Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

download.hg13.de
von download.hg13.de Mehr von diesem Publisher
09.12.2012 Aufrufe

unsicher verhielt und leise winselte, war sie im geschlossenen Wald wie verändert. Sie sprang im dichten Unterholz herum, und ich hatte alle Mühe, sie im Auge zu behalten. Einmal blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen und starrte in den Hochwald. Ich ging weiter, aber sie blieb stehen. Unruhig, mit leicht eingeknickten Hinterbeinen, aber hochgehobenem Kopf und gespitzten Ohren, starrte sie voraus, wufft e, machte ein paar Schritte vorwärts, kehrte um, rannte zurück. Ich hatte keine Ahnung, was los war, konnte auch vor uns nichts erkennen und ging wieder wei ter. Mit eingeknickten Beinen und immer aufs neue sichernd schlich Anfa sich hinterher. Schließlich erkannte ich, was sie so beunruhigte : Etwa fünfzig Meter vor uns stand ein alter, überwachsener Pfl ug, wie man ihn früher im Wald benutzte. Unter dem vergilbten Gras und mit seiner rostigbraunen Farbe war er kaum als etwas dem Wald nicht Zu -gehöriges zu erkennen. Auch die Form fügte sich in die Unterholzvegetation ein. Er sah aus wie das Wurzelwerk eines umgefallenen und vermoderten Baumes. Ob wohl ich hier schon häufi g vorbeigegangen war, hatte ich diesen Pfl ug noch nie bemerkt. Doch Anfa, die kaum über das Gras hinwegschauen konnte, erkannte das Gerät schon von weitem und reagierte, als bedeute der Pfl ug eine gro ße Gefahr für sie. Wie war das nur möglich ? Wie er -kannte sie, die zum erstenmal in ihrem Leben in einem Wald war, daß der Pfl ug etwas Fremdes, vom Menschen Gemachtes war ? Wir gingen weiter und erreichten eine kleine Lichtung mit einem Hochstand, zu dem eine Holzleiter hinauff ührte. 84

Als wir an diesem Hochstand vorbeikamen, machte Anfa unvermittelt einen riesigen Satz in den Wald hinein. Wieder fragte ich mich, wie sie wohl erkannte, daß die Leiter und der Hochstand oben in der alten Fichte etwas Naturfremdes waren, und warum sie davor Angst hatte. Langsam führte ich sie an die Holzleiter heran. Vorsichtig beschnupperte sie diese und lief dann unbekümmert weiter, und ich war wieder voller neuer Fragen. In den nächsten Tagen und Wochen wurde Anfa auch außerhalb von Haus und Garten immer selbständiger. Das von ihr erkundete Gebiet um unser Haus wurde ständig größer, doch blieb sie, wenn allein, stets in Hausnähe. Nur Dagmar und mir folgte sie auf weitere Ausfl üge. Dabei entfernte sie sich kaum weiter als dreißig Meter von uns. Hatte sie uns einmal verloren, winselte sie, zuerst leise, dann im - mer lauter ; manchmal ging das Winseln in ein Heulen über. Fand sie uns wieder, kam sie schnell angerannt. Die Beine waren dabei eingeknickt. Kurz vor uns ging sie hinten fast in eine Hocke und urinierte nicht selten dabei. Sie wedelte mit dem Schwanz, rollte sich auf den Rücken, sprang an uns hoch und versuchte, wenn wir uns niederbeugten, das Gesicht oder die hingehaltene Hand zu lecken. Alles war sehr stürmisch, sehr ausdrucksstark. Im Haus oder im Garten begrüßte sie auch ihr fremde Personen auf jene Weise, wenn diese sich langsam und vorsichtig bewegten. Auf dem Feld oder im Wald geriet sie dagegen geradezu in Panik, wenn sie einen fremden Menschen entdeckte, und fl üchtete sofort ins nächste dichte Unterholz. Auch zeigte 85

Als wir an diesem Hochstand vorbeikamen, machte Anfa<br />

unvermittelt einen riesigen Satz in den Wald hinein. Wieder<br />

fragte ich mich, wie sie wohl erkannte, daß die Leiter<br />

<strong>und</strong> der Hochstand oben in der alten Fichte etwas Naturfremdes<br />

waren, <strong>und</strong> warum sie davor Angst hatte. Langsam<br />

führte ich sie an die Holzleiter heran. Vorsichtig beschnupperte<br />

sie diese <strong>und</strong> lief dann unbekümmert weiter, <strong>und</strong> ich<br />

war wieder voller neuer Fragen.<br />

In den nächsten Tagen <strong>und</strong> Wochen wurde Anfa auch<br />

außerhalb von Haus <strong>und</strong> Garten immer selbständiger. Das<br />

von ihr erk<strong>und</strong>ete Gebiet um unser Haus wurde ständig<br />

größer, doch blieb sie, wenn allein, stets in Hausnähe. Nur<br />

Dagmar <strong>und</strong> mir folgte sie auf weitere Ausfl üge. Dabei entfernte<br />

sie sich kaum weiter als dreißig Meter von uns. Hatte<br />

sie uns einmal verloren, winselte sie, zuerst leise, dann im -<br />

mer lauter ; manchmal ging das Winseln in ein Heulen<br />

über. Fand sie uns wieder, kam sie schnell angerannt. Die<br />

Beine waren dabei eingeknickt. Kurz vor uns ging sie hinten<br />

fast in eine Hocke <strong>und</strong> urinierte nicht selten dabei. Sie<br />

wedelte mit dem Schwanz, rollte sich auf den Rücken, sprang<br />

an uns hoch <strong>und</strong> versuchte, wenn wir uns niederbeugten,<br />

das Gesicht oder die hingehaltene Hand zu lecken. Alles<br />

war sehr stürmisch, sehr ausdrucksstark. Im Haus oder<br />

im Garten begrüßte sie auch ihr fremde Personen auf jene<br />

Weise, wenn diese sich langsam <strong>und</strong> vorsichtig bewegten.<br />

Auf dem Feld oder im Wald geriet sie dagegen geradezu in<br />

Panik, wenn sie einen fremden Menschen entdeckte, <strong>und</strong><br />

fl üchtete sofort ins nächste dichte Unterholz. Auch zeigte<br />

85

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!