Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

download.hg13.de
von download.hg13.de Mehr von diesem Publisher
09.12.2012 Aufrufe

Schnee zwischen die Wölfe, mal auf die Wölfe. Diese waren zuerst ganz ruhig, nur eben neugierig, was da so herumfl og, kletterten übereinander, sprangen empor, als der Vogel hochfl og, und versuchten ihn zu beschnuppern, als er sich neben sie setzte. Das Kettendurcheinander wurde immer größer und die Wölfe untereinander immer aggressiver. Näschen ging auf Wölfchen los, Alexander auf Mädchen, und Anfa auf alle. Kennzeichnend für solche Auseinandersetzungen ist, daß nicht wirklich fest gebissen wird ; aber dafür geht es um so lauter zu. Das Rotkehlchen war längst weggefl ogen, der Schnee stäubte von den Bäumen herunter, und das Durcheinander war kaum zu überbieten. So ganz traute ich mich auch nicht in diesen Haufen wütender Wölfe hinein, erwischte dann aber doch einen Teil der Zugkette und band diese an einem Baum fest. Dadurch konnte ich langsam einen Wolf am Schwanz aus dem Knäuel herausziehen und ihn schließlich auch von seinen Ketten befreien. Dann wurde der nächste aus dem Knäuel gezogen und losgebunden, darauf wieder der nächste, bis zuletzt nur noch Näschen übrig war, der immer noch wild um sich biß. Ich schmiß meinen Mantel auf ihn und drückte ihn dann mit dem Körpergewicht zu Boden, bis auch er befreit war. Dagmar rannte inzwischen den Wölfen im tiefen Schnee hinterher und band sie an den Halsbändern fest. Irgendwann hatten wir sie dann auch alle wieder. An diesem Tag aber zogen wir den Schlitten durch den Schneesturm nach Hause. Die jetzt fast einjährigen Wölfe waren inzwischen recht 200

groß geworden. Die drei Rüden wogen um vierzig Kilogramm, Mädchen – jetzt deutlich kleiner – knapp über dreißig Kilogramm. Mit Einbruch des Winters zeigten sie eine erhöhte Tendenz zur Aggression. Vor allem zwischen Alexander und Näschen gab es manchmal Auseinandersetzungen, die den Eindruck erweckten, als dienten sie nicht nur situationsgebunden der Behauptung des eigenen Freiheitsraumes, sondern seien auch erste Stellungskämpfe für den Platz zwei im Rudel nach Großkopf. Alexander war dabei stets der Herausforderer, indem er mit hochgehobenem Schwanz und Kopf an Näschen vorbeistolzierte. Näschen drohte daraufh in, und Alexander drohte zurück. Auch bei Futterstreitigkeiten und machmal sogar im Spiel entwickelten sich zwischen diesen beiden Jungwölfen ähnlich lautstarke, wenn auch immer noch harmlose Beißereien wie die im Schlittengeschirr. Wölfchen versuchte sich weitgehend aus diesen Streitigkeiten herauszuhalten. Im Februar und im März 1969 – Anfa und Andra waren jetzt knapp zwei Jahre, Mädchen knapp ein Jahr alt – wurden die beiden älteren Weibchen läufi g. Der einzige erwachsene Rüde im Rudel, Großkopf, zeigte sich aber daran überhaupt nicht interessiert. In späteren Jahren haben auch zweijährige Rüden Sexualverhalten gezeigt und sogar Welpen gezeugt, wenn auch erst bei den dreijährigen und älteren Rüden das Sexualverhalten in seiner vollen Stärke auft rat. Bei Großkopf war aber überhaupt keine Reaktion zu erkennen. Womöglich hing das mit einer Inzestbarriere zusam- 201

Schnee zwischen die Wölfe, mal auf die Wölfe. Diese waren<br />

zuerst ganz ruhig, nur eben neugierig, was da so herumfl<br />

og, kletterten übereinander, sprangen empor, als der Vogel<br />

hochfl og, <strong>und</strong> versuchten ihn zu beschnuppern, als er sich<br />

neben sie setzte. Das Kettendurcheinander wurde immer<br />

größer <strong>und</strong> die Wölfe untereinander immer aggressiver.<br />

Näschen ging auf Wölfchen los, Alexander auf Mädchen,<br />

<strong>und</strong> Anfa auf alle.<br />

Kennzeichnend für solche Auseinandersetzungen ist, daß<br />

nicht wirklich fest gebissen wird ; aber dafür geht es um so<br />

lauter zu. Das Rotkehlchen war längst weggefl ogen, der<br />

Schnee stäubte von den Bäumen herunter, <strong>und</strong> das Durcheinander<br />

war kaum zu überbieten. So ganz traute ich mich auch<br />

nicht in diesen Haufen wütender Wölfe hinein, erwischte<br />

dann aber doch einen Teil der Zugkette <strong>und</strong> band diese<br />

an einem Baum fest. Dadurch konnte ich langsam einen<br />

<strong>Wolf</strong> am Schwanz aus dem Knäuel herausziehen <strong>und</strong> ihn<br />

schließlich auch von seinen Ketten befreien. Dann wurde<br />

der nächste aus dem Knäuel gezogen <strong>und</strong> losgeb<strong>und</strong>en, darauf<br />

wieder der nächste, bis zuletzt nur noch Näschen übrig<br />

war, der immer noch wild um sich biß. Ich schmiß meinen<br />

Mantel auf ihn <strong>und</strong> drückte ihn dann mit dem Körpergewicht<br />

zu Boden, bis auch er befreit war. Dagmar rannte<br />

inzwischen den Wölfen im tiefen Schnee hinterher <strong>und</strong><br />

band sie an den Halsbändern fest. Irgendwann hatten wir<br />

sie dann auch alle wieder. An diesem Tag aber zogen wir<br />

den Schlitten durch den Schneesturm nach Hause.<br />

Die jetzt fast einjährigen Wölfe waren inzwischen recht<br />

200

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!