Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

Zeit verkörpert, der Fuchs hingegen, ähnlich wie einst Äsop selbst, den schwachen, aber raffi nierten, sich der jeweiligen Situation anpassenden Untertanen, der auch nicht selten die Rivalitäten der Stärkeren untereinander zu seinen Gunsten nutzt. Womöglich stellt der Wolf auch symbolhaft die Natur dar, deren Stärke und Willkür durch den schwächeren, aber denkenden Menschen besiegt wird. Besonders interessant jedenfalls ist der rein individuelle Widerstand des Fuchses gegen die Willkür der Mächtigen. Die Verhältnisse an sich wurden nicht in Frage gestellt. Jeder mußte sich für seinen Teil an die durch göttliche Macht festgelegten Lebensbedingungen möglichst gut anpassen. Erst später, etwa in den Fabeln des begeisterten Lutheraners Hans Sachs aus Nürnberg und in jenen des Heinrich Steinhöwel, Stadtarzt zu Ulm, sollten die Fabeln auch eine politische Dimension erhalten. Es war die Zeit, in der ein für die neuen Ideen des Humanismus und der Reformation aufgeschlossenes Bürgertum, inzwischen zu erheblicher wirtschaft licher Macht gekommen, sich dem kirchlich-feudalen Herrschaft ssystem widersetzte. Den folgenden revolutionären Bauernbewegungen gegenüber waren die Fabeldichter indessen – wie auch Martin Luther selbst, der ebenfalls einige Fabeln schrieb – skeptisch oder gar feindlich eingestellt. Jetzt wurde der Wolf zum Symbol für den tölpelhaft en, groben und einfältigen Bauern, der die hergebrachte Ordnung stört. Als Beispiel hierfür sei die Fabel vom Wolf und vom hungrigen Hund genannt, die der Luther-Anhänger Burkhard Waldis in seine beleh- 540

end-moralisierende Fabelsammlung »Esopus« von 1548 aufnahm. Der Hund wird von seinem Herrn schlecht gefüttert und ist erbärmlich abgemagert. Eine List des Wolfes verschafft ihm bessere Behandlung, wofür er den Wolf ein Lamm aus der Herde seines Herrn reißen läßt. Als der Wolf um eine nochmalige Vergünstigung dieser Art bittet, widersetzt sich der Hund. Doch mit dem Hinweis, er müsse ja nur die Schafe bewachen, nicht das Haus, zeigt er dem Wolf immerhin den Weg in die Speisekammer. Dort wird der Eindringling entdeckt, und er muß eine saft ige Tracht Prügel einstecken. Die Moral lautet : »Wir lernen hier vom geizigen Herrn : der dem Gesinde gibt nicht gern die Kost, die rechtens ihm gebührt, sich selbst dadurch in Schaden führt. Der Wolf uns anzeigen tut, daß schädlich sei und gar nicht gut, wenn jemand sich nicht läßt begnügen an dem, was Gott ihm will zufügen. Es werden uns dadurch bedeut die tollen, frechen, rohen Leut, die, wenn sie gute Tage haben und sich an Trank und Speisen laben, ganz ohne Gottesfurcht dann leben und nichts auf gute Ratschläg geben.« 541

Zeit verkörpert, der Fuchs hingegen, ähnlich wie einst Äsop<br />

selbst, den schwachen, aber raffi nierten, sich der jeweiligen<br />

Situation anpassenden Untertanen, der auch nicht selten<br />

die Rivalitäten der Stärkeren untereinander zu seinen<br />

Gunsten nutzt. Womöglich stellt der <strong>Wolf</strong> auch symbolhaft<br />

die Natur dar, deren Stärke <strong>und</strong> Willkür durch den schwächeren,<br />

aber denkenden Menschen besiegt wird. Besonders<br />

interessant jedenfalls ist der rein individuelle Widerstand<br />

des Fuchses gegen die Willkür der Mächtigen. Die<br />

Verhältnisse an sich wurden nicht in Frage gestellt. Jeder<br />

mußte sich für seinen Teil an die durch göttliche Macht<br />

festgelegten Lebensbedingungen möglichst gut anpassen.<br />

Erst später, etwa in den Fabeln des begeisterten Lutheraners<br />

Hans Sachs aus Nürnberg <strong>und</strong> in jenen des Heinrich<br />

Steinhöwel, Stadtarzt zu Ulm, sollten die Fabeln auch eine<br />

politische Dimension erhalten. Es war die Zeit, in der ein<br />

für die neuen Ideen des Humanismus <strong>und</strong> der Reformation<br />

aufgeschlossenes Bürgertum, inzwischen zu erheblicher<br />

wirtschaft licher Macht gekommen, sich dem kirchlich-feudalen<br />

Herrschaft ssystem widersetzte. Den folgenden<br />

revolutionären Bauernbewegungen gegenüber waren<br />

die Fabeldichter indessen – wie auch Martin Luther selbst,<br />

der ebenfalls einige Fabeln schrieb – skeptisch oder gar<br />

feindlich eingestellt. Jetzt wurde der <strong>Wolf</strong> zum Symbol<br />

für den tölpelhaft en, groben <strong>und</strong> einfältigen Bauern, der<br />

die hergebrachte Ordnung stört. Als Beispiel hierfür sei<br />

die Fabel vom <strong>Wolf</strong> <strong>und</strong> vom hungrigen H<strong>und</strong> genannt,<br />

die der Luther-Anhänger Burkhard Waldis in seine beleh-<br />

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