Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
Bewegungsweisen : Solitärspiele sind jetzt häufi g. Bald aber wird fast nur in der Gruppe gespielt, wobei soziale Reaktionsmuster erlernt werden, zum Beispiel auch, daß eigenes festes Zubeißen aggressive Reaktionen des Partners hervorruft . So wird die Beißhemmung entwickelt. Das Spielverhalten wird schnell friedlicher. Erst mit der zunehmenden Aggressivität der älteren Welpen und der Juvenilen wird das Spiel wieder aggressiver. Jetzt hat das Spiel bereits eine neue Funktion erhalten : Es ist eine Strategie zum Austragen sozialer Konfl ikte. Nach dieser Vorstellung von der Funktion des sozialen Spiels müssen vor allem Wölfe auf benachbarten Positionen miteinander spielen, und das war bei unseren Beobachtungen tatsächlich auch der Fall. Am seltensten spielte der souveräne Alpha-Rüde, dann kam das Alpha-Weibchen. Die rangniedrigen Adulten spielten indessen ausgesprochen häufi g. In der Tat fi elen diese Rudelmitglieder besonders durch ihr ständig verspielt-»kindlich« wirkendes Verhalten auf. Es sah aus, als verharrten sie, durch den sozialen Druck bedingt, verhaltensmäßig im Zustand von Jungtieren – eine Art sozial bedingter Retardierung auf infantiles Verhalten. Doch wie gesagt : Spiel ist ja nur scheinbar infantil. In Wirklichkeit ist es durchaus ernst, es geht nämlich für die Subdominanten um den Verbleib im Rudel – und das kann eine Vorentscheidung über Leben oder Tod sein. Noch häufi ger spielten die Juvenilen untereinander. Dabei zeigte sich eine deutliche Entwicklung von den geschlechtsunabhängigen Spielphasen der Welpen zu einem Spiel mit 364
gleichgeschlechtlichen Partnern. – Die Analyse des Spielverhaltens zeigt demnach, daß es als taktische Variante sozialer Konfl iktlösung eingesetzt wird : sowohl zur Beschwichtigung aggressiver Tendenzen Ranghöherer oder angreifender Gruppen wie auch zum kaschierten Angriff bei Expansionstendenzen von Jüngeren und Rangniedrigen auf Ranghöhere. Spielverhalten bildet somit eine Art Puff er zwischen freundlichem und aggressivem Verhalten. Es verhindert, daß schon geringe Konfl ikte ernsthaft ausgetragen werden, verzögert also den Einsatz verletzender und in der Regel auch eskalierender Aggressionen : für den Zusammenhalt des Rudels sicherlich eine ganz wesentliche Funktion. Sexualverhalten Ein wesentliches Phänomen wölfi scher Sexualität kennen wir bereits : In unserem Rudel bekam nur ein Weibchen im Jahr Welpen, obwohl viele Jahre hintereinander mehrere geschlechtsreife Weibchen im Gehege waren. In den Jahren 1967 bis 1977 hätten, wenn jedes geschlechtsreife Weibchen Welpen geboren hätte, im Rudel insgesamt 22 Würfe zur Welt kommen müssen. Statt dessen waren es nur fünf Würfe mit insgesamt 25 Welpen, also durchschnittlich fünf Welpen je Wurf. Wenn wir fünf Welpen als voraussichtlichen Durchschnitt auch für die nichtgeborenen Würfe annehmen, sind also nur 25 von 110 (oder 23 Prozent) der möglichen Geburten realisiert worden. 365
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Bewegungsweisen : Solitärspiele sind jetzt häufi g. Bald aber<br />
wird fast nur in der Gruppe gespielt, wobei soziale Reaktionsmuster<br />
erlernt werden, zum Beispiel auch, daß eigenes<br />
festes Zubeißen aggressive Reaktionen des Partners hervorruft<br />
. So wird die Beißhemmung entwickelt. Das Spielverhalten<br />
wird schnell friedlicher. Erst mit der zunehmenden<br />
Aggressivität der älteren Welpen <strong>und</strong> der Juvenilen wird<br />
das Spiel wieder aggressiver. Jetzt hat das Spiel bereits eine<br />
neue Funktion erhalten : Es ist eine Strategie zum Austragen<br />
sozialer Konfl ikte.<br />
Nach dieser Vorstellung von der Funktion des sozialen<br />
Spiels müssen vor allem Wölfe auf benachbarten Positionen<br />
miteinander spielen, <strong>und</strong> das war bei unseren Beobachtungen<br />
tatsächlich auch der Fall. Am seltensten spielte<br />
der souveräne Alpha-Rüde, dann kam das Alpha-Weibchen.<br />
Die rangniedrigen Adulten spielten indessen ausgesprochen<br />
häufi g. In der Tat fi elen diese Rudelmitglieder besonders<br />
durch ihr ständig verspielt-»kindlich« wirkendes <strong>Verhalten</strong><br />
auf. Es sah aus, als verharrten sie, durch den sozialen<br />
Druck bedingt, verhaltensmäßig im Zustand von Jungtieren<br />
– eine Art sozial bedingter Retardierung auf infantiles <strong>Verhalten</strong>.<br />
Doch wie gesagt : Spiel ist ja nur scheinbar infantil.<br />
In Wirklichkeit ist es durchaus ernst, es geht nämlich für<br />
die Subdominanten um den Verbleib im Rudel – <strong>und</strong> das<br />
kann eine Vorentscheidung über Leben oder Tod sein.<br />
Noch häufi ger spielten die Juvenilen untereinander. Dabei<br />
zeigte sich eine deutliche Entwicklung von den geschlechtsunabhängigen<br />
Spielphasen der Welpen zu einem Spiel mit<br />
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