Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

download.hg13.de
von download.hg13.de Mehr von diesem Publisher
09.12.2012 Aufrufe

den Bayerischen Wald hatte sich »Bild am Sonntag« bereits einen Schauerbericht geleistet : »Ein Dorf lebt in Angst vor den Wölfen« ; damit war Waldhäuser gemeint. Mir kam es vor, als sei derselbe Mann in Hamburg, der vor vier Jahren aus Anfas Welpenabenteuer eine Sensation gemacht hatte, wieder am Werk gewesen. Nur hatten diesmal nicht Mütter eilig ihre Kinderwagen in die Häuser geschoben, sondern ängstliche Bauern ihr Vieh in die Ställe getrieben. Und wie bei Anfas Abenteuer schwor der Journalist, der uns in Waldhäuser besucht hatte, er habe einen ganz anderen Bericht abgeliefert. Ich ahnte daher Schlimmes. Die Bevölkerung im Bayerischen Wald war nicht gegen die Wölfe eingestellt, im Gegenteil. Falls aber aufgrund weiterer Schauermärchen in der Presse der Fremdenverkehr leiden sollte, konnte die Stimmung leicht umschlagen. Deshalb erzählte ich den Journalisten, wie harmlos Näschen sei und warum, und daß die Bevölkerung bei der Suche nach ihm aktiv mithelfe. Zum Schluß bat ich, sie sollten nicht sensationell übertreiben. Die Folge war überraschend : Diesmal wurde das übliche Wolfsklischee völlig umgedreht. So berichtete etwa »Bild« München von dem armen kleinen Näschen, der allein und hungrig im Wald umherstreife und nicht nach Hause fi nde, von seinem Herrchen, das ihn verzweifelt suche, und von all den guten Menschen, die ihm dabei hülfen. Berichte anderer Zeitungen waren im Tenor ähnlich, wenn auch nicht so dick aufgetragen. Wohl als Folge dieses allgemeinen Wohlwollens für den Wolf erließ das Landratsamt im nahe gelegenen Grafenau 234

vorerst Schießverbot. Als Näschen aber nach drei Wochen immer noch nicht zurück war, erhielten alle Grenzpolizeiposten, Zoll- und Forstdienststellen sowie die Jagdpächter vom Landrat Schießgebot. Als Begründung gab er an, er habe in Rußland sechs Wölfe geschossen und wisse, wie gefährlich diese Tiere seien. Ein Sturm der Entrüstung brach aus. Näschen wurde geradezu zum Symbol der mißverstandenen und geplagten Kreatur. Von überall bekam ich Unterstützung angeboten in meinem, wie man meinte, gerechten Kampf. Dabei verstand ich den Landrat recht gut. Wenn tatsächlich irgend etwas passieren würde, wäre er mitverantwortlich gewesen. Ich wußte, daß Näschen wirklich harmlos war. Aber wie sollte der Landrat das wissen ? Trotzdem war ich natürlich froh, als viele Jäger mich anriefen und mir versicherten, sie würden nicht schießen. Der Leiter einer Polizeistation erzählte, er habe den Abschußbefehl an seine Leute weitergeben müssen, habe aber gleichzeitig nur den Schuß mit dem Gewehr erlaubt, und Gewehre sollten auch weiterhin nicht auf der Streife getragen werden. In dieser Stimmung verbreiteter Geneigtheit wurde Näschen bald überall in Bayern, ja bis nach Norddeutschland hin gesichtet. Eine Arztfrau schrieb mir aus der Eifel, sie erahne den Wolf in ihrer Nähe ; eine andere Frau rief aus Oberbayern an und teilte mit, er heule nachts vor ihrem Fenster. Auf meine Frage, woher sie wisse, daß das Heulen von einem Wolf stamme, antwortete sie : »Es hört sich so schaurig an.« Was das wohl gewesen sein mag ? Ferien- 235

vorerst Schießverbot. Als Näschen aber nach drei Wochen<br />

immer noch nicht zurück war, erhielten alle Grenzpolizeiposten,<br />

Zoll- <strong>und</strong> Forstdienststellen sowie die Jagdpächter<br />

vom Landrat Schießgebot. Als Begründung gab er an, er<br />

habe in Rußland sechs Wölfe geschossen <strong>und</strong> wisse, wie<br />

gefährlich diese Tiere seien.<br />

Ein Sturm der Entrüstung brach aus. Näschen wurde<br />

geradezu zum Symbol der mißverstandenen <strong>und</strong> geplagten<br />

Kreatur. Von überall bekam ich Unterstützung angeboten<br />

in meinem, wie man meinte, gerechten Kampf. Dabei verstand<br />

ich den Landrat recht gut. Wenn tatsächlich irgend<br />

etwas passieren würde, wäre er mitverantwortlich gewesen.<br />

Ich wußte, daß Näschen wirklich harmlos war. Aber<br />

wie sollte der Landrat das wissen ? Trotzdem war ich natürlich<br />

froh, als viele Jäger mich anriefen <strong>und</strong> mir versicherten,<br />

sie würden nicht schießen. <strong>Der</strong> Leiter einer Polizeistation<br />

erzählte, er habe den Abschußbefehl an seine Leute<br />

weitergeben müssen, habe aber gleichzeitig nur den Schuß<br />

mit dem Gewehr erlaubt, <strong>und</strong> Gewehre sollten auch weiterhin<br />

nicht auf der Streife getragen werden.<br />

In dieser Stimmung verbreiteter Geneigtheit wurde Näschen<br />

bald überall in Bayern, ja bis nach Norddeutschland<br />

hin gesichtet. Eine Arztfrau schrieb mir aus der Eifel, sie<br />

erahne den <strong>Wolf</strong> in ihrer Nähe ; eine andere Frau rief aus<br />

Oberbayern an <strong>und</strong> teilte mit, er heule nachts vor ihrem<br />

Fenster. Auf meine Frage, woher sie wisse, daß das Heulen<br />

von einem <strong>Wolf</strong> stamme, antwortete sie : »Es hört sich<br />

so schaurig an.« Was das wohl gewesen sein mag ? Ferien-<br />

235

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!