Ausgabe Nr. 1807 - Druckerei Franz Gescher
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„Schweres Gepäck” - Das Schicksal der Vertriebenen<br />
Der Zweite Weltkrieg löste<br />
eine beispiellose Völkerwan -<br />
derung in Europa aus. Der<br />
Heimat verein Lünten beschäftigte<br />
sich mit dem Thema der<br />
Vertriebenen aus den Ost gebieten.<br />
Die Vorsitzende Christel Höink<br />
konnte 80 Gäste begrüßen, die<br />
sich über diese Schicksale der<br />
Vertriebenen informieren wollten<br />
oder selbst betroffen waren.<br />
Warum wurden diese Menschen<br />
zu Flüchtlingen und woher<br />
stammten sie, diese Fragen erklärte<br />
Gerd Hilbing. Mit seiner Arbeit<br />
am Kreis Borken hat er sich mit<br />
der Geschichte der Vertriebenen<br />
vertraut gemacht und zeigte an<br />
Hand von Karten, aus welchen<br />
Ge bieten die 12 Millionen<br />
Vertriebenen kamen.<br />
Vor der heranrückenden Roten<br />
Ar mee Anfang 1945 flohen<br />
Hundertausende nach Westen,<br />
und die Regeln der Potsdamer<br />
Konferenz sagten unter anderem<br />
Werner Müller; Gerd Hilbing; Eva Derking; Renate Müller geborene<br />
Wünsch.<br />
aus: „Die deutschen Gebiete östlich<br />
der Oder und Lausitzer Neiße<br />
bis zu einem Friedensvertrag unter<br />
polnische/sowjetische Verwaltung<br />
zu stellen und die dortige deutsche<br />
Bevölkerung, ebenso wie die<br />
Deutschen aus der Tschechos -<br />
lowakei und Ungarn auszusiedeln”.<br />
Die Menschen wurden<br />
zwangsumgesiedelt und enteig-<br />
net. Das Referat von Eva Derking<br />
über ihre Geschichtsfacharbeit am<br />
Gymnasium Vreden erläuterte die<br />
Eingliederung der Vertrie benen<br />
aus Schlesien in Vreden und<br />
Umgebung. „Es verdeutlichte die<br />
Härte des Schicksals, vertrieben<br />
zu werden“. Der Sonderbefehl<br />
befahl diesen Menschen in der<br />
Besatzungszone, innerhalb von<br />
wenigen Stunden 20 Kilo Reise -<br />
gepäck mitzunehmen und sich<br />
für den Abtransport einzufinden.<br />
Ab Juni 1945 durften keine<br />
Wagen und Pferde mitgenommen<br />
werden, und der Hausschlüssel<br />
musste von außen in das Schloß<br />
ge steckt werden, die Nichtaus -<br />
führung wurde mit schärfsten<br />
Strafen verfolgt, einschließlich<br />
Waffengebrauch.<br />
Ein kleiner Handwagen, ein<br />
Rucksack, ein Holzkoffer sind<br />
häufig der ganze Besitz der<br />
Flüchtlinge und der Vertriebenen.<br />
Hunger, Kälte und Krankheiten<br />
begleiten ihre Flucht. Zwei<br />
Millionen Menschen verlieren<br />
dabei ihr Leben. 62 Prozent der<br />
Vertriebenen haben belastende<br />
Erinnerungen, diese Verlet zungen<br />
sitzen so tief, das sie darüber kaum<br />
oder noch nicht berichten können.<br />
Viele Familien werden auseinandergerissen,<br />
auch bei der<br />
Unterbringung in der neuen<br />
Mittwoch, 14. März 2012, <strong>1807</strong>. <strong>Ausgabe</strong> 19<br />
Heimat, so Frau Derking – das<br />
Leben in der neuen Heimat ge -<br />
staltete sich schwierig. In der Stadt<br />
Vreden können keine Vertrie -<br />
benen aufgenommen werden, da<br />
die Stadt durch Bombenangriffe<br />
zerstört war. Alle wurden in das<br />
Amt Ammeloe aufgenommen.<br />
Eva Derking erzählte die Lebens -<br />
geschichten von Frau Nowak und<br />
Frau Wünsch, verheiratete Müller,<br />
die ihr ihre Großmutter Adele<br />
Buss. geborene Wisseling und Ihre<br />
Mutter Maria Derking weitergaben.<br />
Diese beiden Flüchtlinge blieben<br />
in engem Kontakt zu der Familie<br />
Buss/Wisseling. Werner Müller<br />
kam 1946 nach Lünten, seine<br />
Familie fand Unterkunft bei der<br />
Familie Willing, Ahler-Kaiser –<br />
die Schule in Lünten besuchte er<br />
ab Ostern 1947. Er zeigte noch<br />
ein Klassenfoto mit Fräulein<br />
Setlatczek.<br />
Im Jahr 1950 kam der Vater aus<br />
der Gefangenschaft aus Russland,<br />
und sie fanden dann bei der<br />
Familie Becking eine Bleibe – später<br />
in der Siedlung in Kleinemast.<br />
Als Erinnerung blieben ihnen<br />
einen Handkoffer, eine Wasch -<br />
schüssel und viele traurige und<br />
schöne Erinnerungen – all das,<br />
Erinnerungen und Gefühle, verarbeitete<br />
Werner Müller in einem<br />
Gedicht, das alle stark berührte<br />
und an das sich alle erinnern werden.<br />
Der Kreis Borken führt heute eine<br />
Kreispartnerschaft mit dem<br />
Landkreis Breslau.