Nippeser Bürgerwehr Fest 2016/2017
Festheft der Kölner Karnevalsgesellschaft Nippeser Bürgerwehr 1903 e.V. | Weitere Informationen unter www.nippeser-buergerwehr.de
Festheft der Kölner Karnevalsgesellschaft Nippeser Bürgerwehr 1903 e.V. | Weitere Informationen unter www.nippeser-buergerwehr.de
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DER JAKOBSWEG EINMAL ANDERS<br />
ODER „PILGERN FÜR ANFÄNGER“<br />
Wie jedes Jahr wollten die aktiven Tänzer der<br />
Wache wieder ein Klausurwochende zum<br />
Zwecke des Trainings in Angriff nehmen um in<br />
der kommenden Session auch auf den Bühnen<br />
Kölns bestehen zu können.<br />
Man begann wie üblich mit der Suche nach<br />
einer geeigneten Unterkunft. Die Suche wurde<br />
zu einem schwierigen Unterfangen, denn überall<br />
dort, wo wir schon einmal waren, verweigerte man<br />
uns Herberge und Obdach. Man warf uns vor wir<br />
wären dem Alkohol zu sehr zugetan und würden<br />
des Nächtens umherstreunen und zotige Lieder<br />
singen. Ebenso legte man uns Fraternisierung<br />
mit (weiblichen) Einheimischen und Schädigung<br />
der Bausubstanz zur Last. Es half alles nichts, wir<br />
mussten uns grundlegend positiv verändern! Wir<br />
fassten ergo den einstimmigen Beschluss uns zu<br />
läutern und bessere Menschen zu werden. Was<br />
liegt näher als eine Pilgerreise.<br />
Da der Kölner an sich und der <strong>Nippeser</strong><br />
im Besondern sehr gesellige Menschen sind<br />
beschlossen wir den am stärksten bepilgerten<br />
Weg auch zu unserem zu machen, den<br />
Jaboksweg. Wir wollten ja ursprünglich in Klausur<br />
gehen und da braucht es eine Klause. Aber warum<br />
nur ein Haus, nein wir nehmen direkt einen<br />
ganzen Ort. Die Wahl viel auf den berühmten<br />
Pilgerort Klausen nahe der Mosel, gelegen in<br />
einer ansonsten nicht weiter erwähnenswerten<br />
kulturlosen Gegend ohne Nachtlokale und<br />
Fastfoodrestaurants. Der Ort Klausen liegt mitten<br />
auf dem Jakobsweg und hat natürlich auch<br />
eine jahrhunderte alte Pilgerherberge, die wir<br />
für unseren Aufenthalt auserkoren hatten. Nun<br />
zurück zu den Neupilgern. Die Brüder und unsere<br />
Mitschwester Stina fanden sich zur Abfahrt,<br />
weil zu Fuß pilgert ja jeder, an der Rennbahn ein.<br />
Die Corpsführung hatte in ihrer unendlichen<br />
Weißheit und Weitsichtigkeit befohlen uns nicht<br />
als rheinische Pilger aufzutreten, sondern uns als<br />
erzkatholische Bajuwaren zu tarnen. So trugen die<br />
Pilgerbrüder brav Lederhose und Trachtenhemd<br />
und die Schwester ihr Dirndl.<br />
Bereits auf der Fahrt nach Klausen nahmen<br />
wir es mit der Läuterung sehr ernst und hörten im<br />
Bus das Lied vom Wanderprediger und Conquest<br />
of Paradise gefolgt von am Dom zo Kölle. Zum<br />
Trunke gab es ein Bier namens Löschzwerge, um<br />
auch beim Trinken das Gespür der Pilgerbrüder<br />
für Minderheiten zu schärfen.<br />
In Klausen angekommen traf die meisten<br />
Pilger beim Anblick des Orts schier der Schlag<br />
und viele wollten spontan zum Buddhismus<br />
konvertieren. Die Ortsmitte bildete ein Richtplatz<br />
auf dem wohl 1983 erst letzte Hexe verbrannt<br />
wurde. Die Straßenbeleuchtung, war laut<br />
Aussage des Bürgermeisters, aber bereits<br />
seit nunmehr 20 Jahren elektrisch, brannte<br />
aus Umweltschutzgründen jedoch nur bis 22<br />
Uhr. Die Wasserversorgung wurde durch den<br />
Dorfbach sichergestellt und mittels Kohlefeuern<br />
erhielt das Wasser Körperpflegetemperatur.<br />
Der in der Herberge befindliche Kolonial- und<br />
Kurzwarenladen bot den Einheimischen die<br />
einzige Einkaufsmöglichkeit. Anscheinend<br />
braucht der Mensch in der Einöde weniger als<br />
der gemeine Städter. Alles in allem also für<br />
diese Gegend ein hoch moderner Ort mit fast<br />
schon urbanen Zügen. Nur unter Androhung des<br />
Fegefeuers und ewiger Inkontinenz konnte der<br />
Kommandant und Freizeitseelsoger die Männer<br />
davon abhalten das Kreuz niederzulegen. Wir<br />
stellten uns artig dem Herbergspersonal als<br />
Trachtengruppe aus Berchtesgaden vor und<br />
bezogen alsdann unseren Zellen, Kammern oder<br />
wie auch immer die Zimmer in so einer Herberge<br />
hießen.<br />
Am frühen Freitagabend wollten wir unserem<br />
inneren Auftrag folgend noch etwas pilgern. Wir<br />
folgten dem Jakobsweg, natürlich nicht zu Fuß,<br />
weiter Richtung Wittlich. Im letzten Lichte des<br />
sterbenden Tages, erblickten wir auf einem Hügel<br />
stehend, ein hell erleuchtetes Zelt. Es war fast so<br />
etwas wie eine Erscheinung, nur mit Marie aber<br />
ohne Maria. Aus dem Zelt erschallten Musik und<br />
freudige Gesänge. Waren da etwas noch mehr<br />
Pilger, oder gar Pilgerinnen? Wir begehrten<br />
Einlass und erhielten unsere VIP-Pilger-Bändchen<br />
mit der Berechtigung neben Manna und Matze<br />
auch Bier aus Krügen und allerlei Köstlichkeiten zu<br />
uns zunehmen. Das Zelt war gefüllt mit tausenden,<br />
ebenfalls als Bayern getarnter, Pilgerbrüder und<br />
Schwestern. Da man ja die selben Interessen<br />
und Ziele hatte, kam man sich schnell näher und<br />
der auf dem Hochaltar in der Mitte des Zeltes<br />
zelebrierende Vorbeter Namens Mickey Krause<br />
brachte unserem Pilgerchor einige neue Lieder<br />
bei.<br />
Da wir in unserer Herberge ja noch die<br />
Mitternachtsandacht halten wollen fuhren wir kurz<br />
vor 24 Uhr mit dem Pilger-Shuttle wieder nach<br />
Klausen. Einigen Brüdern gefiel die Andacht so gut,<br />
dass Sie diese bis in die frühen Morgenstunden<br />
ausdehnten. Nach kurzer Nacht trafen sich die<br />
Pilger zu einem kargen Frühstück um sofort im<br />
Anschluss mit den Exerzitien zu beginnen. Bruder<br />
Günter und Bruder Patrick leiteten die anderen<br />
Pilger zum Reigen an, was sich für den ein oder<br />
anderen als recht beschwerlich herausstellte.<br />
Da Schmerz bekanntlich die Seele reinigt, wurde<br />
geübt bis die Füße nicht mehr konnten.<br />
Gut das wir Shuttle-Bus-Pilger waren, denn<br />
die nächste Etappe der Pilgerreise sollte am<br />
Abend in die Stadt des heiligen Rockes, nach<br />
Trier, führen. Leider, leider, hat die Ausstellung<br />
der heiligen Textile bereits geschlossen, als wir<br />
Deutschlands älteste Stadt erreichten. Immer<br />
noch leicht bayrisch angehaucht entschlossen<br />
wir uns, natürlich nach einer Eingebung von oben,<br />
zum Besuch des Brauhauses der Paulaner Brüder.<br />
Seltsamer Weise waren in dem Haus gar keine<br />
Paulaner, was uns aber in Anbetracht der Speisenund<br />
Getränkekarte recht schnell, ziemlich egal<br />
war. Ein Beichtstuhl wurde unserer Tafel vor Kopf<br />
gestellt und ein jeder Bruder durfte von sich<br />
erzählen, nur unterbrochen von kleinen Runden<br />
edler Brände aus Wald und Flur. Tief beeindruckt<br />
vom Seelenleben unserer Mitpilger traten wir zur<br />
Mitternacht wieder die Heimfahrt nach Klausen<br />
an, um erneut die nächtliche Andacht zu halten,<br />
welche wieder einer Nachtwache gleich kam. Zum<br />
letzten Mal sang in dieser Nacht der Pilgerchor.<br />
Nach dem bekannten kargen Frühstück<br />
und der morgendlichen Andacht bestiegen wir<br />
geläutert bis zum Anschlag und mit dem Segen<br />
des Klausener Pastors, in den Bus ins hillije Kölle.<br />
Ob Klausen uns je wiedersehen will? Wir<br />
werden sehen…<br />
Markus Lambrechts<br />
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