Der Wolf Verhalten, Ökologie und Mythos

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09.12.2012 Aufrufe

Die Welpen schrien, ich tobte, und Anselm ließ die Kleinen los. Dies wiederholte sich mehrmals, so daß ich die Welpen aus dem Gehege ganz fernhalten mußte. Großkopf und Andra waren dagegen sehr freundlich und fürsorglich gegenüber den Welpen. In späteren Jahren habe ich ähnliches, wenn auch nie wieder so aggressives Verhalten der rangniedrigeren Jungwölfe gegenüber Welpen beobachtet. Bei Anselm wurde es derart schlimm, daß er sogar die Welpen durch den Zaun hindurch zu beißen versuchte. Ich verstärkte deshalb den Zaun zwischen dem Wolfszwinger und jenem Teil des Gartens, in dem sich die Kleinen aufh ielten. Trotzdem gelang es einem Welpen, die Schnauze durch den Zaun zu stekken bei seinen Versuchen, Kontakt mit den großen Wölfen zu bekommen. Anselm biß ihn daraufh in so kräft ig in die Schnauze, daß diese an mehreren Stellen gebrochen wurde. Uns blieb nichts anderes übrig, als den kleinen Wolf zu töten. Auch ein zweiter Welpe machte denselben Fehler, konnte sich aber gerade noch zurückziehen und verlor so nur einen kleinen Teil seiner Nase. Er hieß fortan »Näschen«. Auch Wölfchen, der dritte Welpe, wurde am Zaun von Anselm gebissen und verlor dabei mehrere Zähne ; dem einzigen Weibchen des Wurfes, »Mädchen«, biß Anselm schließlich noch einen Zeh ab. Die Welpen konnten nicht immer in unserem Haus bleiben, und daher mußte Anselm weg. Bei dem Versuch, ihn einzufangen, habe ich einen meiner größten Fehler im Laufe 182

der Arbeit mit Wölfen gemacht. Wir hatten keine Fangeinrichtung im Gehege. Also mußte ich Anselm irgendwie betäuben, um an ihn heranzukommen. Im Institut hatten wir noch kein Betäubungsgewehr. So blieb nur übrig, Anselm irgend etwas ins Futter zu mischen. Der Kieler Tierarzt, der das Institut mitbetreute, kannte kein orales Betäubungsmittel für Hunde. (Ein befriedigendes Betäubungsmittel für Hunde und Wölfe, das man etwa ins Futter oder ins Trinkwasser träufeln kann, gibt es tatsächlich nicht.) Er schlug daher Valium vor, zwei Tabletten von je zehn Milligramm. Ich versteckte die Tabletten in einem Stück Fleisch, warf den anderen drei Wölfen im Gehege je ein totes Huhn zu und Anselm das präparierte Futterstück, das er sofort verschlang. Ich wartete eine Stunde, zwei, drei Stunden ; nichts passierte. Anselm war so frisch und munter wie immer. So warf ich ihm noch ein Futterstück, wieder mit zwei Tabletten, zu, und als sich nach weiteren drei Stunden immer noch keine Ermüdungserscheinungen zeigten, abermals eines mit zwei Tabletten. Inzwischen war es später Nachmittag geworden. Als ich jetzt zum wiederholten Male ins Gehege ging, zeigte Anselm sich etwas träge beim Aufste hen. Aber einfangen – daran war nicht zu denken. Ich rannte ihm hinterher, aber er war viel zu schnell. Verfl ucht, dachte ich, mit sechs Tabletten muß er doch mal untenbleiben, und rannte weiter. Es waren vielleicht zehn Minuten, die ich ihn so im Gehege herumjagte ; dann wurde er langsam schwächer, und ich erwischte ihn. Völlig hilfl os und 183

der Arbeit mit Wölfen gemacht. Wir hatten keine Fangeinrichtung<br />

im Gehege. Also mußte ich Anselm irgendwie<br />

betäuben, um an ihn heranzukommen. Im Institut hatten<br />

wir noch kein Betäubungsgewehr. So blieb nur übrig,<br />

Anselm irgend etwas ins Futter zu mischen. <strong>Der</strong> Kieler<br />

Tierarzt, der das Institut mitbetreute, kannte kein orales<br />

Betäubungsmittel für H<strong>und</strong>e. (Ein befriedigendes Betäubungsmittel<br />

für H<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Wölfe, das man etwa ins Futter<br />

oder ins Trinkwasser träufeln kann, gibt es tatsächlich<br />

nicht.) Er schlug daher Valium vor, zwei Tabletten von je<br />

zehn Milligramm. Ich versteckte die Tabletten in einem<br />

Stück Fleisch, warf den anderen drei Wölfen im Gehege<br />

je ein totes Huhn zu <strong>und</strong> Anselm das präparierte Futterstück,<br />

das er sofort verschlang.<br />

Ich wartete eine St<strong>und</strong>e, zwei, drei St<strong>und</strong>en ; nichts passierte.<br />

Anselm war so frisch <strong>und</strong> munter wie immer. So warf<br />

ich ihm noch ein Futterstück, wieder mit zwei Tabletten,<br />

zu, <strong>und</strong> als sich nach weiteren drei St<strong>und</strong>en immer noch<br />

keine Ermüdungserscheinungen zeigten, abermals eines<br />

mit zwei Tabletten. Inzwischen war es später Nachmittag<br />

geworden. Als ich jetzt zum wiederholten Male ins Gehege<br />

ging, zeigte Anselm sich etwas träge beim Aufste hen. Aber<br />

einfangen – daran war nicht zu denken. Ich rannte ihm<br />

hinterher, aber er war viel zu schnell. Verfl ucht, dachte<br />

ich, mit sechs Tabletten muß er doch mal untenbleiben,<br />

<strong>und</strong> rannte weiter. Es waren vielleicht zehn Minuten, die<br />

ich ihn so im Gehege herumjagte ; dann wurde er langsam<br />

schwächer, <strong>und</strong> ich erwischte ihn. Völlig hilfl os <strong>und</strong><br />

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