Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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– wenn die Verfolgung der Wölfe lange Zeit nachgelassen hatte, weil die Männer im Krieg waren oder nicht mehr lebten ; – wenn die Frauen und die Alten allein und unbewaff net zu Hause blieben und die Kinder das Vieh hüten mußten ; – wenn den Wölfen andere Beute fehlte und ihr Hunger groß war. Solche Bedingungen gab es in Europa besonders im Mittelalter. Daher dürft en sich die meisten Überfälle von Wölfen auf Menschen – wenn überhaupt – während dieser Zeit zugetragen haben. Mit der besseren Bewaff nung der Menschen und der stärkeren Verfolgung des Wolfes in den folgenden Jahrhunderten wurde die Gefahr dann immer geringer, und Überfälle wurden entsprechend seltener. Heute sind derartige Bedingungen in Europa nirgendwo auch nur ansatzweise gegeben. Wolfsüberfälle sind bei uns nicht mehr aktuell, ja nahezu undenkbar. Auch in Nordamerika sind und waren die Verhältnisse niemals so, daß von Wölfen eine Gefahr für Menschen hätte ausgehen können, und zwar zu Zeiten der Indianer ebenso wie danach ; das erklärt das völlige Fehlen glaubwürdiger Berichte über Wolfsüberfälle auf dem Subkontinent. Doch nicht überall im Verbreitungsgebiet des Wolfes ist die Entwicklung so weit fortgeschritten wie beiderseits des Atlantiks. In anderen Weltgegenden gleichen die Lebensbedingungen der Menschen von heute noch großenteils jenen ihrer Vorfahren in früheren Jahrhunderten. So wird in Indien noch immer vom »child lift ing« der dortigen 562

Wölfe berichtet ; daß Wölfe kleine Kinder rauben sollen, ist für uns kaum vorstellbar, für meine indischen Kollegen aber bar jeden Zweifels. Aus Indien stammen auch die meisten Berichte über Wolfskinder, an deren Existenz man dort ebenfalls fest glaubt, während bei uns die Geschichte etwa von Romulus und Remus zu Recht in den Bereich der Sage fällt. Bei der langsamen, jahrelangen Entwicklung des Säuglings im Vergleich zu der kurzen Laktationszeit einer Wölfi n von maximal zehn bis zwölf Wochen ist eine andere Interpretation auch gar nicht möglich. Doch die Phantasiebezogenheit einer Geschichte muß den Wahrheitsgehalt einer anderen nicht schmälern. Das Wolfsbild heute In Abhängigkeit von ihrer realen Beziehung zum Wolf hat sich das Bild, das die Menschen sich von ihm machten, unablässig gewandelt. Für unsere noch jagenden Vorfahren war der Wolf lediglich ein weiterer Jäger und manchmal auch willkommene Beute. Er wurde geduldet oder gar wegen seiner Stärke und seiner geschickten Jagdweise bewundert. Erst für den Viehzüchter wurde er zum Schädling, für den Sportjäger dann zum Konkurrenten und für den unbewaff neten Menschen bisweilen sogar zum Raubfeind. Doch diese Zeit der totalen Konfrontation ist bei uns in Europa längst dahin. Zwar ist der Wolf in manchen 563

Wölfe berichtet ; daß Wölfe kleine Kinder rauben sollen,<br />

ist für uns kaum vorstellbar, für meine indischen Kollegen<br />

aber bar jeden Zweifels. Aus Indien stammen auch die<br />

meisten Berichte über <strong>Wolf</strong>skinder, an deren Existenz man<br />

dort ebenfalls fest glaubt, während bei uns die Geschichte<br />

etwa von Romulus <strong>und</strong> Remus zu Recht in den Bereich<br />

der Sage fällt.<br />

Bei der langsamen, jahrelangen Entwicklung des Säuglings<br />

im Vergleich zu der kurzen Laktationszeit einer Wölfi<br />

n von maximal zehn bis zwölf Wochen ist eine andere<br />

Interpretation auch gar nicht möglich. Doch die Phantasiebezogenheit<br />

einer Geschichte muß den Wahrheitsgehalt<br />

einer anderen nicht schmälern.<br />

Das <strong>Wolf</strong>sbild heute<br />

In Abhängigkeit von ihrer realen Beziehung zum <strong>Wolf</strong> hat<br />

sich das Bild, das die Menschen sich von ihm machten,<br />

unablässig gewandelt. Für unsere noch jagenden Vorfahren<br />

war der <strong>Wolf</strong> lediglich ein weiterer Jäger <strong>und</strong> manchmal<br />

auch willkommene Beute. Er wurde geduldet oder<br />

gar wegen seiner Stärke <strong>und</strong> seiner geschickten Jagdweise<br />

bew<strong>und</strong>ert. Erst für den Viehzüchter wurde er zum Schädling,<br />

für den Sportjäger dann zum Konkurrenten <strong>und</strong> für<br />

den unbewaff neten Menschen bisweilen sogar zum Raubfeind.<br />

Doch diese Zeit der totalen Konfrontation ist bei<br />

uns in Europa längst dahin. Zwar ist der <strong>Wolf</strong> in manchen<br />

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