Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

tung vordrang, begann man sich in Italien auch über die vielen streunenden Hunde Gedanken zu machen. Luigi Boitani schickte einen Fragebogen an alle Forstämter in den Apennines Das Ergebnis der Befragung war beunruhigend. Außer den vielen Hunden in den Bergdörfern lebte eine nicht geahnte Anzahl verwilderter Hunde im Gebirge. Daneben gab es eine noch größere Menge von Hunden, die sowohl in den Dörfern als auch im Gebirge herumliefen. Einige dieser Streuner hatten einen Besitzer, andere lebten eher als eine Art Pariahunde am Rande der menschlichen Siedlungen. Natürlich ist es unmöglich, diese verschiedenen Kategorien von Dorf- und Pariahunden von streunenden oder völlig verwilderten Hunden zu unterscheiden. Auch scheint mir die aus den gewonnenen Daten hochgerechnete Zahl von angeblich 3,5 Millionen herrenlosen Hunden in Italien stark übertrieben. Daß viele Hunde jedoch an den Müllhalden eine Konkurrenz für die Wölfe darstellen, steht außer Zweifel. Ebenso ist zu befürchten, daß viele der den Wölfen angelasteten Rißschäden an Haustieren in Wirklichkeit von Hunden verübt werden. So begann Luigi zusammen mit Francesco Francesi im Umkreis des Dorfes Ovmdoli im westlichen Teil der Abruzzen das Verhalten der dortigen Hunde genauer zu untersuchen. In der Tat stellten sie bald fest, daß es hier neben zahlreichen »Gelegenheitsstreunern« eine Gruppe verwilderter Hunde gab, die im Gebirge lebten. Wölfe fehlten off enbar in dem Gebiet. Die verwilderten Hunde verhiel- 506

ten sich indes ganz ähnlich wie anderswo die Wölfe. Sie waren sehr scheu und zogen sich tagsüber in unzugängliche Bergzonen zurück. Nur nachts kamen sie ins Tal und besuchten dann regelmäßig den Müllplatz des Dorfes. In anderer Hinsicht unterschieden sie sich jedoch erheblich von den Wölfen. Zwar waren Angriff e auf Schafe relativ selten, da die Herden hier wie überall in den Abruzzen von Schäfern bewacht wurden. Hingegen griff en die Hunde immer wieder die in den Sommermonaten frei weidenden Rinder und Pferde an. Als ich dort einmal zu Besuch war, fanden wir ein Pferd und gleich drei ausgewachsene Kühe tot im Gelände. Alle vier Kadaver waren kaum angefressen. So konnten wir das Geschehen recht gut rekonstruieren. Alle Tiere waren im steilen Gelände verendet und wiesen Beinfrakturen auf. Off ensichtlich hatten die Hunde ihre Opfer den Berg hinuntergejagt, wobei diese erheblich verletzt wurden ; außer Beinbrüchen stellten wir auch Schädelfrakturen fest. Erst danach hatten die Hunde wohl richtig angegriff en. Die eigentliche Todesursache ließ sich allerdings nicht eindeutig ermitteln. Womöglich waren die Tiere eher an ihren Sturzverletzungen gestorben als an den Bissen der Hunde. Auf jeden Fall aber mußten die Opfer die Hunde als Gefahr verkannt haben. Hunde sind ja auch in der Regel nicht gefährlich, und diesen »Harmlosigkeitsvorteil« scheinen die reißend gewordenen Hunde zu nutzen. Nahe bei ihrem Opfer angekommen, können sie dann plötzlich angreifen und so auch bei größeren und wehrhaften Tieren eine panische Reaktion hervorrufen. 507

ten sich indes ganz ähnlich wie anderswo die Wölfe. Sie<br />

waren sehr scheu <strong>und</strong> zogen sich tagsüber in unzugängliche<br />

Bergzonen zurück. Nur nachts kamen sie ins Tal <strong>und</strong><br />

besuchten dann regelmäßig den Müllplatz des Dorfes.<br />

In anderer Hinsicht unterschieden sie sich jedoch erheblich<br />

von den Wölfen. Zwar waren Angriff e auf Schafe relativ<br />

selten, da die Herden hier wie überall in den Abruzzen<br />

von Schäfern bewacht wurden. Hingegen griff en die H<strong>und</strong>e<br />

immer wieder die in den Sommermonaten frei weidenden<br />

Rinder <strong>und</strong> Pferde an. Als ich dort einmal zu Besuch war,<br />

fanden wir ein Pferd <strong>und</strong> gleich drei ausgewachsene Kühe<br />

tot im Gelände. Alle vier Kadaver waren kaum angefressen.<br />

So konnten wir das Geschehen recht gut rekonstruieren.<br />

Alle Tiere waren im steilen Gelände verendet <strong>und</strong><br />

wiesen Beinfrakturen auf. Off ensichtlich hatten die H<strong>und</strong>e<br />

ihre Opfer den Berg hinuntergejagt, wobei diese erheblich<br />

verletzt wurden ; außer Beinbrüchen stellten wir auch Schädelfrakturen<br />

fest. Erst danach hatten die H<strong>und</strong>e wohl richtig<br />

angegriff en. Die eigentliche Todesursache ließ sich allerdings<br />

nicht eindeutig ermitteln. Womöglich waren die Tiere<br />

eher an ihren Sturzverletzungen gestorben als an den Bissen<br />

der H<strong>und</strong>e. Auf jeden Fall aber mußten die Opfer die<br />

H<strong>und</strong>e als Gefahr verkannt haben. H<strong>und</strong>e sind ja auch in<br />

der Regel nicht gefährlich, <strong>und</strong> diesen »Harmlosigkeitsvorteil«<br />

scheinen die reißend gewordenen H<strong>und</strong>e zu nutzen.<br />

Nahe bei ihrem Opfer angekommen, können sie dann<br />

plötzlich angreifen <strong>und</strong> so auch bei größeren <strong>und</strong> wehrhaften<br />

Tieren eine panische Reaktion hervorrufen.<br />

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