Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

Elftes Kapitel Wölfe in den Abruzzen Der Gedanke, daß Luchse, Bären, ja womöglich sogar Wöl - fe wieder verbreitet auf unserem dichtbesiedelten Kontinent leben sollen, dürft e viele Menschen schrecken. War die Ausrottung dieser »Raubtiere« nicht geradezu eine Kulturtat, nach all dem, was im Laufe der Zeit passiert war ? Würde nicht eine Wiederkehr dieser in unserer Kulturlandschaft anachronistisch gewordenen Wildtiere uns in die fi nsteren Zeiten des Kampfes zwischen Mensch und Tier zurückschleudern, gar den jetzt so dringend ersehnten Aus gleich zwischen Natur und Kultur vereiteln, weil es dadurch erneut zu einer Polarisierung zwischen den verschiedenen Nutzungsansprüchen an die Landschaft käme, bei welcher der Mensch alle seine Fähigkeiten zur Zerstörung, ja seine geradezu satanische Lust daran wieder voll entfalten würde ? Nun, so erstaunlich es erscheinen mag, es gibt in Europa viele Gebiete, in denen die großen Beutegreifer noch in unmittelbarer Nachbarschaft zu Menschen leben. Die Abruzzen, unweit östlich Roms in den italienischen Apenninen, sind ein solches Gebiet. Hier leben noch Bären und Wölfe. Von den Lebensbedingungen hauptsächlich der letzteren und von der Einstellung der Menschen zu ihnen will ich in diesem Kapitel berichten. 444

Das Projekt Im Jahr 1972 stellte die italienische Sektion des World Wild life Fund for Nature (WWF) eine Liste der in Italien bedrohten Tierarten auf. In die Gruppe der besonders gefährdeten Arten kam der Wolf. Er war ohne gesetzlichen Schutz, konnte von jedermann zu jeder Zeit und überall geschossen, vergift et oder in Fallen gefangen werden. Der WWF leitete eine Kampagne ein, und die italienische Regierung reagierte erstaunlich schnell, indem sie den Wolf für zunächst zwei Jahre unter ganzjährigen Schutz stellte. Doch Genaueres wußte man nicht : weder, wo die Wölfe lebten, noch, geschweige denn, wie viele es gab. Deshalb wurde gleichzeitig vereinbart, daß der WWF ein Forschungsprojekt in Angriff nehmen sollte, dessen erstes Ziel es war, die Verbreitung und die ungefähre Zahl der Wölfe festzustellen. Als man mir diese Aufgabe antrug, überlegte ich nicht lange. Es war eine Chance, meine Untersuchungen an den Gehegewölfen durch Beobachtungen an freilebenden Wölfen zu ergänzen. Zudem hatte ich oft Biologen kritisiert, die wissenschaft liche Untersuchungen durchführten, ohne sich um die Lebensbedingungen in freier Wildbahn zu kümmern. Für akademische Fragen ist Zeit genug, wenn die dringenden praktischen Aufgaben zum Schutz der Tiere gelöst sind. Ich sagte daher zu – unter der Voraussetzung, daß der WWF auch einen »Counter Part« zur Verfügung stelle, mir also einen italienischen Mitarbeiter gab. Man fand ihn in 445

Elftes Kapitel<br />

Wölfe in den Abruzzen<br />

<strong>Der</strong> Gedanke, daß Luchse, Bären, ja womöglich sogar Wöl -<br />

fe wieder verbreitet auf unserem dichtbesiedelten Kontinent<br />

leben sollen, dürft e viele Menschen schrecken. War<br />

die Ausrottung dieser »Raubtiere« nicht geradezu eine Kulturtat,<br />

nach all dem, was im Laufe der Zeit passiert war ?<br />

Würde nicht eine Wiederkehr dieser in unserer Kulturlandschaft<br />

anachronistisch gewordenen Wildtiere uns in die<br />

fi nsteren Zeiten des Kampfes zwischen Mensch <strong>und</strong> Tier<br />

zurückschleudern, gar den jetzt so dringend ersehnten<br />

Aus gleich zwischen Natur <strong>und</strong> Kultur vereiteln, weil es<br />

dadurch erneut zu einer Polarisierung zwischen den verschiedenen<br />

Nutzungsansprüchen an die Landschaft käme,<br />

bei welcher der Mensch alle seine Fähigkeiten zur Zerstörung,<br />

ja seine geradezu satanische Lust daran wieder voll<br />

entfalten würde ?<br />

Nun, so erstaunlich es erscheinen mag, es gibt in Europa<br />

viele Gebiete, in denen die großen Beutegreifer noch in<br />

unmittelbarer Nachbarschaft zu Menschen leben. Die Abruzzen,<br />

unweit östlich Roms in den italienischen Apenninen,<br />

sind ein solches Gebiet. Hier leben noch Bären <strong>und</strong> Wölfe.<br />

Von den Lebensbedingungen hauptsächlich der letzteren<br />

<strong>und</strong> von der Einstellung der Menschen zu ihnen will ich<br />

in diesem Kapitel berichten.<br />

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