Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

weniger wurden. Zweckmäßigkeit wird nicht durch Einsicht erreicht, sondern durch Selektion. Die Th eorie der Gesamteignung oder die der »eigennützigen« Gene gibt nicht nur eine zwanglose Erklärung dafür, warum mehrere erwachsene Wölfe in einem Rudel bleiben, in dem nur ein Wurf im Jahr geboren wird. Sie erklärt auch die eigentlich ebenso erstaunliche Tatsache, daß sich ein Wolf für Jahre einem anderen unterordnet – wie beispielsweise Näschen zuerst Wölfchen (seinem Bruder) und später Olomouc (seinem Stiefsohn) oder wie die Jungwölfe den Älteren. Ebenso rückt sie die auf den ersten Blick unverständlich starke (und der Vorstellung über angebliche Gattentreue bei Wölfen widersprechende) Aggressivität des Alpha-Weibchens gegen den langsam schwächer werdenden langjährigen Partner (zum Beispiel Finsteraus Angriff e auf Näschen) in ein neues Licht. Zwischen den reproduzierenden Partnern eines Rudels bestehen in der Regel keine oder nur weit entfernte verwandtschaft liche Beziehungen. Für die erfolgreiche Aufzucht der eigenen Jungen ist ein starker Partner von Vorteil, und so wird der durch hohes Alter oder durch Verletzungen geschwächte Partner im Interesse der eigenen »fi tness«, des eigenen Fortpfl anzungserfolges, vertrieben. Weiter läßt sich mit dieser Th eorie auch einiges zum Phänomen von Freundschaft en beziehungsweise fehlenden Feindschaft en zwischen den Wölfen eines Rudels auf der Ebene populationsgenetischer Funktionszusammenhänge deuten. (St. Oswald etwa, der Wurfb ruder Finsteraus, beteiligte sich unter den Rüden besonders stark an der Auf- 304

zucht von Finsteraus Welpen.) Über Ursachen und Funktionen von Freundschaft und Feindschaft im Wolfsrudel gibt es allerdings, wie schon früher betont, noch viel zu forschen. Überhaupt scheint mir, daß wir erst am Anfang funktionaler Analysen sozialen Verhaltens stehen. Nach meinen Beobachtungen an den Gefangenschaft srudeln spielt der Rang, den ein Wolf in der hierarchischen Struktur seiner Alters- und Geschlechtsklasse im Rudel innehat, eine für dessen Eignung ganz wesentliche Rolle. Solange die Welpen das allgemeine Wohlwollen der Älteren genießen, bedarf es für sie keiner Rangordnung. Der Zugang zum Futter wird, wenn nötig, durch lokalisierte Auseinandersetzungen behauptet. Erst wenn es um die Behauptung vakant gewordener Positionen in der eng begrenzten Erwachsenengruppe geht, ist der Ranghöhere unter den Heranwachsenden im Vorteil. Bei den erwachsenen Wölfen schließlich ist ein höherer – wenn möglich der höchste – Rang bei den Rüden von Vorteil ; bei den Weibchen ist der höchste Rang sogar die Voraussetzung für die Reproduktion. Danach müßte ein Wolf im Rudel ständig versuchen, sei - nen Rang zu verbessern. Wir haben aber gesehen, daß viele Tiere dies nicht tun, und verstehen jetzt, daß es im Interesse ihrer Gesamteignung so ist. Dies gilt vor allem für ältere subdominante Wölfe. Für jüngere Wölfe hingegen ist eine hohe Position Voraussetzung für den Verbleib im Rudel. Demnach müssen sie ein größeres Interesse an einem Aufstieg in der Rangordnung haben. In der Tat treten, wie wir 305

zucht von Finsteraus Welpen.) Über Ursachen <strong>und</strong> Funktionen<br />

von Fre<strong>und</strong>schaft <strong>und</strong> Feindschaft im <strong>Wolf</strong>srudel<br />

gibt es allerdings, wie schon früher betont, noch viel zu<br />

forschen. Überhaupt scheint mir, daß wir erst am Anfang<br />

funktionaler Analysen sozialen <strong>Verhalten</strong>s stehen.<br />

Nach meinen Beobachtungen an den Gefangenschaft srudeln<br />

spielt der Rang, den ein <strong>Wolf</strong> in der hierarchischen<br />

Struktur seiner Alters- <strong>und</strong> Geschlechtsklasse im Rudel<br />

innehat, eine für dessen Eignung ganz wesentliche Rolle.<br />

Solange die Welpen das allgemeine Wohlwollen der Älteren<br />

genießen, bedarf es für sie keiner Rangordnung. <strong>Der</strong> Zugang<br />

zum Futter wird, wenn nötig, durch lokalisierte Auseinandersetzungen<br />

behauptet. Erst wenn es um die Behauptung<br />

vakant gewordener Positionen in der eng begrenzten<br />

Erwachsenengruppe geht, ist der Ranghöhere unter den<br />

Heranwachsenden im Vorteil. Bei den erwachsenen Wölfen<br />

schließlich ist ein höherer – wenn möglich der höchste<br />

– Rang bei den Rüden von Vorteil ; bei den Weibchen ist<br />

der höchste Rang sogar die Voraussetzung für die Reproduktion.<br />

Danach müßte ein <strong>Wolf</strong> im Rudel ständig versuchen, sei -<br />

nen Rang zu verbessern. Wir haben aber gesehen, daß viele<br />

Tiere dies nicht tun, <strong>und</strong> verstehen jetzt, daß es im Interesse<br />

ihrer Gesamteignung so ist. Dies gilt vor allem für ältere<br />

subdominante Wölfe. Für jüngere Wölfe hingegen ist eine<br />

hohe Position Voraussetzung für den Verbleib im Rudel.<br />

Demnach müssen sie ein größeres Interesse an einem Aufstieg<br />

in der Rangordnung haben. In der Tat treten, wie wir<br />

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