28 Antworten zum Stand des Wissens rund um - Bund Ökologische ...
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26 Soll sich der Staat für die ökologische Lebensmittelwirtschaft engagieren?<br />
Agrarpolitik als Weichenstellung für eine<br />
nachhaltige Lebensmittelwirtschaft<br />
Mit dem Engagement <strong>des</strong> Staates für die ökologische<br />
Lebensmittelwirtschaft werden die gesellschaftlichen<br />
Leistungen der ökologischen Erzeugung honoriert. Die<br />
Maßnahmen sollten außerdem <strong>z<strong>um</strong></strong> Abbau struktureller<br />
Probleme <strong>des</strong> Sektors beitragen und damit die Wettbewerbsfähigkeit<br />
<strong>des</strong> Öko-Landbaus in Deutschland stärken.<br />
Die Förderung <strong>des</strong> ökologischen Landbaus gleicht<br />
zudem aus, dass konventionelle Produktion billiger ist,<br />
weil sie ihre Folgekosten externalisiert. Ein gut aufeinander<br />
abgestimmtes Bündel von verschiedenen Politikmaßnahmen<br />
ist daher sinnvoll und notwendig [9].<br />
Gründe für eine staatliche Förderung <strong>des</strong> Öko-<br />
Landbaus<br />
Die Landwirtschaft erbringt über die Nahrungsmittel- und Rohstoffproduktion<br />
hinaus wichtige Leistungen für die Gesellschaft,<br />
z. B. das Pflegen der Kultur- und Erholungslandschaften, Sicherstellen<br />
eines Min<strong>des</strong>tmaßes an nationaler Selbstversorgung<br />
und Beiträge zur ländlichen Entwicklung. 74 % der Bevölkerung<br />
wünschen die Honorierung dieser Leistungen, allerdings nur<br />
dann, wenn sie an eine <strong>um</strong>welt- und tiergerechte Landwirtschaft<br />
gebunden sind [1]. Der ökologische Landbau kommt diesem gesellschaftlichen<br />
Ziel besonders nahe (á Frage 11; 21; 24). Ein zielgerichteter<br />
Einsatz der Steuermittel verlangt daher von der Politik<br />
eine min<strong>des</strong>tens gleichrangige, wenn nicht vorrangige Förderung<br />
<strong>des</strong> ökologischen Landbaus im Vergleich zur konventionellen<br />
Landwirtschaft. Die ökologische Lebensmittelwirtschaft ist eine<br />
innovative Branche, die mit den für junge Branchen typischen<br />
Struktur- und Kostennachteilen kämpft. Um sie aus eigener Kraft<br />
wettbewerbsfähig zu machen, ist eine zeitlich befristete Förderung<br />
gerechtfertigt, ähnlich wie bei der Förderung regenerativer<br />
Energien. Des Weiteren meidet der Öko-Landbau risikobehaftete<br />
Technologien (z. B. Gentechnik, chemischen Pflanzenschutz)<br />
und verringert so Risiken [2; 3; 4]. Schließlich werden von der<br />
EU-Kommission das Potenzial <strong>des</strong> ökologischen Landbaus für die<br />
Schaffung von Arbeitsplätzen und die Entwicklung einer dynamischen<br />
ländlichen Wirtschaftsstruktur betont [5].<br />
Flächenprämien honorieren ökologische Leistungen<br />
Die Förderung der Landwirtschaft durch die EU fußt auf zwei Säulen:<br />
Direkte Einkommensübertragungen sowie Programme zur<br />
Entwicklung <strong>des</strong> ländlichen Ra<strong>um</strong>s, darunter die wichtigen Agrar<strong>um</strong>weltprogramme.<br />
Die direkten Einkommensübertragungen<br />
sind derzeit an keine speziellen Umweltleistungen auf den geförderten<br />
Betrieben gebunden und kommen allen Betrieben, auch<br />
den Öko-Betrieben, zugute. Innerhalb der Agrar<strong>um</strong>weltprogramme<br />
gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen, die nur<br />
<strong>z<strong>um</strong></strong> Teil ausschließlich auf den Öko-Landbau ausgerichtet sind.<br />
Eine spezielle Fördermaßnahme für den Öko-Landbau ist die flächenbezogene<br />
Umstellungs- und Beibehaltungsförderung, womit<br />
seine ökologischen Leistungen honoriert werden. Diese Prämien<br />
haben für die Wirtschaftlichkeit der meisten Öko-Betriebe große<br />
Bedeutung [6]. Die Umstellung auf ökologischen Landbau bringt<br />
einen höheren Produktionsaufwand und niedrigere Erträge mit<br />
sich, die Produkte dürfen jedoch erst nach einer mehrjährigen<br />
Umstellungszeit als Bio-Ware vermarktet werden. Um diesen<br />
Einkommensausfall auszugleichen, sind die Umstellungsprämien<br />
meist höher als die Beibehaltungsprämien. Im europäischen<br />
Vergleich nehmen die in Deutschland gewährten Prämien eine<br />
Mittelstellung ein [7]. In Deutschland wird die Höhe der Prämie<br />
von den Bun<strong>des</strong>ländern festgelegt, was sehr unterschiedliche<br />
Förderniveaus zur Folge hat. Zudem steigen immer wieder einzelne<br />
Bun<strong>des</strong>länder temporär oder auf Dauer aus der Förderung aus.<br />
Das steht völlig im Gegensatz dazu, dass als Umstellungsanreiz<br />
für Bauern verlässliche Rahmenbedingungen entscheidend sind.<br />
Dies ist einer der Gründe, weshalb die Umstellungsrate deutlich<br />
hinter dem Umsatzwachst<strong>um</strong> der Bio-Branche zurückbleibt.<br />
Der wesentliche G<strong>rund</strong> für den zu geringen Zuwachs an Öko-<br />
Fläche in Deutschland ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG).<br />
Durch die dort festgeschriebene Einspeisevergütung für Strom<br />
aus Bio-Gasanlagen, ist der Anbau von Mais für Biogas-Anlagen<br />
wirtschaftlich sehr viel lukrativer als die Umstellung auf Öko-<br />
Landbau. Zudem steigen die Pachtpreise durch die Biogas-Förderung<br />
so stark, dass Öko-Betriebe nicht mehr mithalten können.<br />
Nicht nur aus ökonomischer, auch aus ökologischer Sicht ist hier<br />
dringend eine Korrektur notwendig. Die Preiserwartungen der<br />
Landwirte, insbesondere im konventionellen Ackerbau, sind seit<br />
einiger Zeit sehr hoch, sodass die mit einer Umstellung verbundenen<br />
Ertragsrückgänge und Risiken nicht eingegangen werden.<br />
EU-Agrarpolitik: den Öko-Landbau stärken<br />
Ohne die zusätzliche Förderung für ökologische Leistungen im<br />
Rahmen der Agrar<strong>um</strong>weltprogramme würden die Gewinne der<br />
Bio-Betriebe deutlich geringer ausfallen als die der konventionellen<br />
Vergleichsbetriebe [6]. Dies ist jedoch im Kontext zu<br />
sehen, dass konventionelle Betriebe Folgekosten ihrer Produktion<br />
externalisieren. Ab 2014 wird die Agrarförderung stärker an<br />
ökologische und soziale Kriterien gebunden und die Stellung <strong>des</strong><br />
Öko-Landbaus in der Förderstruktur gestärkt. Gleichwohl werden<br />
nur geringe Anpassungen erwartet und letztlich wird das Ergebnis<br />
vom insgesamt zur Verfügung stehenden Agrarbudget der<br />
EU, sowie Deutschlands und der Bun<strong>des</strong>länder abhängen.<br />
Unterschiedliche Fördermaßnahmen in den<br />
Bun<strong>des</strong>ländern<br />
Weitere Programme der Länder neben der Flächenförderung sind<br />
<strong>z<strong>um</strong></strong> Teil öko-spezifisch, <strong>z<strong>um</strong></strong> Teil stehen sie sowohl konventionellen<br />
als auch ökologischen Unternehmen offen. Zu den Maßnahmen<br />
gehören die Förderung von Erzeugerzusammenschlüssen,<br />
die Finanzierung von Beratungsangeboten, Maßnahmen <strong>z<strong>um</strong></strong><br />
Ausbau der Verarbeitung und Vermarktung sowie zur Verbraucherinformation und die<br />
Bereitstellung von Forschungsgeldern. Auch ist eine langsame Ausweitung der Ausbildungsangebote<br />
<strong>z<strong>um</strong></strong> Öko-Landbau an Berufs- und Fachschulen sowie Hochschulen zu beobachten.<br />
Die von den Ländern eingesetzten Förderinstr<strong>um</strong>ente und vor allem die Höhe<br />
der dafür bereitgestellten Lan<strong>des</strong>mittel variieren auch hier <strong>z<strong>um</strong></strong> Teil beträchtlich [7].<br />
Neue Förderansätze in der Bun<strong>des</strong>politik<br />
Um strukturelle Hemmnisse zu überwinden und die Nachfrage nach Bio-Produkten auszuweiten,<br />
etablierte der <strong>Bund</strong> ein staatliches Bio-Siegel (á Frage 4) und führte 2001 das<br />
Bun<strong>des</strong>programm <strong>Ökologische</strong>r Landbau ein. Mit dem Bun<strong>des</strong>programm wird der Öko-<br />
Sektor erstmalig über mehrere Jahre mit zweistelligen Millionenbeträgen außerhalb<br />
der Flächenförderung unterstützt [4; 7]. Schwerpunkte <strong>des</strong> BÖL sind die Forschungsförderung,<br />
Maßnahmen zur Information der Verbraucher und zur Qualifizierung von<br />
Fachkräften für die ökologische Lebensmittelwirtschaft. Seit 2011 ist das Bun<strong>des</strong>programm<br />
aus politischen Gründen auch für „andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft“<br />
geöffnet worden.<br />
Quellen, weiterführende Literatur und Links:<br />
[1] Forsa (2012): Telefonische Repräsentativbefragung<br />
im Auftrag <strong>des</strong> BUND: Meinungen zu Subventionen für<br />
Landwirte. www.bund.net<br />
[2] Dabbert, S. und Häring, A. M. (2003): Vom Aschenputtel<br />
<strong>z<strong>um</strong></strong> Lieblingskind – Zur Förderung <strong>des</strong> Ökolandbaus.<br />
Gaia 12/2, S. 100–106.<br />
[3] Mann, S. (2003): Meritorik und Transaktionskosten –<br />
Ökonomische Arg<strong>um</strong>ente für eine Ökolandbauförderung.<br />
Gaia 12/2, S. 107–110.<br />
[4] Isermeyer, F. et al. (2001): Bun<strong>des</strong>programm<br />
<strong>Ökologische</strong>r Landbau: Entwurf der vom BMVEL beauftragten<br />
Projektgruppe. Braunschweig.<br />
[5] Europäische Kommission (2012): <strong>Ökologische</strong>r Landbau<br />
und Entwicklung <strong>des</strong> ländlichen Ra<strong>um</strong>s. Abrufbar unter<br />
www.ec.europa.eu > Landwirtschaft > Politikfelder ><br />
ökologischer Landbau > ökologischer Landbau und<br />
Entwicklung <strong>des</strong> ländlichen Ra<strong>um</strong>s.<br />
[6] Sanders, J., Nieberg, H. und Offermann, F. (2010):<br />
Bedeutung der Ökoprämie für die Wirtschaftlichkeit <strong>des</strong><br />
ökologischen Landbaus. Ländlicher Ra<strong>um</strong>, Band 61, Heft 2,<br />
S. <strong>28</strong>–29, deutsch.<br />
[7] Nieberg, H., Kuhnert, H. und Sanders, J. (2011):<br />
Förderung <strong>des</strong> ökologischen Landbaus in Deutschland –<br />
<strong>Stand</strong>, Entwicklung und internationale Perspektive. 2., überarb.<br />
u. aktualis. Aufl. Braunschweig: vTI, XII, 265, 70 Seiten,<br />
Landbauforschung vTI agriculture and forestry research –<br />
Sonderheft 347, deutsch; literatur.vti.bund.de/<br />
[8] Kuhnert, H. (2006): Social Marketing – ein Konzept für<br />
die Gestaltung von Politik zur Ausweitung <strong>des</strong> ökologischen<br />
Landbaus in Deutschland? Agrarwirtschaft 55, Heft 2,<br />
S. 112–126.<br />
Dabbert, S., Häring, A. M. und Zanoli, R. (2002): Politik für<br />
den Öko-Landbau. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.<br />
Kuhnert, H., Feindt, P. H. und Beusmann, V. (2005):<br />
Ausweitung <strong>des</strong> ökologischen Landbaus in Deutschland –<br />
Voraussetzungen, Strategien, Implikationen, politische<br />
Optionen. Schriftenreihe <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>ministeri<strong>um</strong>s für<br />
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Reihe A:<br />
Angewandte <strong>Wissens</strong>chaft, Heft 509. Landwirtschaftsverlag,<br />
Münster-Hiltrup.<br />
Lampkin, N., Padel, S. und Foster, C. (2001): Entwicklung<br />
und politische Rahmenbedingungen <strong>des</strong> ökologischen<br />
Landbaus in Europa. Agrarwirtschaft 50, Heft 7, S. 390–394.<br />
Sanders, J., Nieberg, H. und Offermann, F. (2011): Impact<br />
of the 2003 CAP Reform on organic farming in Germany.<br />
In: Sorrentino Alessandro, Henke Roberto, Severini Simone<br />
(Hrsg.). The Common Agricultural Policy after the Fischler<br />
reform: national implementations, impact assessment and<br />
the agenda for future reforms. Aldershot; Brookfield: Ashgate,<br />
S. 231–243, englisch.<br />
Sanders, J., Stolze, M. und Padel, S. (Hrsg.) (2012):<br />
Use and efficiency of public support measures adressing<br />
organic farming : study report [online]. Braunschweig:<br />
vTI, 150 Seiten, englisch, zu finden in ec.europa.eu<br />
[zitiert am 24.05.2012]; literatur.vti.bund.de/<br />
58 59<br />
Euro<br />
je ha<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Förderung <strong>des</strong> <strong>Ökologische</strong>n Landbaus in verschiedenen Ländern Europas<br />
(Beibehaltungsprämien für Ackerland 2004) [7]<br />
DE<br />
Höhe variiert nach Bun<strong>des</strong>land / Region<br />
1)<br />
AT BE DK ES FI FR GR IE IT LU PT<br />
2)<br />
SE UK BG<br />
Höhe variiert nach Bun<strong>des</strong>land / Region<br />
CZ<br />
EE HU LT LV PL 3) SI SK<br />
DE = Deutschland, AT = Osterreich, BE = Belgien, DK = Dänemark, ES = Spanien, FI = Finnland,<br />
FR = Frankreich, GR = Griechenland, IE = Irland, IT = Italien, LU = Luxemburg, PT = Portugal,<br />
SE = Schweden, UK = Vereinigtes Königreich, CZ = Tschechische Republik, EE = Estland,<br />
HU = Ungarn, LT = Litauen, LV = Lettland, PL = Polen, RO = R<strong>um</strong>änien, SI = Slowenien, SK = Slowakei<br />
1) Wechselkurs SEK/EUR: 9.00 (08/12/2009). 2) Wechselkurs EUR/GBP: 1.1 (12/12/2009).<br />
3) Wechselkurs PLZ/EUR: 3.9 (08/03/2010).