Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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an der Kette zu halten. Unter diesen Umständen ließ ich ihn lieber im Zwinger. Ein paar Wochen später wurde es dann mit einem anderen Wolf, mit Anfa, wirklich kritisch. Bei meinen ersten Besuchen von Sylt aus hatte sie mich immer noch stürmischfreundlich begrüßt und war nicht von meiner Seite gewichen. Bei einem Besuch im Februar merkte ich aber schon außerhalb des Zwingers, daß sich ihr Verhalten mir gegenüber irgendwie verändert hatte. Sie wedelte zwar mit dem Schwanz und winselte aufgeregt, aber gleichzeitig biß sie leicht in den Zaun hinein. So dachte ich, daß es besser wäre, Anfa in den anschließenden Stall einzusperren, während ich den Zwinger saubermachte. Ich lockte sie hinein und schloß dann von außen die Schiebetür zum Zwinger. Durch eine kleine rechteckige Luke in knapp zwei Meter Höhe beobachtete ich sie im Stall. Sie erkannte mich und stemmte die Vorderbeine hoch gegen die Tür und knurrte leise. Ich ging hinaus, und über einen Gang erreichte ich von draußen durch eine Tür den Zwinger. Gerade hatte ich angefangen, den Dreck wegzuräumen, als vom Stall her laute Geräusche hörbar wurden. Verfl ucht, dachte ich, die Luke zum Stall ist nicht zu ; vielleicht versucht sie jetzt, sich durch die Öff nung hindurchzuzwängen. Ich rannte aus dem Zwinger heraus in Richtung Stall – und da kam mir Anfa schon entgegen. Sie machte einen riesigen Satz und sprang mich mit voller Wucht an. Mit meinen Händen konnte ich sie im Sprung abfangen und an beiden Seiten des Halses festhalten. Ich hob sie dann so hoch, daß 220

sie mit den Füßen nicht auf dem Boden aufsetzen konnte, und trug sie – wo ich die Kräft e dazu hernahm, weiß ich nicht – zu der Zwingertür, stieß diese mit dem Fuß auf und schmiß die Wölfi n in den Zwinger hinein. Noch in der Luft drehte Anfa sich um, und kaum auf dem Boden, machte sie wieder einen Sprung auf mich zu. Gerade noch rechtzeitig konnte ich die Tür zwischen uns beide bringen, und sie sprang in das Gitter hinein. Wütend biß sie in die Maschen, so daß sie sich das Zahnfl eisch blutig riß ; vor Aufregung war sie wie verrückt. Ich war froh, draußen zu sein. Von dieser Begegnung an hat sich Anfas Aggression mir gegenüber nicht mehr gelegt, und ich bin danach nie wieder in ihren Zwinger hineingegangen. Ein halbes Jahr später kam sie, zusammen mit Großkopf, in den Tierpark Neumünster. Dort haben Dagmar und ich sie ein paarmal besucht. Einmal waren fast zwei Jahre seit dem letzten Besuch verstrichen. Anfa erkannte uns sofort wieder, und während sie mich wie in Wut hinter dem Zaun angriff , rannte sie auf Dagmar in freundlichdemütiger Haltung zu, drehte sich um, rannte erneut wie eine Irrsinnige auf mich los, drehte sich wieder um und war der friedlichste Wolf, den man sich denken konnte : das alles binnen Sekunden. Noch nie habe ich bei einem anderen Wolf eine derart schnelle und totale Umkehr der Ausdrucksstrukturen erlebt. Warum hat Anfa mich nach einer so langen und intensiven Freundschaft derart plötzlich zu »hassen« begonnen ? Die Aggression Alexanders mir gegenüber ist verständlich : Als 221

an der Kette zu halten. Unter diesen Umständen ließ ich<br />

ihn lieber im Zwinger.<br />

Ein paar Wochen später wurde es dann mit einem anderen<br />

<strong>Wolf</strong>, mit Anfa, wirklich kritisch. Bei meinen ersten<br />

Besuchen von Sylt aus hatte sie mich immer noch stürmischfre<strong>und</strong>lich<br />

begrüßt <strong>und</strong> war nicht von meiner Seite gewichen.<br />

Bei einem Besuch im Februar merkte ich aber schon<br />

außerhalb des Zwingers, daß sich ihr <strong>Verhalten</strong> mir gegenüber<br />

irgendwie verändert hatte. Sie wedelte zwar mit dem<br />

Schwanz <strong>und</strong> winselte aufgeregt, aber gleichzeitig biß sie<br />

leicht in den Zaun hinein. So dachte ich, daß es besser<br />

wäre, Anfa in den anschließenden Stall einzusperren, während<br />

ich den Zwinger saubermachte. Ich lockte sie hinein<br />

<strong>und</strong> schloß dann von außen die Schiebetür zum Zwinger.<br />

Durch eine kleine rechteckige Luke in knapp zwei Meter<br />

Höhe beobachtete ich sie im Stall. Sie erkannte mich <strong>und</strong><br />

stemmte die Vorderbeine hoch gegen die Tür <strong>und</strong> knurrte<br />

leise. Ich ging hinaus, <strong>und</strong> über einen Gang erreichte ich<br />

von draußen durch eine Tür den Zwinger. Gerade hatte<br />

ich angefangen, den Dreck wegzuräumen, als vom Stall<br />

her laute Geräusche hörbar wurden. Verfl ucht, dachte ich,<br />

die Luke zum Stall ist nicht zu ; vielleicht versucht sie jetzt,<br />

sich durch die Öff nung hindurchzuzwängen. Ich rannte<br />

aus dem Zwinger heraus in Richtung Stall – <strong>und</strong> da kam<br />

mir Anfa schon entgegen. Sie machte einen riesigen Satz<br />

<strong>und</strong> sprang mich mit voller Wucht an. Mit meinen Händen<br />

konnte ich sie im Sprung abfangen <strong>und</strong> an beiden Seiten<br />

des Halses festhalten. Ich hob sie dann so hoch, daß<br />

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