Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
ken läuteten, und das passiert hier in Niederbayern häufi g am Tag, fi ngen die Wölfe nämlich an zu heulen. Und weil es so schön war, auch immer wieder zwischendurch. Nie zuvor habe ich Wölfe gehabt, die so viel heulten, und das auch noch mitten im Dorf. Anfänglich, als die Wölfe noch klein und niedlich waren, fanden es alle lustig. Dann aber kamen die Beschwerden. Besonders bei den Begräbnissen hörte man es nicht gern. Doch jedesmal wenn zu den getragenen Klängen der Blaskapelle der freiwilligen Feuerwehr der Sarg langsam hinabgesenkt wurde und die Trauernden weinten, stimmten die Wölfe, keine fünfzig Meter entfernt, heulend mit ein. Das ging zu weit. Die Ablehnung im Dorf wurde immer stärker. Einer der Dorfb ewohner meldete sich beim Amtsarzt krank, weil er das Heulen einfach nicht mehr aushielt. Nun gibt es zwar im Dorf einige Hunde, die mitunter die ganze Nacht bellen, ferner ein paar Halbwüchsige, die auf dem Schulhof vorzugsweise zu später Stunde mit ihren frisierten Mopeds Rennen veranstalten, und auch die Luft waff e kann es nicht lassen, immer wieder einige ihrer Maschinen im Tieffl ug übers Dorf zu schicken. Doch es waren die Wölfe, die den Bedauernswerten krank machten. Ein anderer Mann aus dem Dorf beantragte auf dem Landratsamt einen Waff enschein »zwecks der Wölfe«, wie er angab, falls sie einmal ausbrechen sollten. Und jetzt war es soweit. Was ich stets als unmöglich abgetan hatte, war doch geschehen : Die Wölfe waren los und ich zu allem Überfl uß weit weg. Zuallererst rief Dagmar 592
ei dem Nachbarn an, der sich in meiner Abwesenheit um die Tiere kümmerte. Aber der war beim Arzt. Dann rief sie beim Stellvertreter meines Stellvertreters an. Doch der war unauffi ndbar. Schließlich rief sie bei mir im Schneideraum der Bavaria in Geiselgasteig an, wo wir just letzte Hand an den Film legten, in dem die vier Wölfe den Hauptpart spielten : »Die Wölfe von Val Orfento«. Viel war am Telefon nicht zu verstehen, außer daß etwas Furchtbares passiert sei. Ich versuchte, Dagmar zu beschreiben, wo die Leinen für die Wölfe waren, damit sie die Ausreißer wieder einfangen könne. Meine Sätze gingen jedoch in ihrem Schreien unter. Ich bekam lediglich mit, daß die Kinder gerade auf den Schulhof strömten, wo die Wölfe noch mit den Hühnern … – da stürzte ich auch schon zum Auto, um zu retten, was noch zu retten war. Doch nach Peterskirchen fährt man auch bei schnellstem Tempo von München aus mindestens zwei Stunden. Inzwischen waren die Kinder wirklich auf den Schulhof gestürmt. Vor lauter Schreck über den vielen Lärm hatten die Wölfe daraufh in die Hühner fallen lassen und waren auf die Dorfstraße gelaufen. Dort töteten sie zuerst blitzschnell eine Katze und faßten dann abermals je ein Huhn des Nachbarn. Als die Polizei nicht gerade leise anrückte, luden die Wölfe ihre neue Beute mitten auf der Dorfstraße ab und holten sich gleich weitere Hühner beim Nachbarn gegenüber. Das Durcheinander war perfekt. Unter Polizeischutz brachte man einen Teil der Kinder zurück in die Schule, die gerade eingeschulten Erstkläßler 593
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ken läuteten, <strong>und</strong> das passiert hier in Niederbayern häufi g<br />
am Tag, fi ngen die Wölfe nämlich an zu heulen. Und weil<br />
es so schön war, auch immer wieder zwischendurch. Nie<br />
zuvor habe ich Wölfe gehabt, die so viel heulten, <strong>und</strong> das<br />
auch noch mitten im Dorf. Anfänglich, als die Wölfe noch<br />
klein <strong>und</strong> niedlich waren, fanden es alle lustig. Dann aber<br />
kamen die Beschwerden. Besonders bei den Begräbnissen<br />
hörte man es nicht gern. Doch jedesmal wenn zu den getragenen<br />
Klängen der Blaskapelle der freiwilligen Feuerwehr<br />
der Sarg langsam hinabgesenkt wurde <strong>und</strong> die Trauernden<br />
weinten, stimmten die Wölfe, keine fünfzig Meter entfernt,<br />
heulend mit ein.<br />
Das ging zu weit. Die Ablehnung im Dorf wurde immer<br />
stärker. Einer der Dorfb ewohner meldete sich beim Amtsarzt<br />
krank, weil er das Heulen einfach nicht mehr aushielt.<br />
Nun gibt es zwar im Dorf einige H<strong>und</strong>e, die mitunter die<br />
ganze Nacht bellen, ferner ein paar Halbwüchsige, die auf<br />
dem Schulhof vorzugsweise zu später St<strong>und</strong>e mit ihren frisierten<br />
Mopeds Rennen veranstalten, <strong>und</strong> auch die Luft waff e<br />
kann es nicht lassen, immer wieder einige ihrer Maschinen<br />
im Tieffl ug übers Dorf zu schicken. Doch es waren die<br />
Wölfe, die den Bedauernswerten krank machten. Ein anderer<br />
Mann aus dem Dorf beantragte auf dem Landratsamt<br />
einen Waff enschein »zwecks der Wölfe«, wie er angab, falls<br />
sie einmal ausbrechen sollten.<br />
Und jetzt war es soweit. Was ich stets als unmöglich abgetan<br />
hatte, war doch geschehen : Die Wölfe waren los <strong>und</strong><br />
ich zu allem Überfl uß weit weg. Zuallererst rief Dagmar<br />
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