Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

auf ihren nächtlichen Wanderungen. Manchmal mußten wir uns dazu trennen. Eine Gruppe kampierte für Wochen oben im Gebirge und stellte den Aufenthaltsort des Wolfes bei Tage fest. Wenn er am Abend talwärts zog, übernahm unten die zweite Gruppe die nächtliche Verfolgung vom Landrover aus, bis der Wolf in der Morgendämmerung wieder ins Gebirge hinaufzog. Jeden Wolf versuchten wir auf diese Weise wenigstens einmal im Monat über mehrere Tage und Nächte hintereinander kontinuierlich zu beobachten. Die täglichen Wanderungen der Wölfe Die Ergebnisse dieser zweieinhalb Jahre dauernden Verfolgung von mit Sendern versehenen Wölfen in den Abruzzen zeigte uns, daß der Wolf hier eine weitgehend andere Lebensweise pfl egt als etwa in den nordamerikanischen Wildnisgebieten. Von dort wissen wir, daß die Wölfe, zu - meist im Rudel zusammengeschlossen, lange Wanderungen durch ihr Territorium machen und dabei jeden Tag woanders schlafen. Nur im Sommer, während der Welpenaufzucht, verlaufen die Wanderungen der Wölfe sternförmig von und zu dem Aufenthaltsort der Welpen. In den Abruzzen hingegen blieb diese sternförmig verlaufende Aktivität das ganze Jahr über bestehen. Jeder Wolf, jedes Rudel hatte einige wenige Orte im Revier, zu denen sie tagtäglich zurückkehrten, manchmal wochenlang zu ein und demsel- 480

en Ort. Diese traditionellen Rückzugsgebiete, wie wir sie nannten, lagen an für Menschen weitgehend unzugänglichen, mit dichtem Buchenwald bewachsenen Steilhängen. Ihre Distanz zum nächsten Dorf war nicht unbedingt sehr groß, doch wurden sie nur selten von Menschen betreten. Im Winter hielten sich die Wölfe in etwas tiefer gelegenen Gebieten auf, während sie sich im Sommer höher auf den Berg zurückzogen. Wir beobachteten auch, daß sie in manchen Gebieten sonntags höher am Berg waren als unter der Woche. Viele für Autos befahrbare Gebiete in tiefen Lagen waren an schönen Sonntagen von Unmengen picknickfreudiger Menschen überlaufen. Für die Wölfe war es also durchaus sinnvoll, sich an diesen Tagen weiter zurückzuziehen. Manchmal hatten wir sogar den Eindruck, daß sie sich bereits am Sonntagmorgen, vor der Picknickinvasion, höher ins Gebirge zurückgezogen hatten : daß sie also gewußt haben mußten, für wann die Invasion bevorstand. Doch das kam uns zumindest zu Beginn unseres Unternehmens ganz unwahrscheinlich vor. Von ihrem Rückzugsgebiet aus unternahmen die Wölfe mit Einbruch der Dunkelheit Wanderungen, die sie von einem möglichen Futterplatz zum nächsten brachten : einer Müllgrube, einem Dorf, einem Schafstall, einer weiteren Müllgrube. Morgens zogen sie sich dann wieder zurück, häufi g in dasselbe Gebiet, in dem sie sich tags zuvor aufgehalten hatten. Dies war auch die Zeit, in der wir sie am ehesten zu Gesicht bekamen. Abends warteten sie fast immer, bis es ganz dunkel war, bevor sie herunterkamen, doch morgens 481

en Ort. Diese traditionellen Rückzugsgebiete, wie wir sie<br />

nannten, lagen an für Menschen weitgehend unzugänglichen,<br />

mit dichtem Buchenwald bewachsenen Steilhängen.<br />

Ihre Distanz zum nächsten Dorf war nicht unbedingt sehr<br />

groß, doch wurden sie nur selten von Menschen betreten.<br />

Im Winter hielten sich die Wölfe in etwas tiefer gelegenen<br />

Gebieten auf, während sie sich im Sommer höher auf<br />

den Berg zurückzogen. Wir beobachteten auch, daß sie<br />

in manchen Gebieten sonntags höher am Berg waren als<br />

unter der Woche. Viele für Autos befahrbare Gebiete in<br />

tiefen Lagen waren an schönen Sonntagen von Unmengen<br />

picknickfreudiger Menschen überlaufen. Für die Wölfe<br />

war es also durchaus sinnvoll, sich an diesen Tagen weiter<br />

zurückzuziehen. Manchmal hatten wir sogar den Eindruck,<br />

daß sie sich bereits am Sonntagmorgen, vor der Picknickinvasion,<br />

höher ins Gebirge zurückgezogen hatten : daß sie<br />

also gewußt haben mußten, für wann die Invasion bevorstand.<br />

Doch das kam uns zumindest zu Beginn unseres<br />

Unternehmens ganz unwahrscheinlich vor.<br />

Von ihrem Rückzugsgebiet aus unternahmen die Wölfe mit<br />

Einbruch der Dunkelheit Wanderungen, die sie von einem<br />

möglichen Futterplatz zum nächsten brachten : einer Müllgrube,<br />

einem Dorf, einem Schafstall, einer weiteren Müllgrube.<br />

Morgens zogen sie sich dann wieder zurück, häufi g<br />

in dasselbe Gebiet, in dem sie sich tags zuvor aufgehalten<br />

hatten. Dies war auch die Zeit, in der wir sie am ehesten zu<br />

Gesicht bekamen. Abends warteten sie fast immer, bis es<br />

ganz dunkel war, bevor sie herunterkamen, doch morgens<br />

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