Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

und wieder einen Tag später verlangten sie von uns sämtliche Fallen ; außerdem erklärten sie uns wegen unerlaubten Fallenstellern im Nationalpark für verhaft et. Wir hatten wirklich Wichtigeres zu tun, als Statisten zu spielen in einem seit Jahren andauernden Kompetenzenstreit zwischen rivalisierenden Verwaltungen. Die Leute im Dorf hatten uns erzählt, es sei schon manches Mal zu Massenschlägereien zwischen den Wildhütern des Nationalparks und den Forstpolizisten gekommen, die beide Polizeihoheitsrechte ausübten. Der Grund des Streits lag jedoch tiefer : Die Nationalparkverwaltung mußte sich im Interesse des Naturschutzes sehr häufi g gegen Interessen bestimmter Gruppen durchsetzen, die immer neue Skilift s, Hotels und Privatvillen bauen wollten. Pescasséroli, einst ein armes Bergdorf, war inzwischen zu einem oberfl ächlich-mondänen Skiort geworden mit einer geradezu chaotischen Bautätigkeit. Die Einheimischen hatten zwar kaum Anteil am Profi t ; trotzdem setzten viele von ihnen ihre Hoff nung auf bessere Zeiten weiterhin in die Kapitalgeber aus Rom und Mailand. Die Nationalparkverwaltung mußte sich also nicht nur gegen mächtige Wirtschaft sinteressen zur Wehr setzen, sondern häufi g auch gegen Teile der einheimischen Bevölkerung, die nichts vom Nationalpark wissen wollten. Der einst klar und sauber durch das Dorf fl ießende Bach war mittlerweile zur Kloake geworden, die Hügel oberhalb Pescassérolis standen voll riesiger, häßlicher Hotelruinen, und in den vielen Villen um das Dorf zogen die Eigentümer jeweils nur für zwei oder 470

drei Wochen im Jahr ein, zu Weihnachten, Neujahr und zu »Ferragosto« im Spätsommer ; ansonsten standen die Häuser leer. Doch daran war angeblich nur der Nationalpark schuld, der bis jetzt verhindert hatte, daß eine Seilbahn auf den Monte Marsica no gebaut wurde, mitten hinein in das Gebiet der letzten Bären der Apenninen. Ein Streit also, der heute an vielen Orten ähnlich besteht : zwischen Kapitalinteressen und Naturschutz. Daß der Nationalpark viel mehr Arbeitsplätze geschaff en hatte und langfristig auch mehr Touristen in das Gebiet locken würde – und dies das ganze Jahr über – als noch ein Skizirkus auf noch einem Berg, das wurde übersehen. Der Naturschutz braucht keine Rieseninvestitionen und bringt damit auch keine Riesengewinne für fremde Kapitalgeber – daran lag es wohl. Der Streit war alt und wurde nicht nur in Form von Wirtshausschlägereien ausgefochten. Der konservative Bürgermeister von Pescasséroli saß inzwischen wegen Spekulationsgeschäft en im Gefängnis, und ein neuer Bürgermeister war gerade gewählt worden, diesmal ein Kommunist. Er versprach, bessere Beziehungen zum Naturschutz anzustreben. Die Forstverwaltung allerdings war nach wie vor gegen den Nationalpark – nicht zuletzt deshalb, weil Naturschützer immer lauter forderten, wenigstens im Nationalpark solle keine Forstwirtschaft mehr betrieben werden. Vermutlich wurden aber auch private Fehden ausgefochten, und wir standen nun in der Mitte. Es half nichts, daß Luigi Boitani den Polizisten die Genehmigung für unsere Fallen vorlegte. Auch lange Telefonge- 471

<strong>und</strong> wieder einen Tag später verlangten sie von uns sämtliche<br />

Fallen ; außerdem erklärten sie uns wegen unerlaubten<br />

Fallenstellern im Nationalpark für verhaft et.<br />

Wir hatten wirklich Wichtigeres zu tun, als Statisten zu<br />

spielen in einem seit Jahren andauernden Kompetenzenstreit<br />

zwischen rivalisierenden Verwaltungen. Die Leute<br />

im Dorf hatten uns erzählt, es sei schon manches Mal zu<br />

Massenschlägereien zwischen den Wildhütern des Nationalparks<br />

<strong>und</strong> den Forstpolizisten gekommen, die beide<br />

Polizeihoheitsrechte ausübten. <strong>Der</strong> Gr<strong>und</strong> des Streits lag<br />

jedoch tiefer : Die Nationalparkverwaltung mußte sich im<br />

Interesse des Naturschutzes sehr häufi g gegen Interessen<br />

bestimmter Gruppen durchsetzen, die immer neue Skilift s,<br />

Hotels <strong>und</strong> Privatvillen bauen wollten. Pescasséroli, einst<br />

ein armes Bergdorf, war inzwischen zu einem oberfl ächlich-mondänen<br />

Skiort geworden mit einer geradezu chaotischen<br />

Bautätigkeit. Die Einheimischen hatten zwar kaum<br />

Anteil am Profi t ; trotzdem setzten viele von ihnen ihre<br />

Hoff nung auf bessere Zeiten weiterhin in die Kapitalgeber<br />

aus Rom <strong>und</strong> Mailand. Die Nationalparkverwaltung<br />

mußte sich also nicht nur gegen mächtige Wirtschaft sinteressen<br />

zur Wehr setzen, sondern häufi g auch gegen Teile<br />

der einheimischen Bevölkerung, die nichts vom Nationalpark<br />

wissen wollten. <strong>Der</strong> einst klar <strong>und</strong> sauber durch das<br />

Dorf fl ießende Bach war mittlerweile zur Kloake geworden,<br />

die Hügel oberhalb Pescassérolis standen voll riesiger,<br />

häßlicher Hotelruinen, <strong>und</strong> in den vielen Villen um<br />

das Dorf zogen die Eigentümer jeweils nur für zwei oder<br />

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