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Teil 1

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Mannes“ wurde. Es liegen heute eine Reihe erschütternder Berichte über die große Hungersnot<br />

1844 bis 1849 in Irland vor, die in kurzer Zeit, um mit FRIEDRICH ENGELS zu sprechen „eine<br />

Million kartoffel– und fast nur kartoffelessende Irländer unter die Erde und zwei Millionen über<br />

das Meer warf“. C. WOODHAM-SMITH in „The great Hunger“, P. M. A. BOURKE in seiner<br />

Doktorarbeit: „The potato, blight, weather and the Irish famine“ und M. KLINKOWSKI in: „Catastrophic<br />

Plant Diseases“ haben uns erschütternde Einblicke in das Ausmaß des verursachten<br />

Elendes vermittelt.<br />

Es ist hier nicht der Platz, die ökonomischen und sozialen Auswirkungen der Kraut- und Braunfäule<br />

in der Geschichte auch nur in Ansätzen zu erörtern, hingewiesen werden soll nur auf die<br />

politischen Auswirkungen des „Kohlrübenwinters“ und der Berliner Hungerrevolten 1916/1917.<br />

Es waren also „gewichtige Gründe“, die seit nunmehr 150 Jahren Wissenschaftler und Praktiker<br />

des Pflanzenschutzes vor immer neue Aufgaben stellten und entsprechende Arbeiten auslösten.<br />

ANTON DE BARY legte mit der Beantwortung der vor hundert Jahren nicht nur die irischen<br />

Landwirte bewegenden Frage nach den Ursachen der Fäule im Jahre 1861 in seiner exellenten<br />

Arbeit „Die gegenwärtig herrschende Kartoffelkrankheit, ihre Ursache und Verhütung“ nicht nur<br />

den Grundstein für unser heutiges Wissen über den Erreger dieser Krankheit, sondern baute auch<br />

kräftig am Fundament der Phytopathologie als Wissenschaft. Seine Leistung kann man erst voll<br />

ermessen, wenn man das Spektrum der vermuteten Ursachen sieht, die im Sinne des Zeitgeistes<br />

jener Jahre ins Feld geführt wurden. CECIL WOODHAM-SMITH gibt uns davon eine Vorstellung:<br />

„Woher kam die Fäule? fragte das Volk, erfüllt von Furcht. Fiel sie mit dem Regen vom<br />

Himmel, schlug sie sich aus den Wolken nieder, kam sie vom Boden, wurde der Boden selbst<br />

infiziert? Tolle Vermutungen standen im Vordergrund. Verfaulten die Kartoffeln durch statische<br />

Elektrizität, die in der Atmosphäre durch Rauch und Dampf erzeugt wird, die durch die Hunderte<br />

neu in Verwendung genommenen Lokomotiven ausgestoßen wurden? Oder wurde die Krankheit<br />

durch tödliche Dämpfe hervorgerufen, die von erloschenen Vulkanen im Erdinnern stammten?<br />

Dann wurde eine andere Theorie modern, die den Vogeldünger, stammend von Seevögeln,<br />

als Krankheitsursache oder Überträger verantwortlich machte. Von County Clare kam eine neue<br />

Theorie; ein Feld war teilweise mit Kleidern bedeckt, die zum Trocknen ausgebreitet waren, die<br />

abgedeckten <strong>Teil</strong>e blieben von der Fäulnis verschont, - „das beweist, dass die Krankheit aus der<br />

Luft kommt, berichtete die ‚Nation’.“ Am Rande sei vermerkt, dass trotz der Arbeit de Barys<br />

Justus von Liebig noch 1865 an Ernährungsstörungen als Ursache der Krankheit festhielt. Ein<br />

Beispiel aus der Geschichte der Wissenschaft, das uns zeigt, wie engstirniges Spezialistentum<br />

und Einseitigkeit im wissenschaftlichen Herangehen auch bei „großen Namen“ den Blick auf die<br />

Realitäten behindert.<br />

Im Jahre 1876 gab de Bary dem Erreger den noch heute gültigen Namen Phytophthora infestans.<br />

Er wurde als Oomyzet zu den Pilzen gerechnet. Seine taxonomische Stellung wechselte mit den<br />

Jahren häufig. Heute ist man eher geneigt, ihn der Abteilung Heterokonta der Algen zuzuordnen.<br />

Seit jener Zeit sind 150 Jahre vergangen, unser Wissen hat sich durch die Arbeit von Generationen<br />

von Wissenschaftlern vervielfacht und noch immer fordert die Phytophthora ihren Tribut. U.<br />

DARSOW beziffert in einer in diesem Jahr veröffentlichten Arbeit Bekämpfungskosten und<br />

verbleibende Schadwirkung auf etwa 470 EURO/ha (150 EURO für die chemische Bekämpfung,<br />

250 EURO Ertragseinbuße und 70 EURO durch Braunfäule). Hat Wissenschaft und Pflanzenschutz<br />

versagt? Natürlich nicht, wenn auch gerade am Objekt „Phytophthora“ viel Lehrgeld bezahlt<br />

werden musste. Die große Anpassungsfähigkeit des Erregers hat uns vor Augen geführt,<br />

dass ihm mit einseitigen Maßnahmen, die bedingt durch wissenschaftliche „Moden“ das Pendel<br />

einmal in Richtung „Chemie“, ein andermal in Richtung „Resistenzzüchtung“ ausschlagen ließen,<br />

leider häufig begleitet vom Vernachlässigen der Arbeiten und der Finanzierung und Förderung<br />

der jeweils nicht präferierten Arbeitsrichtungen, nicht beizukommen ist.<br />

Sicher ist auch, dass in der Resistenzzüchtung selbst, unter dem Eindruck der wiederentdeckten<br />

Mendelschen Regeln, dem einfachen Erbgang bei der Arbeit mit dominanten Haupt – oder Resistenzgenen,<br />

vorwiegend aus der Wildkartoffel Solanum demissum, jahrelang auf die rassenspezifische<br />

Resistenz gesetzt und immer wieder neue Pathotypen herausgezüchtet wurden. Dazu<br />

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