Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

und urinierte Anfa nur nach einer Bauchmassage. Mit zehn Tagen machte sie es zum erstenmal selbständig auf kleinen, wackligen Beinen, und schon mit vierzehn Tagen setzte sie den Kot möglichst weit von ihrer Kiste ab. Off ensichtlich konnte sie sich jetzt schon im Raum orientieren. Setzte ich sie aber außerhalb des Zimmers ab, fi ng sie laut an zu »weinen«. Sie befand sich in einer Phase sehr schneller Entwicklung, und ich kam mit dem Protokollieren neu beobachteter Verhaltensweisen kaum nach. Wenn ich ins Institut nach Kiel fuhr, steckte ich Anfa unter meine Jacke und trug sie, wie ein Känguruh sein Junges, mit mir herum. Meistens schlief sie die ganze Strecke. Im Alter von siebzehn Tagen aber steckte sie einmal ihren Kopf aus der Jacke und fi ng an zu heulen. Es war ein helles, aber schönes, melodisches Heulen und dauerte vielleicht zwanzig Sekunden. Danach verkroch sie sich wieder in meine Jacke, rollte sich ein und schlief weiter. Als Anfa vierundzwanzig Tage alt war, gab ich ihr zum erstenmal gehacktes Fleisch. Sie verschlang es und bekam von da an täglich größere Portionen. Entsprechend der Zunahme festen Futters im Speiseplan wurde aber auch der Kot Anfas größer und, was noch schlimmer war, übelriechender. Trotz meiner Bemühungen, Kot und Urin sofort aufzuwischen, zerfetzte Kleidungsstücke zu entfernen, umgefallene Kisten, Stühle, niedergerissene Bücher wieder aufzustellen, mehrten sich Dagmars Proteste, und schließlich mußte ich nachgeben : Anfa kam aus dem Haus, vorerst tagsüber. Während sie wenige Tage zuvor in fremder Umge- 82

ung noch große Angst gezeigt hatte, tollte sie jetzt – wieder ein Entwicklungssprung – im Garten herum, untersuchte jede Ecke, spielte mit Stöcken, biß in Blumen hinein und rollte sich schließlich neben mir im Gras ein und schlief. Erst Jahre später konnte ich beobachten, wie natürlich aufwachsende Wolfswelpen im Alter von gut drei Wochen zum erstenmal ihre Wolfshöhle verlassen und immer größere Erkundungsgänge um die Höhle machen. Im Alter von sechs Wochen halten sie sich schon recht lange außerhalb der Höhle auf und schlafen auch mal, in einem Haufen zusammengedrängt, im Freien. Anfa entwickelte sich also in dieser Hinsicht recht normal. Nachts kam sie vorerst wieder ins Haus und in ihre Kiste. Da sie jetzt mehr und mehr feste Nahrung zu sich nahm, brauchte sie nicht mehr, wie anfänglich alle zwei Stunden, Tag und Nacht ihre Milch. Die Pausen zwischen den Fütterungen wurden immer länger. Sie wurde zunehmend selbständiger und suchte nur noch beim Schlafen den engen Kontakt zu mir. Außerhalb des Gartens jedoch lief sie mir auf Schritt und Tritt nach und traute sich nur in meiner Begleitung auf längere Erkundungsausfl üge. Erster Spaziergang Im Alter von acht Wochen folgte mir Anfa zum erstenmal über das große Feld in den etwa vierhundert Meter entfernten Wald. Während sie sich im off enen Gelände sehr 83

ung noch große Angst gezeigt hatte, tollte sie jetzt – wieder<br />

ein Entwicklungssprung – im Garten herum, untersuchte<br />

jede Ecke, spielte mit Stöcken, biß in Blumen hinein <strong>und</strong><br />

rollte sich schließlich neben mir im Gras ein <strong>und</strong> schlief.<br />

Erst Jahre später konnte ich beobachten, wie natürlich aufwachsende<br />

<strong>Wolf</strong>swelpen im Alter von gut drei Wochen zum<br />

erstenmal ihre <strong>Wolf</strong>shöhle verlassen <strong>und</strong> immer größere<br />

Erk<strong>und</strong>ungsgänge um die Höhle machen. Im Alter von<br />

sechs Wochen halten sie sich schon recht lange außerhalb<br />

der Höhle auf <strong>und</strong> schlafen auch mal, in einem Haufen<br />

zusammengedrängt, im Freien.<br />

Anfa entwickelte sich also in dieser Hinsicht recht normal.<br />

Nachts kam sie vorerst wieder ins Haus <strong>und</strong> in ihre Kiste.<br />

Da sie jetzt mehr <strong>und</strong> mehr feste Nahrung zu sich nahm,<br />

brauchte sie nicht mehr, wie anfänglich alle zwei St<strong>und</strong>en,<br />

Tag <strong>und</strong> Nacht ihre Milch. Die Pausen zwischen den Fütterungen<br />

wurden immer länger. Sie wurde zunehmend selbständiger<br />

<strong>und</strong> suchte nur noch beim Schlafen den engen<br />

Kontakt zu mir. Außerhalb des Gartens jedoch lief sie mir<br />

auf Schritt <strong>und</strong> Tritt nach <strong>und</strong> traute sich nur in meiner<br />

Begleitung auf längere Erk<strong>und</strong>ungsausfl üge.<br />

Erster Spaziergang<br />

Im Alter von acht Wochen folgte mir Anfa zum erstenmal<br />

über das große Feld in den etwa vierh<strong>und</strong>ert Meter entfernten<br />

Wald. Während sie sich im off enen Gelände sehr<br />

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