Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos
weniger wurden. Zweckmäßigkeit wird nicht durch Einsicht erreicht, sondern durch Selektion. Die Th eorie der Gesamteignung oder die der »eigennützigen« Gene gibt nicht nur eine zwanglose Erklärung dafür, warum mehrere erwachsene Wölfe in einem Rudel bleiben, in dem nur ein Wurf im Jahr geboren wird. Sie erklärt auch die eigentlich ebenso erstaunliche Tatsache, daß sich ein Wolf für Jahre einem anderen unterordnet – wie beispielsweise Näschen zuerst Wölfchen (seinem Bruder) und später Olomouc (seinem Stiefsohn) oder wie die Jungwölfe den Älteren. Ebenso rückt sie die auf den ersten Blick unverständlich starke (und der Vorstellung über angebliche Gattentreue bei Wölfen widersprechende) Aggressivität des Alpha-Weibchens gegen den langsam schwächer werdenden langjährigen Partner (zum Beispiel Finsteraus Angriff e auf Näschen) in ein neues Licht. Zwischen den reproduzierenden Partnern eines Rudels bestehen in der Regel keine oder nur weit entfernte verwandtschaft liche Beziehungen. Für die erfolgreiche Aufzucht der eigenen Jungen ist ein starker Partner von Vorteil, und so wird der durch hohes Alter oder durch Verletzungen geschwächte Partner im Interesse der eigenen »fi tness«, des eigenen Fortpfl anzungserfolges, vertrieben. Weiter läßt sich mit dieser Th eorie auch einiges zum Phänomen von Freundschaft en beziehungsweise fehlenden Feindschaft en zwischen den Wölfen eines Rudels auf der Ebene populationsgenetischer Funktionszusammenhänge deuten. (St. Oswald etwa, der Wurfb ruder Finsteraus, beteiligte sich unter den Rüden besonders stark an der Auf- 304
zucht von Finsteraus Welpen.) Über Ursachen und Funktionen von Freundschaft und Feindschaft im Wolfsrudel gibt es allerdings, wie schon früher betont, noch viel zu forschen. Überhaupt scheint mir, daß wir erst am Anfang funktionaler Analysen sozialen Verhaltens stehen. Nach meinen Beobachtungen an den Gefangenschaft srudeln spielt der Rang, den ein Wolf in der hierarchischen Struktur seiner Alters- und Geschlechtsklasse im Rudel innehat, eine für dessen Eignung ganz wesentliche Rolle. Solange die Welpen das allgemeine Wohlwollen der Älteren genießen, bedarf es für sie keiner Rangordnung. Der Zugang zum Futter wird, wenn nötig, durch lokalisierte Auseinandersetzungen behauptet. Erst wenn es um die Behauptung vakant gewordener Positionen in der eng begrenzten Erwachsenengruppe geht, ist der Ranghöhere unter den Heranwachsenden im Vorteil. Bei den erwachsenen Wölfen schließlich ist ein höherer – wenn möglich der höchste – Rang bei den Rüden von Vorteil ; bei den Weibchen ist der höchste Rang sogar die Voraussetzung für die Reproduktion. Danach müßte ein Wolf im Rudel ständig versuchen, sei - nen Rang zu verbessern. Wir haben aber gesehen, daß viele Tiere dies nicht tun, und verstehen jetzt, daß es im Interesse ihrer Gesamteignung so ist. Dies gilt vor allem für ältere subdominante Wölfe. Für jüngere Wölfe hingegen ist eine hohe Position Voraussetzung für den Verbleib im Rudel. Demnach müssen sie ein größeres Interesse an einem Aufstieg in der Rangordnung haben. In der Tat treten, wie wir 305
- Seite 253 und 254: um den Angriff eines Wolfes auf den
- Seite 255 und 256: einer Pattsituation, die schließli
- Seite 257 und 258: Abwehrdrohen eines »Prügelknaben
- Seite 259 und 260: egann, und Alexander, der reagieren
- Seite 261 und 262: die Rangniedrigste als letzte verdr
- Seite 263 und 264: Verhalten zwischen zwei Wölfen (a
- Seite 265 und 266: Die soziale Rangordnung im Wolfsrud
- Seite 267 und 268: es, außer bei den Welpen, ebenfall
- Seite 269 und 270: Erinnern wir uns zuerst an die im v
- Seite 271 und 272: haltensweise und auch ihre Ursache
- Seite 273 und 274: Paarung (Hängen) von Finsterau (li
- Seite 275 und 276: Er läßt sich auch nicht von Spiel
- Seite 277 und 278: Finsterau, die vier weitere Würfe
- Seite 279 und 280: ihre Welpen. Aber als sie nach etwa
- Seite 281 und 282: war schon ausgeschlossen ; jetzt wu
- Seite 283 und 284: Wölfchen waren sehr aufgeregt bei
- Seite 285 und 286: Rudelverkleinerung Mit der Geburt d
- Seite 287 und 288: und eine lange Zeit turbulenter Ran
- Seite 289 und 290: Januar 1976, kurz vor der Ranzzeit,
- Seite 291 und 292: alten Quälgeist Finsterau in die F
- Seite 293 und 294: cher Ränge Aggressionen heraus ? W
- Seite 295 und 296: zu dem starken Anstieg aggressiver
- Seite 297 und 298: ei der Auseinandersetzung des Indiv
- Seite 299 und 300: ein allgemeines Modell des Wolfsrud
- Seite 301 und 302: diese Gruppe vorstoßen und dadurch
- Seite 303: onserfolg eines Tieres sinnvoll, si
- Seite 307 und 308: Der Wolf ist ein Tier der Superlati
- Seite 310 und 311: Einer der drei in den Abruzzen mit
- Seite 312 und 313: Die Welpen werden in einer Höhle g
- Seite 314 und 315: Die stürmische Zeit der Welpen ver
- Seite 316 und 317: Rudelbindungen Ob es einen speziell
- Seite 318 und 319: Meine Schwiegermutter überkam das
- Seite 320 und 321: dungen festzustellen. So legten sic
- Seite 322 und 323: halten gegenüber den Welpen also i
- Seite 324 und 325: nahm daher im Sommer 1974, als sieb
- Seite 326 und 327: Ähnliche Ergebnisse erbrachten die
- Seite 328 und 329: Alexanders Freiheitsdrang Diese Wan
- Seite 330 und 331: ßen, ließ sich aber wie üblich d
- Seite 332 und 333: koll festzuhalten. Der Zusammenschl
- Seite 334 und 335: ten. Beim ersten Versuch nahm ich n
- Seite 336 und 337: lieb, während die andere weiterzog
- Seite 338 und 339: hohen Adulten erfahren dadurch eine
- Seite 340 und 341: wie die läufi ge Wölfi n - sonst
- Seite 342 und 343: unter mir im starken Scheinwerferli
- Seite 344 und 345: Neuntes Kapitel Anpassungswert sozi
- Seite 346 und 347: ausgehend lassen sich die verschied
- Seite 348 und 349: Demutsverhalten Der weitaus größt
- Seite 350 und 351: en, so auch den langsamen Anstieg d
- Seite 352 und 353: Verhaltensmatrix : Off ensives Droh
zucht von Finsteraus Welpen.) Über Ursachen <strong>und</strong> Funktionen<br />
von Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> Feindschaft im <strong>Wolf</strong>srudel<br />
gibt es allerdings, wie schon früher betont, noch viel zu<br />
forschen. Überhaupt scheint mir, daß wir erst am Anfang<br />
funktionaler Analysen sozialen <strong>Verhalten</strong>s stehen.<br />
Nach meinen Beobachtungen an den Gefangenschaft srudeln<br />
spielt der Rang, den ein <strong>Wolf</strong> in der hierarchischen<br />
Struktur seiner Alters- <strong>und</strong> Geschlechtsklasse im Rudel<br />
innehat, eine für dessen Eignung ganz wesentliche Rolle.<br />
Solange die Welpen das allgemeine Wohlwollen der Älteren<br />
genießen, bedarf es für sie keiner Rangordnung. <strong>Der</strong> Zugang<br />
zum Futter wird, wenn nötig, durch lokalisierte Auseinandersetzungen<br />
behauptet. Erst wenn es um die Behauptung<br />
vakant gewordener Positionen in der eng begrenzten<br />
Erwachsenengruppe geht, ist der Ranghöhere unter den<br />
Heranwachsenden im Vorteil. Bei den erwachsenen Wölfen<br />
schließlich ist ein höherer – wenn möglich der höchste<br />
– Rang bei den Rüden von Vorteil ; bei den Weibchen ist<br />
der höchste Rang sogar die Voraussetzung für die Reproduktion.<br />
Danach müßte ein <strong>Wolf</strong> im Rudel ständig versuchen, sei -<br />
nen Rang zu verbessern. Wir haben aber gesehen, daß viele<br />
Tiere dies nicht tun, <strong>und</strong> verstehen jetzt, daß es im Interesse<br />
ihrer Gesamteignung so ist. Dies gilt vor allem für ältere<br />
subdominante Wölfe. Für jüngere Wölfe hingegen ist eine<br />
hohe Position Voraussetzung für den Verbleib im Rudel.<br />
Demnach müssen sie ein größeres Interesse an einem Aufstieg<br />
in der Rangordnung haben. In der Tat treten, wie wir<br />
305