Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
ei tiefen Schneelagen unterwegs, während das Gros der Tiere sich in tiefen, schneefreien Lagen aufh ielt. Aus der Türkei wird berichtet, daß die Wölfe dort hauptsächlich Wildschweine jagen. In den Abruzzen fanden wir indessen kein einziges gerissenes Wildschwein, nicht einmal Wildschweinhaare im Kot der Wölfe. Vermutlich sind auch die Wildschweine den kleinen Rudeln zu wehrhaft . Die weitaus meisten Schafe, die während unserer Arbeit gerissen wurden, waren Einzeltiere. Nachts schlichen sich die Wölfe an die Netzeinzäunungen der großen Herden und holten sich ein Schaf, das sie zumeist aus dem Pferch herauszogen und draußen dann verzehrten. Die einheimischen Schäfer meldeten ebenfalls den Verlust von Einzeltieren, die auf dem Heimweg oder bei Nebel abseits geraten waren und dann gerissen wurden. Viele von ihnen wurden gleich an Ort und Stelle aufgefressen. Übrig blieben bloß die schweren Knochen und das Fell. Nicht selten aber ließen die Wölfe auch nur angefressene Tiere zurück, wohl dann, wenn sie beim Fressen gestört worden waren. Reste von Einzeltieren wurden meistens am nächsten Tag den Hunden überlassen. Allerdings haben wir auch größere Schäden gesehen. Bis zu zehn gerissene Schafe waren keine Seltenheit, und zweimal waren es über hundert. Es scheint, daß es immer dann zu Massenrissen kommt, wenn unter den Schafen Panik ausbricht und eine große Anzahl blökend umherrennt. Für die Wölfe bedeutet dies ein allzu starkes Signal zum Beutemachen, und sie töten, was sie können – ähnlich dem 494
Fuchs im Hühnerstall. Im Nationalpark wurde von einem Bären berichtet, der in einen Schafstall einbrach und hier alle Schafe – es sollen über hundert gewesen sein – tötete, bis er vor Ermüdung einschlief. Am Morgen fand ihn der Schäfer inmitten der toten Schafe schlafend im Pferch. Dieses Verhalten des Massentötens kennen wir von vielen Beutegreifern. Die überoptimalen Tötungsauslöser eingepferchter Beutetiere, die nicht entkommen können, sind so stark, daß die Raubtiere vor lauter Töten gar nicht zum Fressen kommen. Paul Leyhausen hat in seiner detaillierten Studie über das Tötungsverhalten von Katzen eine »relative Stimmungshierarchie« festgestellt, wonach die einzelnen Abschnitte der Jagd, wie das Anschleichen, das Töten und das Fressen, jeweils eigene Antriebe und eine eigene Endhaltung haben. Diese müssen jeweils befriedigt sein, bevor der nächste Abschnitt der gesamten Handlungsfolge ausgelöst wird. Das Töten der Beute ist also nicht vom Hunger bedingt, sondern von den Schlüsselreizen, die entstehen, wenn eine Beute durch die Jagd in eine bestimmte Situation gebracht wird. Tauchen immer neue Schlüsselreize zum Töten auf, reagiert das jagende Tier entsprechend. Nur das Auf-Jagd-Gehen, das Suchen nach Beute, also das »Appetenzverhalten«, wird auch durch den Hunger gesteuert. In der für Raubtiere unnatürlichen Situation einer Massenhaltung bewegungsbeschränkter Beutetiere kann es daher zu solchen Tötungsexzessen kommen. Ganz anders als bei der Jagd auf wildlebende Beutetiere, die, wenn gerissen, 495
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ei tiefen Schneelagen unterwegs, während das Gros der<br />
Tiere sich in tiefen, schneefreien Lagen aufh ielt. Aus der<br />
Türkei wird berichtet, daß die Wölfe dort hauptsächlich<br />
Wildschweine jagen. In den Abruzzen fanden wir indessen<br />
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im Kot der Wölfe. Vermutlich sind auch die<br />
Wildschweine den kleinen Rudeln zu wehrhaft .<br />
Die weitaus meisten Schafe, die während unserer Arbeit<br />
gerissen wurden, waren Einzeltiere. Nachts schlichen sich<br />
die Wölfe an die Netzeinzäunungen der großen Herden<br />
<strong>und</strong> holten sich ein Schaf, das sie zumeist aus dem Pferch<br />
herauszogen <strong>und</strong> draußen dann verzehrten. Die einheimischen<br />
Schäfer meldeten ebenfalls den Verlust von Einzeltieren,<br />
die auf dem Heimweg oder bei Nebel abseits geraten<br />
waren <strong>und</strong> dann gerissen wurden. Viele von ihnen wurden<br />
gleich an Ort <strong>und</strong> Stelle aufgefressen. Übrig blieben bloß<br />
die schweren Knochen <strong>und</strong> das Fell. Nicht selten aber ließen<br />
die Wölfe auch nur angefressene Tiere zurück, wohl<br />
dann, wenn sie beim Fressen gestört worden waren. Reste<br />
von Einzeltieren wurden meistens am nächsten Tag den<br />
H<strong>und</strong>en überlassen.<br />
Allerdings haben wir auch größere Schäden gesehen. Bis<br />
zu zehn gerissene Schafe waren keine Seltenheit, <strong>und</strong> zweimal<br />
waren es über h<strong>und</strong>ert. Es scheint, daß es immer dann<br />
zu Massenrissen kommt, wenn unter den Schafen Panik<br />
ausbricht <strong>und</strong> eine große Anzahl blökend umherrennt. Für<br />
die Wölfe bedeutet dies ein allzu starkes Signal zum Beutemachen,<br />
<strong>und</strong> sie töten, was sie können – ähnlich dem<br />
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