Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

der. Dagmar, meine Frau, war freilich nicht allzu begeistert, hatte sie sich doch ihr neues Heim etwas geordneter vorgestellt ; ich allerdings auch, zumindest was das regel - mäßige Beobachten der Tiere betraf. Doch vor lauter Ersatzmutterschaft war dazu kaum Zeit. Es ging auch alles unerhört schnell. An einem Tag konnten die Welpen gerade auf dem Bauch herumrutschen, am nächsten standen sie schon, und als gleich danach kein Hindernis mehr hoch genug war, nicht überklettert zu werden, waren alle Dämme gebrochen. Unser Wohnzimmer wurde zum Spielplatz umfunktioniert. Über den Zustand, in dem sich alsbald Teppiche und Möbel befanden, will ich gar nicht erst berichten, auch nicht über den sich allmählich im ganzen Haus verbreitenden Duft . So war alles mehr oder weniger in bester Ordnung. Nur weitere Wolfswelpen fehlten mir noch. Nachdem ich aus Neumünster nur einen Welpen bekommen hatte, erkundigten wir uns bei einer Vielzahl zoologischer Gärten, ob sie die Geburt junger europäischer Wölfe erwarteten und einige davon abgeben könnten. Die meisten europäischen Zoos haben aber Wölfe aus Nordamerika oder irgendwel che Mischlinge unbekannter Herkunft . So wurde die Situation allmählich brenzlig. Was sollte ich ohne Wölfe machen ? Dann kam eines Tages jemand bei uns vorbei, der sagte, in der Zeitung habe er gelesen, ich suchte junge Wölfe ; er habe einen. Wir waren sprachlos. Sollte dieser unsinnige »Bildzeitungs«-Bericht doch von Nutzen gewesen sein ? Der Mann war Schäferhundzüchter und wollte zur Verbesse- 90

ung der Zucht, wie er meinte, einen Wolf in seine Gruppe einkreuzen. Dazu hatte er bei einem privaten Händler ein junges Weibchen gekauft , das er mit seinem Schäferhund kreuzen wollte. Der Händler hatte ihm aber auch noch einen Bruder des Weibchens mitgegeben, und da er diesen nicht brauchen konnte, brachte er ihn uns gleich mit. Der kleine Wolf lag zusammen mit seiner Schwester völlig verdreckt und stinkend in einer engen Kiste. Der Tierhändler hatte behauptet, die beiden Welpen stammten von sibirischen Wölfen ab ; wo und wann sie geboren waren, konnte er jedoch nicht sagen. Ich schätzte ihr Alter auf etwa fünf bis sechs Wochen. Beide Tiere waren sehr scheu. Sie verkrochen sich sofort in eine Ecke unter dem Bett, wobei jedes versuchte, den Kopf unter dem Körper des anderen zu verstecken. Wir hoben sie in dieser Vogel- Strauß-Haltung hoch, aber sie rührten sich nicht ; vor Angst waren sie völlig steif. Off enbar hatten sie seit Tagen nichts zu fressen bekommen, denn ihre Mägen waren leer. Das dargebotene Futter rührten sie indes nicht an, auch dann nicht, als wir uns entfernten und sie von außen durch das Fenster beobachteten. So, wie wir sie auf den Boden hingelegt hatten, blieben sie wie erstarrt liegen. Eine Empfehlung für den Tierhandel war dieser kleine Haufen Elend wahrlich nicht. Ich zögerte lange, ob ich den Rüden behalten sollte. Da er nicht wie die anderen Tiere unter kontrollierten Bedingungen aufgezogen war, konnte ich ihn für meine Arbeit nicht verwenden. Aber was sollte ich sonst mit ihm tun ? Schließlich hatte ich bis jetzt ja nur 91

der. Dagmar, meine Frau, war freilich nicht allzu begeistert,<br />

hatte sie sich doch ihr neues Heim etwas geordneter<br />

vorgestellt ; ich allerdings auch, zumindest was das regel -<br />

mäßige Beobachten der Tiere betraf. Doch vor lauter Ersatzmutterschaft<br />

war dazu kaum Zeit. Es ging auch alles unerhört<br />

schnell. An einem Tag konnten die Welpen gerade auf<br />

dem Bauch herumrutschen, am nächsten standen sie schon,<br />

<strong>und</strong> als gleich danach kein Hindernis mehr hoch genug war,<br />

nicht überklettert zu werden, waren alle Dämme gebrochen.<br />

Unser Wohnzimmer wurde zum Spielplatz umfunktioniert.<br />

Über den Zustand, in dem sich alsbald Teppiche<br />

<strong>und</strong> Möbel befanden, will ich gar nicht erst berichten, auch<br />

nicht über den sich allmählich im ganzen Haus verbreitenden<br />

Duft .<br />

So war alles mehr oder weniger in bester Ordnung. Nur<br />

weitere <strong>Wolf</strong>swelpen fehlten mir noch. Nachdem ich aus<br />

Neumünster nur einen Welpen bekommen hatte, erk<strong>und</strong>igten<br />

wir uns bei einer Vielzahl zoologischer Gärten, ob<br />

sie die Geburt junger europäischer Wölfe erwarteten <strong>und</strong><br />

einige davon abgeben könnten. Die meisten europäischen<br />

Zoos haben aber Wölfe aus Nordamerika oder irgendwel che<br />

Mischlinge unbekannter Herkunft . So wurde die Situation<br />

allmählich brenzlig. Was sollte ich ohne Wölfe machen ?<br />

Dann kam eines Tages jemand bei uns vorbei, der sagte,<br />

in der Zeitung habe er gelesen, ich suchte junge Wölfe ; er<br />

habe einen. Wir waren sprachlos. Sollte dieser unsinnige<br />

»Bildzeitungs«-Bericht doch von Nutzen gewesen sein ? <strong>Der</strong><br />

Mann war Schäferh<strong>und</strong>züchter <strong>und</strong> wollte zur Verbesse-<br />

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