgern<br />

scharenweise ins Silicon Valley. Wer heute nicht schon agil, innovativ und<br />

digital als Schlagworte auf Website und im Werbematerial anführt, gilt als<br />

hoffnungslos rückständig.<br />

Diese Entwicklung hat im Grunde viel Positives. Endlich weichen verkrustete<br />

Strukturen auf. Es kommt Bewegung in starre Systeme. Warum<br />

sollte deshalb Skepsis angebracht sein? Die Vorbehalte richten sich vor<br />

allem gegen die Oberflächlichkeit, mit der oft versucht wird, Veränderung<br />

zu bewirken. Das liegt vor allem daran, dass Agilität mit Aktivität verwechselt<br />

wird. Dabei liegt der Schlüssel für Agilität im Wesen der Organisation<br />

und weniger in dem, was sie tut. Führungskräfte müssen deshalb<br />

tief tauchen, um ihre Unternehmen erfolgreich in eine neue Form des<br />

Arbeitens und Organisierens zu begleiten. Das beginnt bei der eigenen<br />

Person. Und gerade das ist wohl der schwierigste Teil des Weges. Noch<br />

immer gilt Innehalten und Reflexion im Management als Schwäche und<br />

Zeitverschwendung.<br />

Auch der Irrglaube, dass Organisationen wie Maschinen funktionieren<br />

hält sich hartnäckig. Mitarbeiter werden dabei als Rädchen betrachtet, an<br />

denen die Manager einfach drehen müssen, um etwas zu verändern. Das<br />

Erstaunen ist groß, wenn das so gar nicht mehr funktioniert. Mittlerweile<br />

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eitet sich in den Führungsetagen Ratlosigkeit aus, auch wenn dies nur<br />

hinter verschlossenen Türen zugegeben wird. Schließlich gilt nach wie<br />

vor Stärke als hohe Managementtugend. Wer will da schon als Zauderer<br />

und Zweifler dastehen?<br />

Jedoch sind Führungskräfte heute mehr denn je gut beraten, einfach einmal<br />

stehen zu bleiben und aufzublicken von ihrem gewohnten Spielfeld.<br />

Dabei sollten sie all ihre Glaubenssätze und Einstellungen zur Seite legen,<br />

die ihnen unmerklich die Sicht in die Zukunft verstellen. Zugegeben: Das<br />

ist keine einfache Übung. Mit diesem Buch zeigen Dodo Kresse, Kurt Völkl<br />

und Heinz Peter Wallner auf fabelhafte Weise, wie es dennoch gelingen<br />

kann. So gar nicht in der Management- und Beraterdiktion verfasst, ist<br />

der Einstieg in <strong>Cooper</strong>s Welt fast ein wenig unbequem. Doch gerade darin<br />

liegt das Besondere.<br />

Der argentinische Autor Jorge Bucay hat es treffend formuliert: Kindern<br />

erzählt man Geschichten zum Einschlafen, Erwachsenen, damit sie aufwachen.<br />

Das gilt wohl auch für <strong>Cooper</strong>s Welt. Die Einladung lautet: Lassen<br />

Sie sich ein auf diese Geschichte, die gleichzeitig eine Reise ist. Lassen<br />

Sie Fragen und auch Irritation zu. Versuchen Sie, zu beobachten, ohne<br />

gleich zu beurteilen. Sie werden dafür mit einem Perspektivenwechsel<br />

belohnt, der ein wertvoller Begleiter auf Ihrem persönlichen Weg in die<br />

neuen Zeiten sein kann.<br />

Mag. Eva-Maria Ayberk<br />

Leiterin des Hernstein Instituts für Management und Leadership<br />

www.hernstein.at<br />

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Inhalt<br />

SEI DANKBAR FÜR DAS CHAOS 13<br />

Neues Denken:<br />

Reise ins Land des Unplanbaren 23<br />

Erstes Gleichnis: WASSER UND BROT 24<br />

Neue Haltung:<br />

Darwin und Spencer<br />

auf dem falschen Dampfer 39<br />

Zweites Gleichnis: FLEISCH UND BLUT 40<br />

Neues Tun:<br />

Das Ende der Einsamkeit 55<br />

Drittes Gleichnis: WORT UND TAT 56<br />

Neue Erkenntnis:<br />

Das Bessere möglich machen 69<br />

Viertes Gleichnis:<br />

TRAUM UND WIRKLICHKEIT 70<br />

Leadership für eine neue Zeit<br />

Das Geheimnis der liegenden Acht 81<br />

COOPERS RÜCKBLICK 82<br />

Theorie zum<br />

Lernen in der liegenden Acht 85<br />

DIE VIER PHASEN DER ENTWICKLUNG 85<br />

DIE FÜNF PRINZIPIEN ERFOLGREICHER VERÄNDERUNG 87<br />

Vertiefung 89<br />

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Leadership für eine neue Zeit<br />

SEI DANKBAR FÜR DAS CHAOS<br />

<strong>Cooper</strong> verließ das Firmengebäude in der Wiener Innenstadt und steuerte<br />

auf den Naschmarkt zu. Das Gespräch mit seinem Vorgesetzten hatte<br />

ihn zusätzlich zu den Schwierigkeiten in der Firma verstimmt. Die sonst<br />

so angenehme Szenerie des Marktes ließ ihn daher heute seltsam kalt.<br />

Die Preisfeilscherei der Gemüsehändler konnte ihn ebenso wenig erheitern<br />

wie der beleibte Gurkenverkäufer, der sich die Seele aus dem Leib<br />

schrie, um seine Essiggurken an den Mann zu bringen. Im Gegenteil,<br />

das Geplärre erschien ihm wie ein Sinnbild für seine eigene Situation. Er<br />

strengte sich ebenso an, seine Mitarbeiter zu mehr Engagement anzufeuern<br />

und seinen Leuten klarzumachen, dass sie mehr Eigenverantwortung<br />

übernehmen sollten. Und was war das Ergebnis? – Sie sahen ihn genauso<br />

unbeeindruckt an, wie er gerade eben den Gurkenhändler anschaute<br />

– unbeteiligt, unberührt und versunken in die eigene Gedankenwelt.<br />

Warum kam er nicht heran an seine Leute? Warum war es so schwierig,<br />

ihre Lust auf Entwicklung, auf Bildung und Verantwortung zu wecken?<br />

Zugegeben, heute war ihm dieser Gusto ebenfalls vergangen. Der CEO,<br />

dem er ansonsten unbedingten Respekt und beinahe so etwas Ähnliches<br />

wie Freundschaft entgegenbrachte, hatte ihn heute eindringlich gebeten,<br />

die Selbstverantwortung seines Teams anzuheben. Zukünftig hätte sich<br />

alles um eine höhere Agilität zu drehen, hatte er gesagt. Einfach so, als<br />

verfügte <strong>Cooper</strong> über einen Zauberstab, mit dem er so etwas herbeihexen<br />

könnte. Das war ja bei vielen der Grund, weshalb sie überhaupt in seiner<br />

Organisation arbeiteten – weil sie sich selbst keinen „Job organisieren“<br />

wollten. Oder konnten? Darüber war sich <strong>Cooper</strong> auch nicht im Klaren.<br />

Seine Leute waren es gewohnt, im „alten System“ zu funktionieren: Von<br />

oben kommen die Befehle, die Ziele, die Ideen, die Kontrolle, die Verantwortung<br />

– einfach alles … und unten „funktioniert man eben“ wie ein<br />

Zahnrädchen – präzise greift eins ins andere. Präzise? <strong>Cooper</strong> seufzte und<br />

schnupperte an einer Ananas. Sie duftete nach gar nichts und er legte sie<br />

enttäuscht zurück. Können sich Zahnrädchen selbst organisieren? <strong>Cooper</strong><br />

suchte nach einer Antwort und fand nur weitere Fragen. Er kannte sich<br />

13


<strong>Cooper</strong>s Welt<br />

nicht aus, und das mochte er gar nicht. Es passte einfach nicht zu ihm,<br />

keinen klaren Kopf zu haben.<br />

Er fühlte sich, als wären seine Schultern zehn Zentimeter schmäler und<br />

sein Gang angestrengter geworden. Was war zu tun? Nicht einmal ein<br />

Therapeut könnte ihm hier weiterhelfen. Man kann schwerlich eine ganze<br />

Organisation auf die Couch legen, um sie zu coachen. Im Lauf seiner Karriere<br />

hatte er eine Menge Sachliteratur durchgeackert, aber nur weniges<br />

hatte ihn wirklich berührt oder gar bereichert. Stets war er nur seinem<br />

Instinkt gefolgt und damit nicht schlecht gefahren. Er hatte sich immer<br />

als amikaler Abteilungsleiter gesehen. Als einer, zu dem man Vertrauen<br />

haben kann. Er hatte es genossen, wenn er zu fühlen glaubte, dass die<br />

Menschen zu ihm aufblickten und ihn ins Vertrauen zogen. Und er hatte<br />

sich immer als absolut kompetent empfunden. Wo war diese verdammte<br />

Weggabelung gewesen, an der er begonnen hatte, die Kontrolle zu verlieren?<br />

Hatte sich etwa die Welt verändert, ohne dass er es bemerkt hatte?<br />

Waren das Zeichen des Älterwerdens oder schlimmer noch - des Alters?<br />

Wohl kaum, denn sein Käpt’n war um die zehn Jahre älter und anscheinend<br />

entdeckte jener die Veränderungen der Zeit sehr wohl - und darüber<br />

hinaus auch die Notwendigkeit, darauf zu reagieren, und zwar ohne<br />

Aufschub.<br />

<strong>Cooper</strong> kratzte sich den Nacken, während er zögernd den einkaufenden<br />

Männern und Frauen auswich und ein paar Rempler einstecken musste.<br />

Vielleicht, dachte er weiter, hatte sich die Zeit verändert, aber seine Leute<br />

nicht. Waren sie einfach stehen und stecken geblieben – mit ihm? Wegen<br />

ihm? Die trüben Gedanken bauten eine gläserne Wand zwischen ihm und<br />

dem Treiben des Marktes. Er hätte so gerne an diesem lebendigen Pulsieren<br />

teilgehabt, sich an den Farben der Pfirsiche, Melonen und Papayas<br />

erfreut, über den eckigen Schädel des Knurrhahns und über die Stacheln<br />

des Seeigels gestaunt und die Heiterkeit des wolkenlosen Himmels in sich<br />

aufgesogen. Alles plätscherte an ihm vorbei. Der Tag fand ohne ihn statt.<br />

Ein jäher Schmerz ließ ihn zusammenzucken. Er rieb sich das Schienbein<br />

und konnte gerade noch den Schatten des Geschäftsmannes, des-<br />

14


Leadership für eine neue Zeit<br />

sen Aktenkoffer ihn getroffen hatte, bemerken. Keine Entschuldigung.<br />

Wahrscheinlich hatte ihn der eilige Typ gar nicht bemerkt. Wo war seine<br />

Kraft geblieben? Seine Zuversicht und sein Humor, für den er in der Firma<br />

geradezu berüchtigt war? <strong>Cooper</strong> war froh, dass solche Tage in der<br />

Minderheit blieben. Mehrere hintereinander von dieser Sorte konnte und<br />

wollte er sich gar nicht vorstellen. Denn allzu deutlich spürte er diese feine<br />

Grenzlinie – unsichtbar, aber real. Wenn er diese überschreiten würde,<br />

wäre er imstande, einfach alles hinzuwerfen – seine Arbeit, seine Ehe, seine<br />

Familie, sein Leben in der Stadt. Er wusste, dass er sich diese Grenze<br />

am besten gar nicht genauer ansehen sollte. Es genügte, von ihrer Existenz<br />

zu wissen, um sich ganz schnell wieder zur Ordnung zu rufen. Um<br />

Lösungen zu suchen und zu finden, um die Gedanken zu strukturieren<br />

und „normal“ zu bleiben. Er mochte seinen Job. Er mochte die Menschen<br />

mit ihren Schrulligkeiten, mit ihren Wünschen und Träumen. Und sie<br />

mochten ihn – zumindest war das bis heute so gewesen.<br />

<strong>Cooper</strong>s Magen knurrte. Er lehnte sich an einen der beiden Stehtische<br />

vor einem kleinen italienischen Delikatessenladen und bestellte ein Glas<br />

Merlot und eine Kleinigkeit zu essen. Ich muss dringend etwas ändern,<br />

dachte er und leerte sein Glas. Sorgsam fegte er die Krümel seines Mortadella-Weckerls<br />

von der Tischplatte und erschrak, als sich eine Hand auf<br />

die seine legte. Er zuckte zurück und erkannte in dem Mann, der nun<br />

lachend hervortrat, seinen alten Freund Professor Edu Art.<br />

„Ein bisschen schreckhaft heute, was, <strong>Cooper</strong>?“, meinte er. Edu Art stand<br />

neben ihm - im eleganten Nadelstreifanzug, dem man seine Nadelstreifen<br />

kaum ansah. Dazu trug er meisterlich saloppe Maßschuhe und keine Krawatte.<br />

Er hatte die Angewohnheit, mühelos elegant zu wirken, ohne dabei<br />

im Mindesten etwas Schnöseliges an den Tag zu legen. <strong>Cooper</strong> wusste<br />

nicht genau, wie er das eigentlich anstellte, aber da Edu Art auch in seinem<br />

Inneren so war – nämlich blitzgescheit, ohne dabei den Humor zu<br />

verlieren –, hatte es sich <strong>Cooper</strong> angewöhnt, Edu Art als eine Art Naturwunder<br />

zu betrachten, das man nicht weiter hinterfragt. Er freute sich<br />

über die Begegnung, den ersten Lichtblick des Tages.<br />

15


<strong>Cooper</strong>s Welt<br />

„Bist du nur hier, um die ‚Urbanek-Regel’ zu bestätigen, oder was führt<br />

dich hierher?“, fragte <strong>Cooper</strong>.<br />

„Regel?“<br />

„Die ‚Hier-trifft-man-die-richtigen-Leute’-Regel.“<br />

Edu Art legte seinem Freund den Arm um die Schulter und raunte: „Wer<br />

weiß schon zu sagen, wer der oder die Richtige ist?“<br />

„Wie wahr, Professor“, stimmte <strong>Cooper</strong> zu und bestellte noch zwei Gläser<br />

Merlot. „Dennoch bist du wahrscheinlich heute der Richtige, um mir bei<br />

einer verzwickten Sache zu helfen. Ich steh wie vor einer Wand. Und sei<br />

sie nur aus Papier, so kann ich sie trotzdem weder eintreten noch zerreißen<br />

oder sonstwie entfernen.“<br />

„Beziehungsschwierigkeiten?“<br />

„Das fehlt mir gerade noch. Es kommt schließlich immer alles zusammen.“<br />

„So melancholisch kenne ich dich gar nicht, altes Haus.“<br />

<strong>Cooper</strong> runzelte die Stirn. „Melancholisch ist nicht das richtige Wort. Ich<br />

bin ratlos.“<br />

„Kurzfristig ratlos, wie ich annehmen möchte?“ Edu Art zog die linke<br />

Braue hoch.<br />

„Gewiss, wir sind doch richtige Burschen!“, Copper lächelte. „Aber im<br />

Ernst: Ich weiß nicht, was ich tun soll. Du kennst doch meinen Käpt’n?“<br />

„Nennst du ihn immer noch Käpt’n, deinen Chef, und bist ihm so zugetan?“,<br />

amüsierte sich Edu Art. „Ich mag deine romantische Huckleberry-Finn-Ader.<br />

Die hält dich elastisch, in jeder Hinsicht. Also ja, natürlich<br />

kenne ich Fen O’Men, ein prächtiger Mensch, sehr belesen. So wie<br />

man sich einen CEO nur wünschen kann.“<br />

„Klar sind wir uns zugetan, wie du so hübsch sagst. Das ändert aber<br />

nichts daran, dass ich ihn derzeit überhaupt nicht verstehen kann. Niemand,<br />

zur Hölle, weiß, was der Kerl von mir will!“ <strong>Cooper</strong> hieb mit der<br />

16


Leadership für eine neue Zeit<br />

Faust auf das fragile Stehtischchen.<br />

Edu Art hielt den Tisch in Balance und meinte: „Eventuell will er, dass du<br />

dich um deine Leute kümmerst. Das ist so üblich bei einem Abteilungsleiter.“<br />

„Deinen Humor in Ehren, aber…“ <strong>Cooper</strong> schüttelte den Kopf. „Egal.<br />

Wenn der Käpt’n Chinesisch reden würde, könnte es mir nicht unverständlicher<br />

sein.“<br />

„Was will er denn so Ungewöhnliches?“<br />

„Du weißt ja, er ist unheimlich bewandert in diesen modernen Wissenschaften“,<br />

erklärte <strong>Cooper</strong>..„Immer wieder fängt er davon an, etwa mit<br />

Bionik. ‚<strong>Cooper</strong>‘, sagt er dann, ‚mein lieber <strong>Cooper</strong>! Wir müssen das in<br />

unsere Organisation tragen – fliegen wie die Zugvögel, organisieren wie<br />

die Insekten, bauen wie die Ameisen, Schwärme bilden wie die Fische.‘<br />

Sind wir ein Tiergarten? Als ob das alles so einfach umzusetzen wäre!<br />

Außerdem bin ich froh, wenn sich keine Schwärme bilden – in der Cafeteria<br />

…“<br />

„Wirst du jetzt zynisch auf deine alten Tage?“ Edu Art deutete einem der<br />

Kellner, ihm nachzuschenken, was prompt geschah.<br />

„… und dann doziert er“, <strong>Cooper</strong> ignorierte Edu Arts Zwischenfrage,<br />

„von dieser und von jener neuesten Erkenntnis aus der Hirnforschung,<br />

aus der Kybernetik, der Quantentheorie, der Systemtheorie, der Soziologie,<br />

et cetera … Er spricht von Nichtlinearität, Komplexität, Agilität,<br />

Kohärenz und kollektivem Denken - und all das möge zum Schlüssel für<br />

die Probleme in unserer Organisation werden. Immer wieder sagt er: ‚Du<br />

weißt schon, was ich meine, nicht wahr?’ Und ich nicke nur stumm und<br />

hab’ keine Ahnung. Wahrscheinlich schau ich so gscheit aus, dass er keinen<br />

Verdacht schöpft. Meine hohe Stirn führt ihn vielleicht in die Irre …“<br />

„Deine hohe Stirn? Das könnte sein“, pflichtete Edu Art ihm bei und ordnete<br />

seine Manschetten.<br />

„Dann sagt er noch: ‚Das wird unsere verstaubte Firma in eine moder-<br />

17


<strong>Cooper</strong>s Welt<br />

ne, agile Organisation verwandeln, auf die wir beide stolz sein werden.<br />

Und du wirst das umsetzen, <strong>Cooper</strong>! Ich weiß, dass ich mich auf dich<br />

verlassen kann. Darüber hinaus möchte ich, dass du mich erstaunst, mich<br />

geradezu verblüffst!‘ Also, ich kann dir sagen, mein Käpt’n wäre mehr<br />

als erstaunt, wenn er wüsste, wie ahnungslos ich bin. Ich hab mich in der<br />

vorherigen Firma bereits für das Arbeiten in großen Gruppen engagiert,<br />

das war wirklich hip damals, aber in den meisten Fällen ist davon nur ein<br />

schaler Nachgeschmack geblieben. Begeistert waren bloß die Beratungsunternehmen.<br />

Bei uns blieb eine bestenfalls irritierte, in den meisten Fällen<br />

aber emotional völlig unberührte Gruppe zurück. Wer will sich schon<br />

freiwillig entwickeln? Ohne ein dringendes Muss, ob in Form von Krankheit<br />

oder einer anderen Not, sind doch alle Menschen ziemlich träge und<br />

faul. Alleine die Kunst der Reflexion ist nur wenigen gegeben. Wer denkt<br />

schon ein bisschen weiter als bis zur eigenen Nasenspitze? Und immer<br />

wieder empfiehlt er mir die neuesten Bücher, mein Käpt’n. Tolle Bücher,<br />

zugegeben, aber ich hab keinen Klon, der sich ein Jahr Urlaub nimmt, auf<br />

eine einsame Insel zieht und alles studieren kann, um dann daraus seine<br />

Schlüsse zu ziehen. Wann soll ich das lesen – während ich schlafe? Und<br />

verstehen! Ich kann’s ja gar nicht verstehen. Wirklich, Professor, das ist<br />

mir alles zu kompliziert! Zu theoretisch. Es klingt ja recht faszinierend ab<br />

und zu. Aber wenn es zur Pflicht wird, das alles zu durchschauen, dann<br />

läuft mir die Gänsehaut über den Nacken. Selbstorganisation und Lebendigkeit,<br />

klar, darüber habe ich auch einiges gelesen, schon vor Jahren. Was<br />

hilft mir das? Sind doch meine Leute oft so wenig selbstorganisiert, dass<br />

sie zu mir laufen, nur wenn sie ein Formular für die Spesenabrechnung<br />

ausfüllen müssen. Gerade so, dass ich ihnen nicht die Hand mit dem Kuli<br />

führen muss. Und Lebendigkeit? Wann habe ich schon Freude auf ihren<br />

Gesichtern gesehen? Vielleicht, wenn sich das Wochenende nähert.“<br />

Edu Art legte seinen Kopf leicht in den Nacken und sah <strong>Cooper</strong> unter halb<br />

geschlossenen Lidern an. Das machte er immer, wenn er etwas Wesentliches<br />

zu sagen hatte.<br />

<strong>Cooper</strong> horchte also.<br />

18


Leadership für eine neue Zeit<br />

„Alles Entscheidende entsteht trotzdem, <strong>Cooper</strong>“, sagte Edu Art und<br />

nickte dazu.<br />

„Nietzsche?“ <strong>Cooper</strong> erinnerte sich an Edu Arts Vorliebe für den Philosophen.<br />

„Exakt“, bemerkte Edu Art. „Und ich meine, dass Nietzsche recht hatte.<br />

Worauf wartest du? Auf einen leichten Weg? Willst du deinem Boss ein<br />

Konzept vorlegen, das er an jeder Straßenecke für ein paar Euro kaufen<br />

kann? Sei dankbar für die störrische Organisation, für alle Steine, die dir<br />

im Weg liegen, für jede kleinkrämerische, spießige Meldung aus dem<br />

Mund deines Teams. Für jede Plage und Mühe, die sie dir durch ihre<br />

Unmündigkeit, Faulheit und Verantwortungslosigkeit bereiten.“<br />

<strong>Cooper</strong> betrachtete ihn ungläubig. Was redete er da? War das ansteckend?<br />

Jetzt faselte Professor Edu Art auch schon unverständliches Zeug. Hatte<br />

sich denn die ganze Welt gegen ihn verschworen? Oder lag es einfach an<br />

ihm – wurde er verrückt? Fühlte sich das so an?<br />

„Wenn du nun denkst, ich hätte ein wenig zu viel Merlot genossen“, sagte<br />

Edu Art, als er <strong>Cooper</strong>s Blick auffing, „so irrst du dich. Ich meine das<br />

ganz ernst. Würde ein Zahnarzt einen Patienten fortschicken, weil dieser<br />

ein schlechtes Gebiss hat? Sicher nicht. Da erst ist sein ganzes Geschick,<br />

all das, was er über die Jahre an Theorie und Praxis erfahren hat, richtig<br />

gefordert. So ist es auch bei dir, <strong>Cooper</strong>. Du bist gefordert. Jetzt! Und die<br />

Praxis in all deinen Jahren als Abteilungsleiter in dieser Organisation wird<br />

dir nun dabei helfen, aus der tatsächlich schon sehr verstaubten Bude eine<br />

moderne, dynamische Organisation zu machen, die wirklich zukunftsfähig<br />

ist. Das hast du deinem Käpt’n nämlich voraus, die Nähe zur Praxis.<br />

Wenn er auch vieles gelesen und gedacht haben mag – du bist der Mann<br />

vor Ort! Du bist der Umsetzer, ohne dich wird nichts geschehen. Ohne<br />

dich bleibt der Baum des Lebens grau. Es ist an dir, ihn saftig grün zu<br />

machen. Du bist der, der dieser Organisation neues Leben einhauchen<br />

wird. Vertraue auf dich und vertraue besonders auf dein Bauchgefühl,<br />

auf deine Intuition.“<br />

19


<strong>Cooper</strong>s Welt<br />

Jetzt wusste <strong>Cooper</strong> wieder, warum er Professor Edu Art so mochte. Es<br />

gab Menschen, denen man nur zuzuhören brauchte, um neue Kraft und<br />

Energie zu finden. Edu Art war einer dieser seltenen und inspirierenden<br />

Menschen.<br />

<strong>Cooper</strong> fühlte, wie ihn der Gedanke an seine Möglichkeiten, die Organisation<br />

mit neuem Leben zu erfüllen, erfrischte und aufmunterte. Ja, das<br />

war doch damals der Grund gewesen, diese berufliche Laufbahn einzuschlagen.<br />

Diffus erinnerte er sich an ein Sachbuch über dynamische Systeme<br />

und über Selbstorganisation im Management, das ihn vor vielen Jahren<br />

tief beeindruckt hatte. Er hatte es nicht wirklich verstanden, aber es<br />

gab ihm eine Ahnung, ein unscharfes Bild, wie ‚es‘ gehen könnte. Damals<br />

hatte er sich mit diesem unscharfen Bild zufriedengegeben. ‚Fuzzylogik‘<br />

wird reichen, hatte er gehofft und war in die Organisations- und Personalentwicklung<br />

gegangen. Irgendwo auf diesem Weg war ihm die ‚Idee‘<br />

der Selbstorganisation dann entfallen, so zwischen Kaffee und Budget. Er<br />

konnte sich nicht mehr erinnern. Aber das war jetzt auch nicht wichtig.<br />

Wichtiger war, dass er wieder neue Hoffnung schöpfte.<br />

Langsam verflüchtigte sich der schlammfarbene Nebel, der den ganzen<br />

Tag über seiner Stimmung gelegen hatte. Die ersten mutigen Gedanken<br />

tauchten auf wie zartblaue Streifen, die den dunklen Regenhimmel<br />

durchbrechen.<br />

„Ich brauche jemanden, der mir dabei hilft“, sagte <strong>Cooper</strong>. „Jeder, der<br />

Großes tun will, braucht Hilfe.“<br />

„Nun“, meinte Edu Art, „ich wüsste schon jemanden, der dir da enorm<br />

weiterhelfen könnte.“<br />

„Wen?“<br />

Edu Art zögerte sichtlich, den Namen preiszugeben. Er sah <strong>Cooper</strong> lange<br />

an, wiegte den Kopf hin und her und klopfte mit seinem Siegelring sachte<br />

auf die Tischplatte. <strong>Cooper</strong> hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Siegelringen.<br />

Sie kamen ihm anachronistisch vor, doch Edu Art konnte sich das<br />

leisten. Der Teufel allein wusste, warum.<br />

20


Leadership für eine neue Zeit<br />

„Nun komm schon! Wenn du mir auch nur irgendjemanden nennen<br />

kannst, der sich auf diesem Gebiet ein paar Lorbeeren verdient hat, dann<br />

sprich. Ich zahle gut, wie du weißt. Alles hat seinen Preis.“<br />

„Dieser Preis ist tatsächlich hoch“, sprach Edu Art leise. „Ich bin mir nicht<br />

sicher, ob du ihn bezahlen kannst oder willst.“<br />

„Was soll das heißen?“, fragte <strong>Cooper</strong>. „Tu nicht so geheimnisvoll.“<br />

„Das hat tatsächlich mit Geheimnissen zu tun“, gab sich Edu Art weiter<br />

zugeknöpft.<br />

„Also, wie heißt der Knabe?“<br />

„Es ist kein Knabe.“<br />

„Dann halt Typ, Meister, Guru, hochherrschaftlicher Know-how-Kaiser,<br />

ist doch egal!“, knurrte <strong>Cooper</strong> ungeduldig.<br />

„Ich denke nicht, dass es gleichgültig ist, wie man jemanden nennt,<br />

<strong>Cooper</strong>. Der Name bestimmt den Inhalt mit“, sagte Edu Art mit gedämpfter<br />

Stimme.<br />

„Genug! Wie heißt er?“ <strong>Cooper</strong> lehnte sich so weit nach vorn, dass sein<br />

Gesicht von Edu Arts Kopf nur noch wenige Zentimeter entfernt war.<br />

„Er ist mitnichten ein Er“, antwortete Edu Art und grinste. „Durch enge<br />

Freunde weiß ich“, setzte er fort und senkte seine Stimme, „dass eine Art<br />

Beraterin in ein paar bedeutenden Unternehmen zu tiefgreifenden Änderungen<br />

beigetragen hat. Ihr Wissen und vor allem ihre Intuition sind<br />

erstaunlich. Aber sie spricht in Gleichnissen, die man erst entschlüsseln<br />

muss, um hinter deren Geheimnisse zu kommen. Doch es hat sich bisher<br />

in jedem Fall ausgezahlt. So sagt man jedenfalls. Wenn du deinen Käpt’n<br />

dazu bringen kannst, sich darauf einzulassen, dann will ich gerne den<br />

Kontakt zu Madame Dim En Sion herstellen.“<br />

„Und wie heißt sie im wirklichen Leben, diese Madame Dim En Sion?“,<br />

wollte <strong>Cooper</strong> wissen.<br />

Edu Art leerte sein Glas, stellte es sorgsam ab und sagte: „Belassen wir es<br />

21


<strong>Cooper</strong>s Welt<br />

bei diesem Namen. Es ist wohl systemimmanent, dass sich Personen mit<br />

geheimem Wissen gern bedeckt geben. Ich muss dir aber noch etwas dazu<br />

sagen, <strong>Cooper</strong>. Es werden Reisen zu eventuell weit entfernten Orten notwendig<br />

sein. Ich weiß auch nichts Näheres, lediglich, dass diese Gleichnisse<br />

an bestimmten Orten übermittelt werden, bei denen Madame Dim<br />

En Sion die Koordinaten festlegt.“<br />

„Wenn ich noch dazu in der Lage wäre“, erwiderte <strong>Cooper</strong>, „würde ich<br />

gerne darauf anstoßen, alter Freund. Ich bin es aber leider nicht. Lass uns<br />

daher ein einfaches Glas Wasser auf die Reisen der Erkenntnis trinken, wo<br />

auch immer sie uns hinführen werden.“<br />

„Kolossaler Gedanke, <strong>Cooper</strong>! Wasser, so klar wie die Erkenntnis!“ Mit<br />

einem Mal wirkte Edu Art stocknüchtern, verriet sich aber durch einen<br />

zweiten offenen Hemdknopf.<br />

Man trank also noch zwei Gläser Wasser und danach trennten sich die<br />

beiden mit <strong>Cooper</strong>s Versprechen, Professor Edu Art anzurufen, sobald er<br />

mit seinem Käpt’n gesprochen hatte.<br />

Die Sonne stand tief, als <strong>Cooper</strong> die Ringstraße überquerte und in sein<br />

Büro zurückschlenderte. Aus der einen Stunde Mittagspause waren nun<br />

doch zwei geworden. Aber <strong>Cooper</strong> spürte, er hatte etwas ganz Wichtiges<br />

vor sich und so etwas wie einen heimlichen Joker in der Tasche.<br />

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Leadership für eine neue Zeit<br />

Neues Denken:<br />

Reise ins Land des Unplanbaren<br />

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